Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Ich danke Frau Abgeordneter Jutta Schümann und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Heinold, weil Gesten nicht im Protokoll erscheinen, will ich als Vorbemerkung voranschicken: Das engagierte, kräftige Kopfschütteln der Sozialministerin, als Sie befürchtet haben, mit dem Antrag von SPD und CDU solle Ihre Initiative auf die lange Bank geschoben werden, macht ganz klar, dass man seitens der großen Koalition sofort willens ist, Ihre Initiative in die Tat umzusetzen. Ich denke, das sollte man festhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir alle wissen, warum wir uns heute mit diesem Thema beschäftigen. Wir wissen auch alle, warum wir uns die Frage stellen müssen, ob gesellschaftliche und soziale Kontrollmechanismen - nicht nur die der Politik, sondern auch die von Verwandten, Nachbarn, aber auch von staatlichen Institutionen - so versagt haben, dass das Schicksal schutzbedürftiger Kinder von allen unbemerkt geblieben ist. Ich will aber auch ganz deutlich sagen, dass grundsätzlich solche Fälle zum Glück die krasse Ausnahme bleiben. Allen Berichten zum Trotz ist es Gott sei Dank immer noch so, dass die überwiegende Mehrzahl der Eltern ihre Kinder liebt und alles unternehmen würde, um ihren Kindern das Beste für das Leben mitzugeben und Gefahren von ihnen abzuwenden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Trotzdem müssen wir uns fragen, was mit denjenigen Eltern ist, die aus Überforderung, aus Unwissen, möglicherweise auch aufgrund psychischer Erkrankung oder weil das Kind nicht gewollt oder vom neuen Partner als lästig empfunden wird, diesen Schutz nicht geben können oder wollen. Dann ist es unsere Aufgabe zu fragen, welchen Schutz wir diesen Kindern geben können.

Bereits heute gibt es verschiedenste Angebote, um präventiv bei ersten Anzeichen von Verwahrlo

sung der Kinder beziehungsweise Überforderung der Eltern korrigierend einzuschreiten. Eltern, die nicht in der Lage sind, sich auf ihr Kind einzustellen, und durch Gewalt und Misshandlung auf ihr Kind reagieren, werden bereits heute vielfältige Hilfen angeboten. Hebammen arbeiten eng mit Kinderärzten zusammen, sodass gemeinsam in den ersten Wochen und Monaten auf Fehlentwicklungen reagiert werden kann. Krankenhäuser fragen bereits bei der Entlassung nach der Entbindung nach der betreuenden Hebamme und dem Kinderarzt, um eine lückenlose Informationskette zu garantieren. Broschüren wie „Vorsicht, zerbrechlich!“ und andere, die von Kinderärzten, Krankenkassen und von Land und Kommunen überreicht werden, informieren über vielfältige Hilfsangebote, geben Tipps und Anregungen. Hilfen bei „Schreikindern“ oder durch Vereine wie „Wellcome“ werden den Eltern mittlerweile flächendeckend angeboten. Was aber ist, wenn diese vielfältigen Hilfsangebote nicht gelesen werden, wenn sie ignoriert werden oder einfach aus Scham davor, dass man als Eltern angeblich versagt hat, nicht angenommen werden?

Wenn Eltern weder kostenfreie Vorsorgeuntersuchungen noch Impftermine wahrnehmen, greifen viele dieser Angebote nicht mehr und das engmaschige Netz an Hilfsangeboten erweist sich schnell als löchrig. Dass Misshandlungsfälle, wie sie derzeit gerade in Husum vor Gericht verhandelt werden, durch engagierte Kinderärzte rechtzeitig erkannt und aufgedeckt werden können, ist bei solchen Eltern eher selten. Welche Instrumente haben wir, um rechtzeitig einzugreifen, und ist es gerechtfertigt, dass der Staat für eine kleine Zahl von Eltern eine weitere Überwachungsinstanz schafft, um zumindest alle Möglichkeiten auszuschöpfen?

