Protokoll der Sitzung vom 22.03.2006

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin gespannt, wie die 94 Einzelregelungen, lieber Klaus Müller, zustande gekommen sind. Das interessiert mich in der Tat.

Ich habe mich aber noch einmal gemeldet, weil ich zwei Dinge in die Debatte einwerfen will, die der Kollege Harms hier in der Debatte unzulässigerweise miteinander vermengt hat. Zumindest Kollege Müller und ich waren uns offensichtlich einig darin, dass Minijobs kein taugliches Instrument sind, um Langzeitarbeitslosen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen. Deswegen geht Ihre Kritik an dieser Stelle auch völlig vorbei. Es ist kein taugliches Instrument. Da sollten Sie noch einmal nachlesen, was Sie dazu gesagt haben.

Das Zweite finde ich aber deswegen so bedauerlich, weil hier zwei Dinge miteinander vermengt werden, die nicht miteinander vermengt werden dürfen. Minijobs - oder wie immer man sie nennen mag - sind nicht gleich Minilöhne. Deswegen haben wir die so genannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse immer mit Klauen und Zähnen verteidigt. Was machen Sie eigentlich beispielsweise mit einem Existenzgründer, der eine Bürokraft braucht, der sie aber nicht 40 Stunden in der Woche braucht, sondern am Anfang nur 10 Stunden. Der hat zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt ihm diese Möglichkeit des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses oder des Minijobs, wie das heute heißt, dann wird er jemand für 10 Stunden einstellen und den im Zweifel auch zu einem anständigen Stundensatz, den Sie vielleicht sogar noch zu hoch empfinden für eine solche Tätigkeit, oder er lässt es bleiben und macht es gar nicht. Es kann natürlich sein, dass Sie bei genauer Betrachtungsweise jeden Lohn, der unter einem gewissen Monatsbruttoeinkommen liegt, als zu gering empfinden. Sei es drum, ich halte diese Betrachtungsweise, die Sie hier angestellt

haben, für falsch. Sie müssen schon die eingesetzte Stundenzahl ins Verhältnis zu dem setzen, was dann tatsächlich bezahlt wird.

(Beifall bei der FDP)

Dabei kommt in vielen Fällen ein ordentlicher Stundensatz herum. Wenn Sie sagen, es dürfe kein Beschäftigungsverhältnis geben, bei dem unter 2.000 € brutto entlohnt wird, dann werden Sie mit Sicherheit keinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen zusätzliche Beschäftigung finden.

Wir unterstützen die Initiative, weil wir wollen, dass Menschen, die für eine bestimmte Zeit oder für weniger Zeit in der Woche arbeiten wollen, auch in Zukunft die Möglichkeit haben, entsprechend zu arbeiten, damit sie sich ein zusätzliches Einkommen sichern und zusätzlichen finanziellen Spielraum für sich und ihre Familie schaffen. Dafür ist das ein sinnvolles Instrument.

Ich hoffe sehr, dass wir die Initiative im Ausschuss nicht kaputtreden, sondern uns überlegen, was bei dem Sozialversicherungssystem möglicherweise herauskommt. Wenn die Anzahl der Minijobs tatsächlich abnimmt, dann erreichen Sie genau das Gegenteil dessen, was Sie erreichen wollen. Dann kommt weniger in die Sozialkassen, weil es weniger dieser Beschäftigungsverhältnisse gibt als vorher. Ich glaube nicht, dass das der richtige Schritt wäre. Ich hoffe, dass sich der SSW seine Argumentation bis zur Ausschusssitzung noch überlegt.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will nicht lange drum herumreden. Ein hervorstechendes Beispiel vorausschauender Politik und Gesetzgebungskunst ist die geplante Änderung bei den Minijobs nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Hier wird vielmehr wieder an einer Stelle kleinlich herumoperiert, ohne den Gesamtzusammenhang zu sehen. Trotzdem will ich mich in der Debatte zunächst auf die Kleinlichkeit einlassen und ein paar Worte dazu sagen, was man stattdessen machen sollte.

(Klaus Müller)

Wir müssen einmal im Gesamtzusammenhang sehen, wie Politik zurzeit gemacht wird, und zwar an den verschiedensten Plätzen. Wir schaffen Kompromisse, wir versuchen Pakete zu schnüren. Wenn wir mit einigen Dingen auch nicht einverstanden sind, müssen wir schließlich doch alles akzeptieren.

Auch hier ist es so. Auf der einen Seite gibt es das politisch Wünschbare, auf der anderen Seite das finanziell Machbare. Hinterher wird man feststellen: Es ist doch nicht so, wie man es sich vorher gedacht hat. Man kommt dann zu Gesetzesvorhaben mit einer Halbwertzeit von zehn Monaten.

Ich will auf die Einzelmaßnahme und auf die Kleinlichkeit zurückkommen. Ich halte wenig davon, Kraft darauf zu verwenden, an dieser Stelle irgendetwas in Berlin zu verändern. Denn es wird klappen, obwohl es sicherlich gut ist, sich dafür einzusetzen. Aber man sollte sich intensiver für andere Dinge, auf die ich gleich zu sprechen komme, einsetzen.

