Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Ich fasse zusammen. Wir hätten uns wirklich einen anderen Beschluss dieses Landtages gewünscht. Wir meinen, es wäre ein klares Signal in Richtung Berlin nötig gewesen, dass eine Mehrwertsteuererhöhung nur vernünftig ist, wenn sie zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet wird. So wird es aber leider nicht kommen. Wir erhalten ein völlig diffuses Bild, und das ist ärgerlich.

(Beifall beim SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist Murks!)

Nunmehr hat Herr Abgeordneter Müller das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe viel Verständnis für Klamauk. Nach der anstrengenden Haushaltsdebatte kann ich das einsehen. Aber es gibt drei Argumente, weshalb ich bitte, diese Diskussion mit einem bisschen mehr Ernst zu führen.

Erstens. Es gibt nicht viele Punkte, in denen ich mit Herrn Austermann übereinstimme. Aber wenn Ihr Wirtschaftsminister klar und deutlich sagt, er befürchte aufgrund dieses Schrittes ökonomisch falsche Konsequenzen, dann muss man mit etwas mehr Ernst darüber diskutieren, Argumente abwägen und - hoffentlich - zu anderen Entscheidungen kommen.

Zweitens. Es gibt eine ganze Reihe von Wirtschaftswissenschaftlern, Unternehmensvertretern und Gewerkschaftsvertretern - quer durch den gesamten ökonomischen Sachverstand –, die darauf hinweisen, dass dieser Teil der Berliner Koalitionsvereinbarung ökonomisch und für den Arbeitsmarkt fatale Konsequenzen haben kann und aus deren Sicht haben wird. Es gibt auch hier im Raum schon viele Kolleginnen und Kollegen, die unter vier Augen gesagt haben: Im Jahr 2006 wird es ein Strohfeuer geben. Aber für 2007 ist das ein elementares Risiko. Der Finanzminister wird nicht müde, darauf hinzuweisen: Man kann den Haushalt nicht nur über Ausgaben sanieren. Da hat er Recht. Es geht elementar um die Entwicklung und die Ein

nahmen auf dem Arbeitsmarkt. Darüber entscheiden wir mit in der Frage, wie es mit der Mehrwertsteuer gemacht wird.

Drittens. Liebe Kollegin Schlosser-Keichel, Sie haben eben so getan, als ob es mal wieder eine lapidare Debatte des Landtags sei und wir hätten darüber gar nicht zu entscheiden. Ich habe darauf hingewiesen, wie die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sind. Daran kann sich im nächsten Jahr noch etwas ändern. Der eine oder andere hofft das vielleicht auch. Aber wahrscheinlich werden wir doch wieder mit einer Konstellation zu tun haben, wo es auf die vier Stimmen aus Schleswig-Holstein ankommen wird. Wenn FDP und PDS bei ihrer Überzeugung bleiben - das traue ich denen zu –, dann steht es Spitz auf Knopf, ob dieser Teil der Koalitionsvereinbarung wirklich durchträgt. Es hat in der Geschichte schon wiederholt Abstimmungen im Bundesrat gegeben, wo es beim Guten oder Schlechten geklappt oder nicht geklappt hat, wo eine Bundesregierung eine Mehrheit hatte oder nicht. Manchmal fand ich das richtig. Ihnen erging es ähnlich. Manchmal fand ich es nicht richtig. Diesmal hat Schleswig-Holstein die Chance, darüber mit zu entscheiden.

Darum ist das hier keine Diskussion, die man auf die leichte Schulter nehmen kann. Es ist keine Diskussion, wo es um „spürbar“ oder „weniger spürbar“ geht. Schleswig-Holstein hat von Minister Dr. Stegner bis zu Minister Wiegard eine ganze Reihe von klugen Leuten, die aus Überzeugung in den letzten Monaten und Jahren für die Position eins zu eins - 100 % - gefochten haben. Die SPD hat sich als Landesverband in ihrer Bundespartei einen Namen gemacht. Unter anderem Claus Möller und Heide Simonis haben gesagt: Auch wenn es unpopulär ist, vertreten wir diese Einsicht.

