Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass nach der Verabschiedung des Haushalts im Finanzausschuss am letzten Donnerstag der Sozialausschuss zu Artikel 9 des Haushaltsstrukturgesetzes - Gesetz zur Ausführung des XII. Buches des Sozialgesetzbuches - die kommunalen Landesverbände angehört und mindestens zur Überraschung des Finanzausschusses dem Landtag im Wege des Selbstbefassungsrechts eine Beschlussempfehlung zugeleitet hat. Ich verhehle nicht, dass ich den zeitlichen Ablauf sehr unglücklich finde. Wir vertrauen als Finanzausschuss, meine Damen und Herren, der Zusage der Landesregierung, dass mit der vom Sozialausschuss beschlossenen Änderung des Haushaltsstrukturgesetzes für den Landeshaushalt keine finanziellen Auswirkungen verbunden sind.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 17. Sitzung - Donnerstag, 15. Dezember 2005 1083

(Günter Neugebauer)

Damit komme ich zum Ende, Frau Präsidentin. Ich bedanke mich noch einmal für die konstruktive Zusammenarbeit, auch dafür, dass Sie mir heute hier wieder in dieser Länge zugehört haben. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass wir nach der nächsten Steuerschätzung im Mai des nächsten Jahres nur Veranlassung haben, die Nettokreditaufnahme nach unten zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzausschussvorsitzender, Ihnen wären angesichts der Länge der Befassung mit diesem Thema selbstverständlich zehn Minuten zugestanden worden, wenn es vorher beantragt worden wäre. Hierfür wäre das Präsidium dankbar gewesen.

Ich erteile jetzt das Wort der Berichterstatterin des Sozialausschusses, der Frau Abgeordneten TenorAlschausky.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein geschätzter Kollege Neugebauer hat schon seiner Überraschung Ausdruck verliehen, dass sich der Sozialausschuss fachlich mit den Artikelgesetzen befasst hat. Der Sozialausschuss hat beschlossen, sich im Rahmen seines Selbstbefassungsrechts mit Artikel 9 des Gesetzes über die Feststellung eines Haushaltsstrukturgesetzes zum Haushaltsjahr 2006 zu befassen. Dabei handelt es sich um den Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des XII. Buches des Sozialgesetzbuchs.

In seiner Sitzung am 8. Dezember 2005 hat der Sozialausschuss ein ausführliches Gespräch mit Vertretern der kommunalen Landesverbände, insbesondere des Städteverbandes und des Landkreistages, sowie mit Staatssekretär Dr. Körner geführt. Die von den kommunalen Landesverbänden vorgetragenen Bedenken wurden intensiv erörtert. Der Sozialausschuss hat zur Kenntnis genommen, dass der mit der Beratung beauftragte Finanzausschuss dem Landtag Änderungen bei Artikel 9 empfiehlt. Aus fachlicher Sicht sieht er allerdings die Notwendigkeit, weitere Änderungen vorzuschlagen. Diese können Sie der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses, Drucksache 16/452, entnehmen.

Ich weise darauf hin, dass sich die in dieser Beschlussempfehlung aufgeführten Änderungen technisch gesehen auf den Gesetzentwurf der Landesregierung beziehen, inhaltlich jedoch bereits Bezug

auf die Änderungsvorschläge des Finanzausschusses nehmen.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie im Namen des Sozialausschusses, die aus Drucksache 16/452 ersichtlichen Änderungen anzunehmen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zu den Berichten? - Wie ich sehe, ist das nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dem Dank des Hauses an den Finanzausschuss anschließen, in personem auch an den Kollegen Neugebauer. Es handelt sich in der Tat um eine sehr mühevolle und sehr viel Fachkompetenz erfordernde Arbeit.

Im Übrigen darf ich Sie in einer persönlichen Nebenbemerkung darauf hinweisen, dass ich in demselben Wahlkreis wie Kollege Neugebauer politisch tätig bin. Daher bestreiten wir viele gemeinsame Diskussionen. Manchmal ist das etwas beschwerlich. Obwohl ich mich in einer Koalition mit den Sozialdemokraten befinde, sehe ich mich regelmäßigen Anwürfen des Kollegen Neugebauer ausgesetzt. Er sagt, die Union hinterlasse eine finanzielle Erblast aus dem Jahr 1987 und so weiter und so fort.

(Heiterkeit)

Vielleicht trägt das neue Amt, Herr Kollege Neugebauer, dazu bei, dass Sie sich in die neue Situation hineinfinden und wir etwas partnerschaftlicher gegenüber den Bewohnern unseres Wahlkreises auftreten können.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Nun zur Sache! Der Finanzminister und die große Koalition würden den Haushaltsentwurf gegenüber der Opposition verteidigen müssen, haben die „Kieler Nachrichten“ dieser Tage geschrieben. Aber ich denke, das ist nicht ganz die Frage, vor der wir insgesamt stehen. Bei allem Respekt vor der Opposition, Herr Oppositionsführer Kubicki, muss aus meiner Sicht vor allem gefragt werden, ob wir diesen Haushalt gegenüber unseren Kindern und Enkelkin

(Günter Neugebauer)

dern noch rechtfertigen können. Wir alle werden ihnen voraussichtlich die Frage beantworten müssen, warum wir ihnen Schulden aufbürden, die sie mit Zins und Zinseszins zurückzahlen müssen. Ihre Frage wird lauten: Warum seid ihr eigentlich damals mit dem Geld nicht ausgekommen?

Seit Jahren ist es in deutschen Haushaltsdebatten, in Bund, Ländern und Kommunen zur Gewohnheit geworden, über die so genannte angespannte Haushaltslage zu klagen. Immer neue Begriffe wurden erfunden. Das anfängliche Klagen über die „fehlende freie Finanzspitze“ stammt aus der Zeit um 1987, Herr Kollege Neugebauer. Sie fehlte praktisch in keiner Kreistagsdebatte unseres Landes. Auch war die Rede von der Sorge um „zu wenig investive Mittel“. Diese Begriffe wichen rasch immer stärker werdenden Ausdrücken. Allerorten werden die Haushalte nunmehr als „katastrophal“ bezeichnet oder man bringt es wie unser Finanzminister Rainer Wiegard auf den Punkt: Das Land ist pleite.

Lassen Sie mich daher kurz auf die Rahmenbedingungen eingehen, unter denen wir Landespolitik gestalten müssen.

92 % unserer veranschlagten Nettoausgaben sind kurzfristig nicht disponibel. Hierzu gehören die Personalausgaben, die Zinsausgaben, die bereits eingegangenen Verpflichtungen sowie die bundesund landesgesetzlichen Leistungen. Die restlichen 8 % bilden Zuschüsse an unsere Hochschulen oder rechtlich verselbstständigten Einrichtungen, Mittel zur Bindung von Zuweisungen des Bundes oder der EU und sonstige Zuschüsse. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass rund 11 % der Nettoausgaben des Landes, also rund 900 Millionen € schon heute nur für Zinszahlungen ausgegeben werden.

Die Eckdaten unseres Haushaltes hinsichtlich der Einnahmen lauten: Die Nettosteuereinnahmen betragen 5,2 Milliarden €, die Bundesergänzungszuweisungen machen etwa 116 Millionen € aus und der Länderfinanzausgleich bringt noch einmal 95 Millionen €. Dem stehen allein rund 3,1 Milliarden € Ausgaben für Personalkosten gegenüber sowie sächliche Verwaltungskosten in Höhe von 440 Millionen €, Ausgaben für den kommunalen Finanzausgleich in Höhe von rund 1 Milliarde € und die schon erwähnten Zinszahlungen in Höhe von 890 Millionen €.

Wer bei einer solchen Haushaltssituation 100.000 € hier oder da einspart, in dem einen oder anderen Bereich zehn oder 15 Stellen künftig wegfallen lässt, verändert im Kern natürlich nicht die Haushaltseckdaten. Wenig hilft es auch, wie die Freien

Demokraten Einmalverkäufe vorzunehmen, wie etwa bei der HSH Nordbank.

(Zuruf von der FDP: Oh!)

Das mag sich in einem Jahr lohnen, Herr Kollege Kubicki. Doch was bringt das eigentlich für die kommenden Haushaltsjahre? Die Freien Demokraten verkennen, dass wir ein strukturelles Defizit haben. Wenn man diese Einmalmaßnahme von den übrigen FDP-Vorschlägen abzieht, bleibt im Kern nur Haushaltskosmetik. Ich glaube, wir brauchen größere Würfe für unser Land.

(Beifall bei CDU und SPD)

Man kann dem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2006 und natürlich auch den Nachträgen für das Jahr 2005 vorwerfen, dass sie die Grundfesten noch nicht verrücken. Allerdings ist der Haushalt 2006 ein erster Schritt in die richtige Richtung, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die CDU-Landtagsfraktion stimmt den Nachträgen für das Haushaltsjahr 2005 und dem Haushalt für das Haushaltsjahr 2006 in der Erkenntnis zu, dass die große Koalition in Kiel die feste Absicht hat, an die Grundfesten des Haushalts heranzugehen. Mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung wird deutlich, vor welcher Herkulesaufgabe wir noch stehen. Ich befürchte, dass wir für die Jahre 2007 und 2008 noch ein Einsparvolumen von mindestens 1 Milliarde € zu erwirtschaften haben werden.

Das Ziel ist alternativlos, auch wenn der Weg dorthin sehr beschwerlich werden wird. Wir müssen die Nettoneuverschuldung in dieser Legislaturperiode halbieren. Wir stehen für eine Politik und nur für eine Politik, die das klare Ziel hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt keine neuen Schulden aufzunehmen, ja endlich damit zu beginnen, alte Schulden des Landes zurückzuzahlen: Nur wer dieses Ziel auch wirklich verfolgt - ich räume ein, dessen Ankündigung hier ist nur der Anfang, aber noch lange nicht der Vollzug –, der kann die Verabschiedung der Haushalte, die heute zur Abstimmung stehen, rechtfertigen. Deswegen meine herzliche Bitte an die Opposition, hier kräftig mitzutun und konstruktiv mitzuwirken.

Herr Kubicki, wenn ich zum Beispiel heute lese, dass Sie sich noch nicht einmal zutrauen, die Diätenreform gemeinsam mit uns zu beschließen, bin ich insoweit skeptisch. Etwas mehr Mut seitens der Opposition und die Aufforderung an CDU und SPD, die wirklichen Aufgaben gemeinsam zu schultern, sind notwendig. Ich glaube, zum Schluss werden die Koalitionsfraktionen diese Herkulesauf

(Dr. Johann Wadephul)

gabe alleine bewerkstelligen, aber sie sind auch entschlossen, das gemeinsam zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei CDU und SPD)

Sparen, investieren, reformieren - an diesem Leitmotiv hat unser Finanzminister Rainer Wiegard die Haushaltspolitik unseres Landes ausgerichtet und ich bin äußerst dankbar, dass er im September 2005 einen ehrlichen Haushalt vorgelegt hat, der die finanziellen Rahmenbedingungen klar und wahr abbildet.

Wir beraten heute in zweiter Lesung den Haushalt 2006. Er ist die Grundlage für die dringend erforderliche, nachhaltige Konsolidierung unserer Landesfinanzen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass außerordentlich schwierige Rahmenbedingungen diesen Haushalt geprägt haben. Auch wenn die November-Steuerschätzung gegenüber dem Haushaltsplanentwurf 2006 ein Plus von 46 Millionen € brachte, dürfen wir nicht außer Betracht lassen, dass noch die Mai-Steuerschätzung die Einnahmenansätze aus der mittelfristigen Finanzplanung kräftig nach unten korrigierte.

Aber wir haben reagiert. Die Ausgaben im Haushalt 2006 sind gegenüber dem ersten Nachtrag 2005 nicht gestiegen. Das ist das richtige Signal. Dafür gibt es die volle Unterstützung meiner Fraktion für diesen Haushalt.

Der leichte Anstieg der Ausgaben gegenüber dem zweiten Nachtrag 2005 erklärt sich übrigens einzig und allein aus der Tatsache, dass wir den Kommunen die versprochenen Entlastungen aus den HartzReformen bereits in diesem Jahr zukommen lassen. Dadurch reduziert sich die Bezugsbasis und die Nettoausgaben steigen leicht um 0,4 % an. Dies sei insbesondere dem Kollegen Müller noch einmal zur Erklärung gesagt, der im Übrigen durch diese Erklärung der Unwahrheit überführt wird, wenn er die Senkung der Nettoausgaben bestreitet. - Herr Müller, Sie fangen in der Finanzpolitik erst an. Aber für die Zukunft gilt: Polemik ersetzt nicht das Einmaleins, auch nicht an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Seien Sie versichert: Die CDU nimmt die ihr übertragene Verantwortung ernst. So hat sich meine Fraktion darauf verständigt - ich glaube, das ist eine ganz neue Praxis –, dass wir noch vor der Vorlage des Haushaltsplanentwurfs für die Haushaltsjahre 2007 und 2008 durch das Finanzministerium eigene Einsparvorschläge entwickeln werden. Wir wollen von Anfang an mit konstruktiven Vorschlägen mit

helfen, um das gemeinsame Ziel von weniger neuen Schulden und mehr Investitionen für die Zukunft des Landes zu erreichen.

Die Nettokreditaufnahme wird im Jahre 2006 bei 1,56 Milliarden € und damit rund 55 Millionen € unter der Neuverschuldung des zweiten Nachtrages für 2005 liegen, den wir ebenfalls heute beschließen werden. Gleichwohl entspricht sie nicht den Vorgaben der Verfassung. Das soll in der gleichen Deutlichkeit, auf die Sie, Herr Finanzminister, hingewirkt haben, heute noch einmal wie im September gesagt werden. Neben Schleswig-Holstein werden übrigens auch Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und nicht zuletzt auch der Bund für das kommende Jahr keinen Haushalt verabschieden können, der die Verfassungsgrenze einhält.

Ich will für meine Fraktion noch einmal ausdrücklich sagen: Dieser Zustand ist nicht akzeptabel. Dies ist die größte Herausforderung, an der wir zu arbeiten haben, aber es ist kurzfristig nicht möglich, diese Situation zu vermeiden, will man nicht in Ausgabenblöcke hineingehen, wie etwa an die Zuweisungen an die Kommunen im kommunalen Finanzausgleich, die kurzfristig nicht disponibel sind.

Für andere politisch gewollte Maßnahmen stehen damit weniger Haushaltsmittel zur Verfügung. Der Ausgabenspielraum wird geringer. Für die Zukunft bedeutet dies, dass weniger Leistungen vom Staat angeboten werden können. Die Alternative wäre, die Steuerquote weiter zu steigern. Letztes hat jedoch fatale Folgen für die Leistungsanreize in unserer Gesellschaft. Zudem wissen wir, dass mit einem höheren Steuerniveau nicht automatisch ein höheres Steueraufkommen verbunden ist.

Genau aus diesen Gründen war es so enorm wichtig, mit dem Haushalt 2006 eine erste Wende bei der Neuverschuldung zu schaffen. So ist es uns bereits mit diesem Haushalt gelungen, gegenüber dem Nachtrag 2005 die Kreditfinanzierungsquote um 1,7 % abzusenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem von der Regierung beschlossenen Personaleinsparkonzept setzen wir gegen alle Widerstände den Personalabbau und die Verschlankung des Staates um. Ich sehe mit Sorge, dass die Besoldungskompetenz vom Bund auf die Länder übertragen werden soll. Gerade gestern Abend haben wir miterlebt, dass in der Ministerpräsidentenkonferenz die Landesregierung dankenswerterweise einen ernsthaften Versuch unternommen hat, an