Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

kämpfung von Tabakkonsum zum Wohl der Entwicklung junger Menschen auch beim Alkoholkonsum gangbar ist. Warum soll uns nicht gelingen, was uns beim Nichtraucherschutz gelungen ist, wenn es darum geht, junge Menschen vor Alkoholmissbrauch zu schützen?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

An diesem Ziel sollten wir gemeinsam arbeiten, auch wenn wir wissen, dass es ein langer Weg ist, der noch viele Hürden bereithält und auf dem wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Aber angesichts der Bedeutung, die die Alkoholkrankheit in unserem Alltagsleben, in den Arztpraxen und in den Krankenhäusern hat, angesichts der schrecklichen Schicksale Zehntausender Kinder alkoholkranker Eltern und der schrecklichen Folgen von zu viel Alkoholgenuss bei jungen Menschen sollten wir dieses Ziel gemeinsam angehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. - Es ist für die Fraktionen zusätzliche Redezeit von anderthalb Minuten entstanden.

Ich erteile für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für diesen Bericht, dessen Aussage sehr klar war. Ich begrüße es außerordentlich, dass Sie sich als Gesundheitsministerin so eindeutig positioniert haben. Sie haben die Ergebnisse der Studie des Kieler Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung angesprochen. Diese Studie war für uns der Anlass, das Thema zu diskutieren, denn ihre deutliche Aussage, an der niemand vorbeikommt, ist: Alkoholwerbung führt bei Kindern und Jugendlichen zu einem erhöhten und frühzeitigen Alkoholkonsum. Diese erschreckende Aussage muss Eltern, Werbeagenturen, Alkoholhersteller, aber auch uns als Politiker aufrufen, uns mit diesem Thema zu beschäftigen.

90 % der befragten Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren, die zehnmal oder öfter Alkoholwerbung gesehen hatten, hatten selbst schon Alkohol konsumiert. 80 % derjenigen, welche die gezeigte Wer

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

bung noch nie wahrgenommen hatten, hatten bislang keinen Alkohol getrunken. Demzufolge wäre die Konsequenz aus dieser Studie ein komplettes Werbeverbot für Alkohol.

Solche Forderungen sind nicht neu. Die Bundesdrogenbeauftragte Bätzing schlug im März 2008 ein Werbe- und Sponsoringverbot für Alkoholika vor. Die gemeinsamen Empfehlungen scheiterten aber an der Lobby der Alkoholproduzenten, und angesichts der Tatsache, dass Großveranstalter und Sportvereine erheblich vom Sponsorentopf der Alkoholbranche profitieren, war die Debatte auch in der Öffentlichkeit schwer zu führen.

Der Einsatz für ein Alkoholwerbeverbot ist vergleichbar mit dem Kampf für das Tabakwerbeverbot. Frau Ministerin, Sie haben es bereits gesagt. Auch hier dauerte es Jahre, bis sich die Vernunft durchgesetzt hatte. Jetzt, da wir strikte Regeln haben, sind die Raucherzahlen deutlich rückläufig, erfreulicherweise gerade bei Jugendlichen.

Meine Damen und Herren, der Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen ist besorgniserregend. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, wie viele junge Menschen auch bei uns in SchleswigHolstein mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen. Ich sage Ihnen: Jede und jeder von ihnen ist ein junger Mensch zu viel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Deshalb plädiere ich dafür, die Ergebnisse der Studie ernst zu nehmen. Auch wenn wir einen mündlichen Bericht nicht in den Ausschuss überweisen, können wir dieses Thema im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss beraten. Dabei sollten wir sehr genau hinschauen, um Ursachen und Wirkungen zu erfassen und um die richtigen Präventionsmaßnahmen zu unterstützten. Mit einem Alkoholwerbeverbot allein ist es sicher nicht getan.

Ich will das Ergebnis der Studie, dass es einen Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Alkoholkonsum gibt, nicht anzweifeln. Aber ich plädiere dafür, dieses Ergebnis nicht eindimensional zu sehen. Beim Drogenkonsum gibt es keine einfachen Lösungen. Der Zusammenhang von Ursachen und Wirkungen ist immer vielschichtig.

Die Kinder und Jugendlichen der Studie waren zwischen 10 und 17 Jahren alt, als man sie fragte. Ich frage Sie: Welche 16-Jährige, welcher 12-Jährige hat noch nie Plakate oder TV-Spots mit Alkoholwerbung gesehen? Wohl die wenigsten. Daraus lässt sich möglicherweise ableiten, dass die gesamte

Lebenssituation der Gruppe junger Menschen, die keinen Alkohol konsumiert hatten, eher untypisch ist. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass es tatsächlich andere positive Auswirkungen im Lebensumfeld der jungen Menschen waren, die dazu geführt haben, dass sie nicht so früh Alkohol trinken wie andere.

Aber auch die Ergebnisse der zweiten Gruppe sollten wir kritisch hinterfragen. Hier könnten es ebenfalls die Lebensumstände insgesamt sein, welche in diesen Fällen einen frühen Alkoholkonsum begünstigt haben. Kinder, die schon früh stundenlang vor dem Fernseher sitzen, sehen logischerweise mehr Alkoholwerbung als jene, die im Reitkurs oder Musikunterricht selbst aktiv sind oder draußen mit den Nachbarkindern spielen.

Meine Fraktion plädiert also dafür, genau hinzuschauen, die Gesamtzusammenhänge und die Lebensumstände zu beleuchten, um daraus abzuleiten, welche Präventionsarbeit hilfreich und notwendig ist, welche zusätzliche Beratung und Unterstützung junge Menschen brauchen.

In diese Richtung zielt auch unser heutiger Berichtsantrag. Wir sollten ihn einerseits zum Anlass nehmen, uns einmal mit der Präventionsarbeit zu beschäftigen und zu fragen, ob sie aktualisiert werden muss, andererseits sollten wir aber auch ernsthaft darüber diskutieren, was wir in Schleswig-Holstein dazu beitragen können, um die Debatte über das Werbeverbot für Alkohol neu zu beleben, ihr eine eindeutige Richtung zu geben und tatsächlich im Interesse des Jugendschutzes gemeinsam zu agieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold. - Für die CDU-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Frauke Tengler das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, es hat mich sehr beeindruckt, dass Sie gesagt haben, ganz besonders am Herzen lägen Ihnen die Kinder von suchtgefährdeten beziehungsweise suchtbelasteten Eltern. Die CDU-Fraktion hat einen Antrag vorbereitet, der auf recht geringe Gegenliebe unseres Koalitionspartners gestoßen ist. Wahrscheinlich ist der Antrag gar nicht zu Ihnen durchgedrungen. Aus diesem Grunde lasse ich ihn

(Monika Heinold)

herunterbringen, und ich werde Ihnen diesen Antrag gleich einmal zeigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Komasaufen mit zwölf Jahren und anschließendem Krankenhausaufenthalt, das ist kein bedauernswerter Einzelfall. Die Ministerin hat gerade die Techniker-KrankenkasseNews zitiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dem übermäßigen Konsum von Alkohol und Drogen durch Jugendliche muss entschieden begegnet werden. Da sind wir uns in diesem Haus wohl alle einig. Ich bin dem Herrn Ministerpräsidenten dankbar, dass er das Thema Suchtprävention auf seine Fahnen geschrieben hat und diesbezüglich bereits viele Aktionen unterstützt, erst vergangene Woche die Plakatserie gemeinsam mit Gaststätten, Brauerein, Hotels, Fahrlehrern und unserer Landesstelle gegen die Suchtgefahren.

Vorbildfunktion der Eltern und Prävention sind der erste Schritt, Kinder und Jugendliche vor Missbrauch von Alkohol und Drogen zu schützen. Ein zweiter Schritt muss aber darin bestehen, betroffene Jugendliche durch aufsuchende Hilfe zu begleiten. Ich meine, dass nach einer Alkoholvergiftung eines Jugendlichen eine Drogenberatung verpflichtend sein muss!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zweifelsohne ist Werbung ein erster Anreiz, ein entsprechendes Produkt zu kaufen. Das kennen wir alle; sonst würden sich auch nicht die Milliardenumsätze der Werbeindustrie erklären.

Die Studie des IFT-Nord im Auftrag der DAK hat 3.414 norddeutsche Schülerinnen und Schüler über Alkoholwerbung und Alkoholkonsum befragt. Die Wissenschaftler kommen zu einer für mich bemerkenswerten Schlussfolgerung:

,,Eine inhaltsspezifische Wirkung von Alkoholwerbung auf Kinder und Jugendliche ist nahe liegend.“

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass weniger als 20 % der befragten Schülerinnen und Schüler, die keine Alkoholwerbung je gesehen haben, schon einmal Alkohol konsumiert haben. In der Gruppe derjenigen, die alle in der Studie gezeigten Werbungen häufiger als zehnmal gesehen haben, haben über 90 % Alkohol konsumiert.

Diese Aussagen sind umso erstaunlicher, wenn ich uns allen § 6 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages in Erinnerung rufe, in dem es eindeutig heißt:

,,Werbung für alkoholische Getränke darf sich weder an Kinder oder Jugendliche richten noch durch die Art der Darstellung Kinder und Jugendliche besonders ansprechen oder diese beim Alkoholgenuss darstellen.“

Dieser Paragraf scheint in der Wirklichkeit nicht angekommen zu sein. Wir als Landespolitiker, aber noch mehr die Kollegen auf Bundesebene müssen nun Konsequenzen ziehen. Für mich ist eine konsequente Umsetzung der derzeitigen Jugendschutzbestimmungen unabdingbar.

Meine Damen und Herren, wir sagen dies in jeder Debatte, in der es um Drogen- und Alkoholmissbrauch geht.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bedeutet das praktisch? Werbeverbot, ja oder nein?)

- Das sage ich Ihnen gleich, Herr Kollege. - Wer Spirituosen an Minderjährige oder Bier und Wein an unter 16-Jährige abgibt, muss mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Initiative unseres Innenministers ausdrücklich begrüßen, Polizeischüler als Testkäufer einzusetzen.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleiches gilt für den Bereich der Alkoholwerbung: Auf die Einhaltung der im JugendmedienschutzStaatsvertrag festgeschriebenen Regelung muss mehr als bisher geachtet werden; sonst ist über ein generelles Werbeverbot nachzudenken. Für das Nikotin war es auch durchsetzbar, und die Erde dreht sich weiter.

Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber über weitergehende gesetzliche Maßnahmen, wie ein generelles Abgabeverbot von Alkohol an Minderjährige nachdenken. Die heute noch bestehende Möglichkeit, im Beisein einer erziehungsbeauftragten Person Alkohol zu konsumieren, ohne das entsprechende Mindestalter erreicht zu haben, muss ebenso überprüft werden. Wenn die Hürde der Verfügbarkeit deutlich höher gelegt wird, zeigt es Wirkung. Genau das beweist der Einsatz der Chipkarte beim Zigarettenautomaten. Nur durch die Sensibilisierung der Bevölkerung, der Schulen, Vereine und Eltern ist die Akzeptanz für den Jugendschutz zu erreichen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

(Frauke Tengler)

- Ich danke Ihnen. - Durch abgestimmte Maßnahmen im Bereich der Prävention und Kontrolle kann es uns gelingen, sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch die Verantwortlichen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu sensibilisieren.

Frau Ministerin Trauernicht, ich komme mit dem Antrag auf Sie zu.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Tengler. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Peter Eichstädt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang meiner Rede möchte ich Frau Kollegin Tengler in besonderer Weise beruhigen: Natürlich ist Ihr Antrag bei uns angekommen. Mit Sicherheit ist er auch bei der Ministerin angekommen, die sich für diese Themen außerordentlich interessiert. Sie sollten nicht Desinteresse vermuten, wenn wir noch Bedarf haben, über die Qualität des Antrags mit Ihnen zu diskutieren. Das werden wir tun und dann mit Ihnen gemeinsam etwas auf den Weg bringen. Es gibt noch ein paar Aspekte, die wir gern beleuchten wollen. Diese Zeit sollten Sie uns lassen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Dr. Hei- ner Garg [FDP]: Koalitionsausschuss!)