Protokoll der Sitzung vom 16.07.2009

Ich danke Herrn Minister Lothar Hay und eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Peter Lehnert.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schröder! Zunächst darf ich mich bei Innenminister Lothar Hay herzlich für den Bericht bedanken.

Seit März 2001 gibt es auch an der deutsch-dänischen Grenze keine festen Kontrollpunkte mehr. Dies ist die positive Seite der konsequenten Umsetzung des Schengener Abkommens, das einheitliche Sicherheitsstandards an unseren Grenzen unter anderem zu Dänemark gewährleistet. Die Reisefreiheit jedes einzelnen Bürgers wird aber leider auch von Kriminellen genutzt, die sich im deutschdänischen Grenzraum insbesondere in den Bereichen der Schleuser- und Drogenkriminalität betätigen.

Dieser Entwicklung sind wir in enger Kooperation mit der Polizei schon vor Jahren entschlossen entgegengetreten, unter anderem mit der Änderung des schleswig-holsteinischen Polizeirechts. Auch die

(Minister Lothar Hay)

grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit wurde intensiviert, um der erleichterten Mobilität der Straftäter erfolgreich begegnen zu können. Dazu gehören ein schnellerer Informationsaustausch, gemeinsame Streifen im Binnengrenzraum, die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Observation oder die Verfolgung von Straftätern.

In diesem Zusammenhang kommt der Bürogemeinschaft Padborg als deutsch-dänischer Gemeinschaftsdienststelle eine ganz besondere Bedeutung zu. Dies wird auch durch die kontinuierliche Verbesserung der Personalausstattung in den vergangenen Jahren deutlich unterstrichen. Wir haben großes Vertrauen in die in diesem Bereich tätigen Beamten und danken ihnen für ihre Arbeit.

Durch den von der Polizei erzeugten hohen Ermittlungsdruck und das dadurch gesteigerte Risiko, entdeckt zu werden, werden Kriminelle zunehmend abgeschreckt.

Kriminalität ist im Laufe der Jahre aber auch professioneller geworden. Auf solche veränderten Rahmenbedingungen müssen wir reagieren, um Gefahren durch neue Formen des Verbrechens besser abwehren zu können. Wir leben in einem Europa der offenen Grenzen. Zwar überwiegen bei Weitem die positiven Seiten des Wegfalls der Grenzkontrollen. Sie boten früher aber relative Sicherheit. Heute hat sich die Mobilität von Menschen und Geldströmen ständig erhöht.

So kommt beispielsweise über die Autobahn die Droge Khat in großen Mengen in unser Land. Innenminister Hay hat es bereits erwähnt, und Kollege Schröder hat es auch mit Interesse aufgenommen. Ziel der Kuriere, die die berauschenden Blätter säckeweise aus den Niederlanden holen, ist meistens Skandinavien. Die sichergestellten Mengen werden immer größer. Jedenfalls ist die beschlagnahmte Menge dieses Rauschmittels auf beiden Seiten der Grenze in diesem Jahr markant höher als in den Vorjahren. Sowohl die dänischen als auch die deutschen Polizei- und Zollbehörden verzeichneten einen großen Anstieg bei den sichergestellten Mengen. Erst gestern war in der Zeitung zu lesen, dass die Bundespolizei auf der A 7 kurz vor der Grenze einen Kurier mit rund 300 kg Khat auf dem Weg nach Skandinavien gefasst hat.

Behördenseitig wird wegen dieser Fälle natürlich die Frage aufgeworfen, ob Khat jetzt in viel größerer Menge als zuvor Richtung Skandinavien geschmuggelt wird oder ob die Beamten von Polizei und Zoll einfach besser beim Kontrollieren gewesen sind. Von deutscher wie von dänischer Seite

wird bestätigt, dass nicht mehr als vorher kontrolliert wurde, und es wurden auch nicht mehr Beamte eingesetzt. Ganz offensichtlich haben die Beamtinnen und Beamten mittlerweile ein besseres Gespür für verdächtige Fahrzeuge entwickelt.

