Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Ja, wir haben auch manchmal Konflikte - ich glaube übrigens, weniger als Berlin; hier gibt es nur

(Dr. Ralf Stegner)

mehr Aufregung darum. Wir streiten nicht über die Job-Center und über andere Dinge. Hier gibt es auch einmal ein klares Wort. Nach Neumünster habe ich mich ein bisschen rustikal ausgedrückt; das stimmt. Aber ich weiß, wie das bei Parteitagen funktioniert. Ich wollte einfach, lieber Herr Carstensen, dass Sie, was das Ergebnis angeht, auf Augenhöhe bleiben, wenn Sie auf Ihrem Parteitag wiedergewählt werden, und so wird das am Ende auch sein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Carstensen, ich will Sie ausdrücklich für das loben, was Sie zur Steuerpolitik gesagt haben. Denn da haben Sie nun wirklich die Position, die die Sozialdemokratie seit langem vertritt, übernommen. Und Sie haben so mächtige Gegenspieler wie Frau Merkel, Herrn Westerwelle und Herrn Arp.

(Beifall bei der SPD - Heiterkeit)

Wie ich heute gelesen habe, haben auch die 16 Fraktionsvorsitzenden gesagt, sie wollen Steuersenkungen haben. Insofern ist das schwer. Und Herr Biel, der nicht in der CDU ist, hat gesagt, er will den Soli abschaffen. Das kostet viele Milliarden, die wir nicht haben. Sie haben also unsere volle Unterstützung, lieber Herr Carstensen, was die gemeinsame Steuerpolitik an der Stelle angeht.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen unsere Arbeit bis zum 9. Mai 2010 fortsetzen. Wir wollen die Wahlperiode nicht um ein Jahr verkürzen, sondern um eine Woche verlängern. Sie hatten mit dem Tag der Arbeit Schwierigkeiten. Das sehen wir ein. Das ist nicht so wichtig. Wir wählen also am 9. Mai, das ist okay.

367 Tage Arbeit - das ist auch gut so. Und ich sage mal: Arbeit ist die altmodischste Form der Vermögensbildung, jedenfalls aus Sicht der Sozialdemokratie. Wir wollen also arbeiten und uns daran im nächsten Jahr messen lassen. Ich sage das für meine 28 Kollegen in der SPD-Fraktion, ich sage das für die acht Mitglieder im Kabinett, und aus aktuellem Anlass darf ich ausnahmsweise auch den stellvertretenden Regierungssprecher erwähnen - das ist ja eine wichtige Position - und sagen, dass wir uns gemeinsam für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes mit unserer Arbeit bis zum nächsten Jahr engagieren werden. Und dann treten wir wieder in den Wettbewerb. Und dann werden die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob ihnen das Bildungskonzept von uns gut gefällt - ohne Hürden,

ohne Barrieren und ohne Gebühren von der Kita bis zum Studium - oder ob sie etwas anderes wollen, ob sie für erneuerbare Energien sind oder für die Verlängerung von Restlaufzeiten der Atomkraftwerke, ob sie für gute Arbeit sind, wie wir das verstehen, mit Mindestlöhnen, für die man sich im Bundesrat einsetzt, und für Qualität oder für eine Alternative,

(Frauke Tengler [CDU]: Das ist Wahl- kampf!)

ob sie für eine solidarische Gesellschaft stehen und einen handlungsfähigen Staat. Das sind die Unterschiede, Frau Kollegin, zwischen Parteien, die nicht fusionieren wollen, sondern die koalieren und die übrigens wie in jeder Koalition Kompromisse schließen, zu denen wir auch in der Lage sind.

Ganz am Ende werden sie dann auch noch über den Spitzenkandidaten entscheiden und wen sie haben wollen. Da wird es um Sympathie gehen, aber es wird auch um Kompetenz und um Durchsetzungsfähigkeit und Geradlinigkeit gehen.

(Lachen bei der FDP)

Die Sozialdemokratie, das sage ich Ihnen, ist außerordentlich zuversichtlich und selbstbewusst. Sie ist bereit, gemeinsam Verantwortung für unser schönes Land Schleswig-Holstein zu tragen. Wir werden das gemeinsam bis zum 9. Mai 2010 tun, und dann stellen wir uns dem Votum der Wähler in der Frage, bei der es um Zukunftskonzepte geht, aber auch um die Frage: Habt ihr euch permanent um Wahltermine gekümmert und herummanipuliert mit Verfassung und Wahltagen, oder habt ihr eure Arbeit gemacht? Wir entscheiden uns für Letzteres.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Stegner. Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war wirklich eine bemerkenswerte und große Rede des Ministerpräsidentenkandidaten der SPD, Dr. Ralf Stegner,

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Ralf Stegner)

die man für die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit in einem Satz zusammenfassen kann: Die Union muss bei der Stange bleiben, damit die SPD ihre erfolgreiche Politik fortsetzen kann. Das war der Inhalt der Rede.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber im Ernst: Die Wirtschaftskrise hat Schleswig-Holstein erreicht. Nach Angaben der IHK Schleswig-Holstein steckt das Land im ersten Quartal 2009 in der Rezession und der Konjunkturklimaindex hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die Werften befinden sich in der Krise. Dr. Stegner hat eine Vielzahl von Beispielen aufgelistet.

