Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Die Deutsche Bahn AG entwickelt sich immer weiter zu einem Logistikunternehmen. Auf Straße, Schiene und Wasserweg ist die DB AG aufgestellt, entweder selbst oder durch Tochterunternehmen.

Der kürzlich erst gescheiterte Versuch der Bahn, die Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG zu übernehmen, ist das letzte Beispiel dafür, dass sich die Bahn immer weiter zu einem großen Logistikunternehmen entwickeln will. Deshalb wird auch die Frage zu beantworten sein, ob eines der größten Logistikunternehmen das Schienennetz betreiben soll oder ob es nicht besser ist, das Netz in der Hand des Bundes zu belassen.

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wichtige Frage!)

Meine Damen und Herren, jetzt ist die Frage, ob es sinnvoll ist, den einen oder anderen Weg zu gehen. Für den Erhalt der DB AG als Gesamtunternehmen sprechen Synergieeffekte, die sich ergeben, wenn Netz und Betrieb in einer Hand bleiben. Voraussichtlich würde der Erlös bei einem integrierten Börsengang höher sein, als wenn das Netz nicht mit darin enthalten sein wird. Das haben wir eben schon gehört. Es ist immer schlecht, wenn man als Dritter redet.

In Schleswig-Holstein sind wir in Sachen Privatisierung von Bahnlinien anderen Bundesländern weit voraus. Deshalb stellt sich für uns im besonderen Maße die Frage, wie wir den erfolgreichen Weg der Privatisierung weiter gehen können, ohne dass es zu Einschränkungen bei der Infrastruktur kommt, die Frage also, ob unsere privaten Bahnunternehmen mit der Trennung von Schiene und Betrieb besser zurechtkommen werden als in der jetzigen integrierten Form. Dies gilt für den öffentlichen Schienenpersonenverkehr genauso wie für den Schienengüterverkehr. Wir haben ein großes Interesse daran, dass der Schienenpersonenverkehr auch weiterhin gesichert wird und eine hohe Kundenzufriedenheit gegeben ist. Aber auch der regionale Schienengüterverkehr darf nicht vernachlässigt werden. Gerade Streckenstilllegungen müssen verhindert werden.

(Hans-Jörn Arp)

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Bundesrepublik Deutschland liegt beim Güterverkehr auf der Schiene im europäischen Vergleich weit vorn und hat im letzten Vergleichszeitraum 2003/2004 noch einmal stark zugenommen, auch beim innerstaatlichen Verkehr. Das ist eine Stärke, die wir nicht riskieren wollen. Wir werden genau darauf achten, mit welchen der zur Wahl stehenden Optionen der Schienengüterverkehr die besten Entwicklungschancen hat.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Netzplanung, die sicherstellt, dass noch mehr Güter auf die Schiene verlagert werden können und dass auch regionale Interessen berücksichtigt werden. Die Diskriminierungsfreiheit für alle Anbieter muss sichergestellt sein. Das Booz-Allen-Hamilton-Gutachten gibt einen umfassenden Überblick über das Für und Wider der einzelnen Varianten. Deshalb sollte die Landesregierung die Fragen des Antragstellers noch einmal beantworten. Auf dieser Grundlage können wir dann im Ausschuss intensiv beraten und sicherlich gemeinsam eine gute Entscheidung treffen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb werden wir dem Antrag auf Ausschussüberweisung zustimmen. - Ich habe die Zeit von Herrn Arp wieder gutgemacht. Es sind noch 1 Minute und 35 Sekunden übrig.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter Schulze, dafür ist Ihnen das Präsidium ausgesprochen dankbar. - Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich tue nicht oft das, was Holger Astrup mir aufgibt, aber in dem Fall versuche ich, mich daran zu halten.

Da wir nach der Sommerpause offensichtlich im Wirtschaftsausschuss angeregt und fachlich intensiv darüber diskutieren werden, will ich einfach die Eingangs- oder Startpositionen meiner Fraktion ganz kurz umreißen.

Erstens. Wir Liberalen wollen den Börsengang der DB AG auf dem freien Kapitalmarkt. Wir wollen ihn, aber wir wollen ihn ohne das Schienennetz.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Zweitens. Die materielle Privatisierung der DB AG ist Teil der Bahnreform. Sie ist kein Selbstzweck, sondern sie ist ein Mittel, um zwei Ziele zu erreichen: erstens mehr Verkehr auf die Schiene zu locken und zweitens den Bundeshaushalt zu entlasten.

Dritte Position: Damit auch bundesweit mehr Wettbewerb auf die Schiene kommt, brauchen wir unserer Ansicht nach die materielle Privatisierung der DB AG. Wir brauchen sie aber ohne das Schienennetz.

Viertens. Es ist ganz klar, was bei der so genannten integrierten Lösung passieren würde. Das legale Ausnutzen ihres Monopols würde der DB AG ganz besonders gut gelingen, wenn sie den Zugang ihrer Konkurrenten zum Schienennetz beeinflussen oder sogar kontrollieren könnte. Deshalb müssen aus unserer Sicht Netz und Betrieb getrennt werden. Darüber, welche Möglichkeiten es im Einzelnen gibt, werden wir uns unterhalten.

Fazit: Die Verkehrssparten der DB AG sollten an Private versteigert werden, also das, was man beim Börsenerstgang zu tut, das Schienennetz aber ausdrücklich nicht. Das Schienennetz sollte von der öffentlichen Hand möglicherweise in privater Rechtsform an Schienenverkehrsanbieter vermietet werden. Nur so kann es aus unserer Sicht gelingen, wirklich bessere und schnellere Leistungen und mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. - Es verbleiben noch 3 Minuten und 20 Sekunden.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir danken auch dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg. - Das Wort für den SSW erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SSW hat die Bahnreform von Anfang an trotz erheblicher Kritik konstruktiv begleitet. Für uns war das Ziel der Reform, die vorhersehbaren nationalen und internationalen Verkehrszuwächse im Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, das ausschlaggebende Argument. Mit der

(Olaf Schulze)

Reform sollten aber auch die für uns nicht beeinflussbaren Vorgaben der Europäischen Union hin zu mehr Wettbewerb, Gleichstellung mit den anderen Verkehrsträgern und ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schienenverkehrsmarkt erfüllt werden.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der Herr Abgeordnete Lars Harms. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Darüber hinaus wurde aber auch das Ziel verfolgt, dass die Bahn sich nach wirtschaftlichen und unternehmerischen Prinzipien am Markt behaupten soll. Somit ist der Börsengang der Bahn eine logische Konsequenz der Reform, auch wenn wir diese Entscheidung immer noch kritisch sehen.

Nun wissen wir, dass es für den Börsengang der Bahn fünf Modelle gibt. Dies ist zumindest das Ergebnis des Gutachterkonsortiums. Die Organisationsmodelle reichen von der Beibehaltung des integrierten Konzerns über verschiedene Mischmodelle bis hin zur völligen Trennung von Infrastruktur und Betrieb. Untersucht wurden hierbei verkehrs-, haushalts- und finanzpolitische Konsequenzen der verschiedenen Modelle. Diese wurden dann ergebnisoffen in einer Tabelle gegenübergestellt. Grundsätzlich gilt für alle Modelle, dass sie börsentauglich sind.

Aus einem ergebnisoffenen Gutachten kann natürlich jeder das herauslesen, was ihm speziell gefällt. Bemerkenswert hierbei ist jedoch, dass jetzt nur zwei Optionen in der politischen Landschaft debattiert werden: das integrierte Modell und das getrennte Modell.

Aus Sicht von Herrn Mehdorn als Chef des Bahnkonzerns kann ich gut verstehen, dass er das integrierte Modell bevorzugt. Schließlich möchte er schnellstmöglich privatisieren und ein wirtschaftlich leistungsfähiges Unternehmen an der Börse präsentieren, das dann auch den größtmöglichen Gewinn garantiert. Diese Zielrichtung lässt sich nur durch das integrierte Modell erreichen. Nachvollziehen kann ich auch die Kritik der Gewerkschaft TRANSNET, die zum einen den Börsengang zwar generell in Frage stellt und hierbei lieber den Bund weiterhin in der Verantwortung sieht, die aber zum anderen mehrere Tausend Arbeitsplätze bedroht sieht, wenn es zu einer Aufspaltung von Netz und Betrieb kommt.

Demgegenüber haben wir aber auch das getrennte Modell, das sich in dem Gutachten als sehr vorteilhaft für weiteren Wettbewerb herausgestellt hat und somit im Interesse der Kunden liegt. Zu diesem Ergebnis ist auch eine Studie des Deutschen Industrieund Handelskammertages und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie gekommen, die von Unternehmensberatern und Banken erstellt wurde. Demnach ist der integrierte Börsengang kein geeignetes Mittel, um mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern und für mehr Wettbewerb zu sorgen. Dort wird empfohlen - von den Unternehmern -, das Netz aus dem Konzern herauszulösen und in eine eigene Gesellschaft in Staatsbesitz zu überführen. Erst dann sollten die Transporttöchter privatisiert werden. So das Gutachten der Wirtschaft.

Diese Forderung findet auch unsere Unterstützung. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat schon früher einstimmig gefordert, dass die Schieneninfrastruktur in öffentlicher Hand verbleiben muss und nach Möglichkeit in regionale Verantwortung übergehen muss. Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, daran sollten wir auch keinen Deut ändern. Nur durch die Abkopplung der Infrastruktur vom Mutterkonzern bekommen wir mehr Wettbewerb und ein breiteres Angebot auf der Schiene. Nur so können wir gewährleisten, dass alle zu den gleichen Bedingungen auf den Strecken fahren. Somit herrscht auf der Schiene Waffengleichheit.

Denn was würde passieren, wenn die Bahn samt Netz an die Börse geht und auf einmal wirklich den marktwirtschaftlichen Bedingungen ausgesetzt wird, ohne dass der Bund immer wieder Milliarden nachschießt und direkt Einfluss nimmt? - Dann ist natürlich jegliche Konkurrenz der Bahn ein Dorn im Auge. Wie die Konditionen für die Nutzung der Schienen dann ausgestaltet werden, kann sich jeder ausmalen. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, dass wir die Bahn in einem marktorientierten Wettbewerb sehen wollen, aber gleichzeitig geben wir ihr das Monopol für die Schiene mit in die Hand. Man muss dabei schon ehrlich bleiben.

Schleswig-Holstein als Flächenland kann daher nur ein Interesse haben. Das Erfolgsmodell der Regionalisierung, wie wir es bisher haben, muss fortgesetzt werden. Dies kann nur mit dem getrennten Modell geschehen. Die Kapitalmarktfähigkeit der Bahn ist das eine, aber für uns steht die Wettbewerbsfähigkeit und vor allem die Kundenorientierung an vorderster Stelle.

Wenn ich an das zurückdenke, was wir in den letzten vier, fünf Jahren hinsichtlich der Ausschreibungen gemacht haben, dann ist der Erfolg, den

(Lars Harms)

wir dort erzielt haben, gerade der Tatsache geschuldet, dass wir glücklicherweise in der Lage waren, einen ordentlichen Zugang zum Netz gewährleisten zu können. Dieses Netz dürfen wir uns als Staat nicht aus der Hand nehmen lassen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ich stelle fest, dass der Minister den Bericht zu Nummer 1 des Antrages Drucksache 16/ 560 gegeben hat. Damit ist dieser Berichtsantrag erledigt.

Ansonsten ist beantragt worden, die Nummer 2 des Antrages Drucksache 16/560 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen sowie den mündlichen Bericht der Landesregierung ebenfalls dem Wirtschafsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Das ist so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die 10. Tagung, wünsche Ihnen allen einen guten Abend und schließe die heutige Sitzung.

Schluss: 18:11 Uhr

(Lars Harms)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst