Protokoll der Sitzung vom 16.12.2005

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist zum 1. Januar 2005 eine der größten Sozialrechtsreformen in der Bundesrepublik Deutschland gestartet. Dass bei dieser gewaltigen Reform unter dem Stichwort Hartz IV auch Menschen, die in Wohnheimen oder Pflegeeinrichtungen leben, betroffen sind, ist uns ganz direkt Mitte November vor Augen geführt worden. Mit der Pauschalierung von Leistungen im SGB XII sollte erreicht werden, dass die anspruchberechtigten Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zu einer Vielzahl von Einzelbeantragungen genötigt sind und dass die entsprechenden Stellen nicht mehr eine große Anzahl von Einzelfallentscheidungen treffen müssen. Das waren übrigens Einzelfälle, die oft auch zu Kritik und zu Ungerechtigkeiten geführt haben. Das, was hier bewilligt wurde, wurde anderenorts nicht bewilligt. Manchmal gab es sogar vom Sachbearbeiter nebenan andere Entscheidungen.

Dass nun aber mit der Einführung von Pauschalleistungen auch die Weihnachtsbeihilfe für Menschen in Wohnheimen oder Pflegeeinrichtungen gestrichen worden ist, war nicht im Sinne des Gesetzgebers und ist auch sozialpolitisch nicht verantwortbar. Darum will ich an dieser Stelle der Sozialministerin des Landes ausdrücklich dafür danken, dass sie schnell und verantwortungsvoll gehandelt hat. Sie, Frau Ministerin, haben dafür gesorgt, dass keine große Unruhe und auch keine große Verunsicherung entstanden ist. Vielmehr war sehr schnell und sehr rasch das Signal da, den Menschen, die die 34 € Weihnachtsbeihilfe dringend benötigen, diese auch zu gewähren. Die circa 17.000 Betroffenen in Schleswig-Holstein können sich nun zum Weih

nachtsfest zumindest kleine zusätzliche Wünsche erfüllen. Diese rund 570.000 € sind sozialpolitisch ausgesprochen sinnvoll investiert.

Darum will ich meinen Dank an die Ministerin auch um den Dank an unsere Finanzpolitiker erweitern. Die Finanzpolitiker haben natürlich sehr umfassend und sorgsam auf die Finanzen des Landes zu achten. Für ihre Unterstützung und ihre flexible Mitgestaltung in dieser Frage sage ich ihnen aber mein herzliches Dankeschön. Dieser Dank gilt natürlich auch meinem Kollegen Günter Neugebauer, dem Finanzausschussvorsitzenden unseres Hauses.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

All denen, die aber meinen oder glauben zu meinen, dass sich das Thema Weihnachtsbeihilfe für Menschen in Wohnheimen und Pflegeeinrichtungen dazu eignet, Parteipolitik zu betreiben, will ich sagen, dass dieses Niveau nicht der Maßstab für eine sachgerechte und sozialpolitisch verantwortungsvolle Diskussion ist. Ohne diese zusätzliche Weihnachtsbeihilfe würde den Betroffenen ein weiteres Stück Lebensqualität genommen und ihre persönliche Selbstständigkeit weiter eingeschränkt. Für eine Initiative auf Bundesebene zur Feststellung, dass diese Leistung auch weiter im SGB XII zu verankern ist, haben Sie, Frau Ministerin, unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann das ganz kurz machen. Alle wollten dasselbe, zumindest alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen der letzten Legislaturperiode. Hartz IV wurde mit den Stimmen von SPD, CDU, CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP beschlossen. Dass dabei das eine oder andere in der Umsetzung richtig schief gelaufen ist, darüber haben wir hier an verschiedener Stelle gesprochen. Wir haben immer wieder gesagt, dass das Inkrafttreten zu früh kam. Wir haben immer wieder festgestellt, dass wir uns das für einen späteren Zeitpunkt gewünscht hätten. Auch heute wollen alle dasselbe, nämlich dass das Weihnachtsgeld für die Pflegebe

(Torsten Geerdts)

dürftigen über 60 Jahren in stationären Einrichtungen in Höhe von 34 € ausgezahlt wird.

Deswegen glaube ich, dass wir uns die sonst üblichen Rituale schenken können. Ich habe für meine Fraktion deutlich gemacht, dass die - salopp gesagt - etwas vorschnell angekündigte hauhaltstechnische Veranlagung von 570.000 € so mal eben am Finanzausschuss und am Parlament vorbei nicht so ganz in Ordnung ist. Ich glaube, der ehemalige Staatssekretär und heutige Minister Döring weiß das auch. In der Sache aber wollen wir heute alle dasselbe. Ich empfehle also, einen Moment lang von diesen Ritualen Abstand zu nehmen. Wenn Sie alternative Abstimmung über die beiden Anträge fordern, dann werden wir dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, obwohl wir in der Sache keine großen Unterschiede zwischen den beiden Anträgen feststellen. Allerdings wünschen wir selbstverständlich auch eine Aufklärung darüber, wie beispielsweise die 570.000 € so mal eben nebenbei am Parlament vorbei bewilligt werden konnten. Insofern hoffe ich, dass der Weihnachtsfrieden jetzt nicht nur in dieses Parlament, sondern auch in die Einrichtungen einkehrt.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Garg, den Gefallen des Weihnachtsfriedens kann ich Ihnen nicht tun. Das liegt an der Rede des Kollegen Geerdts. Herr Geerdts hat versucht, die Botschaft herauszugeben, die Grünen in Berlin hätten etwas beschlossen und jetzt hauen sie in Schleswig-Holstein dagegen und tun so, als hätten sie nichts damit zu tun. Herr Geerdts, diese Darstellung ist falsch. Herr Garg hat eben schon sehr deutlich gemacht, dass wir alle dieses Gesetz zu verantworten haben.

Ich lese Ihnen nun etwas aus den „Lübecker Nachrichten“ vor. Das war eine der ersten Zeitungen, die sich mit diesem Thema beschäftigt hat. Unter Bezugnahme auf die Frage, wer die Debatte angeheizt hat, sage ich Ihnen nun, was die ersten Stellungnahmen der Sozialpolitiker dazu waren: Die LandesSPD bezeichnet die Streichung der Weihnachtsbeihilfe als völlig verfehlten und falschen Schritt, so Wolfgang Baasch. Der Lübecker Sozialexperte

kündigt an, dass Schleswig-Holstein im Bundesrat eine Änderung des Gesetzes beantragen werde. Dabei kann die SPD auf die Unterstützung ihres Kieler Koalitionspartners setzen.

Weiter steht dort: „Diese zynische Konsequenz für sozial schwache Heimbewohner hat niemand mit den Änderungen des Bundessozialgesetzes im Zuge von Hartz IV gewollt“, so Torsten Geerdts. Wer hat hier die Debatte angeheizt? Herr Garg sagte dann noch: unsozialer Mist.

Jetzt lese ich Ihnen vor, was ich gesagt habe. Dann frage ich Sie, ob ich angeheizt habe oder nicht: Die grüne Landtagsabgeordnete Monika Heinold fordert: Die Bundesregierung muss nachbessern. Ich sage: Wenn ich sage, die Bundesregierung muss nachbessern, weil Fehler gemacht worden sind, und Sie von zynischen Konsequenzen für sozial Schwache sprechen und sich dann hier hinstellen und mir vorwerfen, ich hätte die Debatte angeheizt, dann haben Sie - so glaube ich - etwas durcheinander bekommen, sehr geehrter Herr Geerdts.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weil Sie so schön versucht haben, den schwarzen Peter weiterzugeben, nehmen wir einfach die Niederschrift des Finanzausschusses von der 23. Sitzung. Herr Geerdts, es stellt sich überhaupt nicht mehr die Frage, ob wir die Kommunen noch herankriegen, um zu zahlen. Der Zug ist abgefahren. Die Kommunen werden nicht mehr beteiligt werden. Da brauchen Sie hier gar nicht mehr von Appellen zu sprechen. Ich zitiere aus der Sitzung des Finanzausschusses, in der Herr Körner für die Landesregierung sagte, dass man entschieden habe, auch für die über 60-Jährigen diese Leistung zu erbringen.

Das heißt, die Landesregierung hat sich schon entschieden. Sie hat sich freiwillig entschieden, den Betrag für die Kommunen zu bezahlen. Ich sage ganz deutlich, dass ich das hier nicht kritisieren möchte. Es war richtig, dass die Landesregierung sehr schnell eine gute Lösung gefunden hat. Allerdings müssen wir - ob Sozialpolitiker oder Finanzpolitiker - erwarten, dass dies so mit dem Finanzminister und dem Parlament abgestimmt ist, dass es im Verfahren ordentlich ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dazu sagte Herr Sauter in der genannten Finanzausschusssitzung, das Haushaltsrecht des Parlaments sei jedoch verletzt worden.

(Dr. Heiner Garg)

Herr Geerdts, das hat Ihr Kollege hier gesagt. Das ist relativ deutlich. Hier brauche ich gar nicht mehr zu polemisieren. Herr Altmann, Präsident des Landesrechnungshofes, sagte, der Landesrechnungshof habe seine Zweifel, ob dies rechtmäßig sei.

Herr Körner entschuldigte sich im Finanzausschuss und versprach Besserung für die Zukunft. Das finde ich gut. Das ist eine klare Aussage. Wir wissen, dass das Verfahren in Zukunft vielleicht ein bisschen besser laufen wird. Sehr geehrter Herr Geerdts, ich kann es Ihnen nicht ersparen; jetzt kommt noch ein Zitat des Finanzministers Wiegard: Minister Wiegard führt aus, er sei ungehalten gewesen. Es sei vorher keine Abstimmung mit dem Finanzministerium erfolgt. Er habe aus der Presse davon erfahren. Seitdem werde ein enger Dialog über die von Staatssekretär Dr. Körner vorgetragenen Sachverhalte geführt. … Er werde im Haushaltsführungserlass eine Haushaltssperre gegenüber dem Sozialministerium verfügen.

Also auch hier haben wir eine sehr harte Maßnahme.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage hier nur: Herr Geerdts, wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, es sei alles super gelaufen, irgendwie hätten die Grünen die Debatte zynisch angeheizt und es sei nichts los, dann sage ich Ihnen: Sie haben innerhalb der Koalition so viel Stress damit gehabt, dass ich da als Grüne relativ ruhig durchschiffern konnte.

Ich freue mich im Interesse der Betroffenen, dass sie ihre Weihnachtsbeihilfe bekommen. Ich erwarte jetzt allerdings vom Land und von den Kommunen, dass das Verfahren so rechtzeitig abgewickelt wird, dass dieses Geld vor dem 24. Dezember 2005 ankommt. Ich hoffe, dass es eine gute Lösung für das nächste Jahr gibt. Auch da sagte Staatssekretär Dr. Körner für die Landesregierung sehr klar - ich zitiere noch einmal: Er geht davon aus, dass das Verfahren spätestens nach zwei Monaten abgeschlossen sei, um die Sache für das nächste Jahr zu regeln. - Wenn wir heute also fordern, möglichst zügig eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, ist das keine übereilte Aktion.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW erhält Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Sicht des SSW hat dieses Thema nicht nur mit Sozialpolitik zu tun. Das ist auch der Grund dafür, dass ich hier rede und nicht mein Kollege Harms. Wenn man nicht weiß, was ich meine, gebe ich zu bedenken, wie die Debatte wohl ausgesehen hätte, wenn es andere Mehrheitsverhältnisse in diesem Parlament gegeben hätte. Ich will keine Schärfe in die Diskussion bringen, aber man muss hier auch ein bisschen bei der Sache bleiben.

Darum vorweg: Auch der SSW begrüßt natürlich die Initiative der Landesregierung, für mehrere Tausend sozial schwache Seniorinnen und Senioren in stationärer Unterbringung, für die das Land zuständig ist, freiwillig die Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 34 € pro Person auszuzahlen. Das ist aus sozialpolitischer Sicht natürlich eine richtige Entscheidung, weil viele alte Menschen dieses Taschengeld gerade jetzt zu Weihnachten nötig haben.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Leider entstand in Verbindung mit Hartz IV und der Folgegesetzgebung eine Unklarheit in der Frage, ob die Weihnachtsbeihilfe zwingend ausgezahlt werden soll oder ob es sich um eine freiwillige Leistung dreht. Genau wie andere Landesregierungen hat Schleswig-Holstein diese Frage für sich in dem Sinne positiv beantwortet, dass das Land diese Weihnachtsbeihilfe nun auszahlt. So weit, so gut.

Wir kritisieren allerdings das weitere Vorgehen der Sozialministerin. Ohne Absprache mit dem Landtag und dem Finanzminister stellt sie eine Art Blankoscheck für die Finanzierung der Weihnachtsbeihilfe für weitere 17.000 Menschen in Schleswig-Holstein aus, die sich in der gleichen Situation befinden. Für diese Menschen sind aber die Kreise und Gemeinden zuständig. Es kann nicht angehen, dass solche Zusagen am Parlament vorbei getätigt werden und der Finanzausschuss quasi vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Davon abgesehen, dass nach Ansicht des Landesrechnungshofs gar keine rechtliche Grundlage für einen solchen Schritt vorliegt, können wir als Parlamentarier so ein Verhalten nicht einfach hinnehmen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Im Finanzausschuss haben wir dies ja auch parteiübergreifend klargestellt und die Kollegin Heinold hat aus dem Protokoll zitiert. Auch der Finanzmini

(Monika Heinold)

ster hat die Vorgehensweise kritisiert und entsprechende Haushaltsvorkehrungen getroffen.

Natürlich sollen auch die Senioren, für die die Kommunen verantwortlich sind, in den Genuss der Weihnachtshilfe von 34 € pro Person kommen. Das ist politisch unumstritten. Wir hätten aber von der Ministerin erwartet, dass sie schon vorher konkrete Absprachen mit den zuständigen Kommunen getroffen hätte. Einfach unter dem Motto vorzupreschen: „Um Vergebung zu bitten, ist einfacher, als um Erlaubnis zu betteln“, ist eben nicht der richtige Weg. Jetzt bleibt uns nur der Appell an die Kreise und Gemeinden, in gleicher Weise Verantwortung zu tragen, wie dies das Land tut. Dieser Appell erscheint mir aber sehr wirkungslos, wenn die Kreise und Gemeinden bereits wissen, dass das Land ohnehin zahlen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der gesamte Verlauf dieser Aktion wirft aber auch aus Sicht des SSW ein Licht auf die Art und Weise, wie in einer großen Koalition Politik gemacht wird. Die Landesregierung verkündet immer wieder neue Eckpunkte und Initiativen und das Parlament findet fast nicht mehr statt und läuft Gefahr - ich sage einmal provozierend –, zu einem „Abnickverein“ zu verkümmern. Ich habe das nicht angesprochen, um noch weitere Schärfe in die Diskussion zu bringen, aber es kann nicht angehen, dass wir mit zweierlei Maß messen. Das geht nicht.

Jenseits dieser Problemstellung ist der konkrete Fall auch ein Hinweis darauf, dass die Gesetze des Bundes zu immer größeren Unklarheiten und Verwirrungen führen. Das ist auch ein Teil der Diskussion. Der Landesrechnungshof hat ja im Finanzausschuss - das ist schon gesagt worden - zu Recht darauf hingewiesen, dass Hartz-IV-Empfänger keine Beihilfe mehr bekommen, weil sie einen pauschalierten Betrag bekommen. Umgekehrt ist bei der SGB-XII-Gesetzgebung scheinbar unklar, was überhaupt gewollt ist. Dies sei in Richtung Bundesebene gesagt. Es sitzen hier ganz viele, die das über ihre Bundespartei so gewollt haben.

Daher kann der SSW die Initiative zur Änderung des SGB XII unterstützen, damit in Zukunft zumindest die Weihnachtsbeihilfe ausgezahlt wird und es nicht vom Goodwill einiger Landes- oder Kommunalpolitiker abhängt, ob sich die betroffenen Menschen etwas zu Weihnachten leisten können oder nicht. Wir werden dem Antrag der Grünen zustimmen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schade, Herr Baasch wollte Ihnen so gern eine Frage stellen, Frau Spoorendonk.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich danke der Abgeordneten Spoorendonk und gebe zu, dass das „schade“ etwas missverständlich war. Es bezog sich überhaupt nicht auf Ihren Beitrag, aber ich habe den Einstieg bei Ihnen nicht gefunden, um Sie zu bitten, eine Frage zuzulassen.

Das Wort für die Landesregierung erhält jetzt die Sozialministerin, Frau Dr. Trauernicht.