Protokoll der Sitzung vom 24.02.2006

„Die Landesregierung fühlt sich insgesamt dem Ziel verpflichtet, zur langfristigen Sicherung der Energieversorgung, zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz unter Berücksichtigung von für Haushalte sozial verträglichen und für Gewerbe und Industrie wettbewerbsfähigen Energiepreisen beizutragen.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Es wäre schön, wenn sie auch gesagt hätte, wie sie das tun will!)

Mit Recht weist die Landesregierung darauf hin, dass zur Zielerreichung dieser Anforderungen unterschiedliche Wege diskutiert werden müssen, auch bei uns.

Ein Aspekt dieser Diskussion - der Minister hatte das auch erwähnt - ist die Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke und damit verbunden eine Änderung der gegenwärtigen Bestimmungen im Bundes-Atomgesetz. Aber die Landesregierung weist auch darauf hin, dass wegen der Koalitionsvereinbarung keine Veränderung der Rechtssituation vorgenommen werden kann. Das ist so.

Der Bau von neuen Kohlekraftwerken muss unter den Anforderungen von Niedrigstgrenzen für Emis

sionswerte und Höchstwerte für Wirkungsgrade diskutiert werden. Ebenso gehört auch die Forderung nach der Entwicklung der „Clean Coal Technology“ dazu. Allerdings wird diese Option nach heutigen Erkenntnissen in den nächsten ein bis zwei Dekaden noch keine wesentliche Rolle spielen.

Entscheidend ist auch die Entwicklung der regenerativen Energien. Darauf konzentriert sich der Bericht, was ja auch mit dem Antrag von CDU und SPD beabsichtigt war. Regenerative Energien sollen und müssen unsere Energiebilanz von Abhängigkeiten befreien. Noch ist der Beitrag ernüchternd oder anders ausgedrückt: Wir müssen noch einen langen, kostenintensiven Weg gehen, ehe regenerative Energien einen bedeutenden Beitrag zur Energieversorgung leisten können.

Die bedeutendsten Energieträger, die zum Endenergieverbrauch in Schleswig-Holstein beitragen, also zu der Energie, die beim Verbraucher ankommt, sind nach wie vor Mineralöl und Gas mit zusammen 75 %, dann Strom mit knapp 16 %.

Für die Stromerzeugung stehen derzeit knapp 6.000 MW konventionelle Gesamtkraftwerkskapazität zur Verfügung, wie Kraftwerke für den Einsatz fossiler Rohstoffe, Kernkraft- und Heizkraftwerke. Hinzu kommen mit den etwa 2.600 Windkraftanlagen weitere knapp 2.200 MW installierte elektrische Leistung. Leider entspricht die installierte Leistung der Windkraftanlagen nicht der definitiv gelieferten Energieleistung. Auf alle Fälle gilt - das sagt auch der Bericht -, dass jede durch Windkraft erzeugte Kilowattstunde - das gilt für alle regenerativen Energien - irgendwo in Deutschland eine fossil erzeugte Kilowattstunde ersetzt. Das ist ein wichtiges Ziel, ein wichtiges Ergebnis.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zur Unterstützung der Windenergie mit Augenmaß. Das wird auch dokumentiert durch die Unterstützung der geplanten und bereits genehmigten Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von etwa 2.200 MW, durch die Identifizierung von zehn Standorten an Land für „Multi-Mega-Anlagen“ und durch die unmittelbar bevorstehende Genehmigung des Baus von Kabelanbindungen. Bis zur Realisierung ist es dennoch ein weiter Weg. Das wird klar, wenn man bedenkt, was alles für 200 m hohe Anlagen an Bauten und so weiter nötig ist.

In der Bioenergie hat Schleswig-Holstein eine Führerschaft übernommen. Der Bericht beschreibt die Vielzahl der Projekte mit den unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten. Besonders beein

(Manfred Ritzek)

druckend ist die bereits produzierende Biodieselanlagen in Brunsbüttel auf der Grundlage von Raps als Rohstoff mit einer Kapazität von etwa 150.000 t/a. Das entspricht immerhin knapp 10 % der Produktion in Deutschland.