Den Landeshaushalt wird die Wirtschaftskrise demnächst in Form von Steuermindereinnahmen erreichen. Die Garantien für die HSH Nordbank können das Land an den Abgrund der finanziellen Handlungsfähigkeit führen.

Und in diesen Zeiten, in denen man von einer Landesregierung erwartet und auch erwarten kann, dass sie die Ärmel hochkrempelt und arbeitet, dass sie über parteitaktische Ideologien hinweg pragmatisch arbeitet, um das schleswig-holsteinische Schiff wieder auf Kurs zu bringen, erleben wir eine Landesregierung im politischen Nirwana.

Lieber Kollege Dr. Wadephul, die Debatte um Neuwahlen hat nicht die Opposition angezettelt, sondern der von Ihnen getragene Ministerpräsident dieses Landes.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir erleben einen Abtanzball der Eitelkeiten statt Tatkraft. Wir erleben persönliche Angriffe, wie sie in einer Konstellation, die eigentlich eine Partnerschaft sein sollte, nur zur Kenntnis genommen werden muss, wenn die Scheidung unmittelbar bevorsteht. Und selbstverständlich, da Sie auch historisch vorgebildet sind, nehme ich den Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“, den Sie sozusagen für die schleswig-holsteinische Landschaft übersetzt haben, interessiert zur Kenntnis.

Sie wollen Beispiele? Sie bekommen Beispiele! Da benotet der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Stegner die Arbeit der Christdemokraten in der Koalition mit „ausreichend“ bis „mangelhaft“, obwohl auch die SPD Teil dieser Landesregierung ist.

Da weist Dr. Stegner - wohl bewusst - in seinem Twitter auf einen Kommentar hin, der die takti

schen Fähigkeiten des Ministerpräsidenten als „mitleiderregend bescheiden“ tituliert.

Da legt er im sh:z nach und wirft dem Ministerpräsidenten erkennbares „Unvermögen und Dilettantismus“ und „Großbauernart“ vor - was auch immer diese Titulierung beinhaltet. Und dieser Dr. Stegner hat nun erklärt, er wolle keine Neuwahlen. Dabei, lieber Herr Kollege Dr. Stegner, haben Sie doch selbst in Ihren vielfachen Statements bereits mehrfach die Gründe für Neuwahlen genannt. Wer erklärt, dass der Regierungschef ein Dilettant und unvermögend ist, kann doch nicht eine Politik unter diesem Ministerpräsidenten fortsetzen wollen. Das ist doch kaum noch zu erklären.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich kann mir kaum vorstellen, dass die SPD dies der deutschen Öffentlichkeit, den schleswig-holsteinischen Wählerinnen und Wählern erklärt.

Aber auch die CDU kann nicht erklären, warum sie noch mit einer SPD in einer Regierung zusammensitzen möchte, wenn der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Geerdts das Wort - ich muss es zitieren, Frau Präsidentin - „Kotzbrocken“ für Dr. Stegner ins Spiel bringt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Na ja, da hat er ja recht!)

Dieses Hickhack macht alle Zuschauer und Zuhörer mittlerweile sprachlos. Es gehen die Worte aus, um noch einen sinnvollen Kommentar zu diesem Trauerspiel abzugeben. Da bleibt nur die Wiederholung: Mit dieser Konstellation und mit dieser Koalition muss Schluss sein.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch auch mittlerweile eine Frage der Selbstachtung. Wer nur einen Zoll Respekt vor sich selbst hat, lieber Herr Ministerpräsident, lieber Peter Harry Carstensen, und eine eigene Integrität besitzt - eine Frage der Selbstachtung -, lässt so nicht mit sich umspringen, ganz zu schweigen davon, welches Beispiel des persönlichen Umgangs hier der Öffentlichkeit geboten wird.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU und SPD schaffen es wirklich, alle negativen Attribute zu bestätigen, die es im Volksmund so über Politiker gibt.

(Wolfgang Kubicki)

Es muss auch Schluss sein mit der These, dass in Krisenzeiten nur eine große Mehrheit im Parlament in der Lage ist, große Probleme zu lösen. Wir haben jetzt seit mehr als vier Jahren in SchleswigHolstein feststellen müssen, dass das Gegenteil der Fall ist.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Was in schweren Zeiten benötigt wird, ist eine Koalition mit einer starken Partnerschaft. Dabei definiert sich die Stärke nicht über die Anzahl der Abgeordneten, sondern über die gemeinsame politische Richtung. Und da können wir uns streiten wie wir wollen, es ist klar, dass es zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine größere politische Übereinstimmung gibt, und es ist klar, dass es zwischen Union und FDP eine größere Übereinstimmung gibt und dass möglicherweise die grundlegende Entscheidung, in die eine oder andere Richtung zu marschieren, dem Land besser täte als die dauernde Suche nach Kompromissen, die überwiegend faul sind.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Auch mit knappen Mehrheiten kann man starke Partnerschaften bilden und entschlossen Probleme lösen. Das haben uns die letzten 60 Jahre Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland gleich mehrfach bestätigt. Die großen Entscheidungen sind von kleinen Koalitionen gefällt worden und nicht von großen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Was wir nicht brauchen, ist eine Koalition der Blockade, der diametral verschiedenen Politikansätze, eine Koalition des geringsten gemeinsamen inhaltlichen Nenners und des Scheiterns. Genau dies aber ist diese sogenannte Große Koalition. Auch hier gibt es genügend Beispiele.