Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Güterkraftgewerbe stärken - Maßnahmen zur Senkung der Lkw-Maut ergreifen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2663

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Schleswig-Holstein gibt es ungefähr 1.000 Speditionsunternehmen mit rund 8.000 Fahrzeugen und etwa 10.000 Mitarbeitern.

Lieber Herr Kollege Arp, ich freue mich, Sie darüber informieren zu dürfen - an dieser Stelle sollten Sie vielleicht zuhören -, dass über die Hälfte dieser Unternehmen fünf oder weniger Beschäftigte haben und daher klassischer Mittelstand sind. Sowohl in ihrer Funktion als Arbeitgeber als auch durch die wichtige Rolle der Logistik in einer arbeitsteiligen

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Gesellschaft hat das Güterverkehrsgewerbe eine herausragende Bedeutung für Schleswig-Holstein. Es ist eine der Stützen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft, gerade durch diese kleinteilig-mittelständische Struktur.

(Beifall bei der FDP)

Für den Transport der Waren werden für jeden gefahrenen Kilometer Mautabgaben für die Lkws fällig. Dies betrifft alle Bundesautobahnen sowie einige Abschnitte von Bundesstraßen.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat die LkwMaut zum 1. Januar 2009 von durchschnittlich 12,5 ct pro Mautkilometer auf im Augenblick durchschnittlich circa 18 ct drastisch erhöht, wobei in der Spitze für vierachsige Lkw der Schadstoffklasse Euro-II und schlechter 29 ct pro Mautkilometer fällig werden.

Lieber Kollege Arp, diese kräftige Erhöhung hat die ohnehin durch die Finanz- und Wirtschaftskrise schwierige Lage für die Branche deutlich verschärft. Wenn nämlich weniger produziert und weniger nachgefragt wird, dann wird logischerweise auch weniger transportiert. Dass die Maut ausgerechnet in dieser ganz besonders schwierigen konjunkturellen Situation erhöht wurde, halte ich aus ökonomischer Sicht schlichtweg für blödsinnig, um das hier ganz deutlich zu sagen. Das gefährdet die Existenz zahlreicher Betriebe, und das gefährdet vor allem die Existenz zahlreicher Arbeitsplätze.

Die gleichzeitig beschlossenen Harmonisierungsleistungen zugunsten des Güterkraftgewerbes, das Förderprogramm zur Anschaffung von neuen Lkws und das Förderprogramm Aus- und Weiterbildung, können diese Belastung, jedenfalls bei einem Großteil der schleswig-holsteinischen Unternehmen, aufgrund dieser kleinteiligen Struktur, die ich Ihnen gerade dargestellt habe, nicht auffangen.

Deswegen finde ich es gut, dass sich jetzt nicht nur die FDP Sorgen um die Logistikbranche macht und diese Sorgen vor allem ernst nimmt, sondern auch CDU-Verkehrspolitiker wie die Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Friedrich und Dirk Fischer, die eine Senkung der Lkw-Maut auf durchschnittlich 15 ct pro gefahrenem Kilometer fordern. Ihre einfache wie einleuchtende Begründung lautet, das Fuhrgewerbe sei besonders hart von der Krise getroffen; viele mittelständische Unternehmen stünden vor dem Aus. - Wohl wahr!

Anders als bei vielen anderen derzeit diskutierten Maßnahmen, wie zum Beispiel bei Opel oder bei Arcandor, geht es hier nicht um staatliche Hilfen,

sondern es geht um den Schutz vor zusätzlichen staatlichen Belastungen, es geht um die Rücknahme einer Kostenbelastung, die die Fuhrunternehmen auf dem Höhepunkt der Krise getroffen hat. Es geht darum, diesen Unternehmen notwendige Spielräume zur Existenzsicherung zurückzugeben, um einem Abbau von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Ich sage Ihnen: Wenn wir aus der Krise herausgekommen sind, werden wir genau diese Arbeitsplätze, die sonst verloren gehen würden, wieder brauchen.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP] - Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Der Verband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung Schleswig-Holstein ist der Auffassung, dass die eigentliche Welle von Insolvenzen und Rationalisierungen in der Branche noch bevorsteht. So beginnen jetzt einzelne Unternehmen, ihren Fuhrpark zu reduzieren, und schicken Fahrer in Kurzarbeit. In einem schleswig-holsteinischen Unternehmen hat die Belegschaft sogar beschlossen, für ein halbes Jahr auf einen Teil des Gehalts zu verzichten, damit Entlassungen vermieden werden können.

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit sind, sich so einzubringen, dann ist die Politik gefordert, eine zur konjunkturellen Unzeit beschlossene drastische Erhöhung der Maut zumindest zeitweise wieder zurückzunehmen. Daher fordere ich die Landesregierung und Sie, Herr Minister, auf, sich im Bundesrat aktiv für eine Änderung der Höhe der Lkw-Maut einzusetzen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf des Abgeordne- ten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Herr Hentschel, Sie sagen, das sei ökonomischer Unsinn. Vielleicht mögen Sie einwenden, dass Sie ökologisch anderer Auffassung sind. Dass Sie sagen, es sei ökonomischer Unsinn, spricht wirklich für Ihr ökonomisches Verständnis. Damit belastet man eine stark betroffene Branche in der Hochphase der Krise zusätzlich. Wenn Sie wollen, dass die Arbeitsplätze im Logistikgewerbe Schleswig-Holsteins abgebaut werden, dann haben Sie recht. Aber das wäre nicht ökonomisch unsinnig, sondern ökonomisch fatal.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Herr Minister Biel, ob es nun zu einer zeitlich begrenzten Aussetzung der Mauterhöhung kommen

(Dr. Heiner Garg)

soll, wie die FDP-Bundestagsfraktion in einem Antrag fordert, oder ob es zu einer Senkung der LkwMaut auf eine angemessene Höhe kommt, wie dies CDU-Verkehrspolitiker fordern, möchte ich ausdrücklich der Landesregierung selbst überlassen. Wichtig ist, dass schnell eine Einigung hierüber erzielt wird, wichtig ist, dass dem Güterkraftverkehrsgewerbe, gerade dem mittelständisch geprägten hier in Schleswig-Holstein, rasch und ökonomisch sinnvoll geholfen wird.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter HansJörn Arp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Garg, wir sind uns völlig einig über die Bedeutung der großen Verkehrsunternehmen, auch über deren Bedeutung für die Arbeitsplätze. Uneingeschränkt sind diese 10.000 Arbeitsplätze wichtige Arbeitsplätze in SchleswigHolstein, die wir auch erhalten wollen. Daher müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Rahmenbedingungen erleichtern können.

In diesem Zusammenhang ist ein zu Recht angesprochener Aspekt der der Maut. Aber, lieber Kollege Garg, es gibt einen ganzen Strauß von Themen, über die wir in diesem Zusammenhang reden sollten. Sie haben sich nur diesen einen Aspekt herausgesucht. Ich sage Ihnen: Reden Sie einmal mit Spediteuren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Machen wir!)

Ich mache das oft. Reden Sie auch einmal mit der BAG, mit den Verkehrspolizisten, dem Verkehrsund dem Innenministerium. - Ein ganzer Strauß von Themen wird Ihnen entgegenkommen.

Das Gewerbe hat zurzeit weitere Probleme. Hierauf will ich nur kurz hinweisen. Die Wettbewerbsnachteile gegenüber den europäischen Konkurrenten oder die Begleitung der Schwerlasttransporte, die Regelungen zum Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen, die Parkplatzsituation auf den Autobahnrastplätzen, der digitale Tacho - all das sind Stichworte, zu denen Sie immer wieder Debattenbeiträge liefern können.

(Zurufe von der FDP)

Ich will nur sagen, dass wir eine Menge von Themen haben. Eines davon ist die Ferne zu den großen Märkten und die damit verbundenen Nachteile beziehungsweise sind die Vorteile, die Holland, Nordrhein-Westfalen oder Hessen diesbezüglich haben.

(Beifall bei der FDP)

- Ich habe es doch gesagt: Sie haben einen Punkt herausgegriffen; das Thema ist aber viel umfänglicher.

Lassen Sie mich daher zu dem Thema insgesamt etwas sagen. Wenn wir über die Entlastung der Verkehrsunternehmen nachdenken wollen, dann müssen wir auch diese Themen ansprechen.

Das alles sind Themen, mit denen wir es zu tun haben. Ich nenne noch das Problem der Schausteller auf der Autobahn mit dem TÜV. Das alles sind Themen, mit denen wir es zu tun haben.

Sie haben recht: Die Maut - ich sagte es soeben schon - ist ein Teil des Problems, aber mittlerweile angesichts der Gesamtproblematik, vor der die Unternehmer stehen, ein etwas kleineres, als Sie es dargestellt haben.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ja, die Lkw-Maut wurde zu einem für die Fuhrunternehmer äußerst ungünstigen Zeitpunkt erhöht. Ich glaube allerdings, dass zu dem Zeitpunkt noch nicht klar war, wie scharf sich die Krise auf diese Branche auswirkt.

Schleswig-Holstein hat der Mauterhöhung im Bundesrat zu Recht zugestimmt. Hätten wir das damals nicht getan, hätten wir vom Bundesverkehrsministerium sicherlich weniger Geld aus dem Konjunkturprogramm bekommen, Geld, mit dem die A 20 heute schneller gebaut werden kann, was übrigens auch der Branche hilft.

(Beifall bei der CDU)

Insgesamt handelt es sich um 169 Millionen €. Vergessen Sie das nicht!

Damit Sie es noch besser verstehen, wiederhole ich: Die Maut ist gestaffelt und orientiert sich an der Schadstoffklasse der Lkws. Sie haben das zu Recht erwähnt. Wer die Schadstoffklasse 5 erfüllt, bezahlt bis jetzt nur 15,5 ct/km. Die höheren Luftverschmutzer müssen dagegen bis zu 28,8 ct auf den Tisch legen - fast doppelt so viel. Der Effekt dieser neuen Regelung war, dass viele Spediteure ihren

(Dr. Heiner Garg)

Fuhrpark ausgewechselt haben und sich neue Lkws mit der Schadstoffklasse 5 angeschafft haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ist ja in Ordnung!)

Das war eine ganz simple ökonomische Überlegung der Unternehmer. Dafür sollten Sie als FDP eigentlich Verständnis aufbringen.

Was passiert aber nun, wenn wir die Mauterhöhung aussetzen? Davon profitieren diejenigen, die ihren Fuhrpark nicht modernisiert haben, während diejenigen, die investiert haben, in die Röhre gucken.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Quatsch!)

Das wäre ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung! Nebenbei bemerkt: Der Wunsch der Spediteure geht immer in Richtung auf Verlässlichkeit von langfristigen Gesetzesentscheidungen. Dafür sind wir verantwortlich.