Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Die weiterführenden Schulen ermöglichen beruflich orientierte Praktika beziehungsweise Betriebspraktika im europäischen Ausland. Neben der Arbeit in länderübergreifenden und internationalen Netzwerken unterstützen Europaschulen auch in ihrem regionalen Umfeld die Vermittlung des Europagedankens. Dabei beziehen sie sich auf andere Schulen und weitere Einrichtungen in der Region und beziehen Partner aus Politik und Wirtschaft, Kunst und Kultur in ihre Bildungsarbeit mit ein und treten auch hier als Förderer des Europagedankens hervor.

Die Arbeit der Europaschulen wird vom Land natürlich unterstützt. Allerdings hat die fachliche Begleitung das meiste Gewicht. Die finanzielle Förderung des Landes ist bescheiden; dass muss man einfach zugeben. Sie umfasst insgesamt 2.500 € für Fortbildung und Foren und 4.000 € für Reisen zu Partnerschulen, Auslandspraktika und Ähnliches. Hinzu kamen 2008 erstmalig 15.000 € aus dem Kompensationsfonds des Bundes, also insgesamt pro Europaschule ungefähr 700 €. Das Ministerium leistet zudem direkte Unterstützung bei der Beantragung von Mitteln der verschiedenen EU-Förderprogramme.

Meine Damen und Herren, über die 30 schon bestehenden Europaschulen hinaus gibt es natürlich weitere Schulen, die Interesse an diesem Titel haben. Wir erarbeiten für den weiteren Prozess derzeit ein Grundsatzpapier - das ist ja auch in Rendsburg schon diskutiert worden -, das im Wesentlich die Kriterien enthalten wird, die ich Ihnen hier genannt habe. Darüber hinaus sollen alle Europaschulen künftig jährlich darüber Bericht erstatten, wie sie die Kriterien erfüllen.

Ich finde, dass unsere Europaschulen besonders engagierte, gute Schulen sind. Ich möchte gern, dass sich der Europagedanke nicht nur in den Schulen allgemein weiter festigt, sondern auch, dass wir den Kreis der dezidierten Europaschulen, die sich in so vorbildlicher Weise mit diesem Gedanken befassen, noch erweitert werden kann - auf klarer Grundlage,

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

nach guten Kriterien und nachvollziehbar für die Öffentlichkeit und das Parlament.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Ich bitte um Nachsicht, dass ich Sie in meinem Bemühen um Ruhe mitten im Satz unterbrochen habe.

Nunmehr eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Niclas Herbst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat ruhig, allerdings auch relativ leer.

(Heiterkeit)

Ich danke zunächst einmal der Ministerin für den Bericht.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Ziel war es natürlich, dass wir auch in der Europawoche die Europaschulen noch einmal würdigen und uns aktuell über die Situation berichten lassen. Dafür möchte ich Ihnen danken. Ich würde Sie bitten, auch zu ermöglichen, dass wir im Ausschuss schriftlich noch einmal dieses Thema aufgreifen. Das wird sicherlich möglich sein, damit wir auch noch etwas tiefer in die Debatte einsteigen können.

Ansonsten ist, glaube ich, über die segensreiche Tätigkeit der 30 Europaschulen schon sehr viel gesagt worden. Ich muss das nicht wiederholen, und vor allem muss ich auch meinen nachfolgenden Rednern nicht alles vorwegnehmen. Wichtig wäre, wie gesagt, dass wir die konkrete Situation noch einmal im Ausschuss aufarbeiten dürfen.

Gerade die jetzige Phase vor der Europawahl und auch die gerade zu Ende gehende Europawoche hat ja sicherlich viele Kollegen in die Europaschulen geführt. Nicht nur in den Europaschulen wird gute Arbeit geleistet, aber gerade dort. Es ist immer wieder ein Gewinn, dort als Abgeordneter mit Jugendlichen zu diskutieren.

