Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Die „Investitionen“ in Bildung, Forschung und Familienförderung werden wir nicht abschließend bewerten können, denn wir erleben tagtäglich Auseinandersetzungen quer durch die große Koalition in Berlin. Auch hier gilt, in der Sache sind sinnvolle Beispiele dabei, gar keine Frage, wobei wir Grünen uns gewünscht hätten, dass nicht zuerst über das Elterngeld diskutiert wird, sondern in der Tat zuerst eine qualitativ und quantitativ bessere Kinderbetreuung finanziert worden wäre. Frau von der Leyen hat nach Genshagen entsprechende Vorschläge präsentiert, allerdings ohne sie gegenfinanzieren zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, während Herr Austermann noch in der „Financial Times Deutschland“ vom 25. Januar eine Schippe obendrauf gefordert hat, und zwar in einer interessanten Kombination mit Herrn Heil, dem Generalsekretär der SPD, hat der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Herr Wadephul, in seiner Pressemitteilung vom 10. Januar durchaus skeptische Töne angeschlagen. Ich hätte mir an der Stelle gewünscht, dass er diese in dieser Debatte im Landtag noch einmal begründet hätte, anstatt zurzeit wahrscheinlich wichtige Termine zu haben. Er sagt in der Pressemitteilung, dass er den Umfang des zusätzlichen Investitionspaketes von 25 Milliarden € in Zweifel zieht.

In der Tat, wenn man jetzt sieht, was uns Berlin beschert - und das wird kommen, schuldenfinanziert -, dann stellt sich spätestens jetzt die Frage, ob der Schleswig-Holstein-Fonds in seiner Dimensionierung überhaupt noch sinnvoll ist. Auch er ist komplett schuldenfinanziert. Sollte man nicht eher sagen, wir setzen auf Synergieeffekte? Wenn so viel Geld aus Berlin kommt, was wir nicht verhindern können, dann ist jetzt angesagt, weniger in die Verschuldung zu gehen und den Schleswig-HolsteinFonds entsprechend zu reduzieren. Das wäre ein mutiger und konsequenter Schritt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich das Wort dem Kollegen Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschlüsse der Bundesregierung auf der Genshagener Kabinettsklausur und damit das 25-Milliarden-€-Investitionspaket sind sozusagen der angenehme Teil der generellen Finanz- und Wirtschaftspolitik der großen Koalition. Erst will man 2006 mit diesem Investitionsprogramm für vier Jahre die Konjunktur ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen, danach will man aber schon 2007 die Mehrwertsteuer um gleich 3 % erhöhen, um endlich die Maastricht-Kriterien zu erfüllen und den Haushalt zu sanieren. Das ist der weniger angenehme Teil.

Diese Hauruck-Politik ist sehr risikoreich und findet folgerichtig in der Opposition und auch bei den betroffenen Unternehmen wenig Rückhalt. Denn die Gefahr ist sehr groß, dass dieses Investitionsprogramm, dessen Volumen der SSW ausdrücklich unterstützt, nur ein kurzes positives Strohfeuer auf dem Binnenmarkt verursachen wird. Dieser Effekt

wird 2007 durch die massive Erhöhung der Mehrwertsteuer wieder zunichte gemacht. Auch die Wirtschaftsverbände fürchten eine negative Wirkung der Mehrwertsteuererhöhung auf die Binnenkonjunktur. So haben sich sowohl die Forschungsinstitute als auch die Wirtschaftsweisen des Sachverständigenrates gegen die Erhöhung auf einen Schlag ausgesprochen und fordern zumindest eine gestaffelte Anhebung der Mehrwertsteuer über mehrere Jahre.

Noch schlimmer wäre es, wenn die Forderung von unserem Finanzminister Wiegard erfüllt würde, der die Mehrwertsteuer auch auf Lebensmittel erhöhen will. Das wäre nun wirklich fatal für die Menschen im Lande und auch für unsere heimische Lebensmittelindustrie. Diesen Vorschlag kann der SSW beim besten Willen nicht unterstützen. Allenfalls kann es hier um eine schrittweise Anhebung gehen, bei der zuerst offensichtliche Sinnlosigkeiten wie der niedrigere Satz auf Blumen oder Tierfutter abgeschafft wird. Es kann aber nicht sein, dass ein schleswig-holsteinischer Finanzminister Vorschläge macht, die gerade unsere eigene Lebensmittelindustrie, die hier im Lande sehr stark ist, schädigt.

