Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

Auch in Schleswig-Holstein haben wir in jüngster Zeit erlebt, dass in Fragebogen die Ergebnisse eventuell bereits erfolgter Diagnosen erfragt wurden. Es ist also höchste Zeit, die Grenzen der Gendiagnostik genau festzulegen.

So wenig es gelingt, die technische Entwicklung hin zum Internet zurückzudrehen, kann man einmal erreichte Forschungsergebnisse und Verfahren in der Gendiagnostik aus der Welt schaffen. Darum ist es am Gesetzgeber, schleunigst klare Grenzen des Gebrauchs der neuen Technik zu formulieren und die Rechte der Forschung und gegen Individualrechte einzelner Bürgerinnen und Bürger abzuwägen. Eine verantwortungsbewusste medizinische Forschung sollte selbsttätig realistische Technikfolgenabschätzungen vornehmen. Doch in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Forscher daran kaum einen Gedanken verschwenden.

Seit der umstrittenen Patentierung bestimmter Gensequenzen mussten wir lernen, dass in einigen Laboren die genetischen Informationen unabhängig von dem Lebewesen - sei es eine Maus oder eben ein Mensch - verwendet wurden. Es ist also unbedingt nötig, die Selbstbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger über ihre genetischen Informationen zu schützen, unabhängig von der Antwort auf die Frage, wie es überhaupt zu einer Forschung kommen konnte, die genetische Informationen zum Material herunterdefiniert.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb kommt dem Gesetzgeber in Sachen Gendiagnostik eine besondere Verantwortung zu. Die komplexe Materie steht ihm allerdings entgegen, sodass sich auch der Bundesgesetzgeber entschlossen hat, die kritische Bewertung kommender Entwicklungen im Bereich genetischer Untersuchungen einer Kommission zu übertragen, die beim Robert-Koch-Institut angesiedelt wurde.

Für die Beurteilung und kritische Würdigung der Forschung ist die Einbindung kompetenten Sachverstands ohne Alternative. Es bleibt allerdings dem Gesetzgeber vorbehalten, die nötigen Schutzgrenzen einzuziehen und Sanktionen zu formulieren. Der Bundesrat hat bereits im Mai mit dem Gendiagnostikgesetz genau das getan, indem er unter anderem heimliche Vaterschaftsuntersuchungen verboten hat und diese zukünftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Trotzdem hat dieses Gesetz auch seine Schwächen.

Die Gründe dafür lassen sich an einem einzigen Beispiel gut illustrieren: Immer mehr Frauen nutzen die Möglichkeit, ihr Brustkrebsrisiko diagnostizieren zu lassen. Es ist nämlich bekannt, dass der Ausbruch einer Brustkrebserkrankung auch etwas mit der genetischen Disposition zu tun haben kann. Eine Frau mit einer diagnostizierten höheren Krebswahrscheinlichkeit wird vielleicht niemals im Leben an dieser Krankheit erkranken, trotzdem hat sie bei bestimmten Versicherungskonzernen absolut keine Chance, eine Lebensversicherung abzuschließen.

Das Gendiagnostikgesetz gestattet weiterhin die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen, wenn die Lebensversicherungssumme über 300.000 € beträgt. Dieser faule Kompromiss hat keine Klarheit geschaffen, im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass im Vertragswesen - dabei geht es auch um Arbeitsverträge - die genetische Diskriminierung mit zunehmend verbesserten diagnosti

(Dr. Heiner Garg)

schen Verfahren weiter um sich greifen wird, also nicht nur die im Gesetz genannten Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Pflegerentenversicherung betreffen wird. Höchstwahrscheinlich werden andere langfristige Verträge bis hin zum privaten Mietvertrag, dem Kreditvertrag oder eben auch dem Arbeitsvertrag diesem Beispiel folgen. Da muss in absehbarer Zukunft Abhilfe geschaffen werden. Der Bund hat sich über solche negativen Beispiele hinaus in dem Gesetz aber auch verpflichtet, auf gendiagnostische Verfahren bei der Einstellung beziehungsweise bei einem Aufstieg seiner Beamtinnen und Beamten zu verzichten.

