Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Was wir nicht brauchen, ist eine Koalition der Blockade, der diametral verschiedenen Politikansätze, eine Koalition des geringsten gemeinsamen inhaltlichen Nenners und des Scheiterns. Genau dies aber ist diese sogenannte Große Koalition. Auch hier gibt es genügend Beispiele.

Ein Beispiel für die gegenseitige Blockade dieser Koalition ist das Thema Personaleinsparungen - übrigens ein Thema, bei dem der Fraktionsvorsitzende der SPD die CDU auch mit einem „ausreichend“ bis „mangelhaft“ benotet hat.

In einem hat Herr Dr. Stegner Recht: Es ist wirklich nicht viel zu sehen von großen Personaleinsparungen. Das Interessante daran aber ist, dass es zumeist gerade die sozialdemokratisch geführten Ressorts sind, die sich hier Reformen verweigern.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

So hat sich gerade Dr. Stegner immer dagegen gewandt, als er Innenminister war, im Katasterwesen Personal abzubauen und mehr Vermessungsaufgaben durch sogenannte öffentlich bestellte Vermessungsingenieure durchführen zu lassen. Wer sich also selbst geweigert hat, am Personalabbau mitzuwirken, darf den anderen nicht mit einem „mangelhaft“ oder „ausreichend“ benoten.

(Beifall bei der FDP)

Beispiele für die Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners und der entgegenstehenden Politikansätze sind die Schulpolitik und die Kreisgebietsreform. In der Schulpolitik ist die CDU wie wir angetreten, das bis vor kurzem bestehende gegliederte Schulsystem zu optimieren. Die SPD wollte Gemeinschaftsschulen allerorten. Herausgekommen ist ein großer Murks mit Gemeinschaftsschulen, Regionalschulen und Gymnasien, der in der Bevölkerung nicht angenommen wird.

(Lachen und Zurufe von der SPD)

Sie müssen mal außerhalb Ihres kleinen Biotops mit anderen Menschen reden, außer mit den 25 %, die noch bereit sind, Sozialdemokraten zu wählen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das ist ein großer Murks, der von der Bevölkerung nicht angenommen wird. Wir werden ja sehen, wie die Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Realschulen ausgehen wird. Warten Sie es doch in Ruhe ab. Ich kann nur sagen: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Nordrhein-Westfalen, wo die Realschulen durch die dortige Regierungskoalition gerade gestärkt werden, statt abgeschafft zu werden wie in Schleswig-Holstein.

(Andreas Beran [SPD]: Irrweg!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Kreisgebietsreform war es die Parteibasis, die den CDUgeführten Teil der Landesregierung in die Schranken gewiesen hat. Die SPD will immer noch eine große Kreisgebietsreform, die Unionsbasis macht dies nicht mit. Beim Landesentwicklungsplan sind die Positionen der Regierungsparteien diametral entgegengesetzt. Die Union unterstützt den ländlichen Raum, was sinnvoll ist, die SPD die Städte. Herauskommen wird auch hier wieder nur ein fauler Kompromiss.

Beispiele für das Scheitern: Wir nehmen das Beispiel Funktionalreform. Was ist mit dem groß ver

(Wolfgang Kubicki)

sprochenen Aufgabenabbau? Der fällt schlichtweg aus. - Was war mit dem neuen Polizeirecht? - In Teilen verfassungswidrig. Die Regierung war gewarnt. Hier nenne ich meinen Lieblingsinnenminister der damaligen Zeit, der versucht hat, rechter zu sein als Schily und Schäuble gemeinsam, den damaligen Innenminister Dr. Stegner, der trotz aller Warnungen in der Debatte im März 2006 erklärt hat:

„Wer mir erzählen will, wir hätten etwas Verfassungswidriges vorgelegt, wo wir in Teilen genau die Kommentare jüngster Urteile abschreiben, der muss mir erklären, wie er Verfassungsgemäßheit definiert.“

Ich kann nur hoffen, er hat bei der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Beispiel zum Kfz-Screening den Erklärungen dieses Gerichts aufmerksam zugehört. Jemand, der so häufig die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland gebrochen hat wie Dr. Stegner, ist es nicht wert, Ministerpräsident Schleswig-Holsteins zu werden.

(Beifall bei der FDP)

Und letztlich: Was ist mit der HSH Nordbank? - Da sind Mitglieder der Landesregierung in ihrer Kontrollfunktion im Aufsichtsrat gescheitert, aber auch die Landesregierung in Gänze. Was mussten wir uns von der Regierung belächeln lassen, als wir jedes Jahr aufs Neue den Verkauf der Landesanteile an der HSH Nordbank gefordert haben! Heute lächelt keiner mehr bei CDU und SPD. Jüngste Meldungen müssen uns alle sehr besorgt machen, beispielsweise die Meldung, dass Herr Flowers nun gegen die Kapitalerhöhung bei der HSH Nordbank klagen wird, weil er vermutet - wie ich meine, zu Recht -, dass seine Einflussmöglichkeiten auf die Geschäfte der Bank damit gegen null tendieren.