Wir bleiben bei unserer Haltung, dass eine Erhöhung des normalen Mehrwertsteuersatzes nur Sinn macht, wenn die Einnahmen zu 100 % zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden. Nur das entlastet die Wirtschaft, gerade die lohnintensiven Betriebe, wirklich und schafft neue und sichert bestehende Arbeitsplätze. Deshalb hegen wir generelle Bedenken gegen die langfristige Finanz- und Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung.

Allerdings gibt es aus kurzfristiger Sicht durchaus positive Elemente dieses 25-Milliarden-€-Investitionsprogramms, wobei trotz des Berichts der Landesregierung noch immer in vielen Bereichen unklar ist, inwieweit sich diese Investition auf Schleswig-Holstein konkret auswirken wird.

Dennoch begrüßt der SSW, dass die Bundesregierung die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen um 800 Millionen € erhöhen will, um 2010 endlich die Forschungsausgaben auf 3 % des Bruttoinlandsproduktes zu bringen. Gerade im Forschungs- und Entwicklungsbereich haben wir einen großen Nachholbedarf. Hier liegt auch unsere Chance, um im Globalisierungswettbewerb zu bestehen. Da Schleswig-Holstein in diesem Bereich einiges zu bieten hat, dürften auch unsere Unternehmen von der Erhöhung der Forschungsausgaben profitieren.

Auch die steuerliche Entlastung der mittelständischen Wirtschaft in einer Übergangszeit bis zu ei

(Klaus Müller)

ner generellen Unternehmensteuerreform 2008 kann der SSW unterstützen. Da über 90 % der Firmen in Schleswig-Holstein zum Mittelstand zu rechnen sind, werden auch viele schleswig-holsteinische Unternehmen finanziell entlastet. Deshalb trägt dieses Vorhaben zu einer Verbesserung der Wettbewerbssituation der Mittlerständler und hoffentlich auch der Arbeitsplatzsituation in Schleswig-Holstein bei.

Gleiches gilt für die Erhöhung der Verkehrsinvestitionen, wo die Bundesregierung bis 2009 zusätzlich 4,3 Milliarden € zur Verfügung stellen will. Hier wird es entscheidend auf den politischen Einfluss unserer Landesregierung ankommen, wie viele Millionen davon in Schleswig-Holstein ankommen. Verkehrsprojekte und konkreten Nachholbedarf bei Straßen- und Schienenverkehr gibt es genug. Auch hier gilt, wir wissen noch nicht, inwiefern Schleswig-Holstein von diesen Verkehrsinvestitionen profitieren wird, und hoffen natürlich das Beste für unser Land.

Von den übrigen Elementen des Investitionsprogramms erwarten wir nicht die großen Auswirkungen. Sowohl beim geplanten Elterngeld als auch bei der steuerlichen Absetzbarkeit von bestimmten Dienstleistungen werden sich aus unserer Sicht die Auswirkungen auf die Konjunktur in SchleswigHolstein in Grenzen halten, wobei auch da eines zu sagen ist: Elterngeld, Kinderbetreuung und ähnliche Geschichten sind eigentlich kein Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln, sondern es sind Mittel, um möglicherweise die Vereinbarkeit von Berufsleben und Kinderbetreuung zu verbessern. Da stellt sich dann wirklich die Frage, ob man eine steuerliche Maßnahme macht oder ob man, wie die Vorredner das schon gesagt haben, sieht, dass man Kindergartenbeiträge senken kann, um dann vielen Familien sowohl die Teilnahme am Arbeitsmarkt zu ermöglichen wie auch eine adäquate Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. Das werden wir - nur am Rande gesagt - gleich noch in der Debatte zur Familienverträglichkeit vertiefen.

Mein Fazit zu den Auswirkungen des Investitionsprogramms auf Schleswig-Holstein ist also: Der große Wurf ist es noch nicht. Wir haben in kleinen Bereichen einige Hoffnungen, aber die große Linie, insbesondere was die Mehrwertsteuererhöhung angeht, ist eigentlich eine verkehrte Linie.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/507 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar den mündlichen Bericht der Landesregierung zur abschließenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:08 bis 15:02 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder und rufe die Tagesordnungspunkte 5 und 18 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Zukunft des Verkehrslandeplatzes Holtenau?

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/390

b) Anbindung von Kiel an den Flughafen Hamburg sicherstellen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/509 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall.

