Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Ich danke Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bitten Sie, mit dem Präsidium Wirtschaftsvertreter und eine Wirtschaftsvertreterin aus Hessen sehr herzlich auf der Tribüne zu begrüßen.

(Beifall)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist schon erstaunlich, wer hier überall für die Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes Pate stehen will. Es war eine sehr interessante, spannende Debatte. Liebe Kollegin Heinold, ich würde Ihnen Worte des Kollegen Matthiessen niemals vorwerfen. Ihr Antrag zeigt eher, dass Sie sozusagen in Kiel angekommen sind. Sie waren Kreisvorsitzende Ihrer Partei, und diese Urbanisation hat offensichtlich dazu geführt, die Potenziale zu entdecken, die

(Peter Eichstädt)

in Kiel stecken. Wir stehen dem Vorschlag, den Sie gemacht haben, sehr offen gegenüber.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Herr Biel, auch die zweite Frage des Antrags der Grünen ist relativ einfach zu beantworten. Natürlich könnte man durch eine entsprechende Änderung der Bäderverordnung jederzeit auch die Kieler Innenstadt in den Genuss zusätzlicher Sonntagsöffnungen kommen lassen. Die Kieler Innenstadt und das unterscheidet uns dann in der Analyse - erfüllt aus unserer Sicht natürlich problemlos die Voraussetzungen für eine entsprechende Änderung der Verordnung. Gerade die Kieler Innenstadt bietet durch die maritime Lage, das Zentrum der Landeshauptstadt, als Fährhafen nach Skandinavien und seit einigen Jahren auch als Kreuzfahrthafen beste Voraussetzungen, nach der Bäderverordnung als Gemeindeteil mit besonders starkem Urlaubstourismus anerkannt zu werden. Mich hat gewundert, dass das hier jemand ernsthaft in Abrede stellen wollte.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Selbst die technische Umsetzung mit der Benennung einzelner Straßenzüge, in denen künftig eine Sonntagsöffnung zugelassen sein soll, wäre aus unserer Sicht völlig unproblematisch möglich. Ich würde mich da jetzt nicht ständig auf die IHK berufen, die ein angebliches Potenzial von maximal 250.000 € pro Sonntag herausgefunden hat.

Lassen wir doch die Geschäftsleute selber entscheiden, ob sie aufmachen wollen oder nicht, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt! Wenn sie nichts einnehmen, dann werden sie den Laden wieder zumachen. So einfach kann das manchmal sein.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

An welcher Stelle hier Gutachten der IHK sozusagen als Alibi dafür dienen sollten, etwas nicht zu machen, will ich an dieser Stelle gar nicht aufzählen.

Eine entsprechende Sonntagsöffnung bietet für die Innenstadt vielfältige Potenziale. Das hat übrigens die CIMA in ihrem Gutachten wie folgt definiert: Es könnte durch die Fähr- und Kreuzfahrttouristen zusätzliches Kaufkraftpotenzial gebunden werden. Es könnte das Kaufkraftpotenzial gebunden werden, das durch die übrigen Touristen in der Region vorhanden ist. Das ist übrigens in den 250.000 € Umsatz noch nicht mit drin. Eine zusätzliche Sonn

tagsöffnung des Einzelhandels in der Innenstadt böte für Touristen oder auch Gäste aus dem Umland die Möglichkeit der Verbindung - das haben Sie schon gesagt, Frau Heinold - des Shoppings mit anderen kulturellen und/oder touristischen Attraktionen. Man denke hier nur an die Kieler Woche. Da ist vielleicht auch der Kollege Matthiessen mit der Regelung etwas zufriedener, die Sie vorgeschlagen haben. Im Ergebnis empfiehlt die CIMA aber, von einer ganzjährigen Sonntagsöffnung abzusehen und sich stattdessen auf besondere Tage oder speziell auf die Tourismussaison zu konzentrieren.

Eigentlich bleibt nur noch die Frage: Wie sollen wir das im Wirtschaftsausschuss ordentlich und sachgerecht behandeln? Ich möchte die Frage an der Stelle doch stellen: Warum genießt die Kieler Innenstadt nicht längst den Sonderstatus, den andere Touristenorte bei den Sonntagsöffnungen bereits innehaben? - Antwort: Vielleicht sind andere Gemeinden dagegen, weil sie eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten Kiels befürchten.

Das Gutachten der CIMA trifft hierzu nämlich auch klare Aussagen. Es führt als einen der Gründe für eine zusätzliche Sonntagsöffnung an, dass hierdurch die Kieler Innenstadt auch die Möglichkeit hätte, auf bedeutsame neue Einzelhandelsansiedlungen wie das Factory-Outlet-Center in Neumünster zu reagieren. Dies wäre dann in der Tat ein Wettbewerbsvorteil für Kiel.

Es ist aber nicht Aufgabe der Landespolitik, einzelne Standorte gegenüber anderen zu bevorteilen. Wir haben Regeln für einen fairen Wettbewerb der Standorte aufzustellen und mehr nicht. Genau das sollten wir dann in einer ordentlichen Beratung im Wirtschaftsausschuss einmal grundsätzlich diskutieren. Genau das ist der Knackpunkt für die ganzen Einzelregelungen für Kiel und dann auch für die Bäderverordnung als Ganzes. Die Auswahl der bevorzugten Standorte erscheint manchmal eher willkürlich als sachlich gerechtfertigt.

(Beifall beim SSW)

Wenn wir uns in der Diskussion befinden, muss man auch einmal die Frage stellen: Warum soll die Kieler Innenstadt in den Genuss der Bäderverordnung kommen, aber Lübeck nicht? Lübeck als historische Hansestadt hat ebenso einen bedeutsamen Tourismusaspekt. Sie hat mit überregionaler Flughafenanbindung, mit dem Holstentor und mit einer Altstadt, die UNESCO-Weltkulturerbe ist, Erhebliches zu bieten.

Das ist nicht böse gemeint, und ich hoffe, keiner der Kollegen kommt damit her: Was hat beispiels

(Dr. Heiner Garg)

weise Klein Wittensee als Gemeinde zu bieten, sodass sie in den Genuss der Ausnahmen der Bäderverordnung kommt, was Kiel und Lübeck nicht haben?

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Ernsthaft: Ich finde den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr diskussionswürdig. Er zeigt nicht nur ökonomischen Sachverstand, sondern er zeigt, Frau Heinold - ganz persönlich -, Sie sind in Kiel angekommen. Wir sind bereit, mit Ihnen darüber konstruktiv im Wirtschaftsausschuss nachzudenken. Ich finde, man könnte dem Antrag durchaus positiv gegenüberstehen. Wir tun das, und ich würde mir wünschen, andere könnten sich dem anschließen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg und erteile für den SSW im Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine flexible Handhabung im Umgang mit Ladenöffnungszeiten kann aus Sicht des SSW dazu beitragen, die wirtschaftliche Situation - gerade in Bezug auf die lahmende Binnenkonjunktur - zu verbessern. Wir müssen dort Anreize für Konsum schaffen, wo die Nachfrage auch besteht.

Mit der Liberalisierung des Ladenschlusses hat der Landtag seinerzeit eine solche Möglichkeit geschaffen. Nun ist in Kiel ein Streit darüber entbrannt, wie im Innenstadtbereich mit den Ladenöffnungszeiten speziell an Sonntagen umgegangen werden soll. Die Stadt Kiel hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem beliebten Anlaufpunkt, insbesondere für Kreuzfahrtschiffe, gemausert. Allein die Kreuzfahrtschiffe brachten an den Sonntagen im letzten Jahr rund 54.000 Besucher nach Kiel. Die täglichen Fährverbindungen nach Skandinavien sind dabei nicht einmal mitgerechnet. Dass hinter solchen Zahlen ein enormes Kaufpotenzial steht, ist klar, denn wir wissen, im Urlaub sitzt das Portemonnaie immer etwas lockerer. Ein Gutachten hat hierzu ermittelt, dass ein Fährpassagier rund 50 € und ein Kreuzfahrer rund 70 € in Kiels Mitte

lassen. Damit hat Kiel ein Potenzial an Kunden, den so manch anderer Ort in Schleswig-Holstein, der unter die Bäderregelung fällt, nicht hat. Dann ist es aus Sicht des SSW nur nachvollziehbar, wenn der Wunsch besteht, Regelungen für Kiels Innenstadt zu finden, die es ermöglichen, diese Kunden zufriedenzustellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum geht es auch, denn nichts ist langweiliger, als eine Stadt anzusteuern, die mir in der kurzen Zeit, in der ich dort verweile, keine Einkaufsmöglichkeiten zu bieten hat. Im Übrigen sind hier noch nicht die Tagesgäste mitgezählt, die als normale Schleswig-Holstein-Touristen auch und gerade die Landeshauptstadt an einem Sonntag besuchen. Rechnet man diese hinzu, wird der Effekt noch einmal größer.

Daher sollte das Interesse entsprechend sein, für die Kieler Innenstadt eine vernünftige Lösung zu finden. Wie wir aber wissen, hat sich die IHK zu Kiel zu diesem Thema bereits ablehnend geäußert mit der Begründung, dass eine Sonntagsöffnung mit erheblichen Mehrkosten für die Händler verbunden sei und dass das Umsatzpotenzial nicht ausreiche.