All dies belegt: Es kommt nicht auf die Anzahl der Abgeordneten im Parlament an, es kommt auf die handelnden Akteure an. Die Große Koalition in Schleswig-Holstein ist politisch gescheitert und menschlich verbraucht. Was Schleswig-Holstein jetzt braucht, ist ein Neuanfang. Wir brauchen Wahlen und eine Regierung, die sich als Partner versteht, die gemeinsame Projekte verfolgt, und vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise eine Regierung des wirtschaftlichen Sachverstandes. CDU und SPD in Schleswig-Holstein sind da eine schlechte Mischung.

Ein weiteres Hinhangeln bis zum Wahltermin im Mai 2010 bedeutet ein weiteres Jahr des Zurückfallens des Landes Schleswig-Holstein im Vergleich

zu anderen Bundesländern und in Europa, und zurückbleiben dabei die Menschen dieses Landes, die Bürgerinnen und Bürger. Für uns ist das auch aus staatspolitischer Verantwortung nicht länger hinnehmbar.

Wie war doch gleich das Zitat eines Kommentators aus dem „Hamburger Abendblatt“ - ich zitiere, Frau Präsidentin -:

„Neuwahlen sind eine Schnapsidee, aber eine gute.“

Mag der sogenannte Befreiungsschlag des Ministerpräsidenten auf der CDU-Sitzung am 24. April auch aus taktischen Gründen erfolgt sein, um von CDU-internen Problemen abzulenken - man konnte die Felsbrocken fallen hören, nicht nur bei der Union, sondern auch bei den Menschen in SchleswigHolstein, die ihnen vom Herzen fielen. Endlich - so war die allgemeine Meinungslage, jedenfalls außerhalb des sozialdemokratischen Lagers. „Endlich Schluss mit dieser Koalition“ war der Tenor der Menschen auf der Straße, der einem in diversen Gesprächen entgegengebracht wurde. Bereits am 1. April titelte die „Landeszeitung“, dass bereits jeder zweite Bürger in Schleswig-Holstein Neuwahlen wolle. Das war kein Aprilscherz. Mittlerweile ist diese Anzahl mit Sicherheit angewachsen.

Ich appelliere an Sie: Denken Sie an die Menschen in unserem Land, machen Sie Schluss, machen Sie den Weg für Neuwahlen frei! Das wäre dann endlich einmal eine gute und wegweisende Entscheidung dieser Koalition.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der Wahltermin macht zusammen mit der Bundestagswahl Sinn, nicht nur aus Kostengründen. Wir können nicht innerhalb eines halben Jahres drei Wahlen abhalten, Frau Kollegin Heinold. Der ehemalige Befürworter und jetzige Gegner einer Großen Koalition, der Politikwissenschaftler Professor Dr. Krause, brachte es auf den Punkt: Die Zusammenlegung von Bundes- und Landtagswahl sichert eine hohe Wahlbeteiligung, auf die es uns ankommen muss. Denn wir brauchen ein deutliches Votum der Menschen in diesem Land, wohin sich Schleswig-Holstein entwickeln soll.

Ich kann es nur mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog sagen: Geben Sie sich einen Ruck! Es muss ein Ruck gehen durch SchleswigHolstein, es muss ein Ruck gehen durch dieses Parlament. Stimmen Sie dem Antrag zu!

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Kubicki. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war eine bewegte 16. Wahlperiode, die wir heute gern beenden würden. Am Anfang stand der hinterhältige Sturz von Heide Simonis durch einen politischen Heckenschützen, der sich bis heute in diesem Saal versteckt hält. Es gibt viele Mutmaßungen über die Motive dieser Tat. Neben persönlichen Beweggründen wurde auch über die Furcht vor der Instabilität einer sehr knappen Mehrheit spekuliert. Letztlich wissen wir es nicht. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist: Das, was stattdessen folgte, ist alles andere als handlungsfähig und stabil.