Auch die Entwicklung des Bioethanolmarktes, also die Produktion und Beimischung zum Benzin, ist auf dem richtigen Weg. Die zukünftige Besteuerung dieser Biokraftstoffe darf allerdings diese Entwicklung nicht hemmen oder gar abbrechen. Darüber haben wir bereits gestern diskutiert.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber - auch darauf muss hingewiesen werden - die Anbaufläche für Raps, Mais, Getreide als Rohstoffe für Energiegewinnung ist begrenzt. Wir brauchten die doppelte Agrarnutzfläche der Bundesrepublik, um die heutigen etwa 55 Millionen t Kraftstoffe durch Biokraftstoffe zu ersetzen.

Die Aussagen über die Entwicklung der Solarenergie und der Geothermie und auch der Kraft-Wärme-Kopplung zeigen die Verantwortung der Landesregierung in diesen Bereichen.

Spannend sind die Ausführungen zum Wasserstoff, die Option für die Jahre nach 2015. „Wasserstoff wird“, so die Landesregierung, „innerhalb der nächsten zehn Jahre zur notwendigen Energiespeicherung beitragen können“. Wasserstoff herstellen durch regenerative Energie, das ist die Herausforderung für die Zukunft. Der Einsatz von fossilen Energieträgern zur Herstellung von Wasserstoff schließt sich aus.

Über up-scaling und Scalierungsrichtlinien wird man sich in Fachkreisen unterhalten, auch darüber ich zitiere -, „dass die Verbrennungstechniken stets mit dem Volumen scalieren, demgegenüber die Windtechnik mit der überstrichenen Rotorfläche“.

(Beifall - Zuruf: Bravo!)

Solche Darstellungen in die Tiefe zeigen die wissenschaftliche Kompetenz der Erstellung dieses Berichtes. Ich fand leider so schnell niemanden, der mir das erklärte.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und SPD)

Universitär und wissenschaftlich ist unser Land hervorragend für die Wasserstoffforschung ausgestattet. Das erfahren wir im Bericht. Die stärkere länderübergreifende Zusammenarbeit sollten wir sofort beginnen. Hamburg ist ein idealer Partner Herr Minister, ich glaube, Sie erwähnten auch Niedersachsen -, geht doch die Hansestadt in die zweite Phase mit jetzt neun wasserstoffgetriebenen Bus

sen, mit der ständigen Forschung und Entwicklung der Aggregate und mit dem Ziel, innerhalb der nächsten acht Jahre sogar eine Barkasse mit Wasserstoffantrieb zu entwickeln. Die Lindenau Werft in Kiel ist bereit, auf diesem Feld mit der Hamburger Hochbahn zusammenzuarbeiten. Wir haben das mit unserem Fraktionsarbeitskreis Europa in die Wege geleitet.

Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg, alle Chancen einer zukünftigen Energiepolitik zu nutzen. Wir müssen zumindest in Teilbereichen der regenerativen Energie die Führerschaft einnehmen. Das betrifft die Entwicklung von regenerativen Energietechniken und deren Anwendung, die Schaffung erstklassiger Arbeitsplätze und den Export von modernsten Techniken.

(Beifall des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Der Bericht mit seinen Inhalten ist für uns alle Verpflichtung. Handeln wir entsprechend!

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek und erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Konrad Nabel.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Jetzt müssen Sie nachlegen, was Ihr Fraktionsarbeitskreis ge- tan hat!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein geht voller Energie in die Zukunft.

(Beifall bei SPD und CDU - Claus Ehlers [CDU]: Weiter so!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben zuletzt am 16. Dezember 2005 über die Energiepolitik in Schleswig-Holstein debattiert und einen Bericht von der Landesregierung erbeten, der für unser Land das Energieangebot darstellen, die regenerativen Energien bewerten und die Kraft-WärmeKopplung berücksichtigen sollte. Dieser Bericht liegt uns seit einigen Tagen vor und ist Grundlage für unsere heutige Debatte. Ich bedanke mich bei der Landesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die guten und informativen Aussagen im Bericht.

Gegenstand unserer Debatte im Dezember letzten Jahres war auch die weitere Nutzung der Atomenergie in Deutschland und in Schleswig-Holstein. Die

(Manfred Ritzek)

se Debatte verstellt den Blick in die Zukunft, denn der Atomausstieg ist unumkehrbar.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ritzek, das ist für uns in der Sozialdemokratie ganz klar. Die Atomenergie ist deshalb keine Zukunftsenergie für Deutschland und für SchleswigHolstein.

(Claus Ehlers [CDU]: So ein Ding kannst du bei mir auf die Hauskoppel setzen! - Heiter- keit - Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Qualifizierter Beitrag!)

Rasant steigende Energiepreise, Stromausfälle im Münsterland sowie der russisch-ukrainische Erdgasstreit haben in den vergangenen Wochen und Monaten das Thema Energiepolitik immer wieder in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt.

Der Minister hat gesagt, es habe eine sprunghaft gestiegene Nachfrage gegeben. Herr Minister, dieser erhöhte Bedarf war lange abzusehen. Dass sich China, Indien und Schwellenländer am Lebensstil westlicher Industrien orientieren, wollen wir, das fördern wir durch die Förderung der Marktwirtschaft. Dann darf man sich nicht wundern, dass auch der Energiebedarf in diese Richtung geht.

Ich habe an anderer Stelle gesagt - ich wiederhole das hier -: Wenn China und Indien allein den gleichen Energiestandard wie wir in Europa haben, nicht einmal den aus den USA, wo ohne Ende verschwendet wird, wird es hier dunkel, wir sehen nichts mehr. Das kann es nicht sein. Wir müssen hin zu Effizienzstrategien. In der Einsparung von Energie liegt ein Potenzial von über 50 %.

(Beifall bei der SPD)

Die Diskussion um Energiepreise ist ganz wichtig - Sie haben das auch gesagt -, um die Frage der sicheren, wirtschaftlichen, preiswerten und umweltverträglichen Energieversorgung sicherzustellen. Das ist das Herzstück einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik für unser Land. Energiepolitik besitzt eine strukturentscheidende Bedeutung für unsere Volkswirtschaft.

Wir stehen in Deutschland - aber auch in Europa und weltweit - vor einer Fülle großer Herausforderungen. Ressourcenschonung, Ressourcenverteilung und Klimawandel stehen ganz oben auf der politischen Agenda und erfordern eine langfristig angelegte, zuverlässige und innovative Energiepolitik. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können selbstbewusst unsere bereits in den vergangenen Jahren verfolgte Linie der energiepolitischen Modernisierung vertreten, die auf den drei

Säulen - ich habe es gerade schon einmal gesagt Energiesparen, Effizienzsteigerung und erneuerbare Energien basiert. Unser Umweltminister Sigmar Gabriel in Berlin steht dafür, dass diese Linie auch im Bundeskabinett klar erkennbar verfolgt wird.

(Claus Ehlers [CDU]: Da habe ich meine Be- denken!)

- Der Kollege Ehlers hat ja zumindest eines mit dem Kollegen Sigmar Gabriel gemeinsam. Das will ich hier nicht weiter erwähnen.

(Heiterkeit - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das sieht man!)

Deutschland ist ein in die Weltwirtschaft beispielhaft eng eingebundenes Land. Wir sind Exportweltmeister, aber zugleich auch zu mehr als 75 % von Energieimporten abhängig: vom Brennstoff für die Atomkraftwerke über Erdöl und Erdgas bis hin zur Steinkohle, die wir inzwischen auch zu mehr als 60 % aus aller Welt einführen - und das trotz der Streitereien in NRW und im Saarland. Unser Land ist auch im Energiesektor grundsätzlich pluralistisch und marktwirtschaftlich strukturiert. Politik setzt daher „nur“ die geeigneten Rahmenbedingungen für die Energieversorgung und bestimmt nicht, wie in einigen unserer Nachbarländern, über staatliche Monopolkonzerne deren Umsetzung bis ins Detail. Wir setzen daher auf Anreize und auf ambitionierte Förderziele, auf Innovation und auf Beschäftigung schaffende Wertschöpfung.