Ich muss deutlich sagen, dass mich eine derartige Äußerung doch verwundert. Ich kann zwar nachvollziehen, dass nicht alle Geschäfte von diesem Kuchen profitieren können, aber letztendlich sollte man es doch den Geschäftsinhabern selbst überlassen, ob sie das Angebot wahrnehmen wollen oder nicht. So viel Selbstständigkeit sollte die IHK ihren Mitgliedern zugestehen.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Um noch einmal auf die Bäderregelung zurückzukommen. Hierzu haben wir in der Debatte zum Ladenöffnungszeitenschutzgesetz darauf hingewiesen, dass sich die Bäderregelung nur auf den Urlaubstourismus bezieht. Das heißt, dass nur Regionen mit einer starken Ferienvermietung von dieser Regelung profitieren. Das ist vielleicht der Unterschied zu Klein Wittensee und Kiel.

Deshalb sollte das Gesetz dahin gehend überprüft werden, dass auch Regionen mit einem ausgeprägten Tages-, Ausflugs- und Geschäftstourismus durchaus Bedarf haben, ihren Gästen erweiterte Einkaufsmöglichkeiten zu bieten. Leider fand dieser vom SSW vorgebrachte Aspekt seinerzeit keine Mehrheit. Die Bäderregelung scheint nun für die Innenstadt von Kiel zu einem Dilemma zu werden,

(Dr. Heiner Garg)

da sich die Kritiker der Ausweitung genau auf diesen Aspekt der Bäderregelung beziehen.

In Kiel hat es heftige Debatten bezüglich des Sonntagsschutzes gegeben. Die geltende Lösung wurde im Einvernehmen mit den Kirchen und Gewerkschaften getroffen. Ich denke aber, dass man im Sinne der Stadt Kiel - als größter Kreuzfahrthafen Deutschlands - diese Lösung aufs Neue überdenken sollte. Eine tote Innenstadt am Sonntag ist nicht gerade werbewirksam für den Kreuzfahrtstandort Kiel. Die bisherige Lösung ist nicht ausreichend. Daher muss die Möglichkeit der Anpassung an die Wirklichkeit endlich genutzt werden. In Zeiten der wirtschaftlichen Krise können wir uns nicht erlauben, auf diese Einnahmemöglichkeiten zu verzichten. Deshalb sind auch wir als SSW bereit, über die Bäderregelung neu nachzudenken.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Ich erteile Herrn Abgeordneten Rolf Fischer nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung das Wort.

Frau Präsidentin! Ich würde mich freuen, wenn alle diejenigen, die die Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt loben, auch in Kiel einkaufen würden. Das würde schon helfen. Das wäre kein schlechter Einstieg.

Lassen Sie mich an dieser Stelle eines sagen: Frau Heinold, Herr Dr. Garg, wenn man Ihnen zuhört, dann spürt man, dass Sie diese Frage ausschließlich ökonomisch sehen. Wir haben überhaupt keinen Beitrag über die Menschen gehört, die an diesem Tag dann arbeiten müssen. Und ist denn Einkaufen die einzige sinnvolle Sonntagsbeschäftigung? Ist Konsum die einzige sinnvolle Beschäftigung? Ist die Wirtschaft der einzige Gesichtspunkt, unter dem man eine solche Frage sehen kann? - Natürlich nicht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Kiel so viel Phantasie hat, dass Kiel Möglichkeiten in der Innenstadt schafft, dass Menschen sich wohlfühlen, dass sie Zeit mit ihrer Familien verbringen, dass sie ihre Freizeit genießen und dass sie vor allem erkennen, dass der Sonntag ein besonderer Tag in der Woche ist. Darum geht es im Kern.

Deshalb sage ich ganz deutlich: Sie können gern diese ökonomische Sichtweise an den Tag legen.

Sie können dafür streiten. Das ist auch in Ordnung. Ich bin der Meinung, dass wir uns sehr gut darüber auseinandersetzen können, auch in einer öffentlichen Debatte in Kiel; denn es ist ein Kieler Thema, über das wir reden. Das können wir gern machen.

Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich, dass der Sonntag ein besonderer Tag ist. Wenn Sie den Sonntag nicht mehr haben, dann haben Sie nur noch Alltage. Wenn Sie nur noch Alltage haben, dann haben Sie nur noch Wirtschaft und Konsum, und das ist zu wenig für ein erfülltes Leben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag erhält der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Fischer, in aller Freundschaft: Natürlich ist Konsum nicht das Einzige. Ich möchte, dass jeder selbst entscheidet, ob er am Sonntag einkaufen will oder in die Kirche geht oder ob er erst in die Kirche und dann Einkaufen geht.