Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Fischer, in aller Freundschaft: Natürlich ist Konsum nicht das Einzige. Ich möchte, dass jeder selbst entscheidet, ob er am Sonntag einkaufen will oder in die Kirche geht oder ob er erst in die Kirche und dann Einkaufen geht.

Ich möchte aber nicht, dass wir uns sozusagen moralisch beispielsweise über eine Reihe südeuropäischer erzkatholischer Länder stellen, wo die Sonntage immer verkaufsoffen sind. Diese sind deswegen doch nicht weniger in sich gekehrt.

Ich erspare Ihnen jetzt die Auflistung all jener Menschen, die am Sonntag berufstätig sind, weil sie berufstätig sein müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Wir können gern darüber streiten, ob man am Sonntag tanken können muss.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Deshalb läuft Ihre Argumentation ein wenig ins Leere, hier würde nur ökonomisch argumentiert. Jeder soll das, bitte schön, selbst entscheiden. Es geht einzig und allein darum, ein mögliches Potenzial zur Attraktivitätssteigerung der Landeshauptstadt zu erschließen. Eine solche Attraktivitätssteigerung würden Sie beispielsweise für Kreuzfahrttouristen mit der Möglichkeit eröffnen, in Kiel nicht nur vor heruntergelassenen Rollläden der Geschäfte zu stehen.

(Lars Harms)

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für einen weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege, auch ich kann Ihnen das nicht ersparen: Was ist das denn für eine Diskussion, wenn wir sagen, dass der Sonntag in Kiel kein Sonntag ist, wenn das Geschäft geöffnet ist, aber in Timmendorfer Strand ist der Sonntag ein Sonntag, auch wenn das Geschäft geöffnet hat? Das ist doch eine absurde Debatte.

Deshalb sage ich: Lassen Sie uns darüber diskutieren, welche rationalen Gründe es für den einen oder anderen Ort gibt, die Geschäfte zu öffnen. Lassen Sie uns vor allem aber darüber diskutieren, wie es uns endlich gelingen kann, Urbanität in großen Städten erlebbar zu machen und die 54.000 Passagiere der Kreuzfahrtschiffe, die an den Sonntagen von April bis September hier sind, mit einem Angebot zu bereichen, sodass sie wiederkommen, dass sie gern die Stadt besuchen, dass sie Lust haben, durch die Kieler Innenstadt zu gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn das eine große Geschäft nicht geöffnet hat, weil ihm das zu teuer ist, aber rundherum mehrere kleinere Geschäfte geöffnet haben, weil diese genau darin eine gute Möglichkeit sehen, um sich gegen die Großen zu behaupten, da das Kleinunternehmen ein Flexibilitätsvorteil hat, dann ist das doch in Ordnung. Jedes Geschäft wird letztendlich selbst entscheiden, ob es öffnet oder nicht.

Die Debatte, dass die einen Menschen selbstverständlich am Sonntag arbeiten müssen - Herr Garg ist darauf eingegangen - und niemand darüber redet - niemand würde ein Krankenhaus am Sonntag schließen - und dass es andererseits einer Landeshauptstadt mit vielen Passagiergästen und anderen touristischen Gästen nicht ermöglicht wird, die Innenstadt attraktiver zu gestalten, das ist eine absurde Debatte. Ich lasse mir auch nicht vorhalten, dass mir der Sonntag nicht heilig sei, weil ich einen solchen Antrag einbringe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Peter Eichstädt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Scheinheiligkeit der Grünen ist wirklich schwer zu ertragen. Frau Heinold, Sie sagten, die Innenstadt werde attraktiver, wenn einzelne Geschäfte geöffnet hätten. Das steht im eklatanten Widerspruch zu all dem, was Sie sonst gesagt haben, was bezogen auf den Sonntag durchaus richtig war.

Sie sind ein Springbrunnen der Zitate. Deshalb komme ich nicht umhin, Sie noch einmal zu zitieren, Herr Matthiessen. In der Rede, aus der wir vorhin beide zitiert haben, heißt es: Diese sogenannte Liberalisierung macht auch nicht diejenigen freier, die als Inhaber eines vergleichsweise weniger großen Geschäftes daherkommen. Sie haben die Freiheit der Wahl zwischen Personalkostenerhöhung und weiterer Selbstausbeutung, um sich gegen die Ketten behaupten zu können.

Das haben Sie gesagt. Ich finde, Sie müssten zumindest einmal begründen, wie Sie diese Kehrtwendung um 180o hinbekommen haben. Ich finde, das sollten Sie uns gönnen. Das würde ich sehr spannend finden.

Ich möchte noch eine Bemerkung zur Frage der Bäderregelung machen. Mir kommt es so vor, als ob hier überhaupt keine Kenntnis darüber vorhanden ist, wie die Bäderregelung zustande gekommen ist und welchen Sinn sie hat. Man kann sich darüber streiten, und man hätte sich schon damals darüber streiten können, ob sie diesen Sinn erfüllt. Der Minister hat das vorhin relativ ausführlich erläutert. Es geht darum, dass in bestimmten Feriengebieten, und zwar in den Feriengebieten, in denen Ferienhaustourismus und Ferienwohnungstourismus im Vordergrund stehen, die anreisenden Gäste die Möglichkeit haben, sich auch am Wochenende mit den Dingen des täglichen Bedarfs versorgen zu können. Das ist in den Orten, die hier zitiert worden sind, der Fall. Das ist in Kiel aber nicht der Fall. Kein Mensch, der mit seinem Kreuzfahrtschiff hier ankommt, wird sich mit Dingen des täglichen Lebens versorgen müssen, weil er Brot oder Ähnliches kaufen müsste. Die kaufen andere Dinge. Man kann sich natürlich darüber unterhalten. Wir reden morgen zu einem anderen Tagesordnungspunkt darüber, was für manche Leute Dinge des täglichen Lebens sind. In diesem Sinn ist das aber wirklich

(Dr. Heiner Garg)

nicht notwendig. Von daher kann man sehr wohl eine Abgrenzung vornehmen.

Die Abgrenzung ist notwendig. Wenn wir diese Abgrenzung nämlich nicht vornehmen, haben wir das Problem mit der Verfassung, weil wir aufgrund des besonderen Schutzes des Sonntages die Geschäfte nicht unbefristet und im gesamten Land öffnen lassen dürfen. Das ist nicht möglich. Wir können diese Verfassungsdiskussion gern führen, allerdings nicht im Rahmen von Dreiminutenbeiträgen. Möglicherweise ist das im Ausschuss möglich.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Dr. Hei- ner Garg [FDP]: Es geht um die Kieler In- nenstadt und nicht um das ganze Land!)

Das Wort zu einem weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Nachdem ich hier nun dreimal zitiert und bemüht wurde und angebliche Widersprüchlichkeiten von den Kollegen detektiert wurden, sehe ich mich, ohne die Debatte unnötig zu verlängern, genötigt, kurz Stellung dazu zu nehmen.

Man kann nicht die Diskussion, die zum Gegenstand hatte, allgemeine, im ganzen Land gültige Öffnungszeiten - das war das, worüber wir damals diskutiert haben -, auf einen Gegenstand übertragen, der da heißt: Bäderregelung auch anderenorts anwenden.

Um das auf eine kurze Formel zu bringen: Wir haben versucht, mit dem Instrument der Ladenöffnungszeiten Strukturpolitik zu betreiben,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stärkung der Innenstädte versus Ausblutung grüne Wiese. In diesem Wettbewerb sind allgemeine Öffnungszeiten eher zuungunsten der Innenstädte. Ich hoffe, dass ich ein bisschen Klarheit geschaffen habe, dass ich im Rahmen dieser Debatte mit meinem grenzenlosen Ökonomismus die richtigen Worte gewählt habe, und jetzt, wo wir uns um die Bäderregelung streiten, zugunsten der von der Kollegin Heinold vorgetragenen Lösung plädiere.

Im Übrigen darf ich in die Debatte inhaltlich Folgendes einführen. Bei einem Besuch in Kopenha

gen wurde mir zumindest für die dänischen tourismuswirtschaftlichen Verhältnisse -

(Martin Kayenburg [CDU]: Ich denke, wir reden über Kiel!)

- Herr Kayenburg, bei einem Besuch in Kopenhagen wurde mir gesagt, wie die tourismuswirtschaftlichen Verhältnisse sind. Ein Kreuzfahrttourist gibt pro Tag das Sechsfache eines „normalen“ Touristen aus.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Das mag in Kopenhagen anders sein als bei einem Ferienhaustouristen. Allgemein gilt, dass das eine potentere Klientel ist, die, wenn sie an Land kommt, dort eine Mark lässt.

Herr Abgeordneter Matthiessen, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön. - Mensch, ich wollte das gar nicht so lange machen.

Ich gebe Ihnen noch einmal die Chance zu antworten. - Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Abgeordneter Matthiessen, dass Sie aufgrund eines Gespräches, das Sie in Kopenhagen geführt haben, eine Initiative für Kiel angestoßen haben?

(Heiterkeit)

- Ich war in diesen Prozess nicht involviert, deshalb hat auch die Kollegin Heinold geredet. Wollen Sie mir irgendwie durch so eine blöde - - Entschuldigung!

(Heiterkeit)

Ich habe dies als ein Element genannt. Wenn wir Kiel betrachten, haben wir eine andere Klientel, als wenn wir den Normaltouristen betrachten, der in einem Ferienhaus in Klein Wittensee wohnt. Der ist wirtschaftlich potenter. Das bedeutet nicht, dass wir

(Peter Eichstädt)

allein aufgrund dieser Erkenntnis zu dieser Initiative kommen - wenn ich Ihre Frage korrekt beantworten darf, Herr Kollege.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/2671 hinsichtlich des mündlichen Berichts durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Der schriftliche Bericht folgt, wie beschlossen, zur nächsten Tagung. Damit schließen wir diesen Tagesordnungspunkt.

Erlauben Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung. Die Tagesordnungspunkte 30 und 43 werden am Freitag aufgerufen. Wir werden heute nur noch den Tagesordnungspunkt 27 erledigen.

Ich rufe damit Tagesordnungspunkt 27 auf: