Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

sind uns alle einig!-, dass es auch so bleibt, die große Reform ist auf dem Weg.

Deshalb bitten wir im Rahmen einer Aktuellen Stunde um etwas Aufklärung seitens der Landesregierung. Was ist denn nun Ihre Position? Einmal ist es natürlich sehr interessant zu hören, was die Fraktionen dazu sagen, aber Schleswig-Holstein wird durch die Landesregierung im Bundesrat vertreten.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Große Er- kenntnis, Frau Kollegin!)

- Ja, ich weiß, wunderbar ist das; es bietet hervorragende Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, Herr Kollege Vorsitzender.

Insofern frage ich: Was tun Sie im Bundesrat, insbesondere zum Vorschlag zum Beamtenrecht? Das ist - so haben wir hier gemeinsam gesagt - eine Gefahr für unser Land. Was tun Sie im Hinblick auf die Bildungsgesetzgebung, auf das Hochschulrecht? Kommt die Kleinstaaterei auf uns zu? Der Bundeselternrat spricht von faulen Kompromissen zulasten der Bildung.

Was tun Sie bei dem Vorschlag, die Strafvollzugsgesetzgebungskompetenzen auf die Länder zu übertragen? Zwölf ehemalige Justizministerinnen und minister, quer durch alle Parteien, haben sich dagegen ausgesprochen. Wenn Sie sehen, was in Hamburg im Moment im Strafvollzug läuft, so ist dies ein lebendiges Beispiel dafür, dass Landeskompetenz auch gefährlich ist für gleichwertige Lebensverhältnisse im Strafvollzug.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Was tun Sie im Umweltrecht? Es geht um ein effektives, europataugliches und wirtschaftsfreundliches Umweltrecht. Wie ist die Position der Landesregierung? Treten Sie für ein aus meiner Sicht verwirrendes - um nicht zu sagen, „chaotisches“ Abweichungsrecht ein, klare Regelungen als Grundlage und dann möglicherweise ein Abweichungsrecht beim Naturschutz, bei der Landschaftspflege oder beim Wasserhaushalt und beim Jagdwesen? Aber das muss klar sein und wir wollen wissen, welche Position Sie dort vertreten.

Gleiches gilt für den Vorschlag, die Gesetzgebungskompetenz beim Heimrecht auf die Länder zu übertragen. Das ist ja ein ganz aktuelles und sehr ernstes Thema. Das Problem der Pflege im Alter kann jeden treffen, in der ganzen Bundesrepublik, gleich in welchem Bundesland er oder sie lebt. Das heißt, die grundgesetzliche Garantie für gleichwertige Standards bei der Heimpflege ist von großer Bedeutung und kann nicht im Rahmen eines verfas

sungspolitischen Pakets verschachert werden. 16 unterschiedliche Standards, etwa im Heimrecht, sind letztlich auch für die Menschen in SchleswigHolstein von uns nicht zu wünschen. Sie können eine Gefahr sein.

So fragen wir: Was ist Ihre Position dazu und insbesondere zu der vom Innenminister so formulierten solidarischen Finanzierung der bundesstaatlichen Aufgaben innerhalb des föderalen Systems? Wie sieht also der konstruktiv-kritische Kurs der Landesregierung aus, den Sie hier noch am 25. Januar verdeutlicht und gefordert haben?

Ich sagte es schon: Der Chef des Kanzleramts hat sehr deutlich gesagt, es gebe keine Debatte mehr. Die SPD im Bund erklärt, es gebe Details zu klären. Die SPD in Niedersachsen sagt, das Ganze sei ein Geldverteilungsverfahren zulasten der finanzschwachen Länder. Was sagt die SPD in Schleswig-Holstein? Wie verhält sich die Landesregierung im Bundesrat?

Deshalb also unsere Aktuelle Stunde. Wir wären froh, wenn wir am Ende der Aktuellen Stunde wüssten, welche Anträge Sie stellen, welche Meinung Sie vertreten und wenn nicht wie beim letzten Mal der Hinweis auf intensive Diskussionen das Ergebnis der Debatte wäre. Ich bin gespannt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich dem Fraktionsvorsitzenden der CDU das Wort erteile, darf ich auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Husum Danske Skole, CDU-Mitglieder des Ortsverbandes Neuendeich, Bürger und Ehrenamtsträger aus Husum und Umgebung, unsere frühere Kollegin Jutta Scheicht und die Vorsitzende des Landesbeamtenbundes, Frau Anke Schwitzer, begrüßen. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!