Mit dem Antrag Drucksache 16/390 wird ein Bericht zur 8. Tagung erbeten. Ich lasse zunächst über den Berichtsantrag abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich darf den Bericht für die Landesregierung vom Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, erbitten. Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unser Leucht- turm!)

Sehr zutreffend! - Die Landesregierung geht zielstrebig vor. Das heißt, sie veranlasst, wenn Entscheidungen zu treffen sind, vorher gründliche Untersuchungen. Wir haben deshalb als Koalition be

(Lars Harms)

schlossen, ein Konzept für die norddeutschen Fluganbindungen erstellen zu lassen. Dieses Konzept ist erarbeitet und im Kabinett vorgestellt worden. Wir haben daraus die Konsequenzen gezogen.

Die erste Konsequenz betrifft den Flughafen Hamburg. Es ist unbestritten, dass dies ein internationaler Verkehrsflughafen für ganz Norddeutschland ist mit den entsprechenden Verbindungen, insbesondere mit einem Zuwachs an Direktverbindungen, die inzwischen da sind. In dem Konzept wird die Aussage getroffen, dass nach weiteren möglichen Entwicklungen in den nächsten zehn Jahren der Flughafen seine Kapazitätsgrenze erreichen dürfte, die jedoch nicht im Bereich des Start- und Landebahnsystems, sondern im Bereich der Terminals liegt, die erweiterungsfähig sind. Es muss dann über die Option eines Großflughafens Kaltenkirchen entschieden werden, die aufrechterhalten werden soll.

Zweiter Punkt, Flughafen Kiel. Hier sind drei Optionen benannt worden. Das Kabinett hat sich, wie inzwischen bekannt geworden ist, auf eine Entscheidung verständigt, die bedeutet, dass wir einen weiteren Ausbau des Flughafens nicht veranlassen und nicht unterstützen wollen und zusammen mit der Landeshauptstadt zu dem Ergebnis kommen, den Regionalflughafen Kiel-Holtenau nicht auszubauen. Das bedeutet jedoch nicht, dass weitere Verbindungen von und zu diesem Flugplatz verhindert werden; vielmehr ist unser Ziel innerhalb der nächsten Tage die noch warmgeflogene Strecke zu sichern, zumindest einen regelmäßigen täglichen Flugverkehr nach Frankfurt aufrechtzuerhalten,

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

nach Möglichkeit einen weiteren nach München,

(Beifall des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

vielleicht auch in die Metropole Berlin; eine kleine Linie - das ist inzwischen bekannt - nach Tempelhof fliegt ab Mai. Das heißt, auf diesem Flugplatz wird demnächst wieder mehr Betrieb sein.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Ich bin jedem dankbar, der der Tatsache, dass es dort einen Flughafen gibt, der benutzt werden kann, nicht nur praktisch Rechnung trägt, sondern auch darüber spricht. Manch einer außerhalb der Landeshauptstadt Kiel hat den Eindruck, es gäbe Holtenau als Flugplatz gar nicht mehr.

Dritter Punkt, Flughafen Lübeck. Wir sind davon überzeugt, dass die Luftverkehrsnachfrage dazu

führen kann, dass insbesondere im Low-cost-Bereich dieser Flughafen eine erhebliche Entwicklung nehmen kann, die auch Bedeutung für die Arbeitsplätze hat, dass wir dort erhebliche Fluggastzahlen haben. Das ist in Hamburg nicht ganz so gern gesehen, aber aus Sicht des Landes durchaus eine wichtige Entwicklungsmöglichkeit, die verfolgt werden sollte.

Die genaue Zeitplanung sieht nach meiner Vorstellung wie folgt aus: Der Betreiber, der Investor, die Firma Infratil, die den Flughafen gekauft hat, legt bis Ende diesen Jahres Pläne vor, wie der weitere Ausbau gestaltet werden soll, sodass wir innerhalb eines Zeitraums von maximal einem Jahr, das heißt im Jahre 2007, im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens mit einem Planfeststellungsbeschluss darüber entschieden haben werden, und dass im Frühjahr 2008 mit dem Bau der Erweiterung in Lübeck-Blankensee begonnen werden kann. Ich denke, dass das, was sich dort entwickelt, eine gute Chance für Schleswig-Holstein ist.

Ich sage einige Sätze zum Flughafen Jagel. Es gibt in Bezug auf Jagel Überlegungen Privater zur Mitnutzung des militärischen Flugplatzes. Wir werden das wohlwollend begleiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber ich sage auch: Nach heutiger Perspektive wird es eine finanzielle Unterstützung durch uns nicht geben,