Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Es fehlt auch eine klare Definition dessen, was im berufsbildenden Sektor als staatlicher Bildungsauftrag verstanden wird. Dies ist erforderlich. Allgemein kann man sagen, dass dies auf der Hand liegt. Frau Eisenberg, es muss klar definiert werden, welcher Umfang damit abgedeckt ist. Ich denke, das gehört auch zu einer richtigen Vorarbeit.

Vierter Punkt. Die Landesregierung muss sich bei der Personalzuweisung eindeutiger als bisher positionie

(Dr. Ekkehard Klug)

ren. Aus Gesprächen im Bereich der berufsbildenden Schulen höre ich zum Beispiel Klagen und Kritik an der derzeitigen Tendenz des Ministeriums, Leitungsfunktionen relativ lange unbesetzt zu lassen. Dies führt zu Unsicherheit und zu Sorge. Die Schaffung eines Regionalen Berufsbildungszentrums bedeutet, dass man eigenverantwortlich gestalten muss. Dazu braucht man auch Leitungsressourcen. Über deren Umfang und deren Bereitstellung muss Klarheit bestehen. Anderenfalls kann man nicht damit rechnen, dass die Begeisterung für dieses neue Konzept wächst.

Ich komme zum Schluss. Ich halte es für einen richtigen Weg, den vorliegenden Bericht der Landesregierung an den Bildungsausschuss zu überweisen und dazu im Ausschuss eine Anhörung durchzuführen. Die kommunalen Schulträger, die Vertretungen der Wirtschaft, die Lehrerverbände, die Eltern- und die Schülervertretungen sollten dabei Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir danken dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe meine Rede mit den Worten überschrieben: Was gut ist, das muss gelobt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Bei allen ideologischen Grabenkriegen über Schulformen, Ganztagsunterricht, Berufsausbildung und so weiter gibt es in der Bildungsdiskussion doch Gemeinsamkeiten. Dazu gehört immer mehr die Stärkung der Autonomie der Schulen. Ich habe gemerkt, dass die Vertreterin von der CDU vorsichtig sagte, dass sie dies bei den Berufsschulen nun auch gut findet, bei den allgemein bildenden Schulen findet sie das nicht so sehr gut. Ich glaube aber, dass der Trend der Zeit eindeutig ist. Auch international ist zu sehen: Schulen müssen sich dem Qualitätswettbewerb stellen. Sie müssen aber auch mehr Freiheiten haben, um sich selber zu entwickeln und um sich selber die Impulse zu geben, gut zu sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Es muss an den Schulen Diskussionen darüber geben, wie man sich verbessern kann. Es darf nicht nur den Ärger über Anweisungen von oben geben, wenn die Ministerin sagt: Werdet besser! Dadurch wird Schule nicht besser. Auch durch detaillierte Regularien wird sie nicht besser. Wir alle haben es bescheinigt bekommen: Das deutsche Schulsystem ist deutlich überreguliert. Es wird viel zu sehr durch Vorschriften und Eingaben gesteuert. Es hat zu wenig Freiheiten und es wird zu wenig das bewertet, was tatsächlich dabei herauskommt. Deshalb ist das Projekt der Regionalen Berufsbildungszentren eines der Musterprojekte dieses Landes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kann die CDU auch mal klatschen?)

Ich freue mich darüber, dass es so viel Zustimmung findet und dass es von den großen Regierungsparteien jetzt auch akzeptiert wird. Ich glaube, dies ist ein Musterprojekt, weil es in mustergültiger Weise in der Schulpolitik neue Wege beschreitet. Schulen können eine eigene Buchführung machen. Sie können eine Kosten-Leistungs-Rechnung einführen, sie können - wie im Betrieb - Wirtschaftspläne und Geschäftsberichte einführen. Sie können aber auch Unterricht frei gestalten, ihre Lehrer selbst aussuchen und die Personalführung freier gestalten als heute.

Berufsschuldirektoren sagen mir immer wieder, dass sie sich zunehmend wie Manager eines großen Betriebes vorkommen. Dies ist aber im positiven Sinne gemeint. Alle, mit denen ich gesprochen habe und die an diesem Projekt teilnehmen, begrüßen das. Immerhin nehmen 14 von 39 Berufsschulen im Lande an diesem Projekt teil. Alle sagen, dies ist eine gute Sache, die nach vorn gerichtet ist.

Man muss auch sagen, dass diese Möglichkeiten ganz unterschiedlich genutzt werden. Es ist nicht so, dass alle gleich alle Möglichkeiten genutzt haben. Teilweise werden nur einzelne Punkte umgesetzt. Die Schulen benutzen es aber. Sie sind begeistert und haben Freiheiten und Möglichkeiten. Dabei spielt ein wesentlicher Aspekt eine Rolle, der mich an dem Projekt begeistert hat. Das ist die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit der überbetrieblichen Ausbildung.

Wir haben an den Berufsschulen immer das Problem gehabt, dass gerade im Handwerksbereich darüber geklagt wurde, dass die Auszubildenden zu viel Zeit in der Schule verbrächten. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass sie nicht nur einen bis zwei

(Karl-Martin Hentschel)

Tage in der Berufsschule sind, sondern zusätzlich noch einen bis zwei Tage in der überbetrieblichen Ausbildung verbringen. Da bleibt natürlich nicht mehr viel übrig.

Die Bildung von Regionalen Berufsbildungszentren ermöglicht es, dass die überbetriebliche Ausbildung und die Berufsschulen zusammengeführt werden. Das findet zum Teil auch schon statt. Vorbildlich ist dies zum Beispiel in Mölln gemacht worden. Hier war man Vorreiter. Bevor es dieses Projekt überhaupt gab, hat man dort schon begonnen, in Zusammenarbeit mit den Innungen die Ausbildung in die Berufsschulen zu verlagern und gemeinsame Stundenpläne zu machen, sodass die Schüler teilweise morgens Berufsschulunterricht hatten und nachmittags in der überbetrieblichen Ausbildung waren. Die Stundenpläne konnten aufeinander abgestimmt werden. Das ist ganz wichtig, weil Dinge häufig doppelt vorkommen.

Damit wurde die Präsenz im Betrieb erhöht und die Qualität des Unterrichts konnte gesteigert werden. Auch die Werkstätten konnten gemeinsam genutzt werden. In Mölln gibt es zum Beispiel Autowerkstätten, die gemeinsam von der Berufsschule und der betrieblichen Ausbildung genutzt werden. Das ist ein mustergültiges Beispiel dafür, wie eine Zusammenarbeit funktionieren und die Zukunft eines solchen Regionalen Berufsbildungszentrums aussehen kann.

Wenn die Regionalen Berufsbildungszentren in die Weiterbildung einsteigen, dann muss natürlich darauf geachtet werden, dass es nicht passieren darf, dass mit verbeamteten Lehrern eine Konkurrenz zu privaten Weiterbildungsorganisationen aufgebaut wird. Das ist eine berechtigte Angst. Daher muss aufgepasst werden, dass man dann, wenn man in die Weiterbildung einsteigtü dies auch zu realen Kosten verrechnen muss. Trotzdem ist es sinnvoll, dass dies gemacht wird und dass die Kompetenzen gerade im Bereich der Weiterbildung besser genutzt werden als heute. Dies ist ein richtiger Weg. Er ermöglicht über Einnahmen der Berufsschulen auch wieder neue Flexibilität und neue Offenheit sowie einen neuen Weg für die Schule.

Ich bedanke mich bei allen, die an diesen Projekten teilnehmen; bei den Berufsschulen, bei den Lehrern, bei den Rektoraten und bei allen, die diese Projekte auch im Ministerium unterstützt und dazu beigetragen haben, dass das Projekt so erfolgreich läuft. Ich glaube, dass dies kein Sonderweg ist, der nicht übertragbar ist. Ich glaube, die Berufsschulen machen damit etwas vor, was unter dem Gesichtspunkt der Autonomie für das allgemein bildende Schulsystem vorbildlich ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zukunft wird dies bestimmen. Wir sollten diese Diskussion fortsetzen. Im Gymnasialbereich haben wir erste Ansätze dazu, das Personal durch die Schulen selbst auswählen zu lassen. Ich denke, das ist ein richtiger Schritt. Wir werden in den nächsten Jahren vorangehen. Dies ist eine große Chance für unser Schulsystem und ich freue mich, dass zumindest in diesem Punkt in diesem Hause große Einigkeit besteht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel. Für den SSW erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand es interessant, dass bei allen Gemeinsamkeiten in den Redebeiträgen auch Unterschiede deutlich wurden. Ich will noch eine andere Sache aufgreifen. Zunächst möchte ich jedoch sagen, dass ich es gut finde, dass die die Regierung tragenden Fraktionen diesen Berichtsantrag gestellt haben. Er ist überfällig, denn er greift die Punkte auf, die von Anfang an auch die Knackpunkte ausmachten, die auftauchten, als wir vor einigen Jahren anfingen, uns mit der Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen zu befassen.

Der Bericht selbst ist - so finde ich - etwas enttäuschend. Aus meiner Sicht hätte er ausführlicher sein müssen. Wir müssen uns anscheinend daran gewöhnen, dass Berichte jetzt nicht nur selbst gelesen werden müssen, sondern dass auch alle Presseveröffentlichungen mit der Lupe gelesen werden müssen. Na gut, das werden wir auch hinkriegen.

Der Bericht selbst ist als Handreichung - und das ist meine Kritik - für die weitere Ausschussberatung eigentlich nicht geeignet. Dem Bericht zu entnehmen ist aber, dass wir jetzt anscheinend an einem Punkt angelangt sind, wo es darum geht, Paragraphen im Sinne des Schulgesetzes zu basteln. Ich vermisse somit in dem Bericht eine Auswertung der Erfahrungen, die von den Projektschulen in der Erprobungsphase gemacht worden sind. Ich bin mir bewusst, dass dieses Eckpunktepapier vorliegt. Daraus geht vieles hervor, aber aus Sicht des SSW ist zu befürchten - das hat jetzt nichts mit dem Bericht zu tun -, dass die anstehende Schulgesetzänderung hinter das zurückfällt, was in der Projektphase erprobt wurde. Das wäre wirklich sehr ärgerlich.

(Anke Spoorendonk)

Das Konzept zur Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren wurde 2001 von der Bildungsministerin vorgestellt und in die Anhörung gegeben. Daraus entstand die Konzeptstudie von 2002. In dieser Konzeptstudie steht auch eine Zielsetzung, die ich zitieren möchte:

„Das Regionale Berufsbildungszentrum ist ein eigenverantwortlich handelndes, rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Bildungsunternehmen.

Die Regionalen Berufsbildungszentren müssen

- den staatlichen Bildungsauftrag erfüllen,

- Lernprozesse so gestalten, dass sie selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Lernen fördern, […]

- als Dienstleistungsunternehmen in Partnerschaft mit Bildungsträgern und Unternehmen in der Region Aus-, Fort- und Weiterbildung betreiben können.“

Das ist richtig toll formuliert. Seit 2002 läuft die genannte Erprobungsphase und wir wissen jetzt auch, dass an dieser Erprobung 14 berufsbildende Schulen und neun kommunale Schulträger beteiligt sind.

Positiv zu bewerten ist, dass die Zielsetzung wirklich so formuliert ist, dass sie mehr hergibt, als nur den Rahmen der Erprobung festzusetzen. Sie ist aus unserer Sicht Ausdruck für eine neue Bildungsphilosophie - ein Ansatz, den wir ausdrücklich unterstützen. Er hat den Beruflichen Schulen und den Regionen so viel Freiraum gegeben, dass es wirklich möglich gewesen ist, vor Ort etwas zu erarbeiten, was zu einer echten Qualitätssteigerung bei der beruflichen Bildung geführt hat.

Dafür möchte ich das Ministerium loben und der Ministerin Mut machen, diesen Weg weiter zu beschreiten. - Nur Mut, Frau Ministerin! - Es wäre ärgerlich, wenn all dies zunichte gemacht würde, bloß weil jetzt die Zwänge des Beamtenrechts, des Schulrechts, des Verwaltungsrechts und des Haushaltsrechts zum Tragen kämen. Ich will diesen Punkt gern im Ausschuss vertiefen und möchte zugleich anregen, dass wir uns die Zeit nehmen, uns noch einmal die Projekte vorstellen zu lassen, denn da gibt es wirklich gute Beispiele.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich werde auch beantragen, dass wir uns mit dem Flensburger Modell des RBZ auseinander setzen,

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Anhörung!)

weil dieses Modell aus meiner Sicht wirklich Vorbildcharakter hat.

(Beifall der Abgeordneten Susanne Herold [CDU])

Aus dem Modell geht hervor, warum es ein Erfolg ist. Das hat weniger mit Flensburg zu tun, sondern etwas mit dem Modell. Sowohl die Region als auch die politischen Gremien der Region sowie die Unternehmen, die Dualpartner und die Weiterbildungsträger sind von Anfang an zusammen mit der Universität eingebunden worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gewerblichen Schule haben das Konzept von Anfang an mitgetragen. Es ist von unten gewachsen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Beruflichen Schulen läuft trotzdem sehr gut. Nur die Gewerbliche Schule macht das Konzept mit, die anderen arbeiten aber trotzdem konstruktiv mit der Gewerblichen Schule zusammen.

Das RBZ ist bei dem Flensburger Modell das Dach eines neuen Hauses und nur dieser neue Teil sollte nach Vorstellung der Beteiligten in eine neue Rechtsform überführt werden. Das RBZ stellt für die gesamte regionale Wirtschaft einen Qualitätssprung dar, weil es gelungen ist, Angebot und Nachfrage in der Erstausbildung besser zu verzahnen und mithilfe der Weiterbildungsträger auch schnell auf Veränderungen zu reagieren.

Alles andere werden wir im Ausschuss noch einmal aufgreifen können. Darum bleibe ich dabei: Mit diesem Konzept ist es uns gelungen, Schleswig-Holstein an die Spitze der Bewegung zu stellen, und ich hoffe, dass das auch so bleiben wird.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das Präsidium war über die konstruktive Debatte heute Morgen zur Bildung erfreut.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/346, dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen worden.