„So verlangt Döring die ‚grundsätzliche Nicht-Anerkennung von eigenen Bedarfsgemeinschaften für Jugendliche unter 25 Jahren, wenn eine Unterbringung bei den Eltern zumutbar ist.’“
Das ist eine Umkehr der Beweislast, eine grundsätzliche Nicht-Anerkennung. Ich war eben sehr froh, dass der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Landtag deutlich gesagt hat, dass Ihre Partei und Ihre Fraktion eine solche Misstrauenskultur kritisiert, wie sie in den Äußerungen von Herrn Clement und in diesem offensichtlichen Vorschlag des Arbeitsministers dieses Landes vorkommt. Gestatten Sie mir, wenn ich da - gelinde gesagt - einen Widerspruch sehe.
Wir waren sehr froh, dass Sie die soziale Gerechtigkeit als Leitfaden Ihrer sozialdemokratischen Politik deutlich hervorgehoben haben und der vertretende Arbeitsminister das auch noch einmal getan hat. Nur der amtierende Arbeitsminister - leider verreist, das sei ihm gern gestattet - sagt hier in einer Deutlichkeit, dass jugendliche Heranwachsende kein Recht auf eine eigenständige Wohnkultur haben, etwas, das wir bei jeder Bildungsdebatte doch fordern, die Eigenständigkeit, die Persönlichkeit wollen wir heranbilden und dazu gehört auch eine gewisse Selbstständigkeit.
Nein, er fordert - ich wiederhole das - die Umkehr der Beweislast: Jeder muss zu Hause wohnen, es sei denn, er kann beweisen, dass etwas anderes vorliegt, das lässt er aber gar nicht zu. Er vermutet per Gesetz zukünftig den Missbrauch - und das nicht nur in der „Kölnischen Rundschau“, einer CDU-nahen Zeitung, sondern auch in vielen anderen.
Ein Weiteres: Er verlangt Gutscheine für Einzelleistungen. Er negiert die eigenständige Berechtigung von Menschen, von Hilfeempfängern, das Geld, das ihnen zugeteilt wird, in einer bestimmten Weise für sich einzuteilen. Nein, es soll Grund- und Zusatzleistungen geben. Die Menschen sollen Gutscheine bekommen und kein Recht auf eine eigenständige Verwaltung des Budgets haben.
Frau Präsidentin, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn die Landesregierung hierzu Stellung nehmen müsste. Ist das eine Privatmeinung des Arbeitsministers oder gibt es ein Konzept, das er in seiner Eigenschaft als Arbeitsminister erarbeitet hat? - Dann bitte ich die Landesregierung dringlichst, dieses vorzulegen. Die
Herr Minister Stegner ist bereit, für die Landesregierung Stellung zu nehmen. Zu welchen Ihrer Fragen, Frau Lütkes, er allerdings Stellung nimmt, weiß ich nicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Lütkes, alles in allem würde ich keinen Unterschied machen, ob man das, was man sagt, einer CDU-nahen oder einer anderen Zeitung sagt. Ich pflege mich immer gleich auszudrücken. Die einen mögen es allerdings lieber als die anderen; das gilt auch für den Kollegen Döring.
Ich würde empfehlen, über die Fragestellung, die Herr Döring in Interviews zum Ausdruck gebracht hat, mit ihm im Ausschuss zu diskutieren.
Ich möchte hier allerdings zwei Dinge feststellen. Erstens. Es gibt noch keine Beschlussfassung zu der Frage, wie wir mit Veränderungsnotwendigkeiten bei Hartz IV umgehen wollen.
Zweitens. Ich finde den Zusammenhang, in den Sie es bringen, nicht passend. Denn Herr Döring hat sich genauso klar wie ich dazu geäußert, in welcher Sprache und in welcher Haltung gegenüber Menschen, die Hilfeempfänger sind, das erfolgt ist, was in der Broschüre von Herrn Clement nachzulesen ist. Davon ist kein Wort abzustreichen.
Über die Frage, was wir generell bei einer Revision solcher Gesetze zu regeln haben, kann man streiten und darüber wird auch noch gestritten. Dazu gibt es keine Beschlussfassung; sie wird zu gegebener Zeit in den Ausschüssen diskutiert und dafür gelten die Grundsätze und Maßstäbe, die Kollege Hay sehr eindrucksvoll formuliert hat.
Danke schön, Herr Minister Stegner. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Da der FDP-Antrag seine Erledigung gefunden hat, ist jetzt Abstimmung in der Sache beantragt worden.
zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! - Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/298 (neu) einstimmig angenommen worden. - Dafür danke ich Ihnen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Johannes Callsen.
„Groß ist der Aufholbedarf, will SchleswigHolstein nicht weiter mit der schwächsten Verkehrsinfrastruktur aller westdeutschen Bundesländer privaten Investitionen vielfach eine notwendige Grundlage vorenthalten.“
Diese Feststellung trifft die Bertelsmann Stiftung in ihrer jüngsten Studie „Die Bundesländer im Standortwettbewerb 2005“.
„Um die Attraktivität des Standortes Schleswig-Holstein zu steigern, sollten öffentliche Investitionen generell und insbesondere der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur hohe Priorität genießen. Hierdurch verbessern sich die Voraussetzungen für private Investitionstätigkeit. So ist denn auch begrüßenswert, dass die neue Koalition die Verkehrsinfrastruktur entschlossen weiterentwickeln möchte.“
Damit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, hat die Bertelsmann Stiftung ein Kernfeld der Wirtschafts- und Verkehrspolitik der Landesregierung beschrieben, mit dem wir die Voraussetzungen für neues Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze schaffen wollen. Diesen bereits eingeschlagenen Weg wollen wir konsequent fortsetzen, insbesondere mit Blick auf die zügige Realisierung der A 20 mit westlicher Elbquerung.
Um dies zu erreichen, ist allerdings ein wenig „Schützenhilfe“ von der Bundesebene erforderlich. Im Rahmen des Jobgipfels im März dieses Jahres hatten sich CDU und SPD darauf verständigt, mit einem Planungsbeschleunigungsgesetz die Realisie
rung von Infrastrukturprojekten deutlich schneller zu ermöglichen. Aufgrund der vorgezogenen Bundestagsneuwahl konnte dieses Gesetzesvorhaben aber nicht mehr zeitgerecht zu Ende gebracht werden.
Wir dürfen bei der Beschleunigung von Infrastrukturprojekten allerdings keine weitere Zeit für SchleswigHolstein verlieren und wollen mit unserem Antrag heute ein deutliches Signal in diese Richtung setzen.
Inzwischen liegen auf Bundesebene zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch. So hat das Bundesland Hessen einen Gesetzentwurf für schnellere Planungsverfahren vorgelegt, der gegenwärtig in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene behandelt wird. Nachdem in den neuen Bundesländern gute Erfahrungen mit Möglichkeiten der Planungsbeschleunigung bei Verkehrsprojekten gemacht worden sind, müssen jetzt auch die westdeutschen Bundesländer unter dem Gesichtspunkt auch der Wettbewerbsgleichheit von Standorten von beschleunigten Planungsverfahren profitieren können.
Wir rufen daher mit unserem Antrag die Landesregierung auf, auf Bundesebene entsprechende Initiativen für ein Planungsbeschleunigungsgesetz zu unterstützen oder auf den Weg zu bringen, von denen dann auch Schleswig-Holstein beim weiteren Ausbau seiner Verkehrsinfrastruktur profitieren kann. Denn es gilt, baldmöglichst Blockaden für den Ausbau der Infrastruktur zu beseitigen.
Denkbar sind dabei eine ganze Reihe von Erleichterungen, wie sie unter anderem die Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure vorgelegt hat, etwa die Straffung auf maximal zwei Verfahrensschritte, Beschleunigung der Entscheidungswege und Vermeidung von Mehrfachprüfungen, Optimierung des Planfeststellungsverfahrens etwa durch Fristsetzungen für Einwendungen und Stellungnahmen oder die Aufwandsreduzierung bei kleineren Maßnahmen. Kriterien wie wirtschaftlicher Fortschritt, Arbeitsplätze und Wohngebietsentlastungen müssen bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten den notwendigen Stellenwert haben.
Dass im europäischen Vergleich die Planungsfristen in Deutschland viel zu lang sind und Zeiträume von über 15 Jahren offenbar keine Seltenheit sind, muss baldmöglichst der Vergangenheit angehören. Infrastrukturprojekte von überregionaler Bedeutung, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes stärken und neue Arbeitsplätze schaffen, müssen in vereinfachten Verfahren zügig umgesetzt werden können - auch im Interesse von Schleswig-Holstein und seiner Wirtschaftskraft.
Ich bedanke mich bei dem Herrn Abgeordneten Callsen. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Bernd Schröder das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsstandort Deutschland leidet an der typisch deutschen Regulierungswut. Die planungsrechtlichen Vorarbeiten für Großprojekte dauern viel zu lange, egal, ob es sich um die AirbusErweiterung, den Neubau eines Autobahnabschnitts oder ein anderes Infrastrukturvorhaben handelt.
Es geht nicht darum, mit Gegnern solcher Maßnahmen „kurzen Prozess“ zu machen. Es muss aber möglich sein, in sehr viel kürzeren Zeiträumen als bislang festzustellen, was rechtens ist und was nicht, und das als rechtmäßig Festgestellte dann auch sofort durchzusetzen.
„Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Rechtsgrundlagen für beschleunigte Planungsverfahren in ostdeutschen Ländern (Planungsbeschleunigungsgesetz) auch in Westdeutschland Anwendung finden.“
Für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit wurden Rechtsgrundlagen zur Planungsbeschleunigung geschaffen. Die Erfahrungen - das hat sich gezeigt - waren positiv. Gegen erlassene Planfeststellungsbeschlüsse beziehungsweise Plangenehmigungen wurden in den neuen Bundesländern rund 160 Klagen und Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig gemacht. Rund 150 davon konnten bereits mit einer durchschnittlichen Dauer der Klageverfahren von zehn Monaten und der Antragsverfahren von sieben Monaten abgeschlossen werden.
Das zeigt, wie sich die beschleunigte Planung im Osten bewährt hat. Dies schlägt sich auch nieder in deutlich kürzeren Bauzeiten für Autobahnen. Die kurze Verfahrensdauer war ein wesentlicher Grund für eine Fertigstellung des VDE-Projekts A 14 HalleMagdeburg in nur zehn Jahren und des VDE-Projekts A 20 Lübeck-Stettin innerhalb von nur 13 Jahren.
Bundesverkehrsminister Dr. Stolpe hat im Mai dieses Jahres die Vereinfachung der Planung von Infrastrukturvorhaben in ganz Deutschland vorgestellt. Das