Zum ersten Argument! Vor dem Hintergrund, dass fast die Hälfte der Vogelarten bedroht ist, ist es geradezu zynisch, zu behaupten, dass Schutzmaßnahmen überflüssig seien. Schon deshalb sind die Behauptungen von interessierter Seite, ein Schutz sei nicht nötig, weil die Menschen die Natur von alleine schützen würden, fachlicher Unsinn.
Auch die Behauptung, es handele sich um einen ungerechtfertigten Eingriff in das Eigentum, ist falsch.
Das Eigentum ist in Deutschland durch die Verfassung dem Gemeinwohl verpflichtet. Und wild lebende Tiere stehen spätestens seit der Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung unter dem ausdrücklichen Schutz des Grundgesetzes.
Wenn also das Land Regelungen trifft, dass auf einer privaten Fläche Vögel nicht ausgerottet werden, dann ist das kein ungerechtfertigter Eingriff in das Eigentum, sondern eine selbstverständliche Schutzmaßnahme des Staates, zu der er genauso verpflichtet ist, wie er verpflichtet ist, Leib und Leben seiner Bürger zu schützen.
Meine Damen und Herren, die Proteste der CDU, der Wirtschaft und anderer Nutzer waren zunächst so erfolgreich, dass es nur zum Teil gelang, die nötigen Flächen auszuweisen. Dass sich dies überhaupt änderte, war dem Schock durch das Wakenitz-Urteil zu verdanken; ich erinnere bewusst an das Wakenitz-Urteil.
Das Gericht stoppte den Bau. Grundsätzlich sei gegen den Bau nichts einzuwenden, wenn ein entsprechender Ausgleich erfolge. Aber erst müsse das Gebiet bei der Europäischen Union gemeldet und eine Genehmigung beantragt werden - ohne Meldung, keine Genehmigung und kein Bau. Das war konsequent. Denn sonst könnte ja jedes Land einfach die Meldung umgehen.
Herr Steinbrück war daraufhin ein Fan von Meldungen und verlangte die Meldung jedes seltenen Vogels, der auf einer möglichen Straßentrasse brütete. Leider war weder die CDU noch der nachfolgende Minister Rohwer genauso einsichtig. Der Krieg um die Ausweisung von NATURA-2000-Gebiete ging weiter.
- Das hier ist der Brief, den die Europäische Kommission 2003 der Bundesrepublik Deutschland geschrieben hat. Darin warf sie der Bundesrepublik eine Vertragsverletzung vor und drohte zum ersten Mal mit empfindlichen Geldstrafen. In diesem Brief wird angemahnt, dass auf der Halbinsel Eiderstedt ein Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden soll. Grundlage dafür, so schreibt die EU, ist das Verzeichnis mit dem Namen IBA 2002, in dem aufgrund der wissenschaftlichen Kenntnisse Vorschläge für Vogelschutzgebiete in Europa verzeichnet sind. Das hier ist die Liste der IBA 2002. Sie umfasst 14 % der Landfläche von Schleswig-Holstein. Tatsächlich sind in Schleswig-Holstein zurzeit nur etwa 6 % der Fläche als Vogelschutzgebiete ausgewiesen. Mit Eiderstedt wären es 8 %. Zum Vergleich: Dänemark hat 15 % ausgewiesen. Eiderstedt wird mit zwei Dritteln der Wiesenfläche aufgeführt. Dabei geht es laut IBA um fünf Arten: Trauerseeschwalbe, Nonnengans, Goldregenpfeifer, Uferschnepfe und Kiebitz.
Jetzt komme ich zu Ihnen: Die Europäische Union legt keineswegs fest, welche Fläche auf Eiderstedt und welche Fläche im Umland ausgewiesen wird. Sie legt lediglich fest, dass geeignete Flächen in der Größenordnung der IBA 2002 für die genannten Vogelarten ausgewiesen werden. Es müssen die fachlich besten Flächen ausgewiesen werden; das sagt die Europäische Union. Der Minister will nun den Bauern einen Gefallen tun und nur 2.800 ha ausweisen. Dabei will er nur eine Art, nämlich die Trauerseeschwalbe und für diese auch nur 10 % ihres Brutraums auf der Halbinsel berücksichtigen. Es
ist in der Tat möglich, dies zu tun, wenn er stattdessen andere gleich gute oder besser geeignete Flächen in Schleswig-Holstein, auf denen diese Vögel vorkommen, findet und ausweist. Sein Problem ist: Es gibt diese Flächen nicht. Das wird sich noch herausstellen. Er hat sie auch nicht ausgewiesen und vorgeschlagen. Eiderstedt ist das bedeutendste zusammenhängende Feuchtwiesengebiet in Schleswig-Holstein. Vergleichbare Flächen gibt es nirgendwo anders.
