Der Kommunalbericht 2005 des Landesrechnungshofs beschreibt einmal mehr eindrucksvoll die kommunale Wirklichkeit und den politischen Handlungsbedarf in kleineren Ämtern und Gemeinden. Einnahmeausfälle und Kostensteigerungen führen zu Haushaltsbelastungen, die nur noch mit strukturellen Maßnahmen in den Griff zu bekommen sind. In einer Bestandsaufnahme und Bewertung zu Verwaltungsstrukturen und zur Zusammenarbeit hat der Landesrechnungshof schon im November 2003 sehr dezidiert die Forderungen nach einer notfalls landesgesetzlich zu regelnden kommunalen Verwaltungsstrukturreform erhoben. Ich finde, liebe Kollegin Spoorendonk, auf Analysen unseres Landesrechnungshofes zurückzugreifen kann man kaum als Todsünde bezeichnen; das finde ich ein bisschen daneben.
Wesentliche Teile der gutachterlichen Stellungnahmen des Landesrechnungshofs sind in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD eingeflossen. Die SPD-Landtagsfraktion steht hinter den Koalitionsbeschlüssen und wird der Landesregierung auch bei der Umsetzung des konkreten Regierungsprogramms den Rücken stärken. Wir gehen davon aus, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der CDU-Landtagsfraktion dasselbe tun - Herr Wadephul hat das eben gesagt -, und zwar nicht nur hier im Landtag, sondern auch vor Ort in den möglicherweise betroffenen Ämtern und Gemeinden.
Es gibt nämlich keine Alternative. Auch die vom Landesrechnungshof konstatierten persönlichen Befindlichkeiten und Eigeninteressen handelnder Personen - so zitiere ich den Landesrechnungshof - insbesondere in den Leitungsfunktionen der Ämter dürfen uns nicht daran hindern, sinnvolle und wirtschaftliche Verwaltungszusammenschlüsse zu fördern und auf den Weg zu bringen.
Erstens. Wir wollen, dass die identitätsstiftende und identitätsstärkende Souveränität auch kleinerer Gemeinden erhalten bleibt. Eine Gebietsreform durch landesgesetzlichen Zwang wird es mit uns nicht geben.
Ich will es nochmals in aller Deutlichkeit sagen: Jede kleinste Gemeindevertretung im Land wird ihre gar nicht hoch genug einzuschätzende verdienstvolle ehrenamtliche Arbeit für die örtliche Gemeinschaft weiterhin leisten können und dürfen. Ausnahme: Zwei oder mehr Gemeindevertretungen beschließen selbst und freiwillig, die Eigenständigkeit ihrer Gemeinden aufzugeben und sich zu einer Gemeinde zusammenzuschließen. Als leuchtendes Beispiel dafür nenne ich gern nach wie vor den Zusammenschluss der vier Inselgemeinden Westfehmarn, Landkirchen, Bannesdorf und Stadt Burg zu einer einheitlichen Stadt Fehmarn zum 1. Januar 2003. Dies ist ein Beispiel, das aus unserer Sicht gern weiter Schule machen könnte.
Zweitens. Für die SPD-Landtagsfraktion ist es wichtig, dass die Konzentration kommunaler Verwaltungseinheiten nicht zu Verlusten und Einbußen bei
der orts- und bürgernahen Aufgabenerledigung führt. Wir wollen, dass auch in kleineren Gemeinden ohne eigene hauptamtliche Verwaltung dezentrale Bürgerbüros als erste Anlaufstellen für Ratsuchende oder antragstellende Einwohnerinnen und Einwohner erhalten bleiben oder eingerichtet werden. Der viel beschworene Grundsatz der Bürgernähe öffentlicher Verwaltung darf auch im Fall noch so wirtschaftlicher und professioneller Konzentration kommunaler Verwaltungseinheiten nicht außer Acht gelassen werden. Verwaltung ist nun einmal in erster Linie öffentlicher Kundendienst für ortsansässige Bürgerinnen und Bürger. Das muss und soll so bleiben.
Auch auf Amtsebene gibt es übrigens wider alle Unkenrufe ohne landesgesetzlichen Zwang längst etliche Beispiele freiwilliger Gemeinsamkeit. Dem Innenminister sind zum Beispiel der beabsichtigte freiwillige Verwaltungszusammenschluss der Stadt Garding und des Amtes Eiderstedt angezeigt sowie die beabsichtigte freiwillige Neubildung eines Amtes durch den Verwaltungszusammenschluss der Gemeinden Heikendorf, Mönkeberg und Schönkirchen, den wir selbst durch parlamentarische Hilfestellung auf Wunsch der Gemeinden mit auf den Weg gebracht haben, oder der geplante freiwillige Zusammenschluss der Ämter Tolk und Böklund, über den die „Schleswiger Nachrichten“ am 5. November schreiben:
„Fusion vollzieht sich problemlos. Die Amtsausschüsse von Tolk und Böklund trafen sich am Donnerstagabend zu ihrer historischen Sitzung, auf der die entscheidenden Maßnahmen zur Bildung einer gemeinsamen Amtsverwaltung beschlossen wurden. Die Ämter Tolk und Böklund werden ihrer Rolle als Musterfusionierer auch weiterhin gerecht.“
Es werden sicherlich weitere Musterbeispiele in der noch laufenden Phase der Freiwilligkeit folgen. Es tut sich etwas im Land. Wir begrüßen das. Spätestens zur Kommunalwahl 2008 müssen allerdings alle Kreise, Ämter und Gemeinden im Lande so organisiert sein, wie es die Leitlinien der Landesregierung vorsehen. Nur deshalb bedarf es noch eines Gesetzes, das im Rahmen der Leitlinien dort zur Geltung kommen wird, wo freiwillige Lösungen nicht auf den Weg gebracht worden sind. Wir hoffen allerdings und sind zuversichtlich, dass bis zur Verabschiedung des Landesgesetzes noch recht viele kommunale Hochzeiten freiwillig eingeläutet werden. Zwangsheirat muss nicht sein. Noch haben die Kommunen die freie Partnerwahl. Machen Sie, liebe Vertreterinnen und Ver
treter in den Kommunalvertretungen und Verwaltungen, zum Wohle der Kommunen und ihrer Bürgerinnen und Bürger weiterhin Gebrauch davon!
Ich danke dem Kollegen Puls und erteile nunmehr für die Fraktion der FDP deren innenpolitischem Sprecher, Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Landesparteitag der FDP hat Ende September einen Beschluss gefasst, der die Landesregierung in ihrem Kurs, nämlich größere Verwaltungen auf kommunaler Ebene zu bilden, weitestgehend unterstützt. Diese sollten danach eine Mindestgröße von 9.000 Einwohnern aufweisen - ganz gleich, ob es sich um Gemeinden, Städte oder Ämter handelt.
Zu meiner eigenen Entlastung möchte ich vorwegschicken: Ich selbst habe vor einem Jahr in meinem Amtsbereich die Initiative gestartet, zwei Ämter zusammenzuschließen, deren beide Ämter schon jetzt über die vom Innenminister geforderten 8.000 Einwohner verfügen, das eine Amt über 9.000 und das andere Amt über 12.000, zusammen also 21.000 Einwohner.
Aus dieser Erfahrung heraus kann ich sagen, dass es hier weiß Gott nicht um ein Festhalten von Amtsvorstehern oder leitenden Verwaltungsbeamten an ihren Posten geht, sondern sie sind schon wesentlich weiter. Herr Innenminister, ich glaube, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, dass es aus diesem Bereich irgendwelche Querschüsse gibt.
Darüber hinaus fordern wir die konsequente Umsetzung der zweistufigen Verwaltung, in der die Landesebene Aufgaben der politischen Steuerung, der Gesetzgebung oder der Aufsicht wahrnimmt und die kommunale Ebene den Gesetzesvollzug als Selbstverwaltungsaufgabe erledigt. So haben wir zum Beispiel in der Vergangenheit immer die Auflösung der Staatlichen Umweltämter gefordert und sind dafür in der Vergangenheit auch oft gescholten worden. Nun entwickelt die Landesregierung ähnliche Vorstellungen. Das ist grundsätzlich gut so.
Parteitagsbeschlüsse und Analysen in akademischen Zirkeln sind nur die eine Seite. Genauso wichtig ist es, die Menschen in unserem Land, die durch Verwaltungsstrukturreformen unmittelbar betroffen sind, mitzunehmen, sie offen über Defizite in der bisherigen Verwaltungsstruktur zu informieren, also zu er
klären, warum eine Reform erfolgen muss und welche Konsequenzen dies zur Folge hat. Die Verwaltungsstrukturreform bewegt nämlich viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, nicht nur die häufig erwähnten kommunalen Mandatsträger, die angeblich nur ihren Job sichern wollen, sondern auch die ganz normalen Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden, insbesondere im ländlichen Raum. Sie haben vielerorts Angst davor, dass ihre Gemeinde aufgelöst wird, dass ihre Feuerwehr vor Ort um den Erhalt bangen muss und möglicherweise bei größeren Verwaltungseinheiten auch ihre kleinen Schulen verschwinden.
Diese Ängste sind vielfach und meistens unbegründet. Auch die Landesregierung will keine Gebietsreform. In Gesprächen werde ich aber immer wieder mit diesen Ängsten konfrontiert und muss dort entsprechende Aufklärung leisten.
Viele Mitbürger kennen oder verstehen schlichtweg den Unterschied zwischen einer Fusion zweier Gemeinden zu einer neuen Körperschaft einerseits und einer Zusammenlegung von Verwaltungen andererseits nicht, die die Identität der Gemeinden eben nicht berührt. Daher ist es wichtig, die Menschen mitzunehmen, mit ihnen zu kommunizieren, ihre Hinweise und Argumente ernst zu nehmen, aber nicht wie ein Rambo durchs Land zu reisen, kernige Sprüche loszulassen und letztlich den Eindruck zu erwecken, andere hätten davon ohnehin keine Ahnung und es sei sowieso schon alles entschieden. Dieser Eindruck entsteht häufig bei den vielen Besuchen des Innenministers im Lande.
Viele Bürgerinnen und Bürger - dazu zähle ich auch kommunale Mandatsträger - sind, so glaube ich, zu Reformen bereit, wenn durch umfassende Information Irritationen gar nicht erst entstehen können, wenn ihnen gesagt wird, was erreicht werden soll, was eine Reform kostet, was sie einspart, zu welchen sonstigen Konsequenzen sie führt und was passiert, wenn nichts passiert.
Hier kommen wir zum entscheidenden Punkt. Wenn die Landesregierung noch nicht einmal bereit oder in der Lage ist, dem Landtag in Form eines geforderten Berichtes zu erklären, warum sie etwas macht oder welches die konkreten Konsequenzen sind, dann verstehen es die Menschen im Land erst recht nicht.
Sehr geehrter Herr Innenminister, gemessen an dem Antrag, den wir hier als Parlament im September aufgrund des SSW-Antrages beschlossen haben - übrigens auch mit Stimmen aus der großen Koalition -, ist das, was hier vorgelegt worden ist, eine absolute Banalität.
Dieser Bericht ist ein neunseitiges Nichts mit Anlagen, der schon heute veraltet ist und dem Informationsbedürfnis des Parlaments in keiner Weise Rechnung trägt.
Nicht einmal ansatzweise wird die Landesregierung dem Fragenkatalog gerecht, der im Berichtsantrag des SSW vom gesamten Parlament beschlossen wurde. Wir - damit meine ich alle Parlamentarier - sollten uns diese Vorgehensweise nicht gefallen lassen. Wir sollten den Bericht an den Ausschuss überweisen und uns dort konkret durch die Landesregierung informieren lassen. So einfach geht es nicht.
Wir wollten beispielsweise wissen, welche konkreten Defizite die Landesregierung bei den Strukturen und beim Personal in der jeweiligen Aufgabenwahrnehmung in der Landesverwaltung sowie in den Kreisverwaltungen sieht. Als Antwort erhalten wir, dass sich aus Sicht der Landesregierung die bisherigen Verwaltungsstrukturen durchaus bewährt hätten. Es gehe aber künftig darum, die Landes- und Kommunalverwaltung noch kostengünstiger, leistungsstärker und bürgernäher zu machen. Ich nehme also zur Kenntnis, dass es bisher keine Defizite gibt.
Da die Landesregierung aber auch nicht ausführt, wo künftige Defizite in den bestehenden Strukturen entstehen, kann doch niemand ernsthaft von der Bevölkerung erwarten, aus dieser Antwort überhaupt einen Reformbedarf abzuleiten. Das sind doch alles Worthülsen.
Dabei bestehen Defizite. Amts- und Gemeindeverwaltungen mit einer Größe von 3.000, 4.000 oder 5.000 Einwohnern haben häufig schon bei der bestehenden Aufgabenstruktur zu hohe Personalkosten pro Einwohner. So steht es im Bericht des
Landesrechnungshofes. Deshalb haben wir als FDP uns dafür entschieden, bereits heute eine Anhebung der Einwohnermindestgrenze zu fordern, die selbst ohne Veränderung des Aufgabenbestandes notwendig ist; allerdings mit der Einschränkung, dass der Nachweis erbracht werden muss, dass eine neue Einheit kostengünstiger arbeiten wird als in der heutigen Konstellation. Wir wissen aus vielen Stellungnahmen des Gemeindetages ganz genau, dass dieser sehr wohl in der Lage ist, kostengünstige Amtsverwaltungen zu benennen.
Ob dies letztlich alles ausreicht, zeigt sich aber erst nach Vorliegen der neuen Aufgabenstruktur durch die angeblich in Vorbereitung befindliche Funktionalreform. Wir warten immer noch auf entsprechende Ergebnisse. Leider wird uns nichts mitgeteilt.