Ein Punkt ist mir wichtig, der mir vor der Europawahl immer wieder deutlich wurde, nämlich dass es zwar sehr viele Informationen über Europa gibt, es allerdings doch gerade für junge Menschen relativ schwierig ist, diese Informationen zu filtern. Das kann und muss die Schule unterstützen. Gerade deshalb haben unsere Europaschulen auch eine Pilotfunktion. Das ist in dem Bericht deutlich gewor

den. Dafür danke ich. Wir werden das im Ausschuss vertiefen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Astrid Höfs das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Woche können wir zu Recht die Europawoche nennen. Sie heißt ja auch die Europawoche. Heute steht eine Menge von Europathemen auf der Tagesordnung. Es fehlt jetzt noch der Bereich der Bildung. Ohne Bildung haben Jugendliche keine Chancen, ohne Chancen keine gesellschaftliche Teilhabe.

Der wirtschaftliche und soziale Wandel erfordert von den jungen Menschen heute mehr Kompetenzen als jemals zuvor, damit sie sich in einer globalisierten Wirtschaft und in einer immer vielfältigeren Gesellschaft behaupten können. Sie benötigen in jedem Falle nicht nur umfassende Sprachkenntnisse. Kreativität und die Fähigkeit, immer weiter dazulernen zu können, sind gefragt.

Junge Menschen müssen rechtzeitig und umfassend auf die Arbeitswelt Europa aufmerksam gemacht und vorbereitet werden. Ein besonderes Engagement zeigen hier die 30 Europaschulen in Schleswig-Holstein. Ich bin erfreut, dass die Anzahl der Europaschulen ständig gewachsen ist und dass alle Schularten vertreten sind, wenngleich sehr unterschiedlich verteilt. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass sie mehr geworden sind.

Das Interesse, Europaschule zu werden, ist sehr groß. Am besten wäre es, finde ich, wenn alle Schulen Europaschulen würden. Dann könnten wir davon ausgehen, dass der Europagedanke ausgeweitet wird, dass das Fremdsprachenprofil erweitert wird, dass grenzüberschreitende Projekte mit Schulen in anderen europäischen Ländern vertieft werden und dass Schulpartnerschaften ausgebaut werden. Partnerschaften eröffnen allen Beteiligten europäische Erfahrungen. Diese Kontakte vermitteln gelebtes Europa, Verständnis für andere Menschen, andere Kulturen und helfen, Vorurteile abzubauen. Dabei sehe ich den Schüleraustausch als genauso wichtig wie den Lehrkräfteaustausch an.

Anlässlich eines Gedankenaustauschs der Mitglieder des Arbeitskreises Europa der SPD-Fraktion mit Vertretern der Europaschulen wurde sehr deut

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

lich, dass gerade die Kontaktmöglichkeiten und Austauschprogramme bei den Schülerinnen und Schülern sehr gefragt sind. Insgesamt ist die Nachfrage nach Auslandsaufenthalten aber viel größer als das Angebot.

Zum Teil liegt das daran, dass die Antragsverfahren für EU-geförderte Projekte sehr bürokratisch sind und deswegen auch die praktische Umsetzung sehr aufwendig ist. Hierbei mangelt es den Lehrkräften hauptsächlich an Zeit für spezielle Aufgaben. Die betreffenden Lehrkräfte sollten auch besser über mögliche EU-Förderprogramme informiert sein, mehr Kontakte zu Lehrerinnen und Lehrern in Europa pflegen können, damit die Informationen dann auch vermehrt an die Schülerinnen und Schüler fließen können. Vielleicht ist es möglich, diese Arbeit in nächster Zeit entweder durch Ausgleichsstunden oder durch Koordinatorenstellen zu verbessern. Gut ist, dass das Ministerium die Schulen bei der Vermittlung der EU-Förderprogramme unterstützt.

Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn alle Schülerinnen und Schüler einen Auslandsaufenthalt machen könnten. Oft scheitert dieser auch an den finanziellen Möglichkeiten der Familien. Deshalb möchte ich hier auch den Verein der Europaschulen erwähnen, der oft hilfreich eingreift.

Für die berufsbildenden Schulen ist es oft ein Problem, Betrieben in Schleswig-Holstein den Europagedanken zu vermitteln. Während es den Schulen gelingt, die Schülerinnen und Schüler zu motivieren, sich für einen Auslandsaufenthalt zu entscheiden, muss in den Betrieben häufig erhebliche Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit die Auszubildenden ein Praktikum im europäischen Ausland machen können. Von Handwerksbetrieben, die daran teilgenommen haben, weiß ich, dass davon nicht nur die Auszubildenden, sondern nach deren Rückkehr auch die heimatlichen Betriebe profitieren.

Das gemeinsame Lernen junger Menschen aus verschiedenen Ländern ist ein Beitrag zum friedlichen Zusammenleben in Europa. Und gerade unsere Kinder sind doch die besten Botschafter, um das weitere Zusammenwachsen unseres Europas zu ermöglichen und voranzutreiben. Wir dürfen deshalb in unseren Bemühungen nicht nachlassen, den europäischen Gedanken so früh wie möglich an Kinder und Jugendliche heranzutragen.

Der Europaausschuss hat sich deshalb wiederholt in Europaschulen informiert, und - was ich noch wichtiger finde - die Ausschussmitglieder haben

während gemeinsamer Veranstaltungen mit den Schülerinnen und Schülern in Europaschulen über Europapolitik und über die Möglichkeiten junger Menschen in Europa diskutiert. Dafür sage ich den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen herzlichen Dank, die sich daran beteiligt und sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler gestellt haben.

Wir - die Europapolitikerinnen und Europapolitiker - nehmen gern jede Gelegenheit wahr, an Projekttagen oder auch in der Europawoche mit Schülerinnen und Schülern über Europa zu diskutieren und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Jeder einzelne Schüler, jede einzelne Schülerin und jede Lehrkraft in Europaschulen leistet einen Beitrag zur Integration und zum Frieden in Europa. Dafür spreche ich ihnen allen meine Anerkennung aus.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass die Arbeit der Europaschulen in Schleswig-Holstein und ihr Engagement außerordentlich verdienstvoll sind, dass sie zur Entwicklung des europäischen Gedankens beitragen und dass sie ein Beispiel für eine gute Bildungsarbeit in entsprechend profilierten Schulen in unserem Land darstellen

Ich möchte nur ein Beispiel aus den Aktivitäten von Europaschulen herausgreifen und zeigen, wie innovativ dort auch gearbeitet wird, nämlich etwa mit einem Beitrag, den die einzige Europaschule in Stormarn, das Emil-von-Behring-Gymnasium in Großhansdorf, mit der Entwicklung eines Konzepts geleistet hat, bei dem man den Schüleraustausch mit einer Schule in Bilbao in Spanien mit dem Angebot von Wirtschaftspraktika koppelt. Das macht, glaube ich, deutlich, wie man Schülern dieses Europa, das sowohl ein gemeinsamer Binnenmarkt als auch ein gemeinsamer Arbeitsmarkt ist, mit solchen Angeboten einzelner Schulen vertraut machen und ihnen öffnen kann.

Nun hat sich der Verein, in dem sich die Europaschulen unseres Landes zusammengeschlossen haben, Ende letzten Jahres in einem Resümee der bisherigen Arbeit, die die Schulen geleistet haben, für eine Reihe von Verbesserungen der Arbeitsbe

(Astrid Höfs)

dingungen dieser Schulen ausgesprochen. Ich denke, es ist vor allem auch notwendig, dass wir in der Ausschussnachbereitung dieser Landtagsdebatte darüber reden, wie man in den drei Punkten, die der Verein Europaschulen hier nennt, weiterkommen kann, nämlich etwa in der Verbesserung der Bedingungen für Berufs-, Betriebs- und Wirtschaftspraktika im Ausland einschließlich der Verbesserung der Angebote im Bereich des Lehrlingsaustauschs. Weiter geht es um eine Konzeption, die die Lehrkräfte dieser Schulen einschließt - bis hin zu ersten Schritten zur Einführung einer Art Europareferendariat.

Auf einen dritten Punkt wird man als Abgeordneter immer wieder hingewiesen, wenn man die Schulen vor Ort besucht. Es geht dabei um die Frage, ob es nicht ein spezielles Förderinstrumentarium jenseits der nur immateriellen Äußerungen geben könnte, aber eben zusätzlich, das für die Europaarbeit der Schulen bereitgestellt werden könnte. Vielleicht wäre auch eine zentrale Beratungsstelle nützlich, wenn es um die Inanspruchnahme von EU-Förderprogrammen geht.

Das sind jedenfalls Dinge, auf die man als Abgeordneter vor Ort angesprochen wird, weil alle wissen, wie schwierig manchmal das Anzapfen von EU-Programmen in der Praxis ist. Okay, ich will diese Stichworte hier nur noch einmal zur Diskussion stellen. Ich denke, wir werden uns im Ausschuss vertiefend darüber austauschen.

Fazit auch mit Blick auf die bevorstehende Europawahl: Das Engagement, das die Europaschulen erbringen, ist politische Bildung für Europa im besten Sinne. Ich bin nicht ganz so überzeugt wie Frau Höfs, ob es das Ziel sein sollte, dass jede Schule in Schleswig-Holstein Europaschule im Sinne des Vereins Europaschulen sein sollte. Man sollte Schulen unterschiedlicher Profile in unserer Schullandschaft ermöglichen, aber die Zahl 30 ist deutlich steigerungsfähig.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und Beifall der Abgeordneten Astrid Höfs [SPD])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa assoziieren viele vor allem mit den Milliardensubventionen für die Landwirtschaft, die in ihrer Wirkung aber eher geeignet sind, nationale Ökonomien abzusichern, als die Solidarität eines gemeinsamen Europas zu fördern. Ganz anders die Europaschulen. Keineswegs durch Subventionen aus Brüssel verwöhnt - die Ministerin hat gerade die sehr bescheidenen Mittel genannt, die hierfür zur Verfügung stehen -, praktizieren sie den kulturellen Austausch und die Völkerverständigung konkret, und dies zum Teil schon seit Jahrzehnten. Ich sage an dieser Stelle für meine Fraktion ausdrücklich: Chapeau vor dieser Leistung!

Wir sind in der Pflicht, uns dafür einzusetzen, dass der innereuropäische Austausch zwischen Schulklassen und einzelnen Schülerinnen und Schülern, aber auch unter den Lehrkräften international viel mehr zur Selbstverständlichkeit wird - und dies nicht nur am Gymnasium, sondern für alle Schularten.

Die Anzahl und die geringe Förderung der überall so begehrten Assistent Teacher beispielsweise sind für alle beteiligten Staaten eher beschämend. Frau Ministerin, Sie haben uns dankenswerterweise neulich Zahlen geliefert, und ich will Ihnen auch keinesfalls allein irgendeine Schuld zuweisen. Das ist offensichtlich in der Prioritätenliste vieler Staaten nicht sehr weit oben angesiedelt - und das, obwohl alle Schulen händeringend nach diesen muttersprachlichen Fremdsprachenlehrerrinnen und -lehrern suchen und sie mit Handkuss empfangen, weil sie natürlich das Angebot an den Europaschulen, aber auch an anderen Schulen sehr bereichern. Aber gerade an den Europaschulen müsste es, finde ich, natürlich einen besonderen Zugang zu diesem Angebot geben, damit dieses Profil auf diese Weise besonders gefördert wird.

Außerdem ist zu bedenken, dass viele Schülerinnen und Schüler - vor allem der Gymnasien - inzwischen gern in einem englischsprachigen Land einen Auslandsaufenthalt für ein ganzes Jahr verbringen, häufig in Amerika. Das ist ja auch das größte englischsprachige Land, und es gibt viele Programme und viele Förderstipendien dafür. Wenn man dagegen sieht, wie viel im Bildungsbereich gerade hinsichtlich solcher Praktika und Auslandsaufenthalte an Schulen im europäischen Raum stattfindet und dabei das englischsprachige Großbritannien abzieht, merkt man, was für ein Ungleichgewicht es dort gibt.

(Dr. Ekkehard Klug)