Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Ich rufe damit Tagesordnungspunkt 27 auf:

Situation im Danfoss-Werk in Flensburg

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2705

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich bitte Sie, zunächst einmal darüber abzustimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich erteile das Wort für den Bericht der Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dr. Jörn Biel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Harms und manch anderer haben mir vorgeworfen, ich hätte im Fall Danfoss zu schnell die Flinte ins Korn geworfen. Ich möchte bei diesem Bild bleiben, Herr Harms. Haben wir überhaupt eine Flinte, die wir ins Korn werfen könnten, geschweige denn Munition? Wenn unsere Möglichkeiten wie im Fall Danfoss sehr begrenzt sind, kann bei starken Worten, die zuerst Beifall finden, der Schuss schnell nach hinten losgehen. Das wollte ich vermeiden. Natürlich bin ich, wie wir alle, über den drohenden Abbau von Arbeitsplätzen verärgert. Man ist enttäuscht und fühlt sich von Danfoss im Stich gelassen. 50 Jahre haben die Flensburger gute

Arbeit geleistet. Da verlangt man eigentlich mehr als nur einen Hinweis auf wegbrechende Märkte. Da verlangt man, dass einem ein Stück weit entgegengekommen und dass nach Lösungen gesucht wird.

Sie haben aber sicherlich Verständnis dafür, dass Ärger ein schlechter Ratgeber ist in Situationen, in denen kühl zwischen Wünschenswertem und Machbarem abgewogen werden sollte. Wünschenswert ist, dass der Standort erhalten bleibt und man dort weiter produziert, wenn auch nicht die jetzigen Produktlinien. Wie können wir das in unserem Sinn bewegen? Als ich von der Entscheidung des Konzerns hörte - leider aus der Presse -, bin ich spontan nach Flensburg gefahren. Die Geschäftsführung hat mir versichert, dass sie alles ausgelotet hat und ihr aufgrund der hohen Lohnkosten trotz erheblicher Produktivitätsgewinne in den vergangenen Jahren, an denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen erheblichen Anteil hatten, keine andere Wahl blieb. Wie Sie wissen, sieht die IHK Flensburg das genauso. Auch mir erschien das plausibel.

Wahrscheinlich war ich zu früh da. Denn Gespräche zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat sollten erst noch stattfinden. Da wollte ich nicht vorgreifen. Herr Kollege Döring hat diesen Ball dankenswerterweise später aufgegriffen. Wir arbeiten hier eng zusammen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Guter Arbeits- minister! - Weitere Zurufe)

Kommen wir zu den Fakten! Der Maschinen- und Gerätebau verspürt die Weltwirtschaftskrise. Die Nachfrage nach Kompressoren geht zurück. Wenn die Auslastung 50 bis 70 % unter der des Vorjahres liegt, leidet die Rentabilität. Die Wettbewerbssituation auf dem Weltmarkt trägt auch ohne Krise ihren Teil dazu bei. Das ist nachvollziehbar. Das können wir nicht wegdiskutieren.

Welche Lösungsmöglichkeiten bleiben uns? Danfoss ist kein Unternehmen, das Bürgschaften oder Rettungsbeihilfen benötigt. Die üblichen Szenarien in Krisenfällen passen daher nicht. Wir haben bisher auch keine Signale erhalten, dass Danfoss am Standort Flensburg Investitionsbeihilfen zur Umstrukturierung oder Modernisierung benötigt. Hierfür könnten wir, was ich der Unternehmensleitung bei meinem Besuch auch erläutert habe, unsere Fördermittel bereitstellen und Investitionsbeihilfen in Höhe von bis zu 15 % gewähren. Hierüber - auch das haben wir beim ersten Treffen vereinbart - muss mit dem Vorstand von Danfoss weiter gesprochen werden.

(Detlef Matthiessen)

Am 8. Juli treffe ich mich in der Konzernzentrale in Nordborg mit dem Vorstandsvorsitzenden Christiansen und dem Vorstandsmitglied Fausting. Herr Oberbürgermeister Tscheuschner, der Betriebsratsvorsitzende Herr Andresen und ein Vertreter der IHK zu Flensburg werden mich begleiten. Wir werden mit Danfoss über Möglichkeiten sprechen, die Produktionskapazitäten in Flensburg für andere Produktlinien zu nutzen. Ein Unternehmen, das über fünf Jahrzehnte von dem Einsatzwillen und der Loyalität seiner Flensburger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitiert hat, muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Davon gehen wir jedenfalls aus.

Wir stehen mit unseren Förderinstrumentarien bereit und werden alles daransetzen, neue, kreative Lösungen mitzutragen. Die Potenziale des Standortes sind vorhanden. Sie müssen genutzt werden. Die Beschäftigten stehen zu ihrem Unternehmen und erwarten, dass auch ihr Unternehmen zu ihnen steht.

Es wird wahrscheinlich unausweichlich sein, dass die Produktion ab April 2010 eingestellt wird. Dann kann eine sogenannte Kurzarbeit null zum Tragen kommen. Das heißt, bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren werden cirka 60 % des Nettolohnes weitergezahlt. Wir hoffen, dass die Wünsche der Belegschaft Berücksichtigung finden und Danfoss noch einmal 25 % drauflegt. Kollege Döring hat diese Möglichkeit und Vorgehensweise ins Gespräch gebracht und mit Geschäftsführung und Betriebsrat diskutiert. Die Kurzarbeiterregelung gibt uns etwas Zeit - Zeit, in der wir für den Standort Flensburg Konzepte entwickeln und umsetzen können. Es ist jetzt wichtig, dass wir den Beschäftigten eine Perspektive geben können.

Zum Thema Auszubildende bleibt zu sagen: Hierzu ist zunächst einmal die IHK in der Pflicht. Diese Pflicht hat sie auch angenommen. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten des Arbeitsministers, hier zu helfen. Auch dies hat er bereits in Flensburg erklärt, sodass man dort darüber Bescheid weiß.

Ich werde mich mit dem Arbeitsminister darüber verständigen, mit welchen Vorschlägen wir in Nordborg antreten. Ich bin froh, dass wir uns nicht im Vorfeld mit Kraftrhetorik die Wege verstellt haben. Ich gehe davon aus, dass man auch in Nordborg Verständnis für die besondere Situation hat und mit uns gemeinsam nach tragfähigen Lösungen suchen wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Herr Kolle- ge Astrup, etwas mehr Enthusiasmus bitte!)

Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. Aber um es klar und deutlich zu sagen: Es ging uns nicht um Kraftrhetorik. Es ging uns von Anfang an um etwas ganz anderes. Denn richtig ist ja, dass die Nachricht, dass das Traditionsunternehmen Danfoss sein Kompressorenwerk in Flensburg komplett schließen will und 450 Mitarbeiter innerhalb von neun bis zwölf Monaten ohne Arbeit dastehen, wie eine Bombe einschlug.

Die erste Reaktion der Landesregierung in Person unseres Wirtschaftsministers, der extra nach Flensburg gekommen war - das hat er uns gerade berichtet - und sich vor Ort mit der Geschäftsführung unterhielt, wirkte vor diesem Hintergrund - Herr Minister, ich kann Ihnen das nicht ersparen - völlig dilettantisch. Seine Aussagen wie „die Geschäftsführung hat klug und besonnen gehandelt“ oder „da ist nicht mehr viel zu machen“ zeugten davon, dass der Minister von politischem Fingerspitzengefühl wenig Ahnung hat: Kein Wort wurde über die Situation der Betroffenen verloren, es gab kein Gespräch zum Beispiel mit dem Betriebsrat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die rein wirtschaftlichen Erwägungen aus Sicht der Geschäftsführung waren maßgebend für den Minister. Und so, Herr Minister Biel, betreibt man kein politisches Krisenmanagement.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Nicht zu Unrecht hat Ihr Verhalten für Verärgerung in der Belegschaft und auch in der Region geführt. Dass die Landesregierung mittlerweile die Lage erkannt hat, zeigt der Besuch von Minister Döring bei Danfoss. Er kam auf Einladung der Betriebsräte und der IG Metall, füge ich hinzu. Als Ergebnis dieser Gespräche steht im Raum, dass sich die Geschäftsführung nun doch nicht der Forderung nach Kurzarbeit verschließt.

(Minister Dr. Jörn Biel)

Auch wenn die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, war dies ein Signal dafür, dass die Situation doch nicht so ausweglos ist, wie sie von Minister Biel zu Beginn geschildert wurde.

(Beifall beim SSW)

Der Besuch von Minister Döring war notwendig und richtig. Richtig ist aber auch, dass die Landesregierung die Situation erst erkannt hat und aktiv geworden ist, nachdem Betriebsräte und Gewerkschaften mobil gemacht haben und sich die gesamte Region hinter die Beschäftigten von Danfoss gestellt hat.

