Ich habe in meiner Haushaltsrede im Dezember gesagt, dass durch die Steuerpolitik, die wir mitgetragen haben in Berlin durch Rot-Grün, das Land bis zu einer Milliarde weniger Steuern bekommen hat eine Milliarde. Das heißt, Steuersenkungen sind nicht mehr angemessen. Wir müssen darüber nachdenken, welche Aufgaben der Staat in Zukunft haben muss. Da sind die Vorstellungen zwischen Rot und Schwarz sicherlich unterschiedlich. Wie müssen diese Aufgaben auskömmlich finanziert werden? Das heißt, man muss auch im Angesicht des Urteils des Bundesverfassungsgerichts über andere Dinge nachdenken, die bisher ausgeschlossen sind. Das ist zumindest die Position der Sozialdemokraten.
Dazu haben wir ein Zehnpunktepapier vorgelegt, das unter anderem auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer als Umstieg der sozialen Sicherungssysteme beinhaltet. Selbstkritische sage ich, dies ist in der SPD bisher nicht mehrheitsfähig. Wir werden weiter dafür werben, weil ich das für den richtigen Weg halte, jetzt die nötigen Reformen einzuleiten,
damit wir mittelfristig und langfristig wieder ein handlungsfähiger Staat werden. Andere Länder im hohen Norden haben uns das vorgemacht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sagte es schon, ich bin gern bereit, alternative Vorschläge zu dem, was wir als Fraktion gemeinsam mit unserem Koalitionspartner erarbeiten werden, zu prüfen. Es gibt, Herr Müller - da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu - zum Kürzen keine Alternative. Sozialdemokraten haben einen Grundsatz der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit. Deshalb wird es unser Ziel sein, auch wenn es noch so schmerzhaft ist, die Kürzungen gerecht auf alle Schultern zu verteilen. Das heißt, meine Schultern kriegen mehr ab als Schultern, die etwas schwächer sind.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Oppositionsführer, dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Lothar Hay, besonders dankbar, dass er unter Beachtung der Geschäftsordnung tatsächlich in der Aktuellen Stunde frei gesprochen hat, was ja eigentlich der Sinn der Veranstaltung einer solchen Debatte ist.
Ich habe mich mehrere Tage gefragt, was mit der Aktuellen Stunde zu den Eckwertebeschlüssen der Landesregierung eigentlich bezweckt werden soll. Ich habe dann vor meinem geistigen Auge Revue passieren lassen: Wie wäre die Situation eigentlich, wenn wir nicht eine schwarz-rote Koalition hätten, sondern eine rot-grüne Koalition mit SSW und CDU und FDP hätten eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt? - Der Kollege Müller hätte sich hier in der gleichen Art hingestellt, aufgeblasen und hätte gefragt oder gesagt: Fällt der Opposition eigentlich nichts anderes mehr ein, als über ungelegte Eier zu debattieren? Die Sache ist doch bei Rot-Grün und SSW in guten Händen und es gibt keine Alternative zu den Sparbeschlüssen, die wir eingeleitet haben. Und im Übrigen: Machen Sie doch einmal Alternativvorschläge, Herr Kubicki oder Herr Wiegard. Wir haben das jahre- und jahrzehntelang nicht erlebt und das ist heute bedauerlicherweise auch ausgeblieben.
- Zur Kreisreform kommen wir auch noch. Aber zur Situation des Landes mit 1,6 Milliarden € Nettoneuverschuldung, die Sie mit zu verantworten haben - ich gucke jetzt keinen genau an -, wo Sie uns von CDU und FDP noch erklärt haben - das ist keine eineinhalb Jahre her -, das sei Panikmache, das sei falsch, wir würden das Land und Ihre gute Politik schlecht reden, da sind Sie Alternativvorschläge, wie man das in dieser Größenordnung abbauen kann, schuldig geblieben.
Ich gebe zu, dass man dem Ministerpräsidenten die Frage stellen kann: Warum haben Sie die Menschen dieses Landes getäuscht? - Er hat sie bei den Wahlkampfveranstaltungen getäuscht; das ist klar. Der Kollege Austermann sitzt hier ja im Saal. Ich war mit ihm zusammen in Neumünster. Da hat er gesagt, die 1,5 Milliarden €, die ich als Loch im Landeshaushalt benannt habe, seien viel zu wenig, er habe einen viel größeren Durchblick und wisse, dass noch viel mehr im Rennen sei.
Aber uns war bekannt, Herr Kollege Wiegard, wie groß die Deckungslücke ist, die uns die Regierung Rot-Grün hinterlässt.
Gleichwohl sind im Wahlkampf Zusagen gegenüber Menschen dieses Landes getroffen worden, die wir mitnehmen müssen. Die spannende Frage bei diesen Menschen ist: Können wir Zusagen noch trauen? Haben die Menschen, die uns Zusagen geben, das Vertrauen, das wir in sie setzen wollten, überhaupt verdient? - Das ist eine sehr wichtige Frage, die noch einer weiteren Aufarbeitung harrt und die man nicht mit Erklärungen vom Eis kriegt wie: Ich gestehe, ich bin schuldig; ich habe mich da leider vertan; ich habe nicht ganz die Wahrheit gesagt.
Herr Kollege Sauter, was ich gesagt habe, bezog sich auf das Programm der CDU als Regierungspartei. Es hieß: Wir vermindern Aufgaben im Lande und schaffen dadurch Kapazitäten, um 2.000 Stellen in einer Größenordnung von 80 Millionen € abzubauen, wodurch die Beschäftigten einen Beitrag zur Sanierung des Haushalts leisten sollten. Dieser Betrag ist in etwa die Summe, die Sie momentan durch die Kürzungsmaßnahmen einsparen, die Sie vornehmen. Man kann das eine natürlich machen,
sollte aber das andere nicht lassen. Bezüglich der Aufgabenkritik und des Aufgabenwegfalls sind Sie bisher jedenfalls sehr viel schuldig geblieben.
Die zweite Frage ist: Macht es wirklich Sinn, in den kommunalen Finanzausgleich einzugreifen und Investitionsmittel wegzunehmen, während Sie gleichzeitig erklären, das Land stelle diese Mittel von 100 Millionen € den Kommunen über einen Schulbausanierungsfonds oder wie auch immer wieder zur Verfügung? - Im Ergebnis heißt das doch, Herr Finanzminister Wiegard, dass 100 Millionen € Investitionsmittel bei Kommunen und Land wegfallen. Es ist eben die spannende Frage: Macht es Sinn, in einer Zeit, in der wir uns gerade befinden, die Investitionsmittel, die die öffentliche Hand über Kommunen und Land verausgabt, um 100 Millionen € zu kürzen? - Ja oder nein? Das ist eine spannende Frage, die wir bei den Haushaltsberatungen noch werden diskutieren müssen, und zwar unabhängig davon - da gebe ich dem Kollegen Müller ausdrücklich Recht -, dass die Verwaltungsstrukturreform, wie sie jetzt von Ihnen angedacht ist, nicht nur auch Kosten und mehr Chaos verursacht, sondern auch eher kontraproduktiv ist.
Die Grünen haben, wie es bei denen so ist, die Vorschläge der FDP natürlich mal wieder nicht verstanden. Wir wollen keine Großkreise schaffen, sondern wir wollen Dezentralisierung. Jedenfalls nach meiner Überlegung müssen wir uns die Frage stellen: Brauchen wir in Schleswig-Holstein überhaupt noch Kreise oder kann man nicht etwas auf größere Ämterstrukturen, auf größere Verwaltungseinheiten auf kommunaler Ebene unter Stärkung des Ehrenamts verlagern und den Rest beim Land organisieren? Ich denke, auch das werden wir noch sauber debattieren.
1,6 Milliarden € beträgt die Nettoneuverschuldung. Die spannende Frage ist im Raum: Kann mit den Maßnahmen, die ins Werk gesetzt werden, die Deckungslücke tatsächlich dauerhaft geschlossen werden? Ich gebe zu: Wir brauchen eine andere Einnahmesituation, Herr Müller, aber nicht mit fiskalischen Eingriffen, wie Sie sie vorschlagen, sondern mit Maßnahmen - auch auf fiskalischer Seite -, die das Wirtschaftswachstum anregen. Denn alle unsere Sparbemühungen könnten scheitern, wenn man nicht beachtet, dass die Einnahmen aus einer wachsenden Wirtschaft generiert werden.
Eine wachsende Wirtschaft muss dazu beitragen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, um den Staat auf andere Weise zu entlasten. Deshalb muss man sich bei jedem noch so plausiblen fiskalischen Eingriff fragen: Was kommt am Ende dabei heraus?
Herr Kollege Sauter und ich befinden uns in einer sehr spannenden Diskussion bei der Frage, ob der Nettoeffekt der Mehrwertsteuererhöhung tatsächlich zu einem Zuwachs an Einnahmen des Staates führen wird. Denn wenn die Mehrwertsteuererhöhung im ersten Jahr zu Mehreinnahmen führt, gleichzeitig aber das Wirtschaftswachstum dämpft, kann der Nettoeffekt negativ werden. Dies zu betrachten, Herr Müller, ist etwas anderes, als vordergründig plausibel und, wie ich sage, populistisch zu fordern: Die reichen Schultern müssen mehr tragen als die armen Schultern. Denn wenn wir nur noch die reichen Schultern belasten, haben wir demnächst nur noch Arme.
Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Finanzsituation des Landes stellt für keinen von uns eine Überraschung dar. Es ist eine Situation, die über Jahre bekannt gewesen ist. Natürlich hätte sich eine andere Regierungskonstellation mit genau denselben Fakten befassen müssen.
Ich kann aber für den SSW sagen: Unser Ansatz wäre ein anderer gewesen. Wir wollten von der Rhetorik weg, die wir als typisches Merkmal der Parlamente in dieser Republik haben, wo wir vor der Wahl das eine sagen, während wir nach der Wahl mit der Wirklichkeit konfrontiert werden und dann alles wieder einsammeln müssen.
In dem normalen Alltag haben wir eine Regierung und regierungstragende Fraktionen und auf der anderen Seite die Opposition. Die Gewaltenteilung funktioniert gar nicht mehr. Wir wollten eine Stärkung des Parlaments. Unser Ansatz war, dass wir auch eine Haushaltskonsolidierung als echte Reform, die diesen Namen verdient, nur gemeinsam hinbekommen. Dieses Ziel erreichen wir nur, wenn sich alle Fraktionen im Parlament auf ein Papier, auf ein Konzept einigen und beschließen, ein solches Konzept über eine, zwei oder drei Legislatur
Wir stehen also in der Situation, dass wir wieder bestätigt finden, dass noch nicht einmal eine große Koalition große Taten vollbringen kann. Was jetzt bevorsteht, sind Kürzungen, ist Sparen. Die Sparmaßnahmen werden die Menschen hart treffen - das wissen wir -, ohne dass wir jetzt neue Perspektiven bekommen. Mit Perspektiven meine ich zum Beispiel auch die Zukunft einer modernen öffentlichen Verwaltung. Ich vernehme keine Diskussion darüber, was wir uns hierunter vorstellen.
Der Finanzausschuss dieses Landtags war kürzlich zu Besuch bei der GMSH. Ich finde, die GMSH ist ein gutes Beispiel für eine moderne öffentliche Verwaltung. Dort nahmen wir Zahlen zur Kenntnis, die belegten, dass man über zehn Jahre hinweg die Hälfte aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsparen konnte, ohne dass weniger Leistung vollbracht wurde. Wir sahen, dass man in den Bereichen Beschaffung, Vergabe, Bewirtschaftung sehr professionell arbeitet.
Es ist nicht damit getan zu sagen: Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, jetzt müsst ihr erst einmal länger arbeiten und kriegt übrigens auch kein Weihnachtsgeld und sonst etwas mehr; wir hoffen darauf, dass ihr alles mittragen werdet, was an Herausforderungen auf uns zukommt. Denn natürlich wird sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln und weiterentwickeln müssen. Wir können nicht sagen, dass wir nicht mehr das leisten wollen, was die Menschen von uns erwarten. Dies wäre ein antiquierter Gedankengang; mit dem kämen wir nicht weiter.
Wir müssen uns auch fragen, wie es mit den übrigen Reformvorhaben unseres Landes aussieht. Wir werden uns ja noch zur Genüge über die Verwaltungsstrukturreform unterhalten. Was da mittlerweile auf dem Tisch liegt, kann kein normal denkender Mensch mehr verstehen. Mit Transparenz hat das alles nichts mehr zu tun. Dazu werden wir uns noch ausführlich äußern.
Ich frage: Wie wird es mit der Novellierung des Schulgesetzes aussehen? Ich bin sehr gespannt, wie die Schullandschaft neu gestrickt werden soll. Auch da sehe ich noch nicht den Durchbruch. Ich hätte mir erhofft - und dafür hätten wir uns vehement eingesetzt -, dass wir ein Schulgesetz bekommen, das transparent vorschreibt, wie Kinder auf längere Sicht - das kann man nicht übers Knie brechen - gemeinsam unterrichtet werden können, wie Schulen auch mehr Freiheit bekommen. Auch darüber werden wir uns später noch genug unterhalten.
Reformvorhaben heißt nicht, nur zu sagen: Hier haben wir Strukturen; wir versuchen, hier etwas wegzuschneiden und dort etwas hinzuzufügen. Das geht nicht. Wir müssen uns mit der demographischen Entwicklung befassen. Das Wort „Demographie“ nehmen wir ja in jeder Debatte in den Mund. Aber wir müssen uns damit auch näher beschäftigen. Ebenso müssen wir uns mit dem Thema „Globalisierung“ beschäftigen. Wir können nicht sagen: Das ist etwas, was wir nicht leisten können.
Kürzungen sind vielleicht unumgänglich. Aber sie können durch die Menschen dieses Landes nur verkraftet werden, wenn sie mit Perspektiven verbunden werden. Man muss sagen, wie die Richtung ist. Es muss eine Richtung sein, die uns alle in den Stand setzt, eine bessere Gesellschaft zu bekommen. Mit „besserer Gesellschaft“ meine ich auch, dass mehr Menschen in Arbeit kommen und die Einnahmesituation verbessert wird.
Das, was uns jetzt vorliegt, hat überhaupt nichts mit zukunftsweisender Konzeption oder mit Reformvorschlägen zu tun.
Für die Landesregierung erteile ich Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort. - Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Kollegin Spoorendonk hat eben von den Perspektiven gesprochen. Ich will gern auf die Perspektiven eingehen, die wir haben, wenn wir die Politik nicht so betreiben, wie wir sie vorgeschlagen haben. Die Zinslast aus den Schulden, die wir haben, wird sich bei Fortsetzung der jetzigen Politik von heute 900 Millionen € in den nächsten zehn Jahren auf fast 2 Milliarden € verdoppeln. Die Belastung aus zusätzlichen Pensionslasten wird sich von heute 700 Millionen € auf fast 1,4 Milliarden € ebenfalls verdoppeln. Das heißt, wir werden über 3 Milliarden € verwenden müssen, um Lasten der Vergangenheit zu bezahlen. Anke Spoorendonk, da ist von Perspektiven für die Zukunft nicht mehr die Rede.