Es ist aber auch generell festzustellen, dass die Zusammenarbeit deutscher und dänischer Polizei- und Zollbehörden sehr gut funktioniert. Im Interesse der Freizügigkeit im grenzüberschreitenden Verkehr auf der einen Seite und der effektiven Bekämpfung internationaler Kriminalität auf der anderen Seite halte ich diese Sicherheitskooperation für sehr bedeutsam. Es gilt also, sie zu erhalten und im Bedarfsfall weiter auszubauen.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lehnert. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Rolf Fischer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grenzkontrollen im Personenverkehr sollen ein Ende haben. Die Freizügigkeit soll in ganz Europa spürbar sein. Polizei- und Zollkontrollen sollen nur noch an der Außengrenze des Schengen-Gebiets stattfinden. Das sind die Ziele des Schengen-Abkommens, übrigens von 27 europäischen Staaten und auch einigen Nicht-EU-Mitgliedern übernommen. An fast allen Grenzen ist heute festzustellen, dass der Abbau der Kontrollen nicht zu einer unkontrollierten oder gar unkontrollierbaren Kriminalität geführt hat. Die Ängste vieler Bürger in den Grenzregionen haben sich nicht bewahrheitet. Der Bericht des Innenministers belegt das. SDÜ, Lothar Hay, ist ein Erfolg. Deshalb Dank für den Bericht und seine Erstellung, Dank aber auch an die Polizei und den Zoll für die so erfolgreiche Arbeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich möchte darauf hinweisen, dass Schlagzeilen wie „Täglicher Kleinkrieg an der Grenze“, so zu lesen vor einiger Zeit im nördlichen Grenzraum, nicht die tatsächliche und die alltägliche Situation an der Grenze widerspiegeln. Nichtsdestoweniger gibt es natürlich grenzüberschreitende Kriminalität. Schleusungen und Drogenschmuggel waren und sind Realität. Die Zahlen, die gerade zu Khat genannt wurden, lassen nicht nur aufhorchen, sondern machen deutlich, wie notwendig die Kontrollen

(Peter Lehnert)

sind. Schon deshalb sind die von Minister Hay genannten Maßnahmen nicht nur notwendig und richtig, sondern sie sind vor allem sinnvoll. Sowohl die deutsch-dänische Bürogemeinschaft Padborg als auch die Einrichtung der gemeinsamen Fahndungsgruppe Schengen-Süd und der Gruppen auf den Autobahnen, die gemeinsamen Anstrengungen zum Informationsaustausch, die Zollkontrollen und die gemeinsame Fortbildung, all diese Beispiele beweisen, dass die Grenze nicht unsicher, sondern sicherer geworden und geblieben ist.

Lassen Sie mich auf einige wenige politische Punkte hinweisen. Erstens. Ich plädiere für eine verantwortungsvolle Berichterstattung. Man soll sich hüten, kleinere Vorfälle an der Grenze zu filmreifen Ereignissen hochzuschreiben. Wenn eine polizeiliche Einsatzgruppe in Flensburg Schleuser festnimmt, dann ist das alltägliche Polizeipraxis. Und es sind nicht, wie zu lesen war, Jagdszenen zwischen Bahnhof und Campus in Flensburg, die sich da abspielen. Das, glaube ich, wird der Situation überhaupt nicht gerecht und schürt an dieser Stelle genau die Ängste, die wir abbauen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zweiter Punkt. Die Sicherheitsbedenken der Bürger dürfen auch nicht für vordergründige nationale Polemik missbraucht werden. Gestatten Sie mir einen Blick über die Grenze. Es stört mich schon sehr, wie die Dansk Folkeparti, die dänische Volkspartei, sehr negative Stimmung, gerade an dieser Grenze, macht. Wie sie mit den Ängsten der Bürger spielt und Fremdenfeindlichkeit schürt, das ist nicht hinzunehmen, und das darf auch nicht unkommentiert bleiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

Die Grenze zu Dänemark ist kein Paradies für Waffenschmuggler und Menschenhändler. Dort leisten viele Beamte eine erfolgreiche Arbeit, sodass heute ein sehr hohes Maß an Sicherheit in der Grenzregion besteht. Unbenommen ist, ständig die Situation zu überprüfen und zu verbessern. Der Minister hat gute Beispiele genannt. Auch auf der dänischen Seite gibt es immer wieder Aktionen der Behörden, um die Sicherheit weiter zu stabilisieren.

Weil es bisher noch nicht genannt wurde, will ich auf einen Aspekt hinweisen: Es geht nicht nur um den deutsch-dänischen Grenzraum von Flensburg. Auch die Vogelfluglinie gehört in den Fokus der Betrachtungen. Sie ist eine der wichtigsten Routen

der Schleuser mit dem Ziel Schweden. Auch hier bedarf es weiterhin einer guten und abgestimmten Zusammenarbeit der Behörden in Dänemark, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Ich komme zu meinem dritten und letzten Punkt zum Abschluss und als kurze Ergänzung -: Auch das wichtige Prinzip der sogenannten Nacheile, das heißt der Verfolgung über die Grenze durch deutsche Beamte, ist in unserem Grenzland zugelassen und geregelt. Die Zusammenarbeit mit den dänischen Behörden ist gut, und es gibt regelmäßig gemeinsame Übungen.

Meine Damen und Herren, die Menschen in der Grenzregion empfinden die Grenze heute nicht mehr als unsicher, sie kaufen regelmäßig und andauernd diesseits und jenseits der Grenze ein, sie arbeiten hier und dort. Sicherheit ist ein Markenzeichen in unserer Grenzregion. Sie gilt es zu erhalten und ständig auf einem angemessenen und modernen Stand zu entwickeln. Damit machen wir eine weitere Öffnung und ein weiteres Zusammenwachsen in der Grenzregion und in Europa möglich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

Ich danke Herrn Abgeordneten Rolf Fischer. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in Europa über Grenzen fährt, ohne dass dort ein Grenzbaum geöffnet werden muss und ohne dass dort zunächst einmal eine Ausweis- und weitergehende Kontrolle stattfindet, dann ist das insbesondere für Nichteuropäer immer wieder ein beeindruckendes Erlebnis. Es ist ein wirklicher Ausdruck von Freiheit eines sichtbaren Einigungsprozesses in Europa.

Ich habe mir eben auch die Rede des Herrn Innenministers angehört und stelle fest, dass wir auf dieselbe Quelle zurückgegriffen haben. Deshalb kann ich mir einen Großteil meiner vorbereiteten Rede sparen. Allerdings bin ich auf eine andere Zahl gestoßen und zwar im Zusammenhang mit Khat. Herr Minister sagte, dass davon 16.000 t an der Grenze sichergestellt werden konnten. Nach meiner Recherche bin ich auf 8.000 t gekommen. Jetzt stellt

(Rolf Fischer)

sich natürlich die Frage: Wo sind die anderen 8.000 t geblieben? Vielleicht können wir uns da ja noch einmal sachkundig machen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Kilogramm!)

- Entschuldigung, habe ich Tonnen gesagt? Um Gottes willen, Kilogramm. Sonst hätten wir noch etwas für die Transportunternehmen in SchleswigHolstein machen können. Entschuldigung.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus Sicht der FDP bestehen also keine großen Kritikpunkte an der konkreten polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Landes-, Bundes- und dänischen Behörden. Es ist vielmehr die Gesamtsituation der Landespolizei, die uns Sorgen macht: personelle Gesamtsituation, Einsatzbelastung, weiterer Rückzug aus der Fläche. Das sind die Themen, die wir heute Mittag in der Sitzung des Innenund Rechtsausschusses besprochen haben und die uns noch weiter in den Gremien beschäftigen werden. Hier gilt es derzeit unsere Priorität zu setzen. Wir haben diese Probleme nicht im Bereich der deutsch-dänischen Grenze.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Hay! Ich weiß gar nicht, wo er ist. Egal. - Herr Hay, Sie haben in Ihrem Bericht sehr deutlich gemacht, welche Chancen in den offenen Grenzen liegen. Ich bin sehr froh, dass Sie hier den Schwerpunkt gesetzt haben. Sie haben auch deutlich gemacht, dass es natürlich die Notwendigkeit gibt, Kriminalität zu bekämpfen. Auch das gehört in der Europäischen Union dazu. Für meine Fraktion möchte ich aber insgesamt sagen, dass die Europäische Union ein ganz, ganz großes Friedensprojekt ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir freuen uns über die Entwicklung in den letzten Jahren, und wir freuen uns über die offenen Grenzen. Auch uns ist es ganz wichtig, bei aller Notwen

digkeit über Zusammenarbeit von Polizei und Zoll zu reden, bei aller Notwendigkeit Kriminalität auch offen zu benennen, immer wieder die Chancen und das Friedensprojekt in den Vordergrund zu stellen.

Da Rolf Fischer große Teile dessen gesagt hat, was ich sonst gesagt hätte, und ich nicht immer, sondern nur manchmal Dinge wiederhole - in diesem Fall halte ich es nicht für notwendig, alles zu wiederholen -, schließe ich mich einfach den meisten Passagen an. Ich hoffe, dass die Debatte ein bisschen dazu beiträgt, Verständnis dafür zu gewinnen, dass offene Grenzen wirklich als positives Element in dieser Europäischen Union gesehen werden müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW sowie vereinzelt bei CDU und SPD)

Ich danke Frau Abgeordneter Monika Heinold. Für den SSW hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Strukturen werden von Menschen geschaffen, und gerade wenn es um grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit geht, ist das ein wichtiger Punkt. Denn wann immer es um die Zusammenlegung von Behörden oder Verwaltungen geht, die von oben verantwortet werden, herrscht auf der Arbeitsebene erst einmal Skepsis gegenüber dem neuen Partner. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn es um die Zusammenlegung verschiedener nationaler Behörden geht. Unterschiedliche Behördenstrukturen, allgemeine Vorurteile gegenüber den Fremden und insbesondere Sprachprobleme erschweren erst einmal die Zusammenarbeit. Vor diesen Problemen standen auch die Polizei- und Zollbeamten, die 2001 in Padborg eine deutsch-dänische Bürogemeinschaft bilden sollten. Der Vertrag von Schengen bildet die Grundlage für diese Zusammenarbeit, das haben wir bereits gehört.

Mit der Vertragsunterzeichnung Dänemarks 2001 war die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland plötzlich scheinbar offen. Es gab ja keine Grenzposten, keine Grenzkontrollen mehr. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Deutschland - das wissen Sie zu den ersten europäischen Staaten gehört, die den Schengener Vertrag bereits 1995 unterzeichneten. Mit anderen Worten, Deutschland hatte 2001 bereits seine Erfahrungen mit offenen Grenzen. Man

(Günther Hildebrand)