Durch die Föderalismusreform und das damit verbundene Ende des einheitlichen Beamtenrechtes ist es notwendig, dass jedes Bundesland sein Beamtenrecht dementsprechend anpasst.

Der SSW begrüßt daher ausdrücklich die Initiative der Grünen. Gerade vor dem Hintergrund ausufernder Ausbeutung genetischer Untersuchungen sollte Schleswig-Holstein mit gutem Beispiel vorangehen und diese Untersuchungen lassen, was sie sind, nämlich Privatsache.

Es ist wegweisend, dass sich das Land als Arbeitgeber verpflichtet, keinesfalls Ergebnisse gentechnischer Untersuchungen bei der Einstellung oder Beförderung von Landesbediensteten zu berücksichtigen und diese auch nicht zu verlangen. Ob eine Bewerberin oder ein Bewerber Lehrer, Professor oder Polizist im Dienst des Landes Schleswig-Holstein werden kann oder nicht, hängt ausschließlich von seiner Befähigung, Qualifikation und Erfahrung ab. Das sollten weiterhin die einzigen Kriterien sein, und nicht die genetische Disposition des Bewerbers. Der SSW unterstützt die vorgesehene Verpflichtung des Landes ohne Einschränkung und würde sich freuen, wenn sich alle Fraktionen dem vorgelegten Gesetzentwurf der Grünen anschließen würden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile für die Landesregierung Herrn Innenminister Lothar Hay das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf greift die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN ein Thema auf, dem sich die Länder infolge des Gendiagnostikgesetzes des Bundes stellen müssen, auch wenn das Gendiagnostikgesetz noch gar nicht Gesetz geworden ist. Es hat am 15. Mai den Bundesrat im zweiten Durchgang passiert, ist aber noch nicht verkündet worden. Insofern konnten wir dieses Thema beim Landesbeamtengesetz noch gar nicht aufgreifen. Die maßgebenden Vorschriften werden sechs Monate nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Es bleibt also Zeit für eine intensive parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs der Grünen im Landtag.

Inhaltlich geht es bei dem Gesetzentwurf um Personengruppen, für die das Gendiagnostikgesetz nicht unmittelbar gilt. Es handelt sich dabei um vorhandene und ehemalige Beamtinnen und Beamte im Landes- und Kommunaldienst sowie im Dienst sonstiger Dienstherren, die unter den Geltungsbereich des Landesbeamtengesetzes fallen, sowie um Landesrichterinnen und –richter, ferner um Bewerberinnen und Bewerber für derartige Dienstverhältnisse.

Diese Personengruppen und Dienstherren werden nicht automatisch vom Gendiagnostikgesetz erfasst. Der Grund – das ist schon gesagt worden – liegt in der Aufteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Die Bestimmung über öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse in § 22 des Gesetzes beruht auf der Annahme, dass dort nur Regelungen in Bezug auf Rechtsverhältnisse zum Bund getroffen werden sollten und die Länder entsprechende Regelungen in eigener Zuständigkeit erlassen müssen nach parlamentarischer Beratung.

Ob hier auch eine andere Auslegung möglich wäre, ist aus meiner Sicht eher eine akademische Diskussion, die nicht auf dem Rücken von Betroffenen ausgetragen werden darf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Bernd Schröder [SPD])

Tatsache ist, dass es einer landesrechtlichen Regelung bedarf, wenn auch die im Geltungsbereich des schleswig-holsteinischen Beamten- und Richterrechts betroffenen Personen unter solche Schutzvorschriften des Gendiagnostikgesetzes fallen sollen, die ein grundsätzliches Verbot von genetischen Untersuchungen im Arbeitsbereich regeln. Mit einer entsprechenden landesgesetzlichen Regelung würde man zwar etwas aufgreifen, was in der Landesverwaltung nicht vorhanden ist – es gibt es nicht -, nämlich genetische Untersuchungen und Analysen vor, während oder nach Beschäftigungs

(Lars Harms)

und Dienstverhältnissen. Dennoch würde eine solche Regelung in Bezug auf die öffentlichen Dienstverhältnisse zu mehr Transparenz und Rechtsklarheit beitragen. Außerdem ist auf den ersten Blick kein Grund erkennbar, warum für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse nicht derselbe Schutz greifen sollte wie für im Landes- und Kommunaldienst beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die nämlich das Gendiagnostikgesetz unmittelbar gilt.

Daher ist der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus meiner Sicht verständlich, und aus meiner Sicht gibt es dafür eine Notwendigkeit.

Über den Regelungsbedarf im Detail sowie die konkrete Ausgestaltung einer derartigen Regelung sollten wir im parlamentarischen Verfahren in den zuständigen Ausschüssen mit der notwendigen Sorgfalt und Sensibilität beraten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Innenminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2765 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Wahl der Landrätinnen und Landräte und zur Einführung eines Verwaltungsausschusses

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2766

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile Herrn Abgeordneten Peter Lehnert für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende letzten Jahres hat der Landtag das Vorschaltgesetz zur Neuregelung der Wahl der Landrätinnen und Landräte beschlossen. Heute befassen wir uns

nun mit der Änderung der Kreisordnung. Dabei sind im Wesentlichen Neuregelungen wie die mittelbare Wahl der Landräte und die gleichzeitige Stärkung des Ehrenamts durch die Einführung eines Verwaltungsausschusses vorgesehen.

Die CDU-Fraktion hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach mit Vertretern der Kreisebene ausgetauscht. Dabei war es uns wichtig, dass die praktischen Erfahrungen der kommunalen Familie maßgeblich in den Diskussionsprozess eingeflossen sind. Nur so war ein breiter Konsens zu erzielen. Dadurch ist es gelungen, einen guten und tragfähigen Gesetzentwurf vorzulegen.

Diesen sehr konstruktiven Gesprächen schlossen sich Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner an. Aus diesem Dialog resultiert der vorliegende Entwurf, der eine gute Grundlage bietet, die angepeilten Ziele der nachhaltigen Stärkung des Ehrenamts auf Kreisebene zu realisieren.

Lassen Sie mich im Einzelnen kurz seine inhaltlichen Kernpunkte skizzieren: Zu den künftigen Aufgaben des Landrats wird es gehören, die Verwaltung des Kreises in Abstimmung mit dem Verwaltungsausschuss zu leiten, die Gesetze auszuführen und die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und zu vollziehen. Er hat auf die Einheitlichkeit der Verwaltungsführung hinzuwirken und ist für die sachliche und wirtschaftliche Erledigung der Aufgaben sowie für einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang der Verwaltung verantwortlich. Darüber hinaus hat er regelmäßig dem Kreistag und dem Verwaltungsausschuss über die Verwaltung des Kreises und die Aufgabendurchführung zu berichten. Seinen Vorschlag zur Verwaltungsgliederung sowie spätere Änderungsvorschläge legt der Landrat dem Verwaltungsausschuss zur Genehmigung vor.

Die wesentlichen Neuerungen im Aufgabenspektrum des Verwaltungsausschusses gegenüber dem bisherigen Hauptausschuss sind dagegen deutlich umfassender: Es wird Aufgabe des Verwaltungsausschusses sein, die Beschlüsse des Kreistages über die Grundsätze für das Personalwesen, über das Berichtswesen und über die Ziele und Grundsätze für die Verwaltung des Kreises vorzubereiten. Nach diesen Zielen und Grundsätzen und im Rahmen der vom Kreistag bereitgestellten Mittel soll er an der Verwaltung des Kreises mitwirken und die Entscheidungen in den Angelegenheiten treffen, die der Kreistag ihm dauerhaft oder im Einzelfall übertragen hat.

(Minister Lothar Hay)

Zu den weiteren Aufgaben des Verwaltungsausschusses werden die Vorbereitung und Steuerung aller Beschlüsse des Kreistages und seiner Ausschüsse und die Überwachung der Ausführung dieser Beschlüsse gehören. Der Verwaltungsausschuss kann dabei ihm übertragene Entscheidungen mit Zustimmung des Kreistages jederzeit widerruflich auf den Landrat übertragen.

Weiterhin hat der Verwaltungsausschuss die Kreisverwaltung zu kontrollieren und die wirtschaftliche Betätigung und Beteiligungen des Kreises zu steuern und Personalentscheidungen im Bereich der ersten und zweiten Führungsebene zu treffen. Diese Befugnis erstreckt sich auch auf die entscheidungsrelevanten Vorbereitungsmaßnahmen. Außerdem trifft der Verwaltungsausschuss auf Vorschlag des Landrats die Entscheidung über die Gliederung der Verwaltung. Der Vorsitzende erstattet in jeder Sitzung des Kreistages Bericht über die Arbeit des Ausschusses.

Der Verwaltungsausschuss kann sich bei der Durchführung seiner Aufgaben der Ausschüsse und in Abstimmung mit dem Landrat der Kreisverwaltung bedienen. Dabei ist er oberste Dienstbehörde und Dienstvorgesetzter des Landrats.

Der Verwaltungsausschuss besteht aus elf ehrenamtlichen Mitgliedern des Kreistages und dem Landrat als Mitglied ohne Stimmrecht. Die ehrenamtlichen Mitglieder des Verwaltungsausschusses und ihre Stellvertreter werden für die Dauer ihrer Wahlzeit zu Ehrenbeamten ernannt.

Den Vorsitzenden und seine zwei Stellvertreter wählt der Kreistag. Spätestens zum 30. Tag nach Inkrafttreten dieses Gesetzes muss der Kreistag einberufen werden, um die ehrenamtlichen Mitglieder des Verwaltungsausschusses zu wählen. Bis zur konstituierenden Sitzung des Verwaltungsausschusses werden der Landrat und der Kreistag die Aufgaben des Verwaltungsausschusses nach den bisherigen Bestimmungen der Kreisordnung wahrnehmen.

Liebe Kolleginnen, bitte sehen Sie mir nach, dass ich bei der zugegebenermaßen etwas trockenen Erläuterung und Zusammenfassung der wesentlichen Bausteine des Gesetzestextes nicht auch noch die weibliche Form gewählt habe. Selbstverständlich gilt der Gesetzentwurf auch für die Landrätin des Kreises Segeberg und mögliche Landrätinnen, die künftig eventuell in dieses Amt hineingewählt werden, genauso wie für weibliche Vorsitzende der Verwaltungsausschüsse und deren Stellvertreterinnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz stärken wir nicht nur nachhaltig das Ehrenamt, sondern erreichen durch die klare Trennung der Zuständigkeiten zwischen Haupt- und Ehrenamt verbesserte Transparenz und effektivere Führungsstrukturen auf Kreisebene. Auch wenn die Opposition es möglicherweise anders sehen mag, so meine ich doch, dass der Koalition mit diesem Gesetzentwurf - insbesondere bei der doch sehr unterschiedlichen Interessenlage auf Kreisebene - ein zukunftsweisender Gesetzentwurf gelungen ist.

Ich beantrage die Überweisung an den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss. Wir haben für morgen eine Sitzung angesetzt und sollten dann im Rahmen einer schriftlichen Anhörung über die Sommerpause die betroffenen kommunalen Landesverbände zu diesem Thema hören und in der September-Tagung in zweiter Lesung das zukunftweisende, zukunftgerichtete Gesetz, das das Ehrenamt auf Kreisebene nachhaltig stärkt, gemeinsam verabschieden.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Peter Lehnert und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rede über das gleiche Gesetz. Von daher wird es möglicherweise zu einigen Doppelungen mit dem von meinem Vorredner Gesagten kommen; das liegt in der Natur der Sache.