Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen grundsätzlich die Idee eines Parlamentsforums, das sich mit dem Nordseeraum befasst. Die Erfahrungen mit dem Parlamentsforum Südliche Ostsee sind sehr positiv und erfolgversprechend. Wir als Land zwischen beiden Meeren sollten uns dann auch zu beiden Seiten hin öffnen.

Für die Nordseekooperation schlagen wir allerdings vor, kein neues, eigenständiges Parlamentsforum Nordsee zu schaffen. Wir wollen die Nordseekooperation in die gut etablierte Arbeit im Rahmen der Ostseekooperation integrieren. Wir würden gern prüfen lassen, ob die Baltic Sea Parlamentarian Conference, also die Konferenz der parlamentarischen Zusammenarbeit für die Ostsee, um die

Nordsee-Anrainer Vereinigtes Königreich, Niederlande und Belgien erweitert werden könnte. Wir wollen den personellen und zeitlichen Aufwand damit reduzieren, Synergien nutzen und letztlich die Kosten angesichts der immer stärker angespannten Lage der öffentlichen Haushalte auf ein vertretbares Maß reduzieren.

Selbstverständlich begrüßen wir die Kooperation der Nordsee-Anrainerstaaten. Diese arbeiten schließlich zum Beispiel im Bereich des Wattenmeerschutzes schon seit über 30 Jahren auf trilateraler Ebene sehr erfolgreich zusammen. Ein krönender Erfolg dieses gemeinsamen Wirkens wird hoffentlich in der kommenden Woche in Sevilla die Anerkennung des Wattenmeeres als UNESCOWelterbe werden. Die Welterbeanmeldung zeigt auch, dass Kooperation nicht zwingend bedeuten muss, dass sich die Partner immer einigen müssen. Wie wir alle wissen, sind zunächst sowohl Dänemark als auch Hamburg den Schritt der Anmeldung zur Ausweisung nicht mitgegangen. Hier ist noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Trotzdem ist die Kooperation erfolgreich.

Gerade im Naturschutz und im Meeresschutz bietet sich die Zusammenarbeit an. Nord- und Ostsee sind verbindende Elemente zwischen den verschiedenen Staaten. Sie sind Transport- und Wirtschaftsweg für Menschen und Güter. Nicht umsonst haben wir den Nord-Ostsee-Kanal - wenn wir schon das Thema Transport erwähnen. Der Tourismus ist an allen Küsten eine bedeutende Einnahmequelle der Regionen.

Die Hochseefischerei steckt durch die Folgen der Überfischung in der Krise. Auch das ist ein Punkt, an dem beide Meeresräume, Nord- und Ostsee, zusammengehören. Der Meeresspiegelanstieg und die zunehmenden Stürme und Unwetter treffen die Küstenregionen an Nord- und Ostsee. Gemeinsame Anstrengungen im Klimaschutz werden ein wichtiges Feld der Zusammenarbeit sein.

Kooperationen rund um die Nordsee gibt es eine ganze Reihe, ein Forum der Parlamentarierinnen und Parlamentarier fehlte bislang. Von den Ländern, die an der Ostseezusammenarbeit mitwirken, sind Deutschland, Dänemark, Norwegen, Island, die Faröer Inseln und Grönland gleichzeitig Nordsee-Anrainer. Sie arbeiten also zum Teil, ohne Verbindung in die Ostsee zu haben, schon in der Zusammenarbeit im Ostseeraum mit. Von den Bundesländern sind es Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen, lediglich Mecklenburg-Vorpommern hat keinen Zugang zur Nordsee.

