Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Dr. Hei- ner Garg [FDP]: Koalitionsausschuss!)

- Sie kennen den Antrag auch und geben mir recht.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich bei der Ministerin für ihren Bericht über die Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Werbung bei Kindern und Jugendlichen außerordentlich bedanken. Den wesentlichen Aussagen kann meine Fraktion uneingeschränkt zustimmen, auch wenn die Ministerin feststellt, dass es bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen, dem unangemessenen Alkoholkonsum von Jugendlichen und Kindern entgegenzuwirken, um das Bohren ganz dicker Bretter geht. Ich möchte aber auch feststellen, dass wir in Schleswig-Holstein seit mehreren Jahren dabei sind, diese dicken Bretter zu bohren.

Mehrfach haben wir hier im Landtag über dieses Thema debattiert. Vom Ministerium wurden zahlreiche Aktionen aufgelegt. Die Beratungsstellen in den Kreisen ebenso wie unsere LSSH haben eine Vielzahl von Aktionen aufgelegt, die durchaus auch

zu einer bewussteren Wahrnehmung dieser Problematik geführt haben. Wenn gerade in dieser Woche überall in unserem Land wie in der gesamten Republik im Rahmen einer Aktionswoche Veranstaltungen durchgeführt werden, die Jugendliche und auch Kinder auf die Gefahren des Alkoholkonsums hinweisen, ist das auch ein Ergebnis dieses Umdenkens.

Nicht zuletzt die von der Politik und von Fachleuten geforderte konsequente Anwendung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hat dazu geführt, dass es für Jugendliche zumindest nicht mehr so einfach wie noch vor einigen Jahren ist, an Alkohol heranzukommen. Trotzdem müssen wir immer noch feststellen, dass viel zu viele Jugendliche - leider auch Kinder - Alkohol konsumieren, auch wenn die Zahl insgesamt sinkt. Umgekehrt ist es aber auch so, dass die Zahl derjenigen, die exzessiv Alkohol trinken, trotz aller Bemühungen in den vergangenen Jahren gestiegen ist.

Es ist schon gesagt worden: Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen. Dazu gehört - ich will dies ausdrücklich noch einmal begrüßen - die Initiative unseres Innenministers, mit Polizeianwärtern und -anwärterinnen Testkäufe durchzuführen, um den Händlern deutlich zu machen, dass mit einem Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz kein Geld zu verdienen ist und auch kein Geld verdient werden darf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und Beifall des Abge- ordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Wie wichtig das ist, hat ein Test gezeigt, den der NDR durchgeführt hat. Dabei ist auf erschreckende Weise deutlich geworden, wie einfach es für Kinder ist, auch in Geschäften, in denen man es nicht vermuten würde - ich will sie hier gar nicht nennen -, an Alkohol heranzukommen.

In dieses Bündel der erforderlichen Maßnahmen gehört ganz sicher auch das Nachdenken über eine Beschränkung der Werbung für Alkoholprodukte. Insgesamt haben sieben jüngere Studien gezeigt, dass bei Kindern und Jugendlichen die Wahrnehmung von Werbung für Alkoholprodukte zu einem früheren und intensiveren Konsum alkoholhaltiger Getränke führt. So kommt die zitierte Kieler Studie zu dem Ergebnis, dass junge Menschen mehr Alkohol trinken, wenn sie regelmäßig TVSpots oder Plakate für Bier oder Schnaps sehen. Nach dieser Untersuchung erklärten 80 % der befragten Jungen und Mädchen, die keine Alkoholwerbung sahen, dass sie weder zu Bier noch zur

(Frauke Tengler)

Schnapsflasche greifen. Wie schwierig es ist, dieser Werbung auszuweichen, können Sie sich verdeutlichen, wenn sie einmal einen Blick aus dem Fenster unseres Landtags werfen.

Diese Entwicklung ist alarmierend, gleichzeitig aber auch ein wichtiger Hinweis für die Fachleute, wo zusätzlich zu den bisher verfolgten Ansätzen der Prävention sinnvoll nachgesteuert werden kann.

Für mich steht fest, dass eine weitere Regulierung der Werbung, die Kinder und Jugendliche erreicht, erforderlich ist. Bei der letzten Aktualisierung der Jugendschutzbestimmungen hat es entsprechende Ansätze gegeben. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag enthält eine generelle Beschränkung der Werbung durch Rundfunk und Telemedien für alkoholhaltige Getränke und auch für Tabakwaren. Das Jugendschutzgesetz beschränkt die Werbung für alkoholische Getränke und Tabakwaren bei Kinoveranstaltungen.

