Es bleibt für mich festzuhalten: Minijobs sind subventionierte Arbeit. Sie werden von den Beschäftigten, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, und von den Arbeitgebern, die reguläre sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten anbieten, subventioniert. Die Erhöhung der Pauschalabgabe reduziert diese Subvention und sie verteuert die Minijobs. Dies gilt übrigens nicht für den Bereich der Privathaushalte. Dort bleibt es bei der sowieso schon niedrigen Pauschale von 12 %.
Da die Bundesregierung in ihrem Kabinettsbeschluss vom 9./10. Januar auf ihrer Klausurtagung in Genshagen allerdings auch festgelegt hat, im Herbst Vorschläge für Reformen und Veränderungen im Bereich der Minijobs von Kombilöhnen und Beschäftigung für gering Qualifizierte zu unterbreiten, ist es aus meiner Sicht heraus schwierig, immer einzelne Fragen zwischendurch mit großer Entschiedenheit zu diskutieren und zu beschließen.
Darum - glaube ich - ist es vernünftig, diese Diskussion aufzugreifen und im Sozialausschuss und im Finanzausschuss fortzuführen, aber auch sehr genau im Blick zu behalten, wie die Bundesregierung ihre Reformen am Arbeitsmarkt und genau in diesem Bereich der gering qualifizierten und langzeitarbeitslosen Menschen fortsetzen wird. Deshalb ist es sinnvoll, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen und darum bitte ich.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens, lieber Kollege Koch, halte ich die These, dass Minijobs eine besondere Form des Kombilohns seien, wie Sie es hier dargestellt haben, für äußerst gewagt, obwohl sie gerade noch einmal zitiert wurde.
Zweitens. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und insbesondere lieber Kollege Müller, dass ausgerechnet Sie diesen Antrag gestellt haben, finde ich erstaunlich. Nein, Sie waren nicht Finanzminister. Denn Sie waren 1998 - und dazu nenne ich gleich eine Zahl - finanzpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Deutschen Bundestag.
1998, Herr Kayenburg, haben wir hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag - ich habe das noch einmal nachprüfen lassen - Debatten um die so genannten 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse geführt, wir hatten Debatten um die so genannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse geführt. Wir hatten damals, als Sie 1998 finanzpolitischer Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag waren, 2,5 Millionen so genannte geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und als diese offiziell gezählt werden mussten, waren es 1999 4,0 Millionen.
Das haben auch Sie zum Anlass genommen zu sagen, dass die Anzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse drastisch reduziert werden müsse, weil es schlicht unsozial sei, zu solchen Bedingungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu beschäftigen.
Damals haben Sie ein Gesetz mit auf den Weg gebracht, das 94 Einzelregelungen enthielt, um diese Jobs möglichst unmöglich zu machen. Dass Sie heute
- die FDP-Fraktion wird Ihren Antrag unterstützen allerdings das genaue Gegenteil erreichen wollen, wundert mich doch sehr.
Wir haben heute 6,7 Millionen Minijobs und es lohnt sich auch für den Kollegen Kubicki, einfach einmal zu differenzieren, was damit eigentlich erreicht werden soll.
Auf der einen Seite wird es als großes arbeitsmarktpolitisches Instrument auch der jetzigen großen Koalition in Berlin immer noch angekündigt. Das ist Quatsch. Denn es hilft Langzeitarbeitslosen kaum, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. In dem Punkt hat der Kollege Baasch völlig Recht. Es taugt nicht als Mittel, Menschen, die langzeitarbeitslos waren, wieder in Beschäftigung zu bringen. Das muss man klipp und klar feststellen.
Auf der anderen Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen - und deswegen gibt es auch die Unterstützung aus unserer Fraktion für Ihre Initiative -, gibt es weite Bevölkerungskreise, die davon profitieren, die ihr Einkommen aufstocken und so zu mehr Wohlstand kommen, was im Übrigens für alle gut und richtig ist.
Für viele Arbeitgeber bieten natürlich auch Minijobs die Möglichkeit, ihre Kosten zu senken, allerdings stellt sich die Frage, ob die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, die verloren gegangen sind, wegen der Minijobs verloren gegangen sind oder auch ohne Minijobs verloren gegangen wären. Ich glaube nicht, dass es zulässig ist, hier diesen Bezug herzustellen.
