Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Peter Harry Carstensen ist aber nicht bereit, daraus die Konsequenz zu ziehen und das Handtuch zu werfen. Deshalb muss das Parlament Verantwortung für das Land übernehmen und diese unselige Wahlperiode endlich beenden. Wir appellieren nochmals an die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD: Macht endlich Schluss! Wer an dieser Koalition festhält, der setzt die Partei oder persönliche Interessen über die des Landes, und der schadet dem ohnehin ramponierten Ansehen des Parlaments.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Besonders in Richtung der SPD sage ich: Wer weiterhin im Brustton der Überzeugung öffentlich markante Meinungen verkündet, aber im Landtag immer wieder für das Gegenteil stimmt, der schadet nicht nur dem Ansehen der Landespolitik, sondern auch der Glaubwürdigkeit der eigenen Partei.

Der SSW unterstützt jede Bemühung um Neuwahlen, solange sie nicht am 27. September stattfinden sollen. Die Zusammenlegung der Landtagswahl mit der Bundestagswahl würde dazu führen, dass die Auseinandersetzung um landespolitische Probleme von der Bundespolitik verdrängt wird.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Wann soll sie denn sein? - Jürgen Weber [SPD]: Je- der pflegt seinen eigenen Opportunismus!)

Bei der kommenden Landtagswahl geht es aber für Schleswig-Holstein ums Ganze. Die Bürgerinnen und Bürger müssen entscheiden, wer die großen Probleme lösen soll, die Peter Harry Carstensen und sein Team gerade haben anbrennen lassen. Ich kann nachvollziehen, dass der eine oder andere glaubt, dass der aktuelle Rückenwind für Angela Merkel und Guido Westerwelle auch in SchleswigHolstein mehr für die eigene Partei bewegen kann als der Sturm um den Ministerpräsidenten oder die rhetorischen Fallböen von Wolfgang Kubicki. Aber Schleswig-Holstein muss eigene Antworten auf die Wirtschaftskrise, auf die steigende Arbeitslosigkeit und auf den Absturz der HSH Nordbank finden. Schleswig-Holstein muss selbst sehen, wie wir die Schulden abbauen und die Bildung aufbauen. Darum muss es bei der Landtagswahl gehen. Der SSW wird daher den Antrag der Grünen unterstützen und den Änderungsantrag der FDP ablehnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich kommen wir nicht umhin, dass wir es heute mit einer Phantomdebatte zu tun haben. Die Aussage des Ministerpräsidenten zu vorzeitigen Neuwahlen war nur ein ungeschickter, naiver Versuch, von den eigenen Problemen in der CDU abzulenken. Die Konsequenzen aus dem Scheitern seiner Regierung mag er nicht ziehen, also eskaliert der Kleinkrieg weiter. Angesichts der nahenden Wahlen gönnen sich die betreffenden Herren weniger denn je das Schwarze unter den Fingernägeln. Die SPD und die CDU werden sich bis zum 9. Mai gegenseitig provozieren, sich läutern, sich bis aufs Blut reizen, sich wieder zusammenreißen und so weiter. Die Spirale dreht sich abwärts, und die Bürger werden immer mehr fragen, wozu sie denn eigentlich eine Landesregierung brauchen, wenn diese keine Politik machen will.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Man braucht nun wirklich kein Politologe zu sein, um festzustellen, dass das Vertrauen in die Integrität der Landespolitik in den letzten Wochen auf dem tiefsten Punkt seit Jahrzehnten angekommen sein dürfte. Dazu hat das CDU/SPD-Bündnis nach besten Kräften beigetragen. Letztlich hat der Heckenschütze vom 17. März 2005 nicht nur auf Heide Simonis gezielt, sondern auch die demokratische Kultur in Schleswig-Holstein angeschossen. Wir brauchen einen Neuanfang, und wir brauchen ihn jetzt.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben eine vorzeitige Beendigung der laufenden Legislaturperiode beantragt. Wir haben die Debattenbeiträge dazu gehört. Es ist das gute Recht und auch die Pflicht der Opposition, die Regierung zu kontrollieren, zu kritisieren und sie zu befragen, aber es ist auch die Pflicht der Opposition, überzeugende politische Alternativen zu formulieren. Das ist hier nicht passiert. Hier ist eine Diskussion von gestern nachgeholt worden, die heute keine Grundlage mehr hat.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Koalitionspartner haben sich in der letzen Woche darauf verständigt und haben bekräftigt, den Auftrag der Wählerinnen und Wähler vollständig zu erfüllen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Dieser Auftrag wird nicht allein vom Ministerpräsidenten, sondern von der Koalition gemeinsam ausgeführt. Ich jedenfalls werde - wie bisher - auch in Zukunft alles für den Erfolg der Landesregierung und für das Wohlergehen unserer Bürgerinnen und Bürger tun. Das ist Auftrag der Koalition,

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und diese besteht aus SPD und CDU, und deswegen ist auch klar: Bis zum Ende des Vertrages sind Erfolg und Misserfolg nicht teilbar.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich gehe davon aus, dass hier jeder sein Bestes gibt und mit dem Ergebnis dann erst am Wahltag zur Entscheidung vor den Wähler tritt.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Mit Stegner Seit an Seit!)

- Gemach, gemach! - Wir haben noch ein Jahr zu regieren. Unsere Wählerinnen und Wähler wollen

Lösungen, und an denen arbeiten wir hart weiter. Das sage ich für alle Mitglieder des Kabinetts und alle, die diese Regierung im Parlament tragen. Wir werden an den Ergebnissen gemessen und an der Art und Weise, wie wir den gemeinsamen Auftrag umgesetzt haben.

Lieber Kollege Hentschel, Sie haben ja eine Reihe von Zitaten gebracht. Das war fast schon ein richtiges Buch, das Sie vorgelesen haben.

(Claus Ehlers [CDU]: Aber kein Bestseller!)

- Nein, das war kein Bestseller, weil er natürlich etwas Wichtiges vergessen hat, und zwar den Kommentar von Stefan Richter, am 3. Mai in der „Zeitung am Sonntag“: „Stunde der Großen Koalition“:

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

„Wenn die Große Koalition in Kiel je eine Berechtigung hatte, dann jetzt. … Jetzt aber geht es um die Rettung von Arbeitsplätzen im Land … Es geht um die Hilfe für Werften, denen die Aufträge wegbrechen, um den schnellen Einsatz der Mittel aus dem Konjunkturpaket“

und so weiter. - Ich empfehle auch Ihnen, das noch einmal zu lesen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, ich meine, dass dies das Entscheidende ist. Wir haben gemeinsam die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, unsere Verantwortung wahrzunehmen. Ich habe keine Lust, die Debatten von gestern zu führen, wenn wir an morgen und übermorgen zu denken haben.

Worum geht es? Es geht darum, dass wir in der nächsten Zeit enorm wichtige Entscheidungen zu treffen haben und für diese Entscheidungen auch geradestehen. Wir haben in den letzten Jahren vieles erreicht. Das scheint einigen nicht mehr präsent zu sein, deswegen will ich einiges dazu sagen: Der Haushalt ist wieder verfassungsgemäß und die Neuverschuldung mehr als halbiert. A 7, A 20, A 23, Elbquerung, Fehmarnbelt-Querung, wir haben die Verkehrsblockade aufgelöst, Herr Hentschel. Unsere Hochschulen waren bei der Exzellenzinitiative erfolgreich. Wir haben gemeinsam mit EU und Bund ein milliardenschweres Zukunftsprogramm aufgelegt, bis 2013 sind das 1,4 Milliarden € für mehr Investitionen, für Wirtschaft, Wissenschaft, Landwirtschaft und Beschäftigung. Beim Abbau der Arbeitslosigkeit haben wir große Fortschritte erzielt.

(Beifall bei CDU und SPD)

(Anke Spoorendonk)

Wir lagen beim Abbau von Arbeitsplätzen immer über dem Durchschnitt und liegen jetzt unter dem Durchschnitt im Bund. Das muss ja wohl ein paar Gründe gehabt haben. Das sind Erfolge dieser Koalition und dieser Regierung. Dass das gemeinsame Erfolge sind, ist für mich eine Selbstverständlichkeit, und so sollte es für uns alle sein.

Wir sind weiter bei den Menschen in der Pflicht. Jede und jeder Abgeordnete in diesem Haus ist bei den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern in der Pflicht, die zentralen Herausforderungen anzunehmen. Ja, wir haben auch ernste Zeiten. Deswegen konzentriert sich diese Regierung, deshalb konzentriere ich mich auch auf das, was jetzt klar und dringend nötig ist, und das will ich hier auch nennen.

Erstens. Bund und Länder haben gemeinsam zwei Konjunkturpakete mit einem Volumen von insgesamt 80 Milliarden € bundesweit beschlossen. Ein Bestandteil ist unser Investitionsprogramm mit einem Volumen von 430 Millionen €. Lieber Herr Stegner, die Landesregierung, das sind nicht nur Frau Erdsiek-Rave, Frau Trauernicht, Herr Döring und Herr Hay, sondern im Wesentlichen auch Herr Wiegard, Herr von Boetticher und Herr Biel, die sehr intensiv und ohne irgendeinen Spalt zwischen den Roten und den Schwarzen miteinander arbeiten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Stegner, ich sage Ihnen auch: Auf ihr Steuerprogramm komme ich nicht zurück.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist schade!)

- Das ist nicht schade, das ist für Deutschland und Schleswig-Holstein gut so.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich will keine Vermögensteuer, und ich will auch nicht die Postkarten mit übernehmen. Ich werde mir auch weiterhin erlauben zu sagen, dass ich eine Steuerreform im Moment für falsch halte, wenn es weiter über die kalte Progression geht, ganz gleich, wer dort anderer Meinung ist.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat alles dafür getan und wird auch alles dafür tun, dass die Mittel des Konjunkturpakets so schnell wie möglich vor Ort ankommen. Die Umsetzung der Mittel darf nicht im bürokratischen Alltag versanden, und wir werden jetzt dafür sorgen, dass die Möglichkeiten des flexibilisierten Vergaberechts genutzt und baufachliche Prüfungen beschleunigt werden.

Wir wollen die Krise bestehen. Ich habe den Wirtschaftsminister um Vorschläge gebeten, welche weiteren konjunkturstützenden Maßnahmen wir in eigener Zuständigkeit ergreifen können. Ich denke da etwa an die Investitionsbank, die Bürgschaftsbank und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft. Wir brauchen passgenaue Förderinstrumente, und wir müssen dazu beitragen, die Finanzmärkte zu stabilisieren und unsere Unternehmen zu stützen. Das fordert unter anderem auch das Institut für Weltwirtschaft. In den Prozess zur Neustrukturierung der Landesbanken werden wir uns aktiv einbringen und haben wir uns schon aktiv eingebracht.

Zweitens. Wir müssen dafür sorgen, dass die HSH Nordbank neu ausgerichtet wird. Der Landtag hat vor wenigen Wochen der Erhöhung des Eigenkapitals der Bank und der Übernahme von Garantien in Milliardenhöhe zugestimmt. Zu den Entscheidungen gab es keine Alternative. Alle ernst zu nehmenden Experten - BaFin, SoFFin - sehen das so. Die HSH ist systemrelevant und darf nicht wegkippen. Hier sollte sich auch niemand aus der Verantwortung stehlen. Denn der Kern des Problems - meine Amtsvorgängerin hat es ja angedeutet, sie sprach davon, dass man damals „besoffen von der Idee“ war, immer satte Gewinne einzufahren - liegt nicht im Krisenmanagement des letzten Jahres, sondern weit davor. Das ist nicht einmal eine Schuldzuweisung; das ist nur eine Beschreibung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es geht um ein globales und ein nationales Problem, und es geht um ein Problem des Landes. Wir wollen es lösen.

Für mich zeigt insbesondere das Gespräch, das wir am Dienstagabend, übrigens mit Finanzminister Steinbrück, gehabt haben, wie man in der Großen Koalition hart an der Lösung unserer Herausforderung arbeiten kann, obwohl seine Partei im Bund in den Wahlkampf geht - eine Haltung, die ich zur Nachahmung empfehle.