Allerdings reichen diese Regelungen nicht aus. So dürfen bei Filmveranstaltungen Werbefilme mit Tabak- und Alkoholwerbung bei Kinovorführungen nicht vor 18 Uhr gezeigt werden. Ich hingegen könnte mir vorstellen, dass man möglichst bald darüber nachdenkt, zumindest diese Grenze auf 20 Uhr anzuheben. Auch Werbefilme bedürfen nach dem Jugendschutzgesetz einer Jugendfreigabe, wenn sie vor Kindern und Jugendlichen gezeigt werden sollen. Dabei wird im Moment jedoch nur geprüft, ob der konkrete Werbefilm eine jugendbeeinträchtigende Wirkung für bestimmte Altersstufen haben kann. Dass Alkohol- und Tabakwerbung bei Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen generell unerwünscht ist, wird bei der Freigabeentscheidung nicht berücksichtigt. Auch dies könnte man ändern.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Für die Tabakwerbung hingegen gibt es nach dem Lebensmittelbedarfgegenständegesetz - dass ich Schwierigkeiten habe, das Wort auszusprechen, hat nichts mit dem Thema zu tun - deutlich strengere Regelungen. Auch hier könnte man darüber nachdenken, ob man die Werbung für Alkohol an diese Bestimmung anpasst.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Bezüglich der Selbstkontrolle der Werbewirtschaft kommt eine Studie, die bereits im September 2008 veröffentlicht wurde, zu dem Ergebnis, dass diese, selbst auferlegt, nicht funktioniert. Das kennen wir bereits aus den Diskussionen über den Ni

kotinkonsum und über die Werbung für Nikotinprodukte.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns mit diesem Thema weiter beschäftigen, wohl wissend, dass eine Werbebeschränkung im Kampf gegen den Genuss von Alkohol durch Kinder und Jugendliche nur ein Baustein - wenn auch ein durchaus wichtiger - ist. Wir wissen von der Auseinandersetzung um die Nikotinfrage, dass wir es hier mit sehr starken, kräftigen und entschlossenen Gegnern sowohl in der Werbelobby als auch in der Lobby der Alkoholproduktehersteller zu tun haben.

Ich hoffe, dass wir im zuständigen Ausschuss eine gute Diskussion führen werden und daraus möglicherweise Initiativen für eine neue Gesetzesgestaltung ableiten können.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Eichstädt. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn hier von der „Lobby der Alkoholhersteller“ gesprochen wird, dann bin ich auf die nächste Diskussion über Arbeitsplätze, beispielsweise in Flensburg, gespannt. Ganz so scharf würde ich also an der Stelle nicht formulieren. Das will ich ganz deutlich sagen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein sehr unangemessener Bei- trag zu diesem Problem, Herr Kollege!)

- Herr Kollege Matthiessen, extra für Sie wiederhole ich, dass wir permanent von Werbebotschaften und zwar jeglicher Art, nicht nur für Alkohol - umgeben sind. Wir hatten gerade eine Europawahl. Da wurden wir mit „Wums!“ und mit Haifischköpfen belästigt.

Werbung bestimmt unseren Alltag, gleich, ob im Fernsehen, im Radio, an Plakatwänden oder im Internet. Da bildet die Werbung für Alkohol selbstverständlich keine Ausnahme. Die Botschaft ist auch einfach zu verstehen; die Frau Ministerin hat es gerade gesagt. Perlender Sekt, schäumendes Bier, lachende Menschen, tatkräftige Leute - Alkohol steht in der Werbung für Genuss, Geselligkeit, manchmal auch für Erfolg. Mit dem Kauf einer be

(Peter Eichstädt)

stimmten Biersorte kann man zur Rettung des Regenwaldes beitragen oder soziale Projekte unterstützen.

Das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung aus Kiel hat im Auftrag der DAK untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Alkoholwerbung, der Einstellung von Jugendlichen gegenüber Alkohol und dem Konsum von Alkohol gibt. Das Ergebnis ist nicht sonderlich überraschend: Alkoholwerbung wirkt. - Ich nehme an, das verwundert hier niemanden; denn sonst gäbe es keine Werbung, die zum Kauf alkoholischer Getränke animieren soll.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ein weiteres Ergebnis ist, dass es aufgrund der eingangs zitierten medialen Berauschung so gut wie unmöglich ist, als Jugendlicher nicht in Kontakt mit Alkoholwerbung zu kommen. Dabei wird Alkoholwerbung eher von Jungen als von Mädchen wahrgenommen.

Wenn wir ernsthaft an das Thema herangehen wollen, müssen wir uns die Frage stellen, ob aus dieser Studie abgeleitet werden kann, dass „je mehr Alkoholwerbung Kinder und Jugendliche sehen, sie umso früher mir dem Trinken beginnen und sie umso mehr trinken“. Diesen Rückschluss zog jedenfalls die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Allerdings sind die Autoren der Studie an dieser Stelle sehr vorsichtig.

Sie sprechen davon, dass - ich zitiere - „eine inhaltspezifische Wirkung von Alkoholwerbung auf Kinder und Jugendliche … nahe liegend“ ist. Allerdings sind für die „Erhärtung der Annahme eines kausalen Zusammenhangs … zusätzliche längsschnittliche Daten“ notwendig.

Für den Einfluss der Alkoholwerbung spricht, dass sich im Rahmen dieser Studie mögliche Alternativerklärungen nicht bestätigt haben. So gibt es keinen Zusammenhang mit erhöhtem Fernsehkonsum, keinen mit einem besonders hohen Alkoholkonsum im Elternhaus oder mit einem stärkeren Kontakt zu Alkohol trinkenden Freunden. Die Studie lässt aber auch den Rückschluss zu, dass Jugendliche, die viel trinken, sich oftmals erst infolgedessen auch mit der Werbung, zum Beispiel mit Rum trinkenden Partygängern unter Palmen, identifizieren. Deshalb ist auch - die Kollegin Heinold hat es dargestellt - der Antrag der Grünen offen formuliert. Es geht nicht darum, jetzt und heute ein umfassendes Werbeverbot zu beschließen, sondern es geht darum zu diskutieren, wie Kinder und Ju

gendliche geschützt werden können. Ich finde schon, dass wir uns ein umfassendes Bild darüber machen sollten, ob das Verbot von Alkoholwerbung ein Weg ist, den Konsum von Alkohol bei Kindern und Jugendlichen einzuschränken. Ich habe da ernsthafte Zweifel.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat die FDP dazu eine Mei- nung?)

Wenn Sie eine Zwischenfrage haben, dann melden Sie sich bitte zu Wort.

Ich weiß nicht, ob Sie irgendwelche akustischen Probleme haben, aber ich habe gerade gesagt, ich hätte hier Bedenken, ob ein Werbeverbot dazu führt. Diese Bedenken wollte ich gerade weiter ausführen.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Lars Harms [SSW])

Aus meiner Sicht ist ein Werbeverbot kein sinnvoller Weg, Kinder und Jugendliche vom Konsum abzuhalten. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass bei einem solchen Verbot lediglich Symptome und nicht die Ursachen behandelt werden. Der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol ist und bleibt das will ich hier noch einmal sagen, weil darauf komischerweise bisher niemand hingewiesen hat - zunächst auch einmal eine Erziehungsfrage.

(Beifall bei FDP und CDU sowie der Abge- ordneten Holger Astrup [SPD] und Lars Harms [SSW])

Wenn das im Elternhaus nicht stattfindet, können wir hier Alkoholverbote aussprechen, können wir Werbeverbote aussprechen, das wird nur relativ wenig nutzen. In manchen Familien wird das Trinken von Alkohol als eine Art Aufnahmeritual in das Erwachsenenleben zelebriert, und zwar unabhängig vom sozialen Status der Familien. Wenn aber Jugendliche das Erwachsensein mit dem Konsum einer möglichst hohen Menge an Alkohol gleichsetzen, ist etwas schief gelaufen. Dann diskutieren wir hier zu spät.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Effektivere Instrumente gegen den Alkoholmissbrauch und zur Sensibilisierung von Kindern

(Dr. Heiner Garg)

und Jugendlichen sind - jedenfalls aus unserer Sicht - Aufklärung und Prävention. Dazu gibt es in Schleswig-Holstein eine ganze Bandbreite von Angeboten, ob Suchtprävention an Schulen oder speziell für Jugendliche mit Migrationshintergrund. In Schleswig-Holstein werden ganz verschiedene Strategien verfolgt, um Jugendliche, aber auch Eltern zu erreichen. Ein gutes Beispiel ist der „KlarSicht“-Parcours, der in den Schulen mit großem Erfolg zum Einsatz kommt. Dort erhalten die Jugendlichen nicht nur Informationen und Entscheidungshilfen im Umgang mit Alkohol und anderen Drogen. Im Rahmen des Parcours geht es vor allem auch um die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsum. Mit diesem pädagogischen Ansatz können die Jugendlichen viel eher erreicht werden, die exzessiv auf sogenannten Binge- oder Flatrate-Partys gehen, als über Werbeverbote.

Man kann sicherlich im Ausschuss ernsthaft - das war im Übrigen auch Ihre Aufforderung und Einladung - darüber nachdenken, in welchem Rahmen Alkoholwerbung stattfinden soll und stattfinden kann. Ich warne nur davor, in einem generellen Werbeverbot für Alkohol den Königsweg zu sehen, so ähnlich wie der Kollege Matthiessen hier eben mit seinen Zwischenrufen weismachen wollte: Wir sind die Bösen, weil wir das nicht wollen. Ich plädiere dafür, ernsthaft darüber nachzudenken, ob und wenn ja in welcher Form das eine eingeschränkte Möglichkeit ist, Kinder und Jugendliche zum Teil jedenfalls - vor exzessiveren Alkoholkonsum zu schützen, ob das jedenfalls ein Baustein davon sein könnte.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU sowie des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms.