Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

(Beifall bei der FDP)

Der Wissenschaftsminister hat für seine Idee diverse Argumente ins Feld geführt, die sich bei näherer Betrachtung aber alle als nicht stichhaltig erweisen, etwa Synergieeffekte im IT-Bereich. Bei der Bildung des fusionierten Universitätsklinikums haben wir festgestellt: Die Vereinheitlichung im IT-Bereich hat zunächst einmal 3 Millionen € zusätzlich gekostet, damit die überhaupt eine kompatible Informationstechnik haben. So ein Prozess kostet. Was die Betreuung der Studierenden betrifft: Akademische

Auslandsämter brauchen Sie bei drei verteilten Standorten nach wie vor an jedem Standort. Die Beispiele ließen sich erweitern.

Sie nennen in Ihrer Pressemitteilung vor einigen Tagen explizit den Wettbewerb um Mittel für medizinische Sonderforschungsbereiche. Das finde ich wirklich erstaunlich, weil sowohl Kiel als auch Lübeck gerade in den letzten Jahren gezeigt haben, dass sie auch in der jetzigen Struktur in hervorragender Weise in der Lage sind, Drittmittel für Sonderforschungsbereiche und andere Forschungsdrittmittel einzuwerben, etwa im Bereich der Genomforschung. Es wäre vielleicht einmal sinnvoll, bei der Beratung über den Antrag des SSW im Bildungsausschuss die Sprecher der medizinischen Sonderforschungsbereiche in diesem Land einzuladen, die ja unter Beweis gestellt haben, dass sie fähig sind, in der vorhandenen Struktur sehr gute Arbeit zu leisten, zu fragen, was sie denn von Ihren Ideen halten.

Ich komme zusammengenommen auf fünf Sonderforschungsbereiche in Kiel und Lübeck. Ich habe mir einmal angeschaut, was das Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu bieten hat, für den hochschulmedizinischen Bereich dort übrigens mit einem Landeszuführungsbeitrag, der um 50 % höher ist als der Landeszuführungsbeitrag, den wir für Kiel und Lübeck zusammen ausgeben. Die kommen auch auf fünf Sonderforschungsbereiche. Mit anderen Worten: So schlecht ist unsere Bilanz also auch wieder nicht. - Die TU sollte man da nicht mitzählen; die hat ja ein eigenes Klinikum.

Schließlich sollte Herr Austermann auch die Frage beantworten, ob er mit dem Fusionsplan neben den angeblichen Synergieeffekten auch Einsparungen beabsichtigt. Viele vermuten, dass in Wirklichkeit dahinter steht, - 2008 läuft der Hochschulvertrag aus -, dass mittelfristig eine Deckelung der Hochschulmittel kommen soll. Damit verlegt man Verteilungskonflikte im Rahmen einer fusionierten Landesuniversität in die Institution hinein, man selber erspart sich im Zweifelsfall eigene Entscheidungen, die man treffen müsste. Das hat zur Konsequenz, dass in der fusionierten Landesuniversität ein Hauen und Stechen losgeht und Forschung und Lehre für längere Zeit darunter zu leiden haben, dass das Land mit dieser Vorgabe die Arbeit der Universitäten massiv belastet.

Ich halte von dem Konzept überhaupt nichts. Ich teile die Auffassung, dass wir im Ausschuss Näheres beraten sollten, und erinnere noch einmal an den Vorschlag, dass wir Experten einladen, die uns vielleicht aus ihrer Erfahrung heraus sagen können, was denn

(Dr. Ekkehard Klug)

von diesen Ideen des Herrn Wissenschaftsministers zu halten ist.

(Beifall bei FDP, SPD uns SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, irgendwie sind Sie mir sympathisch. Ich finde es gut, dass Sie dynamisch an die Sache herangehen. Ich glaube auch, dass wir Strukturreformen brauchen. Daher finde ich es auch richtig, dass man über alles nachdenkt, ganz ehrlich.

Bei der großen Fusion der drei schleswig-holsteinischen Hochschulstandorte sind interessanterweise zwei Universitäten vergessen worden, nämlich die Muthesius-Schule und die Musikhochschule. Da diese noch kleiner sind, müsste man sie aus Effizienzgründen am ehesten einkassieren.

Unabhängig davon sind mir folgende Bedenken gekommen: Einmal ist eine Universität kein Betrieb oder keine Behörde, die man einfach zusammenlegen kann, sondern es handelt sich um eine der wichtigsten - auch regionalen - Ressourcen, die Bildung auf hohem Niveau produziert. Ganz entscheidend für die Hochschulen ist - man muss sich nur einmal die Geschichte der Uni Lübeck angucken - die große Identität der regionalen Wirtschaft mit der Universität, die auch am Beginn der Geschichte der Hochschule gestanden hat. Die Zusammenarbeit der Wirtschaft mit der Hochschule spielt eine entscheidende Rolle. Das ist Psychologie. Aber auch Wirtschaft ist Psychologie; das wissen wir alle.

Zu dem, was jetzt in Lübeck bei der Demo passiert ist, kann man sagen, die sind alle von gestern. Wenn man Lübeck kennt, kann man sagen: Bestimmt sind die alle von gestern.

(Unruhe)

- Ich habe es ironisch gemeint. Ich hoffe, meine Ironie wird im Landtag noch verstanden.

Aber es drückt auch etwas aus, nämlich das hohe Maß an Identifikation Lübecks mit seiner Universität. Das wird mir, glaube ich, selbst der Kollege aus Lübeck bestätigen.

Die Technologieförderung der letzten Jahre hat gezeigt, dass sie vor Ort nur dort funktioniert, wo sie in

enger Kooperation von Technologiezentren und Hochschulstandorten mit Unterstützung der örtlichen Wirtschaft stattfindet. Das ist ganz entscheidend, um neue Impulse zu bekommen, damit etwas Neues entsteht. Wir wollen ja nicht immer nur die alte Wirtschaft fördern, die sich eher zurückentwickelt, sondern wir brauchen neue Impulse dort, wo etwas Neues entsteht. Dafür sind gerade die örtlichen Hochschulaktivitäten von zentraler Bedeutung. Das ist ein Punkt, den man bedenken sollte.

Zweiter Punkt. In der Vergangenheit hat sich eine Hochschule besonders schwer getan, sich zu verändern. Das ist nicht die kleinste, sondern die größte, nämlich die CAU. Dort haben wir die meisten Probleme. Deswegen wage ich die Theorie: Dass Großcontainerschiffe effizienter als kleine Feeder sind, stimmt nur in Gewässern, in denen keine erhöhte Manövrierfähigkeit verlangt wird. Vielleicht sollten Sie darüber einmal nachdenken. Es hat an der CAU wirklich massive Probleme gegeben. Das hängt vielleicht gerade mit der Größe zusammen.

Drittens. Wir haben bundesweit eine völlig neue Diskussion, was das Verhältnis von Fachhochschulen und Universitäten angeht. Mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge schwindet die Unterscheidung von Universitäten und Fachhochschulen zunehmend. Hinzu kommt, dass es an den Fachhochschulen zunehmend angewandte Spitzenforschung gibt, obwohl die Professoren weiterhin ihre 18 Stunden machen, während ein beträchtlicher Teil der Professoren an den Universitäten - es heißt, die Hälfte bis ein Drittel - gar nicht mehr forscht, gleichwohl aber die Stundenreduzierung bekommt. Das Thema wird seit langem diskutiert. Wir müssen das Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen neu überdenken.

In Flensburg gibt es schon eine enge Zusammenarbeit. Wir hatten im Erichsen-Gutachten die Empfehlung, die beiden zumindest verwaltungsmäßig zusammenzuführen. Das sind Dinge, über die jetzt nachgedacht werden muss. Dabei müssen wir das Verhältnis neu bestimmen. Auch das gehört zu einer neuen Hochschulkonstruktion. Das fehlt bei Ihnen völlig.

Herr Austermann, egal, was man von Ihrem Konzept hält: Allein die Tatsache, dass Sie diese Probleme schlicht ignorieren, macht deutlich, dass Ihre Vorschläge angesichts der bestehenden Probleme unterkomplex sind.

Im März 2003 hat die hochkarätig besetzte Expertenkommission unter Leitung von Herrn Erichsen im Auftrag der Landesrektorenkonferenz einen Bericht vorgelegt und sehr konkrete Empfehlungen für die

(Karl-Martin Hentschel)

Entwicklung der schleswig-holsteinischen Hochschulen - Einsparkorridore, Konzentrationsnotwendigkeiten - gegeben. Es ist schon überraschend, dass Sie jetzt ein Eckpunktepapier vorlegen, in dem diese Dinge in keiner Weise aufgearbeitet werden.

Ich will jetzt auf die anderen Punkte Ihres Konzeptes nicht eingehen, weil ich nur fünf Minuten Redezeit habe. Aber eines möchte ich zum Schluss sagen: Fusion klingt immer gut. Aber man muss Argumente dafür haben, die überzeugen. Das scheint hier nicht der Fall zu sein. Die Hochschulen lehnen Ihr Konzept ab. Flensburg und Lübeck lehnen Ihr Konzept ab. Die Parteien wirken auch alle nicht begeistert. Der Sprecher Ihrer Fraktion hat gerade gesagt, man könnte ja ergebnisoffen diskutieren. Das ist so ziemlich das vernichtendste Urteil, was ich je von dem Sprecher einer Partei über den eigenen Minister gehört habe. So etwas ist noch nie vorgekommen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Partei wird sich jetzt mit Hochschulexperten zusammensetzen. Ich denke, wir werden ein eigenes Konzept entwickeln und das gern in die Diskussion hier einbringen. Einer Diskussion will ich mich nicht entziehen. Aber ich muss feststellen - -

Dazu müssen Sie dann bitte neue Redezeit beantragen.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, danke für den Hinweis. Ich komme zum Schluss. - Herr Austermann, es war ein netter Versuch. Aber der Fusionsreaktor Austermann ist wohl erst einmal explodiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Herbst, ich möchte den Kollegen Astrup zitieren.

(Zurufe: Oh, oh!)

Von ihm stammt der Satz: Nicht alles, was hinkt, ist ein Beispiel. - Damit meine ich Folgendes: Natürlich habe ich erwartet, dass in dieser Diskussion auch das Beispiel Syddansk-Universitet genannt wird. Hätte ich mehr Redezeit gehabt, wäre ich selbst darauf eingegangen. Ich gehöre zu den Leuten, die die Syddansk-Universitet sogar von innen kennen. Ich kenne die Sprache und weiß, was da läuft.

Ich meine, dass große Strukturen Sinn machen, wenn die Vorgaben stimmen. Zu den Vorgaben der Syddansk-Universitet gehört der Ausbau des Campus Sønderburg. Ich weiß nicht, ob Sie da gewesen sind. Das ist eine riesige Geschichte. Diese Geschichte hängt natürlich auch mit den Namen Danfoss und Jørn Mads Clausen zusammen. Bei der Konstruktion der Syddansk-Universitet geht man also von klaren Zielsetzungen aus. Zu diesen Zielsetzungen gehört die Verantwortung für die gesamte Region. Keiner darf als Verlierer dastehen. Das ist die Pointe.

Vielleicht noch eine weitere Information: Als es um den Bestand des internationalen Studiengangs in Flensburg ging und wir die Empfehlung der Erichsen-Kommission diskutierten, hat die SyddanskUniversitet zugesagt - ich denke, sie hat es auch eingehalten -, diese Studiengänge künftig finanziell stärker zu unterstützen. Das sollte einmal einer nachmachen. Aus meiner Sicht gehört es zur Profilbildung dieses nördlichsten Universitätsstandortes, dass wir das weiterhin im Blick behalten.

Ich bleibe dabei, dass eine Fusion die Probleme nicht lösen wird; denn das Anreizbudget, über das wir letztes Mal schon diskutiert haben, macht deutlich, wohin die Reise gehen könnte. Es wird Gewinner und Verlierer geben und das können wir nicht akzeptieren. Wir alle wissen, dass mehr kooperiert werden muss. Wir wissen genau, dass Ziele koordiniert werde müssen. Wir wissen auch - da kann ich dem Kollegen Klug nur Recht geben -, dass wir mit einer Fusion überhaupt nichts erreichen.

(Beifall bei SSW, SPD und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich dem Wissenschaftsminister, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu Beginn vielleicht kurz das aufnehmen, was Sie gesagt haben, Frau Abgeordnete Spoorendonk. Das, was Sie eben für Süddänemark dargestellt haben, war

(Minister Dietrich Austermann)

eine Bestätigung dafür, dass eine Fusion mit entsprechenden Zielen, mit entsprechender Ausstattung ein Gewinn für alle vier Standorte sein kann. Das war kein Argument dagegen.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

- Selbstverständlich. Aber woher kommt das Geld? Irgendeiner muss es schon machen. Wenn wir Unternehmer haben, die bereit sind, das zu machen, dann sieht die Situation gleich ganz anders aus.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren - auch für die Abgeordneten -, deutlich sagen, von welchen Gedanken wir uns beim weiteren Vorgehen leiten lassen. Das Ministerium hat Eckpunkte erarbeitet. Die Eckpunkte sind mit den Koalitionsfraktionen besprochen worden. Sie sind mit den meisten Hochschulen erörtert worden. Sie sind mit vielen Rektoren erörtert worden. Es gab eine Abstimmung mit allen Beteiligten, die in die Richtung ging: Die Ziele, die durch die Eckpunkte verfolgt werden, sind richtig. Es gibt insbesondere mit der Fraktion der SPD an drei Punkten erheblichen Diskussionsbedarf. Ob man sich in allen drei Punkten auf eine gemeinsame Position verständigen wird, ist noch offen. Ich hoffe das für alle drei Punkte, weil ich für richtig halte, was vorgeschlagen worden ist. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es bei den drei Punkten Modifikationen gibt. Wie dem auch sei: Auf jeden Fall haben wir das gemeinsame Ziel, ein Hochschulgesetz zu machen, dessen Sinn darin besteht, mehr Effektivität, mehr Geld, mehr Exzellenz aus unseren Hochschulen herauszuholen, und zwar aus allen neun Hochschulen, nicht nur aus den drei Universitäten. Das ist das gemeinsame Ziel dieser Koalition. Dafür leisten wir die Vorarbeit.

Ich sage dabei ganz deutlich: Es gibt Anforderungen, die man sich nicht aussuchen kann. Sie sind einfach da. Wir haben einen zusätzlichen Druck durch eine Schwemme von Studenten, aus den unterschiedlichsten Gründen. Wenn beispielsweise entschieden wird, nach der zwölften Jahrgangsstufe das Abitur zu machen, dann kommt spontan ein Jahrgang mehr auf den Markt. Wenn man sich darüber hinaus entscheidet, sogar nach der elften Klasse Schluss zu machen, wird der Druck noch größer. Demographisch gibt es eine zusätzliche Entwicklung. Sie geht in die Richtung, zu sagen: Es brauchen mehr Leute einen Hochschulabschluss.

Wir sehen darüber hinaus, dass wir im internationalen und nationalen Wettbewerb stehen. Ich bin nicht dafür, dass sich Kiel und Lübeck Konkurrenz machen. Ich bin dafür, dass die Hochschulen in Schleswig-Holstein den nationalen und auch den internatio