Vor diesem Hintergrund appelliere ich an Sie noch einmal: Geben Sie sich einen Ruck und sagen Sie der Landesregierung, dass es eine klare Erwartung gibt! Sagen Sie: Mit diesen Stimmen könnt ihr etwas machen, mit diesen Stimmen könnt ihr wuchern, damit könnt ihr im Bundesrat etwas Gutes erreichen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Müller und erteile nunmehr für die Landesregierung Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

(Anke Spoorendonk)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie ernsthaft eine Debatte geführt wird, hängt ein bisschen auch davon ab, wie oft der Punkt innerhalb weniger Tage auf die Tagesordnung gesetzt wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Es ist die Frage, ob man dann jedes Mal in der Diskussion viel Neues dazu beitragen kann. Wenn es so sein soll, will ich es gern noch einmal versuchen.

Ich meine im Übrigen, in der Haushaltsdebatte vorhin schon einmal darauf eingegangen zu sein. Die Sache hat zwei Aspekte. Der eine ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer, der andere ist die Senkung der Lohnnebenkosten. Wenn wir uns ansehen, dass wir im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung etwa 33 % an so genannten versicherungsfremden Leistungen haben, dann ist der Korridor vorgegeben, in dem wir ringen müssen, wenn es um die Senkung von Lohnnebenkosten bei der Krankenversicherung geht. Es kann nicht sein, dass wir allgemeine gesellschaftspolitische Leistungen nur von Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern bezahlen lassen, wenn sie der gesamten Gesellschaft zugute kommen. Hier liegt der Ansatzpunkt. Da geht der Bedarf deutlich über den Mehrwertsteuersatz hinaus.

Bei der Pflegeversicherung haben wir ebenfalls versicherungsfremde Leistungen. Es sind Leistungen, die erbracht werden, ohne dass dafür Beiträge gezahlt werden. Es handelt sich um etwa 28 %. Das gibt den Korridor vor, worüber zu reden ist, wenn es um die Senkung von Lohnnebenkosten geht.

Bezüglich der Arbeitslosenversicherung weiß jeder, welche Leistungen darin enthalten sind, für die kein äquivalenter Beitrag gezahlt wird. Da dürfte der Anteil auch bei ungefähr 30 % liegen.

Die Senkung von Lohnnebenkosten wird neben Steuerreform und Arbeitsmarktreform eine Aufgabe des nächsten Jahres sein. Dabei wird es aber um sehr viel mehr gehen als nur um das Äquivalent einer Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte. Das ist meine feste Überzeugung.

Im Übrigen werde ich mich im Bundesrat so verhalten, wie es das Kabinett beschließt. Ich denke, das Kabinett wird sich einem mehrheitlichen Beschluss des Landtags nicht verweigern. Insofern steht ziemlich klar fest, dass wir zu einer deutlich spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten kommen werden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Finanzminister. Wenn ich richtig zugehört habe, spricht sich niemand für die Ausschussüberweisung aus. Ich schlage vor, dass wir alternativ abstimmen, wenn niemand widerspricht. - Dann verfahren wir also so.

Zunächst stimmen wir über den Antrag der Fraktionen von CDU und SPD, Drucksache 16/444, ab. Wer ihm die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Dann stimmen wir über den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/373, ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/444 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD angenommen ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Frau Präsidentin, würden Sie bitte für das Protokoll festhalten, dass die FDP gegen beide Anträge gestimmt hat?)

- Das werde ich gern für das Protokoll bemerken. Nach Gegenstimmen und Enthaltungen ist zwar nicht gefragt worden, aber es ist völlig in Ordnung, dass das im Protokoll festgehalten wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es gibt ja auch die Möglichkeit, dass man für beide Anträge stimmt!)

Auch der Landtagspräsident will einen Zuruf machen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Man kann ent- weder für den einen oder den anderen Antrag stimmen! Gegenstimmen kann es in der Form nicht geben! - Weitere Zurufe)

Ich darf diese Debatte in Anbetracht der Zeit etwas begrenzen. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat die FDP ihr Stimmverhalten auch schon im Wortbeitrag angekündigt. Herr Kubicki hat es wiederholt. Das steht im Protokoll. Wir können ja einmal in Ruhe darüber debattieren, welches Abstimmungsverhalten eigentlich möglich ist.

Ich neige dazu, die heutige Beratung zu schließen. Ich höre keinen Widerspruch.

Wir beginnen morgen um 10 Uhr mit den Tagesordnungspunkten 20 und 28, Keine Kürzungen beim ÖPNV. Ich wünsche einen schönen Feierabend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:58 Uhr

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst