Protokoll der Sitzung vom 17.07.2009

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle ganz herzlich. Ich bitte die Kameraleute, sich jetzt in das äußere Rund zu begeben.

Erkrankt sind die Kollegen Holger Astrup und Thomas Stritzl. Wir wünschen beiden, insbesondere Herrn Astrup, gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt ist Herr Abgeordneter Sönnichsen. Zurückgemeldet hat sich Herr Minister Dr. von Boetticher.

Auf der Tribüne begrüße ich eine Vielzahl von Gästen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 38 c) auf:

Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags nach Artikel 13 Abs. 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2801 (neu)

Zu den Redezeiten darf ich Ihnen vorher mitteilen, dass der Ältestenrat Richtwerte von 20 Minuten sowie von etwa 5 Minuten für Kurzbeiträge festgelegt hat.

Wird das Wort zur Begründung des Antrags gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst für meine Fraktion ausdrücklich Holger Astrup alles Gute wünschen. Uns hat das sehr betroffen gemacht. Mit großen Erschrecken haben wir die Nachricht von seiner Erkrankung gehört. Auch wenn wir heute hier schwierige Punkte zu beraten haben, sind unsere Gedanken bei ihm.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine Damen und Herren, die Überschriften der bundesweiten Medien sind nicht gut. Schleswig

Holstein ist in aller Munde, überall auf Seite eins. Die Kommentarlage ist schwierig. Die „Süddeutsche Zeitung“, sicherlich nicht unbedingt ein konservatives Blatt, titelt auf Seite eins: „Chaos in Schleswig-Holstein“.

Deswegen ist diese Debatte für uns ein Wendepunkt. Wir alle müssen wissen, was wir in den nächsten Tagen entscheiden, wozu wir stehen und wie wir Glaubwürdigkeit erzeugen. Haben wir eine nachvollziehbare politische Linie oder ist es vordergründige Taktiererei?

Ich sage es vorweg: Die Würfel sind gefallen. Der Ministerpräsident und die größte Koalitionsfraktion haben erklärt, dass eine Fortsetzung dieser Koalition nicht möglich ist. Wenn das so ist, dann sollte man einen klaren Schnitt ziehen. Dann sollte diese Legislaturperiode beendet werden. Dann sollte dieser Landtag die Kraft und die Größe haben, dies selbst in der Weise zu tun, die die Verfassung dafür in erster Linie vorsieht, nämlich durch einen Auflösungsbeschluss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte die Sozialdemokraten daher aufrufen, diesen Weg mitzugehen, der nicht einfach ist, der nicht selbstverständlich ist, der sicherlich schwerfällt, aber der der geradlinige Weg ist, den wir miteinander gehen sollten. Voraussetzung für eine Zusammenarbeit ist, dass man sich gemeinsame Lösungen zutraut. Die Frage muss man klären.

Wenn dann in den vergangenen Tagen - heute lesen wir es wieder in der Zeitung - gefordert wurde, der Ministerpräsident solle zurücktreten, dann frage ich natürlich diejenigen, die das fordern, und das sind die Sozialdemokraten: Wie wollen Sie überhaupt mit diesem Ministerpräsidenten weiter regieren? Wo ist die Logik dieses Handelns? Erläutern Sie das bitte dem Hohen Haus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man dann weiter spekuliert, was der nächste Schritt wäre, dann käme man zu dem Ergebnis, dass möglicherweise in diesem Haus eine Vertrauensfrage zur Abstimmung steht. Dann stünden wir vor der Frage: Wollen Sozialdemokraten dann in der Tat der Öffentlichkeit erklären, sie hätten Vertrauen zu diesem Ministerpräsidenten, dessen Rücktritt sie gerade noch gefordert haben und gegen den sie, hätte die Vertrauensfrage Erfolg, sofort wieder Wahlkampf führen müssten?

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Logik liegt darin? Welche Logik liegt in Ihrem

Handeln? Was wollen Sie eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern erklären, weshalb Sie diese Koalition fortführen wollen?

(Unruhe bei der SPD)

Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe auf allen Seiten des Hauses.

Es ist traurig. Ich meine, der Anlass ist eine ernsthafte Debatte über das, was hier ansteht. Ich glaube, dass Sie dem in der Tat gerecht werden sollten. Ich kann das derzeit nicht erkennen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Koalition stand unter einem schwierigen Stern, als sie begann. Das Wahlergebnis war nicht so, wie viele es erwartet hatten. Die CDU wurde stärkste Partei. Eine Große Koalition wurde von den Sozialdemokraten brüsk zurückgewiesen. Man versuchte ein anderes Bündnis zusammenzuschmieden. Nach einer denkwürdigen Nichtwahl gab es dann doch noch die Möglichkeit, hier eine Große Koalition zusammenzubringen.

Peter Harry Carstensen ist in jeder Phase dieser Großen Koalition die Integrationsfigur gewesen, der gegen viele Widerstände in meiner Fraktion und Partei die Koalition letztlich zusammengehalten hat.

(Beifall bei der CDU)

Die ersten beiden Jahre waren gut; das kann man nicht anders sagen. Dann wurde es schwierig, als Claus Möller weg war, als wir einen anderen Landesvorsitzenden hatten.

(Zuruf: Die SPD!)

- Die SPD, in der Tat, Frau Kollegin!

Dieser versuchte jede Gelegenheit zu nutzen, zu Beschlüssen, die gefasst wurden, immer abweichende Meinungen zu äußern. Drei Schritte vor und zwei zurück! Ich habe mich in den vergangenen Jahren oftmals erinnert gefühlt an Josef Schmitz und den Freund, den er mit zu Herrn Biedermann brachte.

Das war der Brandstifter. Wir vereinbaren miteinander Kürzungsvorschläge im Haushalt.

(Zuruf von der SPD: Und beschließen sie zu- sammen - ohne Wenn und Aber!)

(Dr. Johann Wadephul)

Die beinhalten Kürzungen von Beamtenzahlungen - schwierig genug. Kaum ist dies geschehen, gibt es eine Mai-Kundgebung. Herr Stegner geht hin und sagt, er will das einkassieren, entschuldigt sich hinterher - hat er nie gesagt, war nie so gemeint.

Im September 2007: Persönliche Erklärung, in der er erklärt, dass man seiner Partei die Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nur habe abhandeln können, weil die Union dem Schulgesetz sonst nicht zugestimmt hätte - was falsch war. In der zweiten persönlichen Erklärung entschuldigt er sich dafür - war nicht so gemeint.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Aber zwei Absätze später verteidigt er seine Auffassung zur Schülerbeförderung.

Wir machen einen Koalitionsausschuss unter größten Schwierigkeiten - Die Mehrheit der Union drängt den Ministerpräsidenten - so viel ist öffentlich bekannt - dringend dazu, Herrn Stegner zu entlassen. Einmal mehr ist es Peter Harry Carstensen, der die Hand zur Versöhnung reicht und ermöglicht, dass man weiterarbeiten kann. - Vorangegangen war eine konfrontative Situation im Innenressort, eine einmalige Situation in Schleswig-Holstein, dass die gesamte kommunale Ebene nicht mehr mit der Landesregierung kommunizieren wollte. Das hatte der Innenminister angerichtet, der damalige Innenminister Dr. Stegner, und es bedurfte wieder des Einsatzes von Peter Harry Carstensen, um das zu kitten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

So ging es in diesem Jahr weiter - mit einigen Unterbrechungen; ich will gar nicht alle Episoden neu erzählen. Wir verständigen uns auf eine Sanierung des maroden Landeshaushalts sowie einen massiven Stellenabbau ohne Vorschläge der SPD, und schon schreibt Herr Stegner in einem Brief an Herrn Malchow, die SPD habe Kürzungsvorschläge der Union im operativen Bereich der Polizei verhindert, was wieder falsch ist - war auch nicht ganz so gemeint, er steht ja zur Koalition.

So geht es hin und her bis hin zu der von mir in diesem Haus ganz bewusst angesprochenen TwitterMeldung zur Retropolitik der 70er/80er Jahre, „Aufklaren“ von Herrn Engholm sei wieder notwendig. Das wird nicht hier klargestellt, das macht hinterher der Sprecher - war auch wieder nicht so gemeint, meine sehr verehrten Damen und Herren. So geht es immer weiter.

Diese Politik ist es, die unser Vertrauen erschüttert hat. Es gipfelte gestern darin, dass Herr Stegner sich hier hinstellte - ich habe von meinem Platz dazu auch verbal interveniert - und, nachdem er erst gesagt hat, er habe nichts gewusst - das war eine Falschmeldung des „Abendblattes“, die komischerweise nicht richtiggestellt wurde -, sagte, da war die SPD-Fraktion nicht eingebunden, was Frau Ute Erdsiek-Rave richtigstellte; natürlich war sie eingebunden. - Dann hat keiner zustimmt, dann hat nur das Kabinett zugestimmt, und am Schluss hieß es gestern hier: In den Gremien habe man nicht zugestimmt. - Immer wieder ein Stückchen anders die Wahrheit hinbiegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bis zu der ritterlich zu nennenden Äußerung des Innenministers Lothar Hay, für die ich in der Lage hohen Respekt und Anerkennung zolle.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wieder einmal waren Sachen fast ganz richtig aber eben nicht mehr.

Und dann hören wir aus rot-grünen Kreisen, man wundere sich eigentlich, dass Herr Stegner jetzt schon attackiere, das wolle er doch erst nach dem 27. September machen. Das ist eben der Blick in die Zukunft, den Sie dann werfen. Und da sind wir in der Situation in der Geschichte von Max Frisch, wo der Spirituosenfabrikant Biedermann die Dachstühle aller Nachbarn brennen sieht, jedoch glaubt, seiner würde niemals brennen, sehr verehrte Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: In dem Buch steht et- was ganz anderes!)

Wir sind nicht so gutgläubig und irrezuführen wie dieser Mann, sondern wir sind diejenigen, die eine nüchterne Analyse dessen durchführen, was in dieser Koalition noch möglich ist, in einer Lage, wo dieses Land handlungsfähig sein muss. Die HSH Nordbank hat uns hier mehrfach miteinander beschäftigt, und es ist mitnichten sicher, dass es nicht neue Probleme dort gibt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise - das sagen wirklich alle voraus - wird von uns äußerste Kräfte und Entschlossenheit verlangen und nicht Kabinettsvorlagen wie diejenigen, die für den 3. Juli zugesagt waren und dann letztlich das Papier nicht wert waren, auf dem sie geschrieben waren, sondern sie wird Einschnitte verlangen, die wir einer Bevölkerung zu erklären haben, die erwartet, dass eine Landesregierung und eine Koalitionsmehrheit zusammenstehen. Das können wir in dieser Lage nicht mehr erwarten. Das ist die nüchterne Analyse, die aufseiten der Union zu dem Trennungsbeschluss geführt hat und die jetzt