(Dr. Ekkehard Klug)

Es liegt auf der Hand, aus inhaltlichen wie aus organisatorischen Gründen, die Zusammenarbeit des Ostseeraumes mit der zukünftigen parlamentarischen Zusammenarbeit des Nordseeraumes zu verknüpfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Nordsee-Anrainer Vereinigtes Königreich, Niederlande und Belgien könnten in einem ersten Schritt einen Beobachterstatus bei der Baltic Sea Parlamentarian Conference eingeräumt bekommen. Ich bitte vor allen Dingen darum, dass wir unseren Antrag in die Ausschussberatung einbeziehen und diese Idee dort noch einmal gemeinsam diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen. - Für den SSW im Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für einen Friesen wie mich ist das Mare Frisicum kein trennendes, sondern ein verbindendes Element, das Handel und Wandel mit den Nachbarn fördert und schon immer gefördert hat. Diese Perspektive machen sich übrigens zahlreiche Konferenzen wie die Wattenmeerkonferenz, 13 staatenübergreifende INTERREG-Projekte und mehrere feste Kooperationen zunutze. Die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen an der Nordseeküste funktioniert bereits ganz gut, die Kontakte der Nichtregierungsorganisationen klappen sogar hervorragend. Das kann ich vor allem aus friesischer Perspektive beurteilen: Dort gibt es bereits seit 1925 regelmäßige Konferenzen und viele Treffen zwischen den Friesen in den Niederlanden und in Ost- und Nordfriesland.

Ein Parlamentsforum ist der richtige Weg, diese bestehenden Kooperationsbeziehungen zu flankieren und zu unterstützen. Das ist im Übrigen ein gravierender Unterschied zur Ostseezusammenarbeit, wo es diese im Vorweg nicht gegeben hat. Voraussetzung für eine fruchtbare, langfristige Zusammenarbeit sind bekanntermaßen die Pflege und der Ausbau der persönlichen Kontakte. Deshalb muss parallel zu den administrativen Kontakten auch eine verstärkte kulturelle Zusammenarbeit angestrebt werden. Diese fehlt dort nämlich noch. Es freut mich, dass diese Erkenntnis, die schon beim vom

SSW 2006 beantragten Bericht zur Nordseekooperation eine Rolle spielte, nun endlich auch in der Großen Koalition mehrheitsfähig geworden ist.

Der SSW unterstützt eine engere Vernetzung der Nordseeanrainer ohne Vorbehalt. Im Bereich der Nordseezusammenarbeit gibt es noch keine gewachsenen parlamentarischen Kooperationsstrukturen. Kooperationspotenziale in dieser wirtschaftsstarken Region liegen brach. Demzufolge steht man sich an der Nordsee oft gegenseitig im Weg oder erfindet das Rad neu. Das muss aufhören, beispielsweise der Kannibalismus der Tiefwasserhäfen. Der SSW hat bereits 2007 einen Antrag zur Kooperation der Nordseehäfen vorgelegt.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solange es keine verbindliche Zusammenarbeit und keine gemeinsame Vermarktung der Häfen in der Deutschen Bucht gibt, denkt jeder nur an sich selbst und schwächt damit das Ganze. Der SSW konnte sich mit seiner Idee eines Nordsee-Netzwerks bisher nicht durchsetzen, freut sich jetzt aber, dass seine Ideen schließlich doch irgendwo durch die Hintertür eine Mehrheit gefunden haben.

(Rolf Fischer [SPD]: So ganz allein war der SSW nicht!)

- Lieber Kollege Fischer, ich sehe darüber hinaus massiven Handlungsbedarf beim regionalen Marketing. Die Prospekte entlang der Nordsee ähneln sich, manchmal bis hin zum Slogan und zu der Zielgruppe. Hier müssen wir schleunigst eine bessere Arbeitsteilung schaffen und gleichzeitig die Nordsee im Wettbewerb europäischer Ferienregionen stärken.

Dass die Regierungsfraktionen in Schleswig-Holstein die Initiative zur Gründung übernehmen und auf diese Weise die Parlamente von Norwegen bis in die Niederlande und Großbritannien zusammenführen, ist äußerst lobenswert. Ein Parlamentsforum macht allerdings nur Sinn, wenn wir uns als Landtag selbst verpflichten, die Erkenntnisse aus dem Forum ernst zu nehmen und umzusetzen. Das Parlamentsforum Südliche Ostsee ist in dieser Hinsicht vorbildlich. Das ist aber auch das Einzige, was beide Ideen eint, ansonsten verfolgen die beiden Initiativen völlig unterschiedliche Zielsetzungen.

