Bevor ich der Ministerin das Wort erteile, begrüße ich sehr herzlich auf der Tribüne eine neue Besuchergruppe. Das sind die DGB-Senioren der Stadt Kiel. - Seien Sie herzlich begrüßt!
Ich erteile nunmehr das Wort der Frau Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Schleswig-Holstein wachsen 530.000 Kinder und junge Menschen heran, in deren Händen die Zukunft unseres Landes liegt. Alles, was wir für diese Kinder und Jugendlichen tun, tun wir damit für Schleswig-Holstein und für dessen erfolgreiche weitere Entwicklung. Die meisten dieser Kinder wachsen gesund und gut behütet heran. Dem überwiegenden Teil geht es in ihren Familien gut und sie haben je nach Talent und Begabung gute Perspektiven für ihre Zukunft.
Aber wir können die Augen nicht davor verschließen, dass die Probleme von Kindern und Jugendlichen trotzdem zunehmen. Statistisch können wir das zum Beispiel an der Zunahme der absoluten Zahlen von psychosozialen oder gesundheitlichen Belastungen messen, aber auch an der Zahl der Kinder und Jugendlichen, die von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. Wir diagnostizieren heute mancherorts Befunde, die uns aufrütteln und zum Handeln zwingen. Das Thema der vernachlässigten Kinder hat uns gestern im Landtag intensiv beschäftigt. Mich lässt das Schicksal derjenigen Kinder und jungen Menschen nicht los, deren Zukunft schon verspielt ist, bevor sie überhaupt angefangen hat.
Wir haben deshalb einen Kinder- und Jugend-Aktionsplan entwickelt, der Schlüsselthemen des Aufwachsens von Kindern aufruft, der in Anlehnung
des nationalen Plans für ein kindgerechtes Deutschland eine starke Position der Kinder- und Jugendpolitik vorantreiben soll. Der Kinder- und Jugend-Aktionsplan setzt auf ein breites Bündnis zwischen all den Organisationen, Institutionen, Verbänden und Einrichtungen, die sich in unserem Land für Kinder, für junge Menschen und für Familien stark machen.
Für unsere Kinder und Jugendlichen müssen wir auch das klassische Ressort- und Abgrenzungsdenken überwinden. Die Zukunft geht uns alle an.
Der Kinder- und Jugend-Aktionsplan wird von sechs Aufgabenbereichen bestimmt, die alle für sich einen vielfältigen und großen Aktionsradius haben und die natürlich auch Übereinstimmungen haben. Das reicht von der Früherkennung gesundheitlicher und sozialer Risiken bis hin zur Bekämpfung von Benachteiligungen und sozialer Ausgrenzung, von Kinder- und Jugendkultur bis hin zu Beteiligungsrechten von Jugendlichen an den Entscheidungen in ihren Kommunen. All diese umfangreichen Handlungsfelder werden im Kinderund Jugend-Aktionsplan detailliert bearbeitet.
Wir haben - um deutlich zu machen, wie ernst es uns damit ist - für jedes dieser sechs Aufgabenfelder Leitprojekte entwickelt, die wir gemeinsam mit Partnern in Schleswig-Holstein durchführen. Dazu gehört zum Beispiel das Projekt „OptiKidsKinderleicht“, „OptiKids-Lebensleicht“, ein Projekt, das die Entwicklungs- und Integrationsprobleme verhaltensauffälliger Kinder reduzieren soll. Eines unserer wichtigen Anliegen, nämlich die frühestmögliche Bekämpfung von Vernachlässigung oder Gewalt, haben wir gestern diskutiert. Das ist das Programm „Schutzengel für Schleswig-Holstein“. Andere Leitprojekte können Sie dem Bericht entnehmen: Die Service-Agentur „Ganztägig Lernen“, das Projekt „mitWirkung Schleswig-Holstein“, „Augen auf im Geldverkehr“ und vieles andere mehr.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zahlreiche Aktivitäten einzelner Partner im Land ergänzen diese Leitprojekte und das ist auch das Projektprinzip des Kinder- und Jugend-Aktionsplans. Er ist ein dynamisches Geschehen und er wird durch einen Schneeballeffekt im Land deutlich machen, wie stark die Kinder- und Jugendpolitik in diesem Land ist.
Ich freue mich, schon jetzt sagen zu können, dass sich viele Einrichtungen, Initiativen, Organisationen, Vereine und Verbände mit Projekten in den
unterschiedlichsten Handlungsfeldern engagieren. Das macht mich sehr zuversichtlich. Denn mit dem Kinder- und Jugend-Aktionsplan haben wir - das wollen wir noch verstärken - einen Prozess in Gang gesetzt, der deutlich signalisiert: Die Kinder- und Jugendpolitik in Schleswig-Holstein ist gut aufgestellt. Wir werden gegebenenfalls gemeinsam Flagge zeigen, wenn es Not tut. Dies haben wir am Beispiel der verpflichtenden Beteiligung junger Menschen an den sie berührenden Angelegenheiten in der Kommune gerade erfolgreich getan.
Ich will alle Kräfte darauf verwenden, die Lebenschancen unserer Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Ich bin erfreut darüber, wahrnehmen zu können, dass die Fraktionen dieses Hauses unseren Plan unterstützen. Es würde mich auch freuen, wenn aus Ihren Reihen viele Anregungen, Ideen, auch kritische Anmerkungen beigesteuert würden, damit dieser Kinderund Jugend-Aktionsplan Schleswig-Holstein vorangetrieben werden kann.
Ich rechne mit Ihrer Unterstützung für den Kinderund Jugend-Aktionsplan. Es geht um nicht weniger als um die Zukunft unserer Kinder. Dies braucht ein starkes Signal, eine starke Kinder- und Jugendpolitik in diesem Land. Ich jedenfalls stehe dafür.
Ich danke der Ministerin. - Das Wort für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Erstes ein Dankeschön an alle, die diesen ausführlichen und übersichtlichen Bericht erarbeitet haben.
Das ist ein guter Ausgleich für die nicht ganz geglückte Eröffnungsveranstaltung zum Aktionsplan wir erinnern uns, Frau Ministerin -, denn auf der ersten Veranstaltung gab es zwar ein erstes Raster, aber mit Leben gefüllt war der Aktionsplan noch nicht. Jetzt liegt uns ein dickes Bündel vor und wir stellen fest, dass in diesem Land sehr viel geplant wird, um den nationalen Aktionsplan Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein mit Leben zu erfüllen.
Mir ist dieser Plan - das sage ich noch einmal ganz deutlich, ich habe es gestern schon gesagt - ausführ
lich genug. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass CDU und SPD gestern gefordert haben, in der 13. Tagung drei Punkte noch einmal zu konkretisieren. Sei es drum. Ich finde den Bericht sehr gut, er ist übersichtlich.
Ich glaube, dass die sechs gewählten Säulen von der frühen Hilfe bis zur Beteiligungskultur die richtigen Schwerpunkte bilden. Schleswig-Holstein ist gut vorbereitet. Bereits in den letzten Jahren wurden viele jugend- und familienpolitischen Initiativen auf den Weg gebracht.
Wenn die Landesregierung nun tatsächlich alles umsetzt, was sie sich mit dem Aktionsplan vorgenommen hat, wenn vor Ort alle Beteiligten mitmachen und wenn es uns weiterhin gelingt, haupt- und ehrenamtliches Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit auf Dauer zu gewinnen, dann haben wir allerhand erreicht.
Aber gerade in der Kinder- und Jugendpolitik taucht immer wieder ein Problem auf. Das ist die schwierige Finanzsituation der Kommunen. Auch hier müssen wir gemeinsam mit den Kommunen in den Dialog treten und schauen, was machbar ist und was nicht und was vielleicht anders oder alternativ gemacht werden kann.
Wir haben gestern bereits darüber diskutiert, dass Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder teilweise überfordert sind und dass wir deshalb sehr früh und professionell Hilfestellung zur Verfügung stellen müssen. Diese Hilfestellung kostet meist relativ viel Geld.
Ich nenne ein paar Beispiele, die deutlich machen, wie viel noch zu tun ist. Da berichtet mir eine Erzieherin aus dem Kreis Schleswig-Flensburg, dass sie an die Behörde herantritt mit der Bitte, ein Kind aus einer Kindertagesstätte integrativ zu fördern. Das zuständige Amt sagt ihr: Es tut uns Leid, das Kind hat nur zwei Defizite und nicht drei; leider keine Integrationsmaßnahme. Frühförderung heißt, dass wir auch kleine Defizite möglichst frühzeitig beheben, denn sonst werden diese Defizite so groß, dass sie kaum noch handhabbar sind.
Ein anderes Beispiel aus dem Kreis Segeberg: Da ist das Kind einer Alkoholikerin in einer Integrationsmaßnahme, es entwickelt sich ausgesprochen gut. Dann kommt die neue Hilfeplanerin des Kreises und sagt: Es ist doch super, das Kind ist aufgrund der Integrationsmaßnahme gut davor und kann aus der Integrationsmaßnahme wieder heraus. - Das Kind fällt natürlich in die alten Verhaltensweisen zurück.
Auch das ist ein Beispiel dafür, wie viel wir vor Ort an Fördermaßnahmen, an Integrationsbedarf haben und wie sehr Land und Kommunen darauf achten müssen, dass der Hilfebedarf tatsächlich präventiv und frühzeitig erkannt wird. Es gilt noch immer der Spruch aus der Sozialarbeit, den es schon viele Jahrzehnte gibt: Prävention statt Reparatur.
Die Landesregierung will mit dem Aktionsplan auch die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in Kommunen, Schulen und Kindertagesstätten stärken. Das ist einer der sechs Eckpfeiler. Meine Fraktion steht zu diesem Ziel. Uns ist es sehr wichtig, dass Kinder und Jugendliche vor Ort Mitbestimmungsmöglichkeiten haben und dass dies in der Gemeindeordnung verbindlich verankert ist.
Nun gab es ja ein bisschen Verwirrung: Unser Entbürokratisierungs-Staatssekretär hat das erst einmal auf seine mögliche Streichliste gesetzt. Daraufhin haben sich die Moderatoren gemeldet, die die Mitbestimmung durchführen. Daraufhin hat sich auch das Jugendparlament in Elmshorn gemeldet. Uns ist es wichtig, dass sich der Landtag - auch wenn es gesetzlich verankert ist - noch einmal zu dieser Mitbestimmung bekennt und der Landesregierung sehr klar signalisiert, dass Entbürokratisierung hier an der falschen Stelle durchgeführt werden soll.
Ich fände es sehr schön, wenn Sie unserem Antrag zustimmten. Es ist ein Antrag, der die Landesregierung lobt. Es ist ein Antrag, der bestätigt, was die Ministerin gesagt hat. Daher verstehe ich die Zögerlichkeit nicht so recht. Nur weil wir die Landesregierung loben wollen, dürfte es Ihnen doch nicht schwer fallen, diesem Lob zuzustimmen.
(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Heiner Garg [FDP])
Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Niclas Herbst.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich dürfen Sie die Landesregierung so lange loben, wie Sie wollen. Das können Sie den ganzen Tag machen. Wir haben überhaupt nichts dagegen.
Zu dem Thema sollten wir ernsthaft noch etwas sagen. Ich freue mich, dass wir dieses Thema in dieser Tagung besprechen und dass es nicht hinten von der Tagesordnung runtergefallen ist. Denn es ist ein wichtiges Thema. Ich hätte der Ministerin gern etwas von meiner Redezeit abgegeben, damit sie den Plan noch etwas ausführlicher hätte darstellen können.
Ich kann mich kurz fassen und auch für meine Fraktion die volle Unterstützung zu diesem Kinderund Jugendaktionsplan signalisieren.
Nicht nur der Nationale Aktionsplan für Kinder und Jugend, sondern auch der Europäische Pakt für die Jugend sollte an dieser Stelle Erwähnung finden; die europäische Dimension sollten wir nicht vergessen und deshalb habe ich ihn der Vollständigkeit halber hier erwähnt.
Wie wichtig das Begreifen von Kinder- und Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe ist, haben wir hier schon zweimal gehört. Ich unterstütze dies und finde, dass der Kinder- und Jugendaktionsplan ein solides Dach und tragfähige Strukturen bietet. Ich finde auch das Bild von den Säulen sehr gut. Von daher füge ich hinzu: Wenn wir das als offenen Prozess begreifen, dürfen wir nicht glauben, dass wir mit diesen sechs Haupthandlungsfeldern am Ende sind. Vielmehr wollen wir an ihnen anknüpfen.
Ganz wichtig ist die Einbindung des Ehrenamtes. Uns muss völlig klar sein, dass in der Jugendpolitik in Schleswig-Holstein ohne das Ehrenamt gar nichts läuft. Gerade das positive Feedback und die positiven Rückmeldungen, die wir aus den Verbänden bekommen, zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Insofern sollten wir es nicht als Plan, sondern als Rahmen begreifen und die Problemfelder angehen.