Herr Minister, der Vermerk des Mitarbeiters, von dem Sie vorhin gesprochen haben, ist im Umweltausschuss dieses Landtages ausführlich diskutiert worden. Sie hätten die Akten ordentlich studieren müssen. Es ist auch eine schriftliche Stellungnahme dieses Mitarbeiters vorgelegt worden, die sehr ausführlich deutlich macht, warum die Meinung, die zunächst geäußert worden ist, hinterher korrigiert wurde. In einem Auswahlverfahren werden zunächst immer viele Meinungen geäußert. Das hätten Sie auch zitieren müssen.
- Minister von Boetticher hat hier erzählt, wie toll er die Beteiligung gemacht hat. Tatsache ist: Unter beiden grünen Ministern haben regelmäßig umfangreiche Beteiligungen aller Betroffenen stattgefunden. Dieser Minister hat bei der Auswahl der neuen Gebietskulisse eine Arbeitsgruppe gebildet, in der er weder alle an Eiderstedt Beteiligten noch die Naturschutzverbände noch das entsprechende LANU, die entsprechende Fachbehörde, beteiligt hat. Was würde man eigentlich sagen, wenn zum Beispiel der Landwirtschaftsminister zum Thema Landwirtschaft eine Entscheidung treffen würde, ohne die Landwirtschaftskammer und ohne den Bauernverband daran zu beteiligen? Was würde man zu einem Wirtschaftsminister sagen, wenn er die IHKs nicht beteiligen würde? Das wäre absurd! Was würde man über eine Denkmalbehörde sagen, wenn sie das Landesdenkmalamt nicht beteiligen würde? Jeder würde sagen: Das ist verrückt! Beim Naturschutz glauben Sie aber, sich so etwas leisten zu können, Herr von Boetticher. Das ist eine absurde Entscheidung, die Sie hier getroffen haben. Sie hat mit Fachlichkeit nichts zu tun.
Was passiert nun, wenn der Minister so vorgeht, wie angekündigt? Zunächst passiert gar nichts. Es kann sogar noch einige Jahre dauern, bis die EUKommission mit saftigen Geldstrafen reagiert, wie sie das anderenorts bereits bei NATURA-2000Verfahren gemacht hat. Bei so etwas kann das Land durchaus täglich mit bis zu sechsstelligen Beträgen belastet werden. Vielleicht spekuliert Herr von Boetticher darauf, dass wir dann längst wieder
eine andere Regierung haben oder darauf, dass er dann längst einen anderen Job hat, weil er sich heute im Kampf so profiliert hat? Persönlich haften muss nach deutschem Recht nicht er, sondern der Steuerzahler.
Es kann aber auch schon viel kurzfristiger zum Show-down kommen, nämlich dann, wenn eine Baumaßnahme auf der Halbinsel Eiderstedt beklagt wird. Das könnte zum Beispiel der von den Nordfriesen so sehnlich erwünschte Ausbau der B 5 sein. Dieser kann vom Gericht so lange gestoppt werden, bis schließlich eine endgültige Meldung erfolgt ist. Das haben wir bei der Wakenitzquerung bereits einmal erlebt.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Legende eingehen, alle Menschen auf Eiderstedt wären gegen ein Vogelschutzgebiet. Konrad Nabel hat bereits darauf hingewiesen. Ja, es gibt eine hart organisierte Lobby von Parteifreunden, die diese Ansicht vertritt und so weit geht, dass andere Menschen unter Druck gesetzt worden sind. Es gibt auf Eiderstedt aber im Laufe der letzten Jahre immer mehr Landwirte, die sich für den Vogelschutz eingesetzt haben. Einige haben dies aus Idealismus getan. Andere haben dies getan, weil sie erkannt haben, dass sie damit eine einmalige Chance haben, durch Vertragsnaturschutz zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Nach meinem Kenntnisstand waren es 75 Landwirte, Konrad Nabel spricht von 100 Landwirten. Das wäre schon fast ein Drittel aller Landwirte auf Eiderstedt, die sich gemeldet haben, um am Vertragsnaturschutzprogramm teilzunehmen. Das zeigt, dass es auf Eiderstadt eine zunehmende Bewegung von Menschen gibt, die sich von den Hardlinern absetzen. Herr Minister, auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Sie haben den Grünen immer Ideologie vorgeworfen. Tatsache ist: Sie haben bisher keine einzige Meldung an die Europäische Union rückgängig gemacht. Im Gegenteil, Sie haben sogar schon mehrfach dort nachbessern müssen, wo wir vor der Wahl zu Kompromissen gezwungen waren. Damit haben Sie alle Meldungen der grünen Minister im Nachhinein bestätigt. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Sie machen Politik ohne eine fachliche und rechtliche Grundlage. Sie machen eine hochideologische und rein klientelorientierte Politik. Der ehemalige Landesnaturschutzbeauftragte, ein CDU-Minister, der aus Protest gegen Sie zurückgetreten ist, hat dazu so deutliche Worte gefunden, dass ich heute auf eine Wiederholung verzichte. Herr Minister, diese Art von Politik wird scheitern, und zwar nicht nur bei der EU. Auch die Wählerinnen und Wähler
Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal haben wir eine emotionale Debatte über den Vogelschutz auf Eiderstedt bekommen. Der Anlass ist aber eigentlich ein Anlass, von dem man meinen sollte, dass er Anlass zur Freude gäbe. Immerhin soll das Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt von 19.800 auf 2.800 ha verkleinert werden. Das hätte in der Region Eiderstedt eigentlich zu Jubelbekundungen führen müssen; hat es aber nicht. Vor Ort ist man oft immer noch der Meinung, dass man auf die Meldung eines Vogelschutzgebietes ganz verzichten könne. Diese Sichtweise hat der SSW immer bezweifelt. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir eine erhebliche Verkleinerung des Schutzgebietes ausdrücklich.
Bei der Ausweisung von Flächen ist es ganz egal, ob man nun für oder gegen staatlichen Naturschutz ist, ob man nun Betroffener ist oder nicht. Die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes richtet sich nach rein naturschutzfachlichen Kriterien. Die werden erfüllt werden müssen und anhand dieser Kriterien muss auch ausgewiesen werden. Wenn dann ein kleines Schutzgebiet dabei herauskommt, das nicht größer als andere Vogelschutz- und FFHGebiete ist, dann kann man als Region eigentlich zufrieden sein, auch wenn der einzelne Betroffene in diesem Restgebiet natürlich mit Recht Hilfe von der Landesregierung erwarten darf.
Ein Punkt zog sich durch die gesamte Diskussion zu diesem Thema: Die Ausweisung des Vogelschutzgebietes wurde zwar öffentlich diskutiert, aber die Weichen wurden immer durch interne Arbeitsgruppen gestellt. Mit Recht wurde dies in den letzten Jahren gegenüber der alten Landesregierung kritisiert, aber auch diesmal war es wieder einmal der Fall, dass man lieber ohne die breite Bevölkerung entscheiden wollte. Das, was die CDU immer kritisiert hatte, wird jetzt von ihrem Minister genauso gehandhabt. Ansonsten brauchte die SPD hier keine Fragen zu stellen.
Die Arbeitsgruppe vor Ort hat unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten, diskutiert und Vorschläge gemacht. Man hat sich vonseiten des Umweltministeriums in geschlossenen Runden mit der Arbeitsgruppe abgestimmt. Die breite Öffentlichkeit ist bis heute nicht offiziell über das Verfahren oder auch nur über das konkrete Ergebnis der Arbeit informiert worden. Selbst wir hier im Landtag können heute nur darüber spekulieren, was Grundlage für die Ausweisung des Gebietes ist. Offizielle Papiere liegen mir und der Region Eiderstedt bis heute nicht vor. Deshalb können wir auch heute nur darüber spekulieren, ob die Meldung - so wie sie geplant ist - wirklich rechtlich durchstehen kann.
Dabei ist nicht die Frage entscheidend, ob der grüne Umweltminister Steenblock seinerzeit nur 2.000 ha auf Eiderstedt ausweisen wollte, um Konflikte zu umgehen, und dann sogar erst einmal ganz auf eine Ausweisung verzichtete, um das Problem erst einmal auszusitzen. Ebenfalls egal ist es, ob Eiderstedter Landwirte in der Diskussion über eine großflächige Gebietsausweisung zeitweise durchaus mit 10.000 oder 11.000 ha einverstanden gewesen wären. Entscheidend ist einzig und allein, ob wir die Brüsseler Vorschriften so umsetzen, dass wir sie zufrieden stellend erfüllen und keine Strafzahlungen zu erwarten haben.
Geht man noch einmal an den Ausgangspunkt zurück, so kann man erkennen, wie schwierig die Materie sein kann und wie unsicher auch das heutige vorläufige Ergebnis noch ist. Am 3. April 2003 verschickte die EU-Kommission ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert wurde, Vogelschutzgebiete auszuweisen. Auch Schleswig-Holstein sollte hierbei seine Aufgaben erfüllen. Es wurde noch einmal deutlich gemacht, dass Anhang-1-Arten zu schützen sind und dass auch für Zugvögel Schutzflächen ermittelt werden sollten.
Im Schreiben wird dann noch einmal deutlich gemacht, welche rechtliche Verpflichtung SchleswigHolstein hat, Schutzgebiete einzurichten, und es wurde auch an Beispielen deutlich gemacht, welche Arten zu schützen sind. Für Eiderstedt wurden die Trauerseeschwalbe als Brutvogel und die Uferschnepfe und der Kiebitz als Zugvögel explizit genannt. An diesen Vogelarten konnte man so ohne weiteres nicht vorbeikommen. Das war im Vorwege klar.
Neben dem Aufforderungsschreiben und dessen Inhalt spielte auch die Frage des Ermessensspielraums eine wichtige Rolle in der Diskussion. „Jeder
Mitgliedsstaat entscheidet über seine fachlichen Grundlagen und Konzepte nach eigenem Ermessen und wählt die geeignetsten Gebiete nach ornithologischen Kriterien aus“, das war der Grundsatz, der in Rede stand. Hatte man sich einmal für eine Art der Flächenermittlung entschieden, galten nur noch naturschutzfachliche Erwägungen. Es gibt also nur ein Ermessen, ob oder ob nicht ausgewiesen werden wird; die Größe der auszuweisenden Fläche ergibt sich dann anhand der Kriterien.
Dies hat ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vom März 2004 ganz deutlich dargelegt. Es wurde immer wieder bezweifelt, dass es notwendig sei, beispielsweise die Nonnengans oder den Goldregenpfeifer auf Eiderstedt mit schützen zu müssen, obwohl beide zu schützende Anhang-1-Arten sind.
Das Auswahlkonzept der alten Landesregierung wurde immer wieder - mit Recht - hinterfragt. Die Nonnengans kommt zum Beispiel nur deshalb verstärkt im Binnenland vor, weil deren natürliche Gebiete im Vorland nach Beendigung der Vorlandbeweidung für sie als Lebensraum nicht mehr nutzbar sind. Außerdem findet man sie nicht nur auf Eiderstedt, sondern auch an vielen anderen Stellen an der Westküste. Eiderstedt ist aber das Gebiet mit der zweitgrößten Goldregenpfeiferdichte nach dem Wattenmeer. Will man also den Goldregenpfeifer, der als Brutvogel bei uns schon ausgestorben ist und nur noch als Zugvogel vorhanden ist, erleben, so muss man nach Eiderstedt fahren.
Das Auswahlkonzept der ehemaligen Landesregierung war also zwiespältig. Aber auf jeden Fall hätte man auch hier mehr eingrenzende Kriterien nutzen können, ohne dass eine Anmeldung zu klein geworden wäre.
Nun haben wir eine sehr kleine Fläche, die angemeldet werden soll, und haben das gleiche Problem wieder - nur mit anderem Vorzeichen. Die Frage, ob der Goldregenpfeifer doch noch berücksichtigt werden muss, ist dabei noch das geringste Problem.
In einer Pressemitteilung des Umweltministers vom 18. Januar, in der die Ausweisung für Flächen zum Trauerseeschwalbenschutz als unumgänglich bezeichnet werden, steht zu lesen: „Andere Wiesenvögel, wie die Uferschnepfen und der Kiebitz, deren Anmeldung von der EU-Kommission ebenfalls als zu gering angemahnt worden sind, sollen durch die ausgewählte Gebietskulisse mit erfasst werden.“
Das heißt, dass die Trauerseeschwalbe alleiniges Kriterium war und dass die beiden anderen angemahnten Vogelarten so mal eben nebenher mit ge
Dann ist da noch zu lesen, dass die geplanten Flächen durch weitere Flächen ergänzt werden sollen. Folgendes Zitat aus der Pressemitteilung: „Dabei handelt es sich um Flächen, die von einzelnen Landwirten ausdrücklich auf freiwilliger Basis zusätzlich benannt worden sind.“