(Beifall)

Herr Abgeordneter Dr. Wadephul, Sie haben das Wort.

Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal die Grünen sehr herzlich in der aktuellen Debatte begrüßen. Über das Thema Föderalismusreform diskutieren wir schon lange. Ich weiß nicht, ob Sie es verfolgt haben. Wir haben hier vor einem Monat auf den Antrag des Kollegen Hay und meinen Antrag hin eine Landtagsdebatte geführt.

(Anne Lütkes)

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da haben Sie nur gesagt, Sie hätten keine Position!)

Da haben wir umfänglich über das Thema miteinander geredet. Da haben wir unsere Bedenken geäußert. Da haben wir Dinge begrüßt.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da haben wir unsere Meinung deutlich kundgetan und dann meinen die Grünen, dass wir zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde brauchen.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich muss schon sagen: Guten Morgen, liebe Grünen! Ich habe die Hoffnung, dass die Opposition irgendwann in Form kommt und Gelegenheit hat, die aktuellen Themen aufzuspüren, die uns unter den Nägeln brennen.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Frau Kollegin, wir teilen im Wesentlichen Ihre Bedenken, die Sie eben noch einmal zum Ausdruck gebracht haben. Es ist hinlänglich bekannt, dass es die Meinung der Koalitionsfraktionen ist, dass es auch die Meinung der Landesregierung ist - so jedenfalls ist es hier in der letzten Debatte sowohl vom Herrn Ministerpräsidenten als auch vom Herrn Innenminister gesagt worden -, dass wir bei der Kompetenzübertragung im Bereich der Beamtenbesoldung und Beamtenversorgung Bedenken haben. Auch beim Heimrecht haben wir Bedenken. Wir haben sogar einen Landtagsbeschluss gefasst. Einstimmig waren wir der Auffassung, dass die Übertragung der Kompetenz im Bereich des Strafvollzuges schlecht wäre, unangemessen ist, zu einer Zersplitterung führt.

Frau Kollegin Lütkes, Sie haben heute Morgen im Grunde nichts Neues gesagt. Sie sind Olympiasiegerin beim Einrennen von offenen politischen Türen in Schleswig-Holstein. Etwas anderes haben Sie hier heute Morgen nicht zuwege gebracht.

(Beifall bei CDU und SPD - Zuruf der Abge- ordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] - Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestatten Sie eine Zwi- schenfrage?)

- Nein. Ich bitte Sie, parlamentarische Gepflogenheiten insoweit einzubehalten, als dass Sie sich zum Mikrofon begeben und den Herrn Präsidenten entsprechend um Worterteilung ersuchen.

Wenn es um Verhandlungen geht, frage ich einmal das ehemalige Regierungsmitglied, die ehemalige stellvertretende Ministerpräsidentin Anne Lütkes: Meinen Sie eigentlich, wir erreichen als SchleswigHolstein irgendetwas, wenn die Landesregierung heute sagen würde: „Wir machen es in jedem Fall mit, haben aber noch Änderungswünsche“, oder wenn sie sagte: „Wir stimmen in keinem Fall zu, haben aber trotzdem noch Änderungswünsche“? So erreicht man doch in Berlin gar nichts. Sie müssen einmal die Grundtechniken des politischen Verhandelns erlernen. Wenn Sie die anwendeten, kämen Sie zu der klugen Einsicht, dass man zum jetzigen Zeitpunkt Wünsche äußern kann, verhandeln will, sich aber nicht definitiv festlegt. So macht man das.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Abgeordneter Dr. Wadephul, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Lütkes?

Ja, natürlich.

Herr Kollege Wadephul, ist es richtig, dass am 10. März eine Bundesratssitzung stattfinden wird? Ist es richtig, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung dort ein Rederecht hat? Ist es richtig zu erwarten, dass die Landesregierung dort eine Position zu den von Ihnen hier aufgelisteten Einzelfragen abgeben wird? Oder ist es falsch zu erwarten, dass sich die schleswigholsteinische Landesregierung im Bundesrat positionieren wird? Kennen Sie die Position der Landesregierung?

- Ich schlage vor, dass Sie versuchen, in aller Ruhe zuzuhören. Sie haben ein paar Vorschriften des Grundgesetzes wiedergegeben, die ich auch kenne.

(Zuruf der Abgeordneten Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Doch. Sie haben gesagt, dass die Landesregierung im Bundesrat vertreten ist und dort Rederecht hat. Das alles ist gesetzlich normiert. Es steht in der Verfassung und in den entsprechenden Gesetzen.

Wir stehen in Verhandlungen. Die Landesregierung steht tagtäglich in Verhandlungen über dieses Gesetzgebungspaket.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

(Dr. Johann Wadephul)

Sie steht tagtäglich auch in Kontakt mit anderen Bundesländern und selbstverständlich auch den Parteien und den Fraktionen im Deutschen Bundestag. Wir übrigens auch. Wir versuchen, Einfluss zu nehmen. Es gibt eine Sonderministerpräsidentenkonferenz, auf der auch noch einmal verhandelt wird.

Wenn man das Ergebnis kennt - das jedenfalls ist meine Meinung; die Landesregierung wird sich dazu selber erklären -, wird entschieden, ob zugestimmt wird. Vorher kann man es nicht sagen. Wir befinden uns in Verhandlungen. Die sollte man auswerten. Dann kann man sagen, ob man zustimmt.

Im Rahmen dieser Debatte rate ich dazu, dass wir bei all dem, was geplant ist, nicht ganz aus dem Auge verlieren, dass wir vor einem der größten Vorhaben stehen, die in Deutschland in diesem Bereich geplant sind. Es ist auch nicht ganz unwichtig. Deswegen haben zahlreiche Politikerinnen und Politiker auch auf Bundesebene gesagt, dass wir zu einer Föderalismusreform kommen müssen. Klaus Wowereit: „Ein Scheitern wäre fatal.“ Peter Struck sieht einen guten Start für eine Reform des Föderalismus. Das alles ist nicht ohne Grund so gesagt worden.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben wir katastrophale Erfahrungen gemacht. Wenn eine große Koalition aus diesen Erfahrungen lernt und etwas daraus machen will, finde ich das gut und richtig. Über Einzelheiten müssen wir miteinander reden. Entsinnen Sie sich doch einfach nur einmal an die Abläufe der 90er-Jahre, als unter der CDU/CSUFDP-Regierung eine Steuerreform geplant wurde und sie im Bundesrat an der Mehrheit der Sozialdemokraten - damals unter Führung von Oskar Lafontaine - gescheitert ist!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wer ist das denn?)

Warum haben wir im vergangenen Jahr Neuwahlen gehabt? - Weil in der SPD-Spitze und bei Bundeskanzler Schröder die Vorstellung war: Wir bekommen nichts mehr durch, weil die Union auch aus parteipolitischen Gründen - das kann man offen sagen - im Bundesrat alles blockiert hätte und vieles blockiert hat. Fand es eigentlich irgendjemand in diesem hohen Haus ein interessantes politisches Spektakel, dass gewisse Vorhaben nur durch den Bundesrat durchgekommen sind, indem man sich etwa die Stimme der Bundeshauptstadt Berlin mit finanziellen Zugeständnissen erkauft hat? Halten Sie das für einen parlamentarisch würdigen und vorbildlichen Vorgang? Nein, das findet doch eigentlich keiner.

Das heißt, wir müssen zu einer Entflechtung kommen. Wir müssen zu einer Reform des Föderalismus kommen. Jeder, der die Reform an sich blockiert und nur die Probleme aufzeigt - Frau Kollegin Lütkes, Sie haben nichts über die Chancen und die Möglichkeiten und die Notwendigkeit einer Reform gesprochen -

(Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie haben nicht zugehört! Ich habe fünf Minuten darüber gesprochen!)

- Doch, ich habe zugehört. Aber da ist leider an Substanz nichts gekommen.