Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Maßnahmen, die unser Land wieder auf einen Zukunftskurs bringen werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Sauter. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Klaus Müller, mir fehlen eigentlich die Worte zu diesem Antrag. Es ist nämlich schon alles gesagt worden; nicht nur von meinem Kollegen Frank Sauter gerade eben, sondern auch in der letzten Landtagssitzung, als wir Ihre Forderung, die anstehende Mehrwertsteuererhöhung komplett zur Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden, bereits auf der Tagesordnung hatten. Im Finanzausschuss haben wir uns daraufhin intensiv damit und darüber auseinander gesetzt. Ihre heutigen Argumente haben wir gehört und zum Teil auch in unseren Änderungsantrag aufgenommen. Ich frage mich deshalb, warum nun gut zwei Wochen später dieser praktisch gleich lautende Antrag wieder vorgelegt wird. Es gibt nichts Neues zu diskutieren. Das ist ein bisschen so ein Getöse, als wäre demnächst wieder Wahlkampf angesagt. Das ist aber nicht so.

(Beifall bei der SPD)

Wir lehnen Ihren Antrag trotzdem nicht einfach ab, obwohl wir gute Lust dazu gehabt hätten. Herr Sauter hat es eben schon gesagt: Wir stellen hier noch einmal unseren Änderungsvorschlag aus dem Finanzausschuss zur Abstimmung.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Den Inhalt hat Frank Sauter benannt. Wir wollen eine spürbare Senkung der Lohnnebenkosten und wir wollen nur unter dieser Voraussetzung einer Mehrwertsteuererhöhung zustimmen. Es ist klar und wir bestreiten es auch nicht, dass wir nicht mit dem zufrieden sind, was zu diesem Punkt im Koalitionsvertrag steht, aber Sie kennen Verhandlungen. Es gibt Kompromisse, die man schließen muss. Die weitergehenden Vorstellungen, die aus SchleswigHolstein auch in die Verhandlungen eingebracht wurden, haben leider keine Mehrheit gefunden.

Wir wollen, dass nachgebessert wird. Wir erwarten von der schleswig-holsteinischen Landesregierung, dass sie sich im Bundesrat entsprechend verhält und

(Frank Sauter)

aktiv Mehrheiten für Verbesserungen sucht. Wir sind aber Realisten und wissen, dass unsere ursprüngliche Erwartung, dass nämlich die Mehrwertsteuer eins zu eins für die Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt wird, in der komplizierten Gemengelage der Koalition und auch der Bundesländer derzeit keine Chance hat, in reiner Lehre umgesetzt zu werden. Deshalb wollen wir unseren Finanzminister oder den Ministerpräsidenten - wer immer die Verhandlungen führen wird - auch nicht mit aussichtslosen und unlösbaren Aufgaben losschicken. Wir erwarten, dass Verbesserungen gegenüber der jetzigen Koalitionsvereinbarung durchgesetzt werden. Der Koalitionsvertrag ist in der Tat keine Bibel, in der nichts zu verändern wäre. Wir sollten aber auch nicht die Erwartung wecken, dass dieses Kapitel des Koalitionsvertrages vollkommen neu geschrieben wird. Verbesserungen ja. Das erwarten und erhoffen wir.

Ich bitte Sie, unserem etwas offener formulierten und - wie ich auch behaupte - auch realistischeren Antrag zuzustimmen. Auch wir wollen heute eine Abstimmung in der Sache und wollen nicht noch einmal eine Runde im Finanzausschuss drehen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Schlosser-Keichel, nach Ihren Eingangsworten, mit denen Sie sich weitgehend auf den Kollegen Sauter berufen haben, finde ich, es wird langsam wirklich Zeit, dass die von Ihnen angekündigte Fusion zwischen CDU und SPD ein Fall für die Kartellbehörde wird. Denn es ist schon beängstigend, was Sie hier präsentieren. Eigentlich reicht es, wenn sich wechselseitig einer Ihrer Redner zu einem Tagesordnungspunkt zu Wort meldet.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Während der Kollege Sauter gesprochen hat und eigentlich auch während der Rede der Kollegin Schlosser-Keichel - weil Sie sich ständig auf den Kollegen Sauter berufen hat - habe ich mich die ganze Zeit gefragt - Anke Spoorendonk hat es gestern gemacht –: In welchem Film sind Sie eigentlich, und was verstehen Sie eigentlich unter einer spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten? Ver