Letztlich geht es immer um die Abwägung zwischen Kindeswohl und Elternrecht.

Zur Erinnerung: Bereits in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde eine ähnliche Diskussion geführt, als es darum ging, die bis dahin bestehende Impfpflicht von Kindern in eine Impfempfehlung umzuwandeln. Man hat sich damals für die Entscheidungsfreiheit der Eltern entschieden. Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, jetzt die Frage zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, diese Entscheidungsfreiheit für alle Eltern zurückzudrängen, um Kinder vor der Erziehungsohnmacht und Gewalt einzelner Eltern zu schützen. Dabei müssen wir uns in der Entscheidung auch bewusst sein, dass dies nicht auf einen Alibi-Aktionismus hinauslaufen darf, der keine Abhilfe schafft, wo tagtäglich etwas an Kindern versäumt wird.

(Jutta Schümann)

Der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Antrag nimmt eine ebensolche Abwägung vor. Unterstützt durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes wird eine sehr umfassende Gewichtung zwischen Elternrecht und der Wahrung des Kindeswohls vorgenommen und er spricht sich zugunsten des Kindeswohls aus. Dabei kommen die Antragsteller zu einer - wie wir meinen - praxisorientierten Umsetzungslösung, die einerseits das Elternrecht mitberücksichtigt, andererseits einen möglichst geringen staatlichen Eingriff vorsieht. Dieser Vorschlag schließt gerade die Gefahr eines blinden Aktionismus aus.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von allen Vorschlägen, die derzeit zur Einführung eines Frühwarnsystems gemacht werden, versprechen deshalb der vorgelegte Antrag und der ausgearbeitete Gesetzentwurf zur Änderung des Gesundheitsdienstgesetzes eine einfache, auf vorhandene Strukturen aufbauende Lösung. Statt auf eine Bundesratsinitiative zu bauen, die eine umfassende Pflichtuntersuchungsreihe vorsieht, wie es Überlegungen aus dem Saarland und Hamburg vorsehen, vertraut dieser Antrag zunächst einmal auf die eigene Landeskompetenz und darauf, diese auszuschöpfen. Das ist nicht nur ein interessanter Ansatz, sondern auch pragmatisch gedacht. Im Gegensatz zu den Überlegungen unserer Bundesfamilienministerin werden gerade nicht zuerst einmal in einzelnen Pilotprojekten Erfahrungen gesammelt. Ich habe gar nichts gegen Pilotprojekte, bin aber dafür, dass man auch konkret handelt und auf Landesebene einen konkreten Handlungsvorschlag anbietet.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich finde - das will ich deutlich sagen -, dass wir in Schleswig-Holstein für Pilotprojekte schon ein Stück zu weit sind, was unsere bereits vorhandenen Angebote anbelangt.

Vielmehr hat dieser Gesetzentwurf den Charme, dass alle Eltern zu einem bestimmten Zeitpunkt einen sanften Schubs erhalten, ihr Kind bei einem Kinderarzt vorzustellen. Drei Viertel der Eltern machen das sowieso. Für sie ändert sich also nichts oder nur so viel, dass sie den entsprechenden Vermerk aus dem Kinderuntersuchungsheft vorlegen müssen. Für die meisten Eltern des restlichen Viertels dient der Hinweis durch das Gesundheitsamt, die U7-Untersuchung vornehmen zu lassen, lediglich als Terminerinnerung.

Übrig bleiben die Eltern, denen durch eine aufsuchende Fürsorge des Staates mehr Aufmerksamkeit

zuteil werden sollte. Diese Vorgehensweise bedeutet, dass Kinder- und Jugendärzte weiterhin als Vertrauenspersonen und nicht als Vollzugsbeamte des Staates agieren können und womöglich auch noch gesellschaftliche Fehler ausbügeln müssen. Damit wird das Arzt-Patienten-Verhältnis gerade nicht tangiert oder durch den Wust von Bürokratie unterlaufen. Gleichzeitig werden gerade die Eltern herausgefiltert, bei denen sich ein genauerer Blick auf die Verhältnisse nicht nur lohnen könnte, sondern von staatlicher Seite auch lohnen sollte.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist angesprochen worden: Was geschieht, wenn körperliche und geistige Defizite bei Kindern erkannt worden sind? Im Fall der damals einjährigen Zwillinge aus Husum ist neben den körperlichen Beeinträchtigungen auch ein Entwicklungsrückstand von 5 bis 6 Monaten attestiert worden.