Diese Landesregierung hat erstaunlich wenig auf die Reihe bekommen. Die glühenden Anhänger einer Großen Koalition, die 2005 von großen Taten träumten und deshalb nicht zuletzt auf den SSW einprügelten, wurden enttäuscht. Zugegeben, die Schulreform war ein Schritt nach vorn. Ich gestehe gern zu, dass es seit 2005 auch eine ganze Reihe kleinerer Fortschritte gegeben hat, allen voran die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark und das Projekt für eine größere Selbstverwaltung in der Justiz. Das Verhältnis Schleswig-Holsteins zum Vatikan war seit der Reformation nicht mehr so herzlich wie heute. Aber der größte Teil der letzten vier Jahre ist vergeudet worden. Das Leuchtturmprojekt des Scheiterns ist die Verwaltungsstrukturreform, aber die Liste der verpassten Chancen ließe sich beliebig fortsetzen.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Große Koalition hat keine großen Taten vollbracht und keine schwierigen Reformen bewältigt, im Gegenteil, das Gesamtwerk dieser Regierung trägt den Titel: „Die Unvollendete“.

Zu diesem Bild passt, dass sich der Chef der Regierung jahrelang damit begnügt hat, als Landesvater über Dörfer und Marktplätze zu tingeln, und Körperkontakt zum Bürger mit bürgernaher Politik verwechselte. Das hat ihm auch lange hohe Popularitätswerte gesichert. Es fiel gar nicht auf, dass Peter

Harry Carstensen zu wichtigen landespolitischen Themen schwieg und sich im Gegensatz zu seinen CDU-Ministerpräsidenten-Kollegen auf Bundesebene kaum eingebracht hat.

Jetzt, wo die Krise entschlossenes politisches Handeln fordert, hat der Ministerpräsident zum Anfassen aber seine Faszination eingebüßt. Nun wird immer deutlicher, dass wir einen Regierungschef haben, der auf Volksfesten zur Hochform aufläuft, aber politisch versagt. Als sich das Drama um die HSH Nordbank entfaltete, war Peter Harry Carstensen monatelang untergetaucht und schob seinen Finanzminister vor.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber irgendwann ließ sich nicht mehr verstecken, dass sich der Ministerpräsident wegduckt, wenn es ernst wird. Kein Mensch glaubt, dass schuld an der Misere nur ein Regierungssprecher war, der uns die herausragenden Qualitäten des Ministerpräsidenten beim Krisenmanagement verschwieg.

Wenn die Große Koalition trotz dieser lähmenden Bilanz nicht zuerst mit politischer Lethargie verbunden wird, dann liegt das neben der Mobilität des Ministerpräsidenten daran, dass andere hervortretende Persönlichkeiten des Bündnisses erfolgreich auf sich aufmerksam machen konnten. Immer wieder wurden die Bürgerinnen und Bürger Zeugen von unfruchtbaren Streitigkeiten um zentrale Vorhaben: Verwaltungsreform, Schülerbeförderungsgebühren, Entbürokratisierung, kostenfreie Kita, Beamtenbesoldung, HSH Nordbank, Personalabbau, Schuldenbremse.

All diese wichtigen Themen und viele mehr stehen in Schleswig-Holstein vor allem für eines: eine Koalition, die sich nicht einig werden kann und diese Uneinigkeit wechselseitig durch mal mehr, mal weniger persönliche Angriffe auf den Koalitionspartner zu Markte trägt. Statt eines konstruktiven Burgfriedens der Großen haben wir in den letzten vier Jahren einen schwelenden Nachbarschaftsstreit erlebt, der immer wieder öffentlich ausgetragen wurde. Seit vielen Monaten erleben wir nun einen unversöhnlichen Dauerkonflikt zwischen der CDU und der SPD, bei dem sich die Partner mit allem bewerfen und beschießen, was die politische Waffenkammer hergibt.

Jeder Unternehmensvorstand und wahrscheinlich auch die meisten CDU-Ortsverbände hätten in einer solchen Lage längst einen Mediator geholt, der zwischen den Parteien wieder eine halbwegs vernünftige Kommunikationsebene herstellt. Die Regierung

(Wolfgang Kubicki)

hat es aber geschafft, ohne Hilfe weiterzumachen, weil der Chef selbst seine Aufgabe mehr als Moderator denn als Entscheider gesehen hat. Die Leistung von Peter Harry Carstensen besteht darin, diesen chaotischen Laden vier Jahre lang zusammengehalten zu haben.

Aber mittlerweile kann sich niemand mehr der Illusion hingeben, dass die beiden Parteien wieder friedvoll miteinander leben, geschweige denn gemeinsame Projekte durchführen können. Nicht einmal die Beteiligten selbst glauben noch daran; das hat der Ministerpräsident ja nun deutlich zu verstehen gegeben, als er am 24. April Neuwahlen offerierte. Mit anderen Worten: Diese Beziehung ist in einer Phase, in der jeder Therapeut schreiend davonlaufen würde, weil nicht einmal mehr eine geordnete Trennung möglich ist. Sie ist am Ende.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für das Land Schleswig-Holstein und seine Menschen wäre ein vorzeitiges Ende dieser Koalition mit Sicherheit kein Verlust, sondern der Auftakt zu einem politischen Frühling.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)