Ich halte die Auswirkungen nicht für so dramatisch, wenngleich man in der arbeitsmarktpolitischen Bewertung geteilter Auffassung sein kann. Dies ist in der Debatte schon deutlich gemacht worden. Zweifel und Kritik gibt es quer durch die Bank aus allen Parteien. Auch ich habe Zweifel, ob das, was wir vorhaben, mehr schadet als nutzt. Wir haben ja einmal gesagt, dass wir die Lohnnebenkosten senken wollen. Andererseits haben wir in der ursprünglichen Debatte festgestellt - auch das wurde hier schon gesagt -, dass es bezüglich der Erhöhung auf die jetzt geltenden 25 % auch keine gewaltigen Einbrüche gegeben hat. Der neue Satz von 30 % liegt immer noch unter den normalen Sozialversicherungsbeiträgen.

Private Haushalte sind hier nicht betroffen. Wenn sie betroffen wären, wäre es besonders gravierend. Dann müsste man anders vorgehen, weil hier in der Tat die Gefahr insbesondere der Abwanderung in die Schwarzarbeit bestehen würde.

Im gewerblichen Bereich ist diese Gefahr schwieriger zu beurteilen. Ich halte nicht viel von den Horrorszenarien, die uns hier manchmal vorgehalten werden. Konkrete Erkenntnisse, die man abgesichert bewerten kann, gibt es dazu nicht. Wir haben aber eben schon gesagt, dass bei der Einführung der Minijobs keine erheblichen Verluste eingetreten sind. Im Gegenteil, es hat zusätzliche Arbeitsplätze gegeben. Der Evaluationsbericht der Bundesregierung sagt, dass der Grund dafür eigentlich ein anderer war. Der Grund waren die damit verbundene Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Minijobs. Es sind also neue Arbeitsplätze eingerichtet

worden. Es ging nicht so sehr um die Höhe der Abgaben, die zu entrichten waren.

Der Bericht der Bundesregierung offenbart auch die Schwachpunkte, die ich noch einmal ganz deutlich hervorheben will. Für Arbeitslose - deswegen ist die Begründung, lieber Klaus Müller, nicht richtig sind die Minijobs keine Brücke zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Das sollen sie auch nicht sein.

Wir haben auf der anderen Seite festzustellen, dass wir allerdings in den Bereichen der Dienstleistungen des Reinigungsgewerbes, der Gastronomie und des Sports zunehmend Minijobs haben, und zwar bei gleichzeitiger Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse. Es muss näher untersucht werden, woran das liegt. Es kann ein alarmierendes Zeichen sein. Denn das wollten wir damit sicherlich nicht erreichen. Das ist eine schädliche Entwicklung. Meine Damen und Herren, wir müssen über die Korrektur dieser Schattenseiten nachdenken.

Damit komme ich zurück auf meine Eingangsbemerkung. Ich halte den Zeitpunkt der Diskussion für absolut unglücklich. Für den Herbst hat die Bundesregierung angekündigt, sie werde Vorschläge für Reformen und Veränderungen im Bereich Minijobs, Kombilöhne und Beschäftigung von Geringqualifizierten machen. Nach meiner Überzeugung sollten wir unseren Einfallsreichtum auf eine rasche Neuordnung im Bereich der Geringqualifizierten und der Niedrigverdiener verwenden. Beides halte ich allerdings für schlechte Begriffe. Wir müssen uns dafür etwas anderes einfallen lassen. Aber diese Sachverhalte gibt es; daran kommen wir nicht vorbei. Viele Minijobs spielen hier eine Rolle.

Wir sollten einen anderen Weg gehen. Das Nebeneinander und Gegeneinander von Minijobs sowie von Normaljobs sollten wir zu einem einheitlichen System zusammenfassen. Das System müsste so sein, dass es keine Brüche hat. Es darf nicht mehr die Stufen geben, die wir zurzeit haben. Denn an jeder dieser Stufen staut es sich zurzeit. Das macht es weniger attraktiv, hier weiterzukommen. Ich hätte mir da etwas mehr Ruhe an der Gesetzgebungsfront gewünscht. Aber die Bedenken reichen nicht aus, dass wir uns für eine Ablehnung der Erhöhung einsetzen. Wir sollten die Grundsatzfragen vernünftig diskutieren.

Ich bin davon überzeugt, dass dies eines der wichtigen Themen in diesem Jahr sein wird: Wie gehen wir mit Menschen um, die infolge ihrer Ausbildung am Arbeitsmarkt nicht so viel erzielen, dass sie davon einen vernünftigen Lebensunterhalt bestreiten

(Minister Uwe Döring)

könnten? Für diese Menschen müssen wir etwas tun. Es gibt Bereiche, in denen man nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz verdienen kann. Dann muss man über Transferleistungen der verschiedensten Art nachdenken. Da darf es keine Denkverbote geben. Die FDP hat von der negativen Steuer gesprochen. Man kann auch über andere Dinge nachdenken, zum Beispiel über Kombinationen. Wir werden jedenfalls daran gemessen, was wir auf diesem Gebiet tun.

Wenn künftig die Konjunktur wieder anspringen sollte, werden wir Fachkräftemangel mit Sockelarbeitslosigkeit erleben. Wir werden die Sockelarbeitslosigkeit bekämpfen müssen, weil wir daran gemessen werden. Das können wir nur gemeinsam tun. Daher müssen wir darüber nachdenken. Da ist mir eine geringe Erhöhung der Zahl der Minijobs ziemlich egal. Wir müssten eigentlich über andere Dinge nachdenken und aufhören, diese Mikrochirurgie zu betreiben, wenn der Patient auf der Intensivstation liegt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Döring. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/631 dem Finanzausschuss zur Federführung und dem Sozialausschuss zur Mitberatung zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die 11. Tagung und schließe die heutige Sitzung. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abend. Morgen wird die Tagung um 10 Uhr fortgesetzt.

Schluss: 17:59 Uhr

(Minister Uwe Döring)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst