Protokoll der Sitzung vom 27.01.2006

(Lars Harms)

Denn natürlich sind unterschiedliche Voraussetzungen und Chancen angemessen zu berücksichtigen. In der Sache, liebe Anke Spoorendonk, verfolgen wir also durchaus dieselben Ziele. Manches, was Sie uns als klammheimliche Hintergedanken unterstellen, gibt es zumindest im meinem Kopf nicht. Jeg siger hvad jeg tenker. Das gilt in jeder Hinsicht und ist übrigens ein kluger Ratschlag für die Politik in allen Bereichen, Anke Spoorendonk.

Wir müssen realistischerweise anerkennen und in der konkreten Politikausrichtung berücksichtigen, dass die Hauptentwicklungsimpulse für unser Land aus der Kooperation mit Hamburg und mit der Metropolregion Hamburg resultieren. Für die Landesregierung habe ich daher Anfang Dezember auf einer gemeinsamen Kabinettsausschusssitzung mit Niedersachsen und Hamburg ein Verwaltungsabkommen über die Neustruktur der Metropolregion Hamburg unterzeichnet.

Ich muss wirklich sagen: So, wie Sie das eben beschrieben haben, Herr Hentschel, wie das angeblich funktionieren soll - das könnte eigentlich nur sein, wenn zwischenzeitlich der Landtag hier aufgelöst wäre und diese Landesregierung nicht mehr da wäre. Davon habe ich nichts mitbekommen. Dazu sollten wir übrigens auch nicht beitragen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir sollten anerkennen, was da ist, und das nutzen, statt wie ein schleswig-holsteinisches Kaninchen auf die Metropolregion Schlange zu starren. Denn die Entwicklungsimpulse dieser Region - das ist entscheidend - bleiben eben gerade nicht auf die Hamburger Randkreise beschränkt. Die positiven Ausstrahlungen nach Norden und die Verbindungen mit dem, was sich zum Beispiel in der Grenzregion entwickelt, wollen, müssen und werden wir weiter verstärken. Wachstumsprozesse und Spill-over-Effekte über Bad Oldesloe, Pinneberg, Itzehoe und Heide hinaus zum Beispiel mit den vier Oberzentren des Landes werden vernetzt. Dazu hat die Landesregierung ein Wachstumsmodell Schleswig-Holstein unter Benennung von drei Entwicklungsachsen entlang der nach Norden führenden Autobahnen benannt. Dies stellt keine - wie Sie formulieren - schlichte Erweiterung des Metropolregionskonzepts dar.

Übrigens macht die permanente definitorische Ausdehnung der Metropolregion wider alle geographischen Realitäten keinen Sinn. Nein, es bedeutet vielmehr die von allen Regionen und Städten im Land gewollte Einbeziehung in die Dynamik dieser großen europäischen Metropolregion. Es ist doch völlig klar, dass das mit der Werbung so ist, Herr

Kollege Hentschel. Das kann man auch nicht ändern. Es geht um die Frage, wie wir zusammenarbeiten.

Die von uns verfolgten Verkehrsprojekte wie die Fortführung der A 20, der Ausbau der A 21 und der B 5, die Elektrifizierung der Strecke Hamburg-Lübeck werden diese Spill-over-Effekte erleichtern. Auch um dies zu erreichen, sind die Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit Hamburg klar definiert. Es ist eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe, mit gleichberechtigten Partnern und es gilt: Die Zusammenarbeit muss beiden Partnern Vorteile bringen. Nicht alles, was gut für Hamburg ist, ist automatisch gut für Schleswig-Holstein. Ich wiederhole: Eine selbstbewusste Positionierung Schleswig-Holsteins heißt, sich wechselseitig ergänzen zu wollen, sodass gilt: Was gut für Schleswig-Holstein ist, ist auch gut für Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Eindeutig positiv entwickelt sich zum Beispiel Dataport, das aus der Datenzentrale Schleswig-Holstein und dem Landsamt für Informationstechnik Hamburg hervorgegangen ist und inzwischen teilweise auch Mecklenburg-Vorpommern im Boot hat. Auch das gemeinsame Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, die Eichdirektion Nord und das Hanse-Office in Brüssel sind bundesweite Vorzeigeobjekte. Weitere 20 Kooperationen, Maßnahmen werden gegenwärtig geprüft.

Damit wir diese Impulse aus der Metropolregion aufnehmen und in die anderen Landesteile weiterlenken können, brauchen wir aber etwas Entscheidendes. Nur wenn wir selbstbewusste politische und auch wirtschaftliche, aktivere Regionen mit starken und attraktiven Städten im Zentrum haben werden, werden unsere Regionen in SchleswigHolstein als interessante Partner von der Wirtschaftsdynamik der Metropolregion partizipieren können.

Ich sage Folgendes wirklich ohne jeden Unterton: Es ist schön, wenn Bürgermeister und Oberbürgermeisterinnen mit Herrn von Beust verreisen; aber es ersetzt nicht eigene Konzepte.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt darauf an, dass sich unsere Regionen gut aufstellen, ihr eigenes Profil schärfen, ihre Stärken identifizieren, gezielt ausbauen und ihre Schwächen möglichst abbauen. Hierzu haben wir für die K.E.R.N.-Region, für die Region Lübeck, für den Landesteil Schleswig, die Landeshauptstadt Kiel und für die Stadt Flensburg Vorschläge zur Stärkung der regionalen Strukturen im Sinn einer ei

(Minister Dr. Ralf Stegner)

genständigen Positionierung als wichtige Teilräume des Landes benannt.

Die Bildung von Verwaltungsregionen, wie sie die Landesregierung plant, sowie die Abgabe von Aufgaben an dieser Regionen, an die Kreise und an die Gemeinden, wie sie von der Landesregierung in die Wege geleitet wird - auch da sieht das ganz anders aus, als Sie es eben beschrieben haben, Herr Hentschel -, stärken die Handlungs- und Gestaltungsspielräume in den und für die Regionen in Schleswig-Holstein.

Ich weiß nicht, ob der Kollege Kalinka im Raum ist; an seine Adresse möchte ich gern Folgendes sagen: Wenn wir beispielsweise die Regionalplanung kommunalisieren, dann ist K.E.R.N. eben mehr als ein Verein, und dann kann vor Ort ganz konkret über die Entwicklung der Region entschieden und für die Region etwas bewirkt werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Standortpolitik der Landesregierung fußt auf mehreren Beinen. Insofern läuft der Antrag des SSW an der Stelle ins Leere. Deutlich wird dies übrigens auch dadurch, wenn man bedenkt, dass Dänemark auf Platz vier der wichtigsten Exportländer Schleswig-Holsteins liegt. Beim Import liegt Dänemark sogar unangefochten auf Platz eins, wobei das Volumen ständig wächst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so wichtig es ist festzustellen, dass wir uns in der Grundausrichtung einig sind, so wichtig ist es, unsere Vorschläge mit allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren im Land gemeinsam umzusetzen. In diesem Sinne möchte ich auf Ihre konkreten Anregungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark und zur Neukonzeption der Regionalförderung eingehen.

Was die Zusammenarbeit mit Dänemark angeht, ist das ein zentrales Thema unserer Politik. Im September 2005 hat der Landtag den Bericht zur Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion debattiert. Dabei ist deutlich geworden, dass trotz 20 Jahren intensiver Struktur- und Regionalpolitik die Entwicklung im Landesteil Schleswig weniger dynamisch ist als in anderen Landesteilen. Der Landesteil Schleswig braucht mehr Wirtschaftswachstum und weniger Arbeitslosigkeit. Insofern müssen die Chancen der boomenden dänischen Arbeitsmärkte genutzt werden. Die Landesregierung wird künftig in dieser Grenzregion einen noch aktiveren Part übernehmen, ohne damit die Verantwortung und Zuständigkeit der Akteure in der Region beschneiden zu wollen. Deshalb zum Beispiel veranstaltet das Wirtschaftsministerium

mit der IHK Flensburg im Februar einen deutschdänischen Cluster-Workshop.

Wir werden aber auch weiter intensiv für die Belange der Grenzregion in Berlin, Brüssel und Kopenhagen werben. Der Ministerpräsident und der Herr Europaminister haben dies gerade nachdrücklich mit ihrer Reise nach Kopenhagen bekräftigt.

Ich möchte auch kurz etwas zur Neukonzeption der Regionalförderung sagen. Ich rede hier ja auch für den Kollegen Austermann mit. Ab 2007 lässt die EU landesweit Strukturfondsförderung zu. Das Land Schleswig-Holstein wird diese Möglichkeit nutzen, um möglichst viele qualitativ gute Projekte mit Arbeitsplatzeffekten fördern zu können, wobei die Unterstreichung auf „qualitativ gut“ und nicht auf „viel“ liegt.

(Beifall bei der SPD)

Die angemessene Beteiligung aller Landesteile an den Fördermitteln werden wir durch bestimmte Vorgaben sicherstellen. Übrigens hat es auch zusätzliche Mittel beispielsweise für die Phänomenta gegeben. Es ist also falsch, was vorhin gesagt worden ist.

Wir werden für den Hamburger Rand neue Fördermöglichkeiten auch für gemeinsame länderübergreifende Aktivitäten eröffnen.

Die deutsch-dänische grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die transnationale Zusammenarbeit im Ostsee- und Nordseeraum werden im Rahmen der neuen Ziel-3-Förderung „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ weitergeführt werden können.

Zusätzlich werden die Fördermittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ auch zukünftig nur in die strukturschwächsten Regionen des Landes fließen, sodass auch durch dieses Förderinstrument eine bevorzugte Berücksichtigung der wirtschaftlich schwächeren Landesteile erreicht wird.

Im Ergebnis wird die Landesregierung auch weiterhin alles Erforderliche tun, damit Schleswig-Holstein für den Wettstreit der Standorte gut gerüstet ist und möglichst alle Landesteile eine gleichwertige wirtschaftliche und soziale Entwicklung erfahren. Hierzu bedarf es keiner Überarbeitung des aktuellen Berichtes. Wichtiger ist vielmehr, dass die im Bericht genannten Projekte und Kooperationen möglichst schnell realisiert werden, dass die Verwaltungsstrukturreform und die Funktionalreform greifen, gerade auch mit Blick auf die Vorreiterrolle unserer Nachbarn im Norden. Dabei wollen wir gern Ihre Vorschläge und Ideen konstruktiv aufgreifen. Ich sage es noch einmal: Wir als Landesre

(Minister Dr. Ralf Stegner)

gierung, wir als Landesparlament sind gefragt. Die Verantwortung liegt bei uns. Sie liegt nicht beim Landrat von Pinneberg, sie liegt nicht beim Chef der Unternehmerverbände und sie liegt auch glücklicherweise nicht allein bei Karl-Martin Hentschel. Sie liegt beim gesamten Landesparlament und bei der gesamten Landesregierung. Wir müssen uns dieser Aufgabe offensiv stellen.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie wissen, bin ich kein Anhänger des Nordstaates. Bei allem Respekt glaube ich auch nicht, dass der jetzige Ministerpräsident der letzte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein sein wird. Aber so falsch es auch wäre, sich allein auf die Metropolregion und die Zusammenarbeit mit Hamburg zu konzentrieren, so leichtfertig wäre es, die Chancen, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, die im Übrigen in Deutschland Vorbildcharakter hat, nicht beherzt zu nutzen. Das nützt Schleswig-Holstein, das nützt seinen Bürgerinnen und Bürgern in allen Regionen dieses schönen Landes.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Minister. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage, wie Norddeutschland zusammenwachsen kann, welche Institutionen, welche Verwaltungsebenen zusammengelegt werden können und in welcher Form sich das Parlament einschalten muss, ist eine Frage, die sich weiterentwickelt und die wir bisher nicht ausdiskutiert haben; ich sage das sehr deutlich. Ich habe hier vor etwa sechs Jahren gemeinsam mit Lothar Hay gestanden und habe für einen Antrag „Zusammenarbeit Hamburg-Schleswig-Holstein - Norddeutsche Kooperation“ geworben. Wir hatten nicht nur vorher Diskussionsbedarf innerhalb unserer Fraktionen, sondern es gab auch die Situation bei CDU und FDP, dass sie nicht zugestimmt haben, weil sie diese Form der Kooperation von Verwaltungen und Institutionen nicht wollten.

Die Situation hat sich jetzt geändert. In den letzten Jahren sind von der alten Landesregierung und von der neuen Landesregierung erhebliche Fortschritte gemacht worden. Viele Verwaltungsebenen und Institutionen arbeiten zusammen. Die Hochschulen

wollen zusammenarbeiten. Es geht um Teile der Ausbildung. Es geht um die Frage, ob es gemeinsame Gerichte gibt.

Ich sage Ihnen: Wenn eine Veränderung in dieser Dynamik zwischen zwei Ländern in einer norddeutschen Region passiert, dann muss sich ein Parlament zeitnah fragen, wo es bleibt, welche Aufgabe es in diesem Gebilde haben soll. Mir ist wichtig, dass es nicht so weit kommt, dass wir nachher 100 Verwaltungsabkommen haben, die Verwaltungen arbeiten super zusammen, die Regierungen treffen sich und uns als Parlament wird gesagt: Ihr könnt gar nichts mehr machen, das liegt nicht mehr in eurer Entscheidungskompetenz. Sie sehen das bei allen Verwaltungsabkommen, die wir haben, auch bei diesen schönen Bund-Länder-Abkommen. Darin steht dann jedes Jahr eine Steigerungsrate von 1,5 % und das Parlament ist schlicht machtlos.

Deshalb werbe ich an dieser Stelle dafür, sich dem Gedanken eines norddeutschen Bundeslandes zu öffnen und sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen, wie wir als Parlament weiter Einfluss auf das haben, was in den Verwaltungen innerhalb von oder zwischen Bundesländern gemeinsam passiert.

Ein letzter Satz: Ich bin sehr froh, dass der Ministerpräsident die Diskussion für einen Nordstaat geöffnet hat. Der Ministerpräsident sagt, in zehn bis 15 Jahren sei das darstellbar. Das ist ein Schritt nach vorn. Wir sollten nicht sagen, es geht alles gar nicht, sondern wir sollten uns mit dieser Herausforderung auseinander setzen und entscheiden, wie wir es schaffen, dass das Parlament auch auf das Einfluss hat, was unsere Verwaltungsebenen und unsere Regierung macht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe daher die Beratung.

Es ist Sachabstimmung gewünscht. Habe ich das richtig mitbekommen? - Wir haben zwei Sachanträge und könnten, wenn alle einverstanden sind, alternativ abstimmen. Wird dem widersprochen? - Das ist nicht der Fall. Sie können nur mit Ja stimmen!

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag der Abgeordneten des SSW in Drucksache 16/433. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wir stimmen dann über den Antrag der Fraktionen von CDU und SPD in Drucksache 16/ 508 ab. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Der Antrag in Drucksache

(Minister Dr. Ralf Stegner)

16/508 ist mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden. Damit beende ich die Beratung.