(Johannes Callsen [CDU]: Stimmt doch nicht!)

Hätte die Landesregierung die Situation von Beginn an richtig eingeschätzt und entsprechend reagiert, hätte man sich viele Frustrationen und Verärgerungen vor Ort ersparen können. Jetzt muss es aber darum gehen, dass alle - Geschäftsführung, Betriebsrat, Gewerkschaften und Politik - alles Erdenkliche unternehmen, dass es nicht zu Massenentlassungen kommt. Alle sind in der Pflicht, ihren Teil dafür zu tun, diesen Schritt zu verhindern.

Erste Verhandlungen haben bereits stattgefunden, und weitere Runden stehen noch aus. Es muss darum gehen, die Kurzarbeit so arbeitnehmerfreundlich wie möglich auszugestalten und Wege zu finden, wie die qualifizierte Belegschaft so lange wie möglich zusammenbleiben kann, um eine gemeinsame Perspektive für den Standort zu ermöglichen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies wäre auch im Sinne von Danfoss, füge ich hinzu.

Die Landesregierung hat bereits angekündigt - das sagte der Minister auch, das finde ich auch gut -, Gespräche mit der Konzernleitung in Nordborg zu führen. Dies ist mehr als angebracht, um auch dort deutlich zu machen, was für die Region und die Stadt Flensburg auf dem Spiel steht.

Danfoss hat immer damit geworben, dass es ein Unternehmen aus der Region ist und zur Region steht. Flensburg und Danfoss haben in den vergangenen Jahrzehnten gleichermaßen davon profitiert. Diese Verbindung aufzukündigen, ist aus Sicht des SSW nicht hinnehmbar. Auch die Art und Weise, wie Danfoss seine Informationspolitik in dieser Sache betrieben hat, ist nach meiner Auffassung nicht professionell gewesen. Hier hätte ich mir vonseiten

der Geschäftsführung wirklich mehr Gespür gewünscht.

Der Verlust von Arbeitsplätzen hat Flensburg in den letzten Jahren immer wieder stark zugesetzt. Das soll heißen: Die Wirtschaft auf beiden Seiten der Grenze muss gestärkt werden. Dafür muss die Landesregierung ihre Bemühungen um den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt weiter ausbauen. Das, Herr Minister, wäre eine Antwort in den ersten Stunden nach Bekanntwerden dieser Massenentlassungen gewesen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was wir nicht brauchen - auch das muss ich sagen -, ist ein Wirtschaftsminister, der sich allein als Minister der Wirtschaft versteht und nicht als Minister der Menschen im Land.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Susanne Herold [CDU] und Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Susanne Herold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 80 % der Industrieproduktion für den Weltmarkt, Firmen wie Danfoss, die Flensburger Schifffahrtsgesellschaft und Motorola haben Flensburg einst zum Exportstandort Nummer eins in Schleswig-Holstein gemacht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das haben Sie bei mir abgeschrieben!)

Innerhalb kurzer Zeit ist die Exportquote nunmehr auf 50 % abgesunken - ein deutliches Indiz dafür, dass Flensburg besonders von der Wirtschaftskrise betroffen ist.

Am 27. Mai 2009 hat nun die Geschäftsleitung des Danfoss-Werkes in Flensburg die Verlagerung der Produktion in die Slowakei und nach China im Laufe des nächsten Jahres bekannt gegeben. Die Ankündigung wurde mit dem Rückgang beim Kompressorenumsatz begründet. Das wurde bereits mehrfach benannt. Diese Hiobsbotschaft traf die Stadt und die Region ohne jegliche Vorwarnung, und dies umso mehr, da noch im Frühjahr von der Geschäftsleitung in Gesprächen mit der Wirtschaft vor Ort versichert wurde, dass die Arbeitsplätze bei Danfoss sicher seien.

(Anke Spoorendonk)

Nach Motorola verliert die Stadt Flensburg damit innerhalb kurzer Zeit einen zweiten großen Arbeitgeber - 450 Mitarbeiter sowie 45 Auszubildende und deren Familien sind betroffen. Zwar wird nicht von einer kompletten Schließung gesprochen - die Produkt- und Technologieentwicklung soll erhalten bleiben -, aber dies stellt für uns keine Perspektive dar.

(Beifall beim SSW)