Die Bundesregierung will die Pauschale auf Minijobs jetzt anheben. Dann betragen, lieber Kollege Koch, die Arbeitskosten bei 400 € netto in Zukunft nicht mehr 500 € für den Arbeitgeber, sondern 520 €. Die Frage ist jetzt: Können sie die zusätzlichen Kosten überwälzen oder nicht? - Das heißt: Wer trägt sie?
Wie gesagt, ich halte von der These, dass es ein Kombilohnmodell besonderer Art sei, nicht. Ich glaube vielmehr, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf solch ein zusätzliches Ein
kommen in der Regel angewiesen sind, in Zukunft weniger haben werden, und das halte ich für falsch. Ich halte den Weg, den Sie in diese Richtung einschlagen, für falsch. Aus dem Grund unterstützen wir die Initiative.
Mich würde interessieren, lieber Kollege Müller und darüber können wir im Ausschuss tatsächlich sprechen -, ob Sie im Ernst glauben, dass die heutigen Minijobs, von denen wir über 6,5 Millionen haben, eine Brücke für Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt sind, wie uns manche aus der amtierenden Bundesregierung glauben machen wollen? - Ich glaube das nicht. Sie schütteln den Kopf. Sie glauben es also auch nicht. Dann wundert mich aber Ihre Initiative. Denn eigentlich haben Sie genau diese Jobs hier bislang immer sehr vehement bekämpft. Sie haben sie - jedenfalls in der letzten Legislaturperiode - als neoliberale Idee bezeichnet.
Aber neoliberal ist ja nicht schlecht. Sie haben einmal eine volkswirtschaftliche Ausbildung genossen und von daher wissen Sie: Es waren die Neoliberalen, die dem Manchesterliberalismus Einhalt gebieten wollten.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg und erteile für den SSW dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, wie es die Grünen in der Begründung ihres Antrags formuliert haben, dass es Pläne seitens der großen Koalition in Berlin gibt, die Pauschalabgabe auf die so genannten Minijobs von 25 auf 30 % zu erhöhen. Richtig ist auch, dass sich alle schleswig-holsteinischen Landtagsfraktionen allgemein gegen eine Erhöhung der Lohnnebenkosten ausgesprochen haben. Dann allerdings hört zumindest die Überstimmung des SSW mit dem vorliegenden Antrag der Grünen auf. Denn wir sind der Meinung, dass die Forderung, sich gegen die Erhöhung der Pauschalabgabe auf geringfügig Beschäftigte auf Bundesebene auszusprechen etwas zu kurz greift. Ich will das gern im Einzelnen erläutern.
Der SSW ist nie ein großer Freund der Minijobs gewesen, weil wir der Meinung waren, dass die Sozialkassen durch diese Regelung einen großen Teil ihrer Einnahmen verlieren und dass die Minijobs auch von der Arbeitgeberseite zumindest in Teilen
Dennoch will ich zugestehen, dass die Reform der Minijobs, die durch eine informelle große Koalition noch unter Bundeskanzler Schröder durchgesetzt wurde, zumindest dazu beigetragen hat, dass ein Teil der Schwarzarbeit wegfiel und diese Arbeit wieder legalisiert wurde. Das gilt zum Beispiel bei Reinigungs- oder Gartenarbeiten im privaten Haushalt. Allerdings hat der starke Anstieg der Minijobs aus Sicht des SSW auch weiterhin den schalen Beigeschmack, dass damit unseren Sozialkassen sehr viele Einnahmen entgehen. Denn es gibt jetzt mehrere Millionen Menschen, die einer Arbeit nach diesen Regeln nachgehen, und dies sind leider nicht nur Teilzeitarbeitnehmer oder gering qualifizierte oder langzeitarbeitslose Menschen. Damit hat man sozialversicherungspflichtige Jobs in Billigjobs umgewandelt und den sozialen Sicherungssystemen weiteres Geld entzogen.
Wenn jetzt die Bundesregierung die Pauschalabgabe auf Minijobs von 25 auf 30 % erhöhen will, ist das ein Ausdruck dafür, dass sie dieses genauso sieht und dringend die Einnahmen für die Sozialkassen erhöhen will. Aus meiner Sicht hat das mit der Diskussion über die allgemeine Erhöhung von Lohnnebenkosten nicht so sehr zu tun, weil es sich ja um geringe Beträge handelt, die immer noch weit unter den normalen Lohnnebenkosten liegen.
Seien wird doch mal ganz ehrlich: Wenn ein Minijobber in Zukunft statt zum Beispiel 320 € den Arbeitgeber 350 € kostet, so kann das angesichts dieses niedrigen Lohnes kaum Auswirkungen auf die Beschäftigungschancen dieser Arbeitnehmer haben, auch wenn die CDU-Mittelstandsvereinigung aus nachvollziehbaren Eigeninteressen dies anders sieht. Mit diesen Minilöhnen der Minijobs wird man immer noch jedes sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis unterlaufen können, wenn man es will und wenn es sich für den einzelnen Unternehmer rechnet.
Also, liebe Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in dieser Frage sollten Sie nicht der CDUMittelstandsvereinigung auf dem Leim gehen. Wenn man wirklich die Beschäftigungschancen von gering qualifizierten und langzeitarbeitslosen Menschen stärken will, gibt es aus unserer Sicht eigentlich nur ein wirksames Mittel, nämlich mehr Ausbildung, Weiterbildung und mehr Qualifizierung. Mit weiterem Lohndumping oder noch billigeren Minijobs für die Arbeitgeber kommt man nicht wirklich weiter, sondern dreht die Lohnspirale nur noch weiter nach unten.
Wir wollen die Diskussion als SSW so nicht mehr weiterführen. Wenn man einmal anfängt, flächendeckend und pauschal an der Lohnspirale nach unten zu drehen, hat man schon verloren. Wer sich auf die Diskussion einlässt, dass schon bei Minijobs mit Minilöhnen die Spirale auf das niedrigste Niveau zu drehen ist, der sagt damit letztlich nur, dass man auch selbst der Meinung ist, dass man im Wettbewerb nur über den Preis bestehen kann. Genau dieser Meinung, lieber Kollege Kubicki, sind wir eben nicht. Gegen Billiglöhne aus Fernost oder Osteuropa werden wir so nicht konkurrieren können.
Deshalb ist der Ansatz, schon bei der Erhöhung der Pauschalabgabe auf Minilöhne zu meinen, dass diese Löhne dann nicht mehr konkurrenzfähig sind, ein falscher Ansatz. Diese Minilöhne sind weit billiger als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Sie sollten eigentlich hauptsächlich dazu dienen, dass durch Aus- und Weiterbildung die betroffenen Personen in die Lage versetzt werden, wieder in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu kommen. Im Übrigen werden wir uns solche Modelle nächste Woche in Österreich ansehen können. Dort macht man das so, dass man das eine mit dem anderen verbindet. Darüber hinaus sollen sie private Arbeitgeber, die beispielsweise Haushaltshilfen mit wenigen Stunden beschäftigen, in die Lage versetzen, ein legales Arbeitsverhältnis mit seinem Mitarbeiter zu begründen. Hierfür kann durchaus auch ein Satz von 30 % in Ordnung sein. Auf jeden Fall darf man aber nicht den Fehler machen zu meinen, dass wir den Niedrigstlohnsektor mit Minimallöhnen stärken und damit unsere ökonomischen Probleme lösen und die Herausforderungen für unsere Sozialversicherung bewältigen können. Das ist definitiv ein Irrglaube. Deshalb werden wir als SSW dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen können.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Ich habe zwei Wortmeldungen für Dreiminutenbeiträge vorliegen. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Klaus Müller das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Drei kurze Anmerkungen! Lieber Kollege Koch, die Zahlen, die ich hier zitiert habe, waren keine Panikmache, sondern es sind die offiziellen Zahlen der Bundesregierung, des Bundesfinanzmi
nisters. Er rechnet allein in seinen Kalkulationen damit, dass es durch die Regelung 600.000 Minijobs weniger geben wird, und die Knappschaft auch keine grüne Institution - rechnet mit 750.000 Minijobs weniger. Das ist eine reine Referierung von Tatsachen an der Stelle, keine Panikmache. ich bin sicher, ein paar parteiinterne Gespräche in der CDU werden da Klarheit schaffen.
Lieber Lars Harms, auch ich würde gern die Arbeitslosigkeit allein durch mehr Qualifizierung bekämpfen, wunderbar, allein, mir fehlt der Glaube. Es gibt relevante Bereiche, wo dies nur einen ganz begrenzten Erfolg hat. Das heißt nicht