Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

Ich möchte das Thema Windenergie unterstreichen, das hohe private Investitionen bringt. Allein durch das Repowering wird bis 2012 mit einem Investitionsvolumen von 2 Milliarden € gerechnet. Ich freue mich, dass wir uns mit dem Innenminister darin einig sind, zusätzliche Möglichkeiten durch Geländeausweisungen für Megawindanlagen im Raum Brunsbüttel zu schaffen. Viele Gelder, die aus Investitionen in die Windenergie resultieren, fließen in die Westküstenregion. Wir fördern die Windenergie zum Beispiel durch das Kompetenzzentrum Windenergie und die Unterstützung des Messestandortes Husum.

Ich habe Sorge, dass manch einer die Vorteile dieses Standortes erkannt hat. Hamburg bemüht sich, in Konkurrenz zu Husum eine Windmesse aufzubauen. Bremerhaven ist dabei, etwas Ähnliches zu tun. Das unterstreicht, wie sehr wir uns bemühen müssen, diese wertvolle Pflanze in Husum weiter zu pflegen.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich möchte den Mikrotechnologiestandort Itzehoe erwähnen. Ich möchte erwähnen, dass mit der Firma Vishay und der SMI GmbH auch hochkarätige Firmen angesiedelt werden konnten, die an der Westküste für viele zukunftssichere Arbeitsplätze sorgen.

(Minister Dietrich Austermann)

Wir haben aus dem Schleswig-Holstein-Fonds, den die Koalition beschlossen hat, Geld für eine OffshoreForschungsplattform, für ein marines Biotechnologiezentrum und für das Multimar Wattforum bereitstellen können und wir werden in den nächsten Tagen Geld für eine Großinvestition in Hemmingstedt bereitstellen, wo ein Unternehmen aus Dithmarschen die Abwärme einer Raffinerie für seine Gemüsezuchtanlage nutzen will.

(Beifall bei der CDU)

Die Entscheidung ist vor kurzem getroffen worden. Meine Hoffnung ist, dass mehrere Hundert Menschen in diesem gemeinsamen Gewerbegebiet zwischen Hemmingstedt und Heide - die Stadtgrenze ist dort offensichtlich kein Problem - Arbeit finden und weitere Ansiedlungen und Investitionen dieser Art nicht ausgeschlossen sind.

Ich wünsche mir in Zukunft mehr solcher Erfolgsgeschichten. Hier ist in der Tat ein Aufbruch im Gange und ich danke dem Antragsteller dafür, dass ich Gelegenheit hatte, das darzustellen.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. - Für den Antragsteller, die FDPFraktion, hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitte Juni ergriff die Landesregierung den strukturpolitischen Hammer - die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses können sich noch gut daran erinnern -, um die schleswig-holsteinische Westküste zu stärken. Ein wichtiges Mitglied des christlichunionierten Westküstentriumvirats in der Landesregierung verkündete, man wolle mit Husum beginnen. Eben sagte derjenige, den ich meine - nämlich Wirtschaftsminister Austermann -, das Pflänzchen Windenergie müsse man besonders pflegen. Genauer gesagt handelt es sich dabei um die Ankündigung Wirtschaftsminister Austermanns, er wolle der Stadt Husum Millionen Euro bereits zugesagter Fördermittel streichen, das Geld sei besser in Brunsbüttel angelegt.

Nun, wir führten gestern eine Diskussion um die Frage direkt gewählter und nicht direkt gewählter Abgeordneter. Ich will nur ganz nebenbei erwähnen: Brunsbüttel liegt im Bundestagswahlkreis des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Austermann, Husum hingegen nicht.

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!)

Die anderen Mitglieder des Westküstentriumvirats im Kabinett sind übrigens der Ministerpräsident Carstensen höchstpersönlich und sein Chef des Stabes, Staatssekretär Maurus. Bei so viel Präsenz im Kabinett ist es dann wohl auch selbstverständlich, dass die Westküste nicht mehr nur ein Teil SchleswigHolsteins ist. Nun ist sie ein integraler Bestandteil Schleswig-Holsteins, so steht es im ersten Satz des Berichts.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Mit anderen Worten: Die Westküste steht in Schleswig-Holstein für sich allein. Das Adjektiv „integral“ bedeutet nämlich „ein Ganzes ausmachend“ oder „für sich bestehend“. Wer mir nicht glaubt, der möge es nachschlagen. Wahrscheinlich wollte Herr Austermann sozusagen als Minister für klare Sprache ausdrücken, die Westküste sei ein integrierter Teil Schleswig-Holsteins. Dazu würde erstens der Inhalt des Berichts passen und zweitens, dass es in dessen letztem Abschnitt heißt - ich zitiere -: „Die Westküste Schleswig-Holsteins hat eine hohe Priorität für die Landesregierung.“

Eine solche Aussage, lieber Kollege Martin Kayenburg, provoziert geradezu folgende Fragen an den Ministerpräsidenten: Herr Ministerpräsident, welche Teile Schleswig-Holsteins sind aus Sicht der Landesregierung nicht in Schleswig-Holstein integriert? Welche Teile Schleswig-Holsteins haben für die Landesregierung keine Priorität?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diese Fragen nachher von hier aus beantworten könnten. Wenn die Westküste hohen Vorrang hat - Vorrang, deutsch für „Priorität“ -, dann müssen andere Landesteile nachrangig behandelt werden, sonst wäre diese Aussage ohne jeden Inhalt und ohne Bedeutung. Das ließe dann allerdings darauf schließen, dass die Westküste doch kein integrierter, sondern eben nur ein integraler Bestandteil Schleswig-Holsteins wäre.

Wie auch immer die Landesregierung die Westküste betrachten und behandeln will, so ist eines klar: Wirtschaftlich gesehen ist die Westküste selbst für schleswig-holsteinische Verhältnisse strukturschwach. Sie ist durch unterdurchschnittliches Wachstum, unterdurchschnittlichem Wohlstand, niedrige Beschäftigung und hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Das ist leider kein neuer Zustand. Diese Beschreibung zieht sich zum Beispiel durch alle

(Dr. Heiner Garg)

Berichte über die Anmeldungen des Landes zu den Rahmenplänen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“.

In diesen Berichten werden übrigens auch schon seit vielen Jahren einige der Infrastrukturprojekte als wichtige Voraussetzung genannt, die wir auch im vorliegenden Bericht wiederfinden. Das Projekt A 20 mit der Elbquerung zum Beispiel steht dort mindestens seit Mitte der 80er-Jahre, ebenso das dritte Eisenbahngleis zwischen Pinneberg und Elmshorn. Für Letztes wird schon genauso lange als wesentliche Voraussetzung genannt, dass zunächst der Bahnhof in Elmshorn saniert werden müsse. Diese Sanierung soll bekanntlich bis 2015 abgeschlossen sein, fast 30 Jahre nachdem eine Landesregierung zum ersten Mal festgestellt haben wollte, dass dieses Projekt besonders wichtig sei. So lange wird es dann gedauert haben, um allein die Voraussetzungen dafür zu schaffen, den angeblich störendsten Engpass im schleswigholsteinischen Schienennetz zu beseitigen. Was für eine Perspektive für die Westküste!

In Deutschland ist Strukturschwäche ein relatives Problem. Innenminister Dr. Stegner hatte Recht, als er vorgestern anlässlich unserer Debatte zur Verwaltungsstrukturreform sagte: Die Menschen in vielen Ländern dieser Erde wären froh, sie hätten unsere Probleme, wenn sie ihre Probleme dafür loswürden. Dennoch zielt der Kampf gegen die Strukturschwäche bei uns darauf, dass die strukturschwächeren Gebiete zu den stärkeren aufschließen. Gemessen daran wurde das Ziel der Strukturpolitik an der Westküste jedoch bis jetzt verfehlt.

Je nachdem, welchen Indikator wir zugrunde legen, hat sich der Abstand der Westküste zum Durchschnitt des Landes nicht oder nur kaum verringert. Manchmal hat er sich sogar vergrößert. Das heißt keineswegs, dass diese Strukturpolitik ganz vergeblich gewesen und das Geld in den Wind geschossen worden wäre; denn vielleicht wäre die Lage und die Aussichten der Menschen an der Westküste heute noch viel schlechter, wenn sich das Land, der Bund und die Europäische Union dort merklich schwächer engagiert hätten.

Allerdings zeigen alle verfügbaren Daten, dass die herkömmlichen Instrumente der Strukturpolitik offensichtlich nicht geeignet waren, um einen beständigen Aufschwung an der Westküste zu erreichen. Vielleicht waren die Instrumente aber auch nur falsch dosiert. Deshalb haben wir in unserem Antrag mit Absicht nach den konkreten Maßnahmen gefragt, mit denen die Landesregierung die Strukturschwäche der Westküste abbauen will.

Dieser Aufforderung ist die Landesregierung ausführlich nachgekommen. Herr Minister Austermann, ich danke Ihnen und Ihren beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen Bericht und möchte, dass Sie meinen Dank weiterleiten. Nun wissen wir aber alle, dass ein guter Bericht die Westküste allein noch nicht stärkt. Die Maßnahmen, die im Bericht aufgezählt und erläutert sind, gleichen denen, mit denen schon seit Jahrzehnten versucht wird, die Wirtschaftsstruktur an der Westküste zu stärken, aber, wie ich bereits gesagt habe, leider relativ erfolglos. Immerhin will die Landesregierung mehr tun, mehr vom Gleichen. Dahinter mag die Idee stehen, dass - angelehnt an das Motto „Viel hilft viel“ - noch mehr noch besser helfen könnte. Ob das stimmt, können wir getrost dahingestellt sein lassen; denn das Geld, das die Landesregierung auf absehbare Zeit an der Westküste investieren kann, reicht nicht für die Option „Viel hilft viel“ und schon gar nicht für die Option „Noch mehr hilft noch besser“.

Dafür kann die CDU nichts. Die SPD trägt daran erhebliche Schuld. Aber diese Feststellung über Schuld und Unschuld am Raubbau am Landesvermögen und am öffentlichen Investitionsstreik in Schleswig-Holstein ändern nichts an den sehr begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Landes. Wir werden nachher noch darüber sprechen: Zukünftig wird das Land wahrscheinlich über noch weniger Geld verfügen; denn die Europäische Union wird den reichen westeuropäischen Ländern zukünftig weniger Fördermittel zuweisen. Selbstverständlich müssen wir darum kämpfen, auch künftig von der Europäischen Union möglichst viel Geld zu bekommen. Aber unser Kuchenstück daran wird kleiner werden.

Angesichts der Wirkungsschwäche der herkömmlichen Förderinstrumente und der schrumpfenden Mittel stellen sich mir also folgende Fragen: Welche Perspektiven haben die Menschen, die an der Westküste leben und besonders diejenigen, die dort arbeiten beziehungsweise die dort arbeiten wollen? Was können wir als Landespolitik dazu beitragen, diese Perspektiven zu verbessern, und zwar so zu verbessern, dass mehr junge Menschen dort so gute Perspektiven haben, dass sie nicht nur dort leben wollen, sondern dass sich dies auch genügend junge Menschen leisten können, weil sie dort die Chance haben, Arbeit zu finden?

Ich kann diese Fragen für mich noch nicht befriedigend beantworten, die Landesregierung kann es in ihrem Bericht allerdings auch nicht. Wie bereits gesagt: Das, was berichtet wird, hat in der Vergangenheit leider nur ausgereicht, um den weiteren relativen Abstieg der Westküste zu vermeiden. Was

(Dr. Heiner Garg)

wir aus unserer Sicht brauchen, ist ein Schulterschluss mit allen Beteiligten aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, Ideen zu entwickeln und Strategien zu deren Umsetzung zu erarbeiten, damit die Menschen, die an der Westküste leben, nicht nur einen kraftvollen Ministerpräsidenten haben, sondern auch einen kraftvollen Aufschwung in ihrer Region erleben. Ich würde mich freuen, wenn wir uns hierüber im Wirtschaftsausschuss weiter austauschen können.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Garg. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Karsten Jasper. Das ist seine erste Rede in unserem Plenum. Ich bitte um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke als Erstes Herrn Minister Austermann und den Mitarbeitern des Ministeriums für den aufschlussreichen Bericht. Zweitens danke ich der FDPFraktion, dass sie den Bericht beantragt hat, über den wir heute zu sprechen haben.

Die Westküste ist nicht etwa der Nationalpark Wattenmeer, abgetrennt durch einen hohen Zaun, vor dem Touristen stehen, die die Einwohner wie exotische Tiere bestaunen. Wir von der Westküste sind selbstbewusste, manchmal - Herr Garg hat es gesagt - etwas eigensinnige Menschen, die auf ihre schöne und abwechslungsreiche Landschaft stolz sind, auf unsere Kultur und, mien lever Peter Harry, op de plattdüütsche Spraak. Dat will ik hier ok maal seggen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben auch ein großes wirtschaftliches Potenzial, das wir auch positiv zu nutzen wissen. Dass wir ausgesprochen durchsetzungsstark sind, beweist unser nordfriesischer Ministerpräsident Peter Harry Carstensen jeden Tag. Durch Europäisierung und Globalisierung hat sich die Welt verändert. Es werden Grenzen überwunden. Wir brauchen diese Entwicklung. Sie bietet uns Chancen, die wir nutzen müssen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das habe ich nicht verstanden!)

- Was haben Sie nicht verstanden? Das, was der Ministerpräsident gesagt hat, haben Sie nicht verstanden?

(Zurufe)

Das Wort hat der Abgeordnete Jasper und sonst niemand.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht kann die CDU noch einmal für den Ministerpräsidenten klat- schen!)

Das machen wir doch gern. Wir sprechen heute zunehmend von Metropolregionen. Von der Metropolregion Hamburg profitieren bereits heute Steinburg, das südliche Dithmarschen bis hin nach Brunsbüttel. Gerade die Westküste einschließlich der Unterelbe ist mit Fug und Recht als ländlicher Raum zu bezeichnen. Noch in den 70er- und 80er-Jahren war die Westküste stark durch die Landwirtschaft geprägt. Wir an der Westküste sind dabei, diesen Strukturwandel in der Landwirtschaft, mein lieber Claus Ehlers, positiv zu bewältigen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Umso wichtiger ist es heutzutage, die weltweiten Märkte schnell und direkt zu erreichen. Dies ist aber nur durch eine leistungsfähige Infrastruktur zu schaffen. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur bei Straße, Schiene und Wasser sind bereits durch Minister Austermann in seiner dynamischen Westküstenart - die wurde schon angesprochen - angegangen und realisiert worden.

Die neue Lebensader für Schleswig-Holstein, die A 20 mit Elbquerung westlich von Hamburg, ist das Verkehrsprojekt mit höchster Priorität innerhalb der großen Koalition. Die Autobahn wird zu einer wirtschaftlichen Belebung der Westküste beitragen, aber nur dann, wenn der Anschluss an das niedersächsische Fernstraßennetz gewährleistet wird. Für die Weiterentwicklung der Westküste bedarf es aber auch eines Ausbaus der übrigen Infrastrukturmaßnahmen, als da wären: zügiger dreistreifiger Ausbau der B 5, Elektrifizierung der Bahntrasse mit Anschluss an das dänische Esbjerg, Ausbau von DSL- und UMTSNetzen

(Holger Astrup [SPD]: Sehr richtig!)

sowie der Erhalt der Sparkassenlandschaft und der umfassenden Leistungen der Post. Hier ist die Landesregierung gefordert, konkrete Maßnahmen zu ergreifen.