In den weiteren Beratungen müssen wir uns genau ansehen, was ein Forum leisten kann und mit welchen Aufgaben wir so eine Struktur versehen. Die Parlamente entlang der Nordseeküste können Ideen aufnehmen, in parlamentarische Initiativen übertra

(Detlef Matthiessen)

gen und neue Projekte anschieben. Wirtschaftsbeziehungen können sie dagegen nicht schaffen. Anstatt also nach der Gießkannenmethode alle Bereiche ein bisschen zu besprechen, erscheint es mir sinnvoll, Schwerpunkte zu setzen, und als Schwerpunkt bietet sich natürlich - wie sollte es anders sein? - die Kooperation der Minderheitenorganisationen geradezu an. Sie betreiben bereits einen funktionierenden Jugendaustausch und haben ein belastbares Netz geschaffen, das auch die Mehrheit nutzen könnte. Alle Nordseeanrainer haben Minderheiten, die in Fragen der kulturellen und sprachlichen Entwicklung gleiche Interessen haben. Deren Schutz und Förderung im Rahmen einer Nordseezusammenarbeit könnte auch hier eine europäische, vielleicht sogar weltweite Vorbildfunktion für andere Regionen haben.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW] und Rolf Fischer [SPD])

Aus diesem Grund haben wir uns für einen entsprechenden Punkt im gemeinsamen Antrag eingesetzt. Wenn es uns gelingt, Menschen zusammenführen und ihnen gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen zu ermöglichen, legen wir den Grundstein für eine dauerhafte Zusammenarbeit.

Angesichts der drängenden Herausforderungen, von denen ich nur einige anreißen konnte, erscheint es sinnvoll, eine Frist zu setzen. Der SSW schlägt daher vor, die Gründungsversammlung, gern in Husum, noch in diesem Jahr anzusetzen. Wir sehen es allerdings ähnlich wie alle anderen, bis auf die Grünen, dass die Ostseezusammenarbeit und die Nordseezusammenarbeit beide wichtige Felder sind, die aber unabhängig voneinander zu betrachten sind. Der Ursprung der Ostseezusammenarbeit lag seinerzeit in der zivilgesellschaftlichen Weiterentwicklung des Ostseeraums begründet und hat sich ein bisschen weiterentwickelt hin zu Umweltfragen. Die gibt es im Nordseebereich auch. Aber dort spielen insbesondere auch wirtschaftliche Kontakte und kulturelle Kontakte eine Rolle, die es jetzt auszubauen gilt.

Dort fehlt die parlamentarische Zusammenarbeit. Die ist wichtig, und deswegen glauben wir als SSW, dass eine eigenständige Nordseekooperation besser ist, als das alles in einen Pott zu schmeißen.

(Beifall bei SSW, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Harms. - Für die Landesregierung hat nun der Europaminister, Uwe Döring, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist vorhin richtig zitiert worden, wir haben im Europabericht geschrieben: Die Nordseekooperation ist nach wie vor ein schwieriges Feld. Der Grund ist ganz einfach. Es fehlt ein schlagkräftiger organisatorischer Überbau, wie wir ihn in der Ostseeregion beispielsweise mit dem Ostseerat, den BSSSC oder ähnlichen Organisatoren haben. So etwas gibt es für die Nordsee nicht.

Im Nordseebereich haben wir nur die Nordseekommission der KPKR, die aber nicht so schlagkräftig ist. Es fehlen aber auch Kooperationsstrukturen. Dies erschwert das Ganze außerordentlich. Es ist auch nicht das gemeinsame Bewusstsein vorhanden, wie wir es im Ostseeraum haben. Insofern haben wir es mit unterschiedlichen Bereichen zu tun. Es fehlt letztlich eine gemeinsame politische Strategie und auch so etwas wie eine Vision für den Nordseeraum. Es ist bisher nicht gelungen - das muss ich ehrlich sagen -, einen entscheidenden Schritt in diese Richtung zu machen. Insofern könnte ein solches parlamentarisches Netzwerk ein Versuch sein.

