Dabei spricht keiner der Großkoalitionäre mehr davon, dass den älteren Arbeitslosen, also denen, die seit Jahrzehnten in die Arbeitslosenkasse eingezahlt haben, das Arbeitslosengeld I länger als ein Jahr gezahlt werden soll. Gerade das war einer der wichtigsten Kritikpunkte bei der Debatte über Hartz IV und einer der Punkte, die wir hier im Hause angesprochen haben. Aus Sicht des SSW ist dies aber weiterhin der entscheidende Punkt bei einer Revision von Hartz IV. Wir müssen breiten Bevölkerungsschichten die Angst vor Hartz IV nehmen. Das geht nur, indem wir für langjährige und ältere Beitragszahler mehr Sicherheit schaffen und sie nicht abbauen.
Wenn man die soziale Sicherheit der Arbeitslosenversicherung nicht völlig ad absurdum führen will, dann gibt es am Ende nur eine gesicherte Erkenntnis: Gegen die steigenden Kosten von Hartz IV helfen nur Jobs. Das aber ist wiederum eine ganz andere Baustelle, denn eines hat die ganze Misere um die HartzGesetze auch gezeigt: Die Arbeitsmarktpolitik kann nur die Grundlage dafür schaffen, dass die Arbeitslosen effektiver, schneller und leichter wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Neue Arbeitsplätze schafft man aber nur durch eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ob die große Koalition in Berlin mit ihren bisherigen Steuerplänen da richtig liegt, wage ich aus Sicht des SSW zu bezweifeln. Lieber Kollege Hay, neue Arbeitsplätze werden in der Bundesrepublik nur über die Wiederbelebung der Binnenkonjunktur möglich sein. Wie das mit einer massiven Mehrwertsteuererhöhung ohne gleichzeitige umfassende Lohnnebenkostensenkung geschehen soll, sehe ich persönlich nicht.
Unser gemeinsamer Antrag ist als Reaktion auf den Bund gedacht, um noch Schlimmeres zu verhindern. Darüber bin ich froh. Ich bin auch froh über unsere Einigkeit. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten mit mehr Ruhe, Überlegung und sozialer Verantwortung an die Hartz-Gesetzgebung herangehen werden. Ich hoffe auch, dass wir aus unserem hohen Haus unseren Beitrag dazu leisten werden, dass auf Bundesebene nicht allzu viel Unsinn verzapft wird.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stegner das Wort. - Herr Minister, wenn Sie bereit wären!
- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereitschaft und Wille sind vorhanden. Ich habe heute das außerordentliche Vergnügen, für den verhinderten Kollegen Uwe Döring einzuspringen. Herr Kollege Garg, ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass Sie darauf beharrt haben, dass dieser Berichtsantrag in dieser Tagung behandelt wird. Das hat zwar zu einer kurzfristig erhöhten Schlagzahl bei den Mitarbeitern geführt, aber dafür können wir uns jetzt auf der Grundlage von Daten und Fakten über das Abschiedsgeschenk von Bundesminister Wolfgang Clement an die kommunale Familie austauschen.
Jetzt bedanke ich mich einmal bei Ihnen und nun ist das auch wieder nicht richtig. Ich habe mir Ihnen gegenüber nun so viel Mühe gegeben. Ich nehme das trotzdem nicht zurück.
Das so genannte Zweite Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches ist leider auch nur zweitklassig. Uwe Döring hat das so formuliert: Es mutet an wie ein Schnellschuss nach RamboManier. Das ist zwar nicht ganz meine Sprache, aber ich teile das ausdrücklich.
Ich glaube tatsächlich, dass das hausgemachte HartzIV-Problem zulasten Dritter, nämlich unserer Kommunen, nicht eingelöst werden darf. Herr Kollege Harms, ich glaube, die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war richtig und notwendig.
Jeder handwerkliche Mangel, der zweifellos da ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies notwendig war. Ich hätte mir gewünscht, dass dies anders zustande gekommen wäre. Als ehemaliger Finanzpolitiker habe ich durchaus ein gewisses Verständnis für die Haushaltsnöte des Bundes, die uns in den laufenden Koalitionsverhandlungen drastisch vor Augen geführt werden. Sich jedoch vollständig aus der Mitfinanzierung der den Kreisen und kreisfreien Städten aufgebürdeten Unterkunftskosten für die SGB-IILeistungsberechtigten herausstehlen zu wollen, ohne dies stichhaltig begründen zu können, ist schon ein tolles Stück. Insofern begrüßt die Landesregierung ausdrücklich den interfraktionellen Entschließungsantrag, der zu Recht auf ein klares Stoppsignal in Richtung Berlin abzielt. Genau dies ist auf dem Weg. Wir werden diesen hingeschluderten Gesetzentwurf im Bundesrat gemeinsam mit anderen Länder ablehnen.
Was das Missbrauchsthema und die Sprache angeht, so teile ich ausdrücklich die Bewertung meiner Vorredner. Der Kollege Klug ist nicht hier, aber er hat einige hämische Zwischenrufe gemacht. Ich sage ausdrücklich: Wenn jemand etwas Törichtes äußert, dann wird das deutlich kritisiert, auch wenn er der eigenen Partei angehört. Ich finde, das gehört eher zur Stärke und nicht zur Schwäche, denn diese Art von Sozialdebatten in Deutschland zu führen, hat keine gute Tradition. Deshalb sollten wir das auch nicht tun.
Im engen Schulterschluss mit den kommunalen Landesverbänden bestehen wir darauf, dass über den notwendigen Umfang der Bundesbeteiligung nur auf Grundlage konsensfähiger Daten und Berechnungsmethoden entschieden wird. Ich sage das auch deswegen, weil ich, verehrter Herr Kollege Müller, am Vermittlungsverfahren beteiligt war und weiß, dass wir eine Revisionsklausel verabredet haben, die wirklich ihresgleichen sucht. Das war das beste Stück Gesetzgebungsarbeit in diesem Zusammenhang, obwohl es ansonsten im Vermittlungsverfahren in Teilen nicht so gut war. Aber dieser Teil war sehr gut und deswegen kann man da nicht schlankweg rausge
Schon jetzt lassen die Ergebnisse der Kommunaldatenerhebung des ersten Halbjahres 2005 den Schluss zu, dass in diesem Jahr mindestens die bisherige Bundesbeteiligung von 29,1 % erforderlich ist, um die verbindlich zugesagte kommunale Gesamtentlastung von jährlich 2,5 Milliarden € sicherzustellen. Außerdem wird der designierte Finanzminister Steinbrück Vorkehrungen treffen müssen, damit im nächsten Jahr Bundesmittel in der gleichen Größenordnung zur Verfügung stehen. Dies würde gerade ausreichen, um wenigstens das bisherige Beteiligungsniveau des Bundes beizubehalten.
Die bisherigen Ergebnisse der Kommunalerhebung deuten sogar auf einen noch höheren Beteiligungsbedarf hin.
Dem Taktieren der amtierenden Bundesregierung ist es im Übrigen zu danken, dass mit Ablauf dieses Jahres vorerst keine Beteiligungszahlen aus Berlin mehr bei unseren kommunalen Trägern eingehen. Denn das dafür notwendige Gesetzgebungsverfahren wird nicht mehr rechtzeitig abgeschlossen werden können. Jeden Monat werden dann mehr als 11 Millionen € in den kommunalen Kassen fehlen. Wir müssen daher sehr schnell zu einer Verständigung zwischen Bund und Ländern gelangen, damit unsere Kommunen wenigstens zeitnah im nächsten Jahr die benötigten Bundesmittel wieder zur Verfügung haben. Die Landesregierung wird in enger Abstimmung mit unseren kommunalen Landesverbänden das ihre dazu beitragen, damit dieses Ziel erreicht wird.
Es ist gut, dass in dieser sicherlich schwierigen Auseinandersetzung mit dem Bund die Landtagsfraktionen geschlossen hinter der Landesregierung stehen. Vielen Dank für dieses klare Zeichen der Solidarität mit unseren Kreisen und kreisfreien Städten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle - das weiß ich auch aus vielen Gesprächen mit kommunalen Vertretern - erwarten unsere Kommunen auch ein deutliches Wort zu einem anderen Punkt. Ich meine den finanziellen Beitrag des Landes zur Realisierung der im Vermittlungsverfahren zum kommunalen Optionsgesetz vereinbarten kommunalen Gesamtentlastung um jährlich 2,5 Milliarden €. Ich will deutlich sagen - Herr Kollege Garg hat das zitiert, wir haben das in der Vergangenheit immer erklärt, ich habe das damals als Finanzminister auch öffentlich gesagt, als es keinen Beifall dafür gegeben hat -, die Landesregierung hat immer erklärt, sie will sich an Hartz IV nicht bereichern, allerdings auch keine zusätzlichen Lasten übernehmen.
Insofern steht die Landesregierung in diesem Punkt eins zu eins zu ihrem Wort. Auf der Grundlage neuer Berechnungen wird der den Kommunen zur Verfügung gestellte Ausgleichsbetrag von knapp 27 Millionen € im Jahr 2005 um 25 Millionen € erhöht. Sie werden Gelegenheit haben, über die Erhöhungsbeträge im Rahmen des zweiten Nachtragshaushalts zu entscheiden, wie das der Kollege Wiegard mitgeteilt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Innenminister weiß ich um die finanziellen Sorgen unserer Kommunen.
Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür sorgen, dass die Kommunen auch weiterhin ihren gerechten Ausgleich für die hohen Lasten durch die Hartz-IVReform erhalten.
Ich möchte auch noch ein paar Anmerkungen zu dem machen, was der Fraktionsvorsitzende der SPD hier gesagt hat. Es geht nämlich bei all dem, worüber wir hier sprechen, um Menschen. Man kann über das Wahlergebnis in Berlin wirklich streiten, aber eine Botschaft war sehr deutlich, übrigens in beide Richtungen: Die Menschen in diesem Lande wollen nicht die Abrissbirne, was den Sozialstaat angeht, sondern sie wollen, dass wir zu einem vernünftigen und auch mit sozialem Augenmaß vollzogenen Vorgang kommen, wenn wir über schwierige Sozialreformen reden.
Ich hoffe sehr, dass bei den Koalitionsvereinbarungen, die momentan in Berlin ausgehandelt werden, bei allem Heulen und Zähneklappern, von dem Herr Koch gesprochen haben mag, dieses Heulen und Zähneklappern nicht in erster Linie bei denen stattfindet, die am wenigsten haben.
Wir haben wirklich Finanzprobleme in unserem Land, aber wir sind immer noch eines der reichsten Länder dieser Welt. Viele würden sich die Probleme wünschen, die wir haben, und es gibt überhaupt keinen Grund, über Entlastungen für die zu reden, die am meisten haben, und mit denen, die am wenigsten haben, so umzuspringen, wie das jedenfalls in Teilen den Eindruck erweckt.
Ich sage das nicht nur als sozialdemokratischer Minister. Das muss ein Auftrag für alle Beteiligten sein.
Daran haben sich alle zu messen, bei aller Euphorie, die es immer gibt, wenn Regierungen mit großer Mehrheit gebildet werden. Das finden immer alle prima, die Presse ist sehr freundlich und alle finden das sehr gut. Wir werden uns daran zu messen haben, wenn man das nachher beurteilt, ob es gelingt, die notwendigen Sozialreformen in der Weise zu verabschieden, dass man dabei auch den subjektiven Eindruck von sozialer Gerechtigkeit hat. Dabei ist die Frage, über die wir hier geredet haben, ein ganz entscheidender Maßstab, an dem das zu sehen sein wird.
Insofern teile ich ausdrücklich das, was Lothar Hay hier gesagt hat. Ich würde mir wünschen, dass sich die Geschlossenheit dieses Hauses, die ich gehört habe, was die Bemerkung des Kollegen Clement betrifft, auch auf diesen Punkt erstreckt. Das wäre wunderbar.
Ich danke Herrn Minister Dr. Stegner. - Das Wort für einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abgeordneter Anne Lütkes.
Frau Präsidentin! Ich glaube, wir haben noch fünf Minuten Redezeit übrig; die möchte ich aber gar nicht voll in Anspruch nehmen.
Herr Minister Stegner, vielen Dank für Ihren Beitrag, den Sie in Vertretung von Herrn Döring, der verreist ist, gehalten haben. Ich fand den Beitrag sehr hilfreich, insbesondere Ihre Erklärung, dass auch in Ihrer Partei jeder, der sich in derart menschenverachtender Weise wie Herr Clement äußert, deutlich kritisiert wird. Ich hoffe, dass dies auch für den leider verreisten Minister Döring gilt und dass das, was wir in der Zeitung gelesen haben, von Ihnen heute dementiert werden kann. Ich hoffe sehr, dass Ihre Rede heute als Dementi zu verstehen ist, und bitte Sie deshalb um ergänzende Äußerung, wenn ich das so formulieren darf, Frau Präsidentin, vielleicht auch zur Vermeidung eines weiteren Berichtsantrages.
Wir lesen in der „Kölnischen Rundschau“ unter dem 4. November - wenn ich zitieren darf, Frau Präsidentin -:
„Kern des Döring-Konzepts ist es, die finanziellen Ansprüche von Beziehern des Arbeitslosengeldes II in weiten Teilen noch einmal erheblich zurückzuschrauben. Döring fordert dafür die ‚teilweise Rückführung der