stehen Sie bei einer Quote von 40 % unter einer spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten ein Prozent weniger bei der Arbeitslosenversicherung, was durch eine angekündigte Beitragserhöhung bei der gesetzlichen Krankenversicherung um bis zu 0,5 % und durch eine angekündigte, im Koalitionsvertrag festgelegte Erhöhung der Rentenversicherung um 0,4 % - das macht 0,9 % - aufgefressen wird? Dann bleiben 0,1 % Senkung übrig. Ist das jetzt wirklich „spürbar“, Herr Sauter?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich verstehe die Geste des Kollegen Müller, die ich jetzt nicht nachmachen will, wirklich gut. Ich frage mich allen Ernstes: Kann das wirklich der Beitrag dazu sein, die sozialen Sicherungssysteme auf einen neuen, auf einen modernen Weg zu bringen?

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

(Heiterkeit)

Ja, gern.

Herr Kollege Dr. Garg, stimmen Sie mir zu, dass bei der Homöopathie selbst solche Dinge spürbar sind, die überhaupt nicht mehr nachweisbar sind?

- Ja, das ist richtig. Das hat etwas mit den Potenzen zu tun. Ich will das nicht weiter ausführen. Ich will gar nicht darüber spekulieren, an welche Verdünnungspotenz der Kollege Sauter und die Kollegin Schlosser-Keichel dabei gedacht haben.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass beide Anträge in der Sache abgestimmt werden sollen. Wir werden beide Anträge in der Sache ablehnen, und das aus gutem Grund. Wir haben vor der Bundestagswahl gesagt, dass wir keine Mehrwertsteuererhöhung zum jetzigen Zeitpunkt zur Sanierung maroder Sozialversicherungssysteme haben wollen. Die CDU das muss man ihr immerhin zugestehen - hat während des Bundestagswahlkampfes eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 % gefordert, um die Lohnnebenkosten eins zu eins zu senken.

(Zurufe von der CDU)

Dann trafen sich CDU und SPD bei den Koalitionsverhandlungen, und aus der Forderung von 2 % zur

(Anna Schlosser-Keichel)

Absenkung der Lohnnebenkosten und dem kategorischen Nein der Bundes-SPD zur einer von Ihr so genannten Merkel-Steuer wurden nach den Koalitionsvereinbarungen 3 % Mehrwertsteuer, von denen - man höre und staune - ein Prozent im Bundeshaushalt versickern soll, ein weiteres Prozent soll in den Länderhaushalten versickern und, Herr Sauter, das eben angesprochene eine Prozent soll übrig bleiben, um die Lohnnebenkosten irgendwie, also spürbar, wenn auch in spürbaren homöopathischen Potenzen, wie mein Fraktionsvorsitzender gerade ausgeführt hat, zu senken.

In allem Ernst: Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung, die übrigens die große Koalition ausgeklammert hat, nämlich die sozialen Sicherungssysteme in den Strukturen zu ändern und die Aufgaben und die Leistungen neu zu definieren. Dann müssen wir die Frage, wie wir diese Aufgaben neu finanzieren, in der Tat anständig beantworten. Und dann können wir sehr wohl über eine Erhöhung dieser indirekten Steuer nachdenken, wenn wir gleichzeitig bereit sind, in diesem Zusammenhang auch über die direkten Steuern zu reden.

Alles andere macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Deswegen werden wir beide Anträge ablehnen. Ich bedanke mich nicht nur für die Zwischenfrage, sondern auch für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Für den SSW im Landtag hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg. In diesem Landtag gibt es eine Mehrheit für eine Mehrwertsteuererhöhung und auch für die Meinung, dass diese Erhöhung nur Sinn macht, wenn man die Einnahmen zu 100 % zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, die gibt es nicht!)

- In diesem Landtag?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schwarz-Rot hat beschlossen! Überwiegend! Spürbar!)

- Ich denke daran, dass es diese Diskussion im Jahre 2003, im Jahre 2004 und vor einem halben Jahr in diesem Landtag auch gegeben hat.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war einmal!)

- Das ist richtig. Das war einmal. Genau darauf möchte ich jetzt noch eingehen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich wollte eigentlich nur feststellen, dass es eine große Gemeinsamkeit gab und dass wir uns auch dahingehend einig waren, dass eine Mehrwertsteuererhöhung nur Sinn macht, wenn der gesamte Betrag zur Senkung der Lohnnebenkosten genutzt wird. - Das, denke ich, war unsere Einstellung. Zumindest war es das, was im Finanzausschuss immer wieder diskutiert wurde.

Von daher ist klar, dass der SSW dem Antrag der Grünen viel mehr abgewinnen kann als dem Antrag von CDU und SPD, der diese Forderungen aus, wie ich denke, nachvollziehbaren Gründen abgeschwächt hat.

Ich will nicht wiederholen, was in dem Antrag der die Regierung tragenden Fraktionen steht. Das wissen Sie alle. Ich will auch nicht weiter vertiefen, was der Grund für diesen Sinneswandel sein könnte. Aber ich glaube, ich liege nicht falsch, wenn ich sage, dass dies mit den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag der großen Koalition auf Bundesebene zusammenhängt.

Das ist ein schwacher Kompromiss. Es mag sein, dass dies wiederum mit dem Wahlkampf zusammenhängt, in dem SPD und CDU gerade zu diesem Punkt ganz unterschiedlicher Meinung waren. Es gab die Aussage der SPD auf Bundesebene, dass man diese „Merkel-Steuer“ nicht haben wolle. Die Akteure sind dabei wirklich gegeneinander angetreten. Aber Tatsache ist, dass die Bundesrepublik mit ihren 16 % Mehrwertsteuer am unteren Ende des europäischen Durchschnitts liegt.

Was die große Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel plant, wissen Sie auch. Die Mehrwertsteuer soll ab dem 1. Januar 2007 um drei Prozentpunkte erhöht werden, aber nur ein Drittel soll zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden, während zwei Drittel jeweils zur Haushaltskonsolidierung von Bund und Ländern genutzt werden sollen. Gleichzeitig soll der Rentenbeitrag ab dem 1. Januar 2007 leicht angehoben werden.

Dazu muss ich sagen: Bei allem Verständnis für die Interessen der Finanzminister greift eine Nettosenkung der Lohnnebenkosten von nur 0,6 % bei gleichzeitiger Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 % viel zu kurz und ist wirtschaftlich kontraproduktiv.

(Dr. Heiner Garg)

Auch ich habe gelesen, was das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung zu diesem Problem gesagt hat. Noch einmal: Man hat errechnet, dass ein Prozentpunkt bei maßvoller symmetrischer Erhöhung der Mehrwertsteuer bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze gerade in den lohnintensiven Wirtschaftsbereichen schaffen könnte. Dies ist Grund genug, dies alles sehr ernst zu nehmen.

Ich fasse zusammen. Wir hätten uns wirklich einen anderen Beschluss dieses Landtages gewünscht. Wir meinen, es wäre ein klares Signal in Richtung Berlin nötig gewesen, dass eine Mehrwertsteuererhöhung nur vernünftig ist, wenn sie zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet wird. So wird es aber leider nicht kommen. Wir erhalten ein völlig diffuses Bild, und das ist ärgerlich.