Herr Klug, Sie haben es noch einmal angedeutet: Man muss darüber reden. Ich plädiere auch sehr dafür, die Ziele genau zu definieren. Man kann nicht einfach ein Forum installieren, und man kann auch nicht Leute gewinnen mitzumachen, wenn man nicht sagt: Wir haben ein Ziel, wir haben eine Vision, so soll der Nordseeraum aussehen. Dafür lohnt es sich zusammenzukommen.

(Beifall)

Das ist der wesentliche Punkt, den wir bringen müssen. Themen gibt es letztlich genug. Einige sind angesprochen worden. Es fängt beim Wattenmeer an, bei dem die Zusammenarbeit seit vielen Jahren funktioniert. Aber auch da kann man den Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit noch vertiefen.

Es gibt Themen, mit denen sich die Kommission im Moment sehr intensiv beschäftigt: der Aufbau eines Energienetzes, damit die Offshore-Stromenergien auch im Nordseeraum vernünftig abgeleitet werden können. Man diskutiert ein Energienetz

(Lars Harms)

Nordsee. Das ist ein wichtiger Punkt, bei dem wir als Schleswig-Holsteiner vitale Interessen haben. Mein Haus versucht bereits, hier zu arbeiten.

Wir sind in der Nordseekommission tätig, in der Arbeitsgruppe „Marine Ressources“. Wir versuchen, dort Themen aus dem Aktionsplan Ostsee also dem Fünf-Punkte-Plan mit Clean Baltic Shipping - in den Bereich der Nordsee zu transferieren. Das heißt, es gibt Berührungspunkte, letztlich ist es aber ein anderes Gebiet.

Interessant ist bei der ganzen Angelegenheit - was auch ein bisschen Hoffnung bringt, dass es gelingen könnte -, dass sich etwas entwickelt. Jahrelang gab es Stillstand und Desinteresse. Vor einiger Zeit haben sich die nördlichen Niederlande aus wirtschaftlichen Interessen bei uns gemeldet, die auch Kontakte in den Ostseeraum wollen. Der Nordseekommission sind inzwischen auch Bremen und Süddänemark beigetreten. Im Bereich des Ausschusses der Regionen haben wir vor Kurzem eine interregionale Gruppe „Nordsee-Ärmelkanal“ gegründet. Es sind dort insgesamt 26 Regionen aus sieben EUMitgliedstaaten vertreten. Schleswig-Holstein war Gründungsmitglied dieser interregionalen Gruppe.

Beim letzten Mal habe ich - Sie haben den Antrag im Parlament einmal geschoben - dies in Brüssel schon einmal angesprochen. Ich habe gesagt: Der Schleswig-Holsteinische Landtag beschäftigt sich mit dieser Frage. Wie wäre es, besteht Interesse daran? In erster Linie habe ich natürlich Vertreter von Bremen und Hamburg gefragt, Niedersachen ist da immer etwas zurückhaltender. Die haben zwar auch eine Küste, sind aber ein großes Land, in dem man sich auch einmal Richtung Harz orientiert. Gut, es gibt das Steinhuder Meer, aber das ist eine andere Sache. Dazu sollten wir keine Gruppe gründen.

(Heiterkeit)

Wir sind aber an dieser Stelle auf Interesse gestoßen. Insbesondere die Bremer und die Hamburger erkennen auch die Bedeutung der Zusammenarbeit. Ich sage noch einmal deutlich: Es müssen klare Ziele definiert sein, die wir erreichen wollen, die wir diskutieren wollen und die das Land voranbringen. Wenn uns das gelingt, finden wir auch Partner, sonst sollten wir das lassen.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir haben divergie

rende Anträge vorliegen. Die FDP-Fraktion hat Ausschussüberweisung beantragt. Vonseiten der CDU ist mir Abstimmung in der Sache signalisiert worden.

Ich lasse zunächst über den Antrag auf Ausschussüberweisung abstimmen. Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 16/2640 (neu) und 16/ 2729 dem Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

(Zurufe: Und gegen die Stimme des Kollegen Niclas Herbst!)