Frau Kollegin Heinold, wir müssen uns darüber unterhalten, weil das aus dem Gesetzentwurf, wie ich finde, noch nicht ganz deutlich wird, was die Behörde mit den Informationen macht, die sie aus dem Erhebungsbogen U7 herauslesen wird, vor allem ob die Behörde überhaupt ausreichende Informationen aus dem Erhebungsbogen entnehmen kann, um Defizite nicht nur zu erkennen, sondern dann auch die entsprechenden Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Diese Problematik können und sollten wir im Rahmen der Beratung und der Anhörung weiter vertiefen.

Darüber hinaus müssen wir darüber nachdenken, ob die Strukturen, die wir mit der Novellierung des Gesundheitsdienstgesetzes in der letzten Legislaturperiode geschaffen haben, ausreichen, damit die von Ihnen geforderten Rahmenbedingungen auch tatsächlich erfüllt werden können. Außerdem halte ich es noch nicht für ganz geklärt, in welchem Umfang trotz des einfachen Verfahrens weitere Verwaltungstätigkeiten auf die Kommunen zukommen. Das haben Sie aber selber schon angesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Etablierung eines Frühwarnsystems nur ein erster Schritt sein kann, muss uns allen klar sein. Das haben auch alle Vorrednerinnen bereits ausgeführt. Ein erster und, ich finde, diskussionswürdiger Vorschlag liegt auf dem Tisch. Ein weiterer Schritt muss dann sein, gemeinsam mit den Kommunen Lösungswege zu einer neuen Form von Prävention zu entwickeln, um gerade Problemfamilien, die bisher schlecht oder gar nicht erreicht wurden, besser erreichen zu können. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Initiative.

(Dr. Heiner Garg)

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg und erteile das Wort für den SSW Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berichte über grausame Kindesmisshandlung und -verwahrlosung lassen uns immer wieder aufschrecken und fordern die Gesellschaft natürlich zum Handeln auf. Noch viel mehr Kinder wachsen unter schlechten Bedingungen auf, die nicht so extrem sind, aber auch unser Augenmerk verdienen. Viele Probleme haben Kindesbeine. Individuelle und gesellschaftliche Probleme von Übergewicht bis zur Kriminalität und Misshandlung haben ihre Ursache in den Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen. Es gibt also viele gute Gründe dafür, dass die Gesellschaft sich der Kinder annimmt, wenn niemand anders auf sie Acht gibt.

Deshalb ist die Idee natürlich richtig, bei jedem Kind frühzeitig nachzusehen, ob es Unterstützung benötigt. Bei Vorsorgeuntersuchungen steht das einzelne Kind im Mittelpunkt; Defizite können frühzeitig erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen noch rechtzeitig ergriffen werden. Das geschieht ja auch schon im Rahmen der U-Untersuchungen der gesetzlichen Krankenkassen. Nur: Die U1- bis U10-Untersuchungen sind freiwillig und natürlich erscheinen gerade jene Eltern nicht, deren Kinder diese Vorsorge am dringendsten benötigen. Da liegt der Gedanke nahe, die Pflicht zur Teilnahme an den Untersuchungen vorzuschreiben. Allerdings ist dieser Plan von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht unproblematisch, und das aus mehreren Gründen.

Sowohl im Antrag als auch im Gesetzentwurf wird deutlich: Man muss die Regelung ziemlich kompliziert stricken, damit sie in den heutigen Rahmen passt. Im Gesundheitswesen gibt es keine einheitlichen Kostenträger für solche Maßnahmen, denn nur ein Teil der Bevölkerung ist gesetzlich versichert und wird damit von den U-Untersuchungen umfasst. Zudem kann eine für alle pflichtige Untersuchung nur im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes erfolgen, was zur Folge hat, dass uns in diesem Gesetzentwurf eine leicht verwirrende Lösung vorgelegt wird: Das Gesundheitsamt wird Träger, soll aber durch Gebühren Eltern und Kinder gleich wieder zurück zur Krankenkasse treiben. Da

mit mag man dann auch gleich das Problem der Konnexität gemildert haben. Eine transparente, verständliche Lösung ist dies aber mit Sicherheit nicht.

Durch die von den Grünen vorgeschlagene Kostenregelung für die Untersuchungen in den Gesundheitsämtern würde zudem mit einem wichtigen Prinzip gebrochen, nämlich dass Gesundheitsleistungen für Minderjährige generell gebührenfrei sind und viele Vorsorgemaßnahmen sogar auch bei Erwachsenen. Im Gesetzentwurf der Grünen ist zwar die Möglichkeit eingebaut, die Pflichtuntersuchung kostenlos beim Kinderarzt durchführen zu können. Vom Prinzip kostenloser Gesundheit für Kinder wird aber erst einmal abgewichen.

Und in noch einem Punkt wird hier mit bisherigen Grundsätzen gebrochen: Das deutsche Gesundheitssystem sieht nicht vor, dass Zwang zur Gesundheit ausgeübt wird. Niemand kann gegen seinen Willen zu Untersuchungen und Behandlungen gezwungen werden. Mit einer Untersuchungspflicht für Zweijährige wird diese Freiheit für die Eltern eingeschränkt. Im Interesse der Kinder halte ich dies allerdings auch für eine Möglichkeit, die ausgelotet werden muss. Man muss das abwägen.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das ist eine Schuleingangsuntersuchung, keine Gesundheitsmaßnahme. Das ist ein Unterschied.

Aus gesundheitspolitischer Sicht stellt sich dann allerdings auch noch die Frage, weshalb die Untersuchungspflicht auf Zweijährige begrenzt werden soll. Denn fachlich lässt sich durchaus dafür argumentieren, alle Kinder-Vorsorgeuntersuchungen verbindlich vorzuschreiben. Dadurch könnten auch bei jüngeren und älteren Kindern Entwicklungsstörungen erkannt oder vermieden werden. Diese Möglichkeit wird im Antrag ja auch zumindest angesprochen und sollte bei den weiteren Beratungen zu diesem Gesetzentwurf mit bedacht werden.

Wenn man genau hinsieht: Der Fall, der heute in Husum behandelt wird, hätte auch stattgefunden, wenn man mit zwei Jahren untersucht hätte, weil das Kind jünger war. Man muss also sehr genau aufpassen, ob man die einfache Lösung nimmt oder sagt: Wir machen den großen Schritt und machen alles verbindlich.

Jenseits dieser rechtlichen und systematischen Bedenken sehe ich aber einen wesentlichen Knackpunkt dieser Initiative. Sie nimmt ausdrücklich ihren Ausgangspunkt in aktuellen Fällen von Kindesmisshandlung. Es soll ein Instrument entwickelt werden, mit dem die Kinder nicht aus dem Blick

(Dr. Heiner Garg)

feld geraten. Dabei geht es nicht nur um Gesundheitspolitik, sondern allgemein um das Wohl der Kinder. Es geht hier mit anderen Worten nicht nur um Medizin. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ärztliche Gesundheitsuntersuchungen der richtige Weg sind. Sie können ein Baustein sein, aber wir müssen uns schon mehr Gedanken darüber machen, welche anderen Interventionsformen vielleicht noch mehr bringen können. Ich denke da besonders an Dienste, die Familien zu Hause aufsuchen, begleiten und bei Bedarf weitere Hilfen vermitteln.

Ein Modell, das die gesundheitliche mit der sozialen Perspektive koppelt, ist das „Schutzengel-Konzept“, das in Flensburg erprobt worden ist und im Rahmen des „Kinder- und Jugend-Aktionsplans Schleswig-Holstein“ landesweit ausgedehnt werden soll. Dabei werden Schwangere und junge Familien von einer Hebamme begleitet und entsprechend beraten. Diese Hilfen haben den großen Vorteil, dass das Kind in seinem Lebensumfeld gesehen und über einen längeren Zeitraum begleitet wird. So lässt sich klarer erkennen, welche Defizite und welcher Förderbedarf bestehen. Die „Schutzengel“ sind fest in ein gesundheitliches, soziales und pädagogisches Netzwerk eingebunden. Während Ärzte erst aufwändig das weitere Hilfesystem mobilisieren müssen und nur bei gesundheitlichen Problemen weiter im Bild bleiben, sind die „Schutzengel“ unabhängig von der Art der Problemstellung längerfristig und häufiger präsent. Ähnliches gilt im Übrigen auch für das Projekt „Wellcome“.

Derartige Konzepte haben den Vorteil, dass sie eine niedrigere Schwelle für die Inanspruchnahme haben als ärztliche Dienste. Die Eltern müssen die „Schutzengel“ zwar erst über die heimische Türschwelle lassen - und das freiwillig -, dafür ist die Akzeptanz der Beratung aber auch größer und die Vermittlung weiterer Hilfen ist niedrigschwelliger. Der Nachteil dieser Hilfen besteht allerdings darin, dass sie erst aufgebaut und etabliert werden müssen. Es wird vor allem einige Zeit dauern, bis sie wirklich von denen in Anspruch genommen wird, die sie am dringendsten benötigen.

Ein Blick nach Dänemark zeigt aber, dass dies möglich ist. Dort gibt es einen gesonderten Zweig der Krankenpflege, die so genannte Gesundheitspflege, die gerade diese Aufgabe erfüllt, Kinder und Familien in den ersten Lebensjahren zu begleiten, anzuleiten und bei Bedarf Förderung und Hilfe zu vermitteln. Dieses Modell ist mittlerweile so etabliert, dass man dort eine sehr hohe Inanspruchnahme verzeichnet. Der Besuch der Gesundheitspflegerin gehört zum Alltag für alle Schichten, obwohl

kein Zwang besteht. Ich ziehe solch ein System vor, weil die Veränderungsbereitschaft der Eltern in einem solchen Zusammenhang wesentlich stärker gefördert wird.

Letztendlich kommen wir nicht umhin, dass der Staat nicht durch eine Vorsorgeuntersuchung oder herkömmliche Jugendhilfe die Defizite des Elternhauses ausgleichen kann. Es muss zuerst darum gehen, die Familien in die Lage zu versetzen, selbst klarzukommen und Hilfsbedarf von außen frühzeitig zu erkennen. Eben dieser Ansatz der Förderung und des „Empowerment“ liegt ja auch den „Schutzengeln“ zugrunde.

Letztlich ist es auch eine Kostenfrage, ob es wirklich notwendig ist, die Arbeitskraft von Medizinern für Aufgaben einzusetzen, die in weitem Umfang auch andere Berufsgruppen leisten können, möglicherweise sogar besser leisten können. Gerade dadurch würde man auch die ganzheitlichere Sichtweise fördern, die von den Grünen im Antrag gefordert wird, ohne dass die Qualität leidet.

Ich denke, wir sollten im Ausschuss genau darüber nachdenken, wie die gemeinsamen Ziele am besten angestrebt werden. Wir sind in den Zielen einig, aber die Preußen sollten nicht zu schnell schießen. Eine nachhaltigere Lösung für die sozialen Probleme ist hier nicht eine preußisch-obrigkeitsstaatliche Kontrolle zu einem Zeitpunkt im Leben der Kinder, sondern die Investition in einen dauerhaften, besseren und vertrauensvolleren Umgang und Kontakt zu den Eltern. Das sind die, an die wir heran müssen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Präsidium bedankt sich bei allen Fraktionen für diese außerordentlich sach- und problemorientierte Debatte.

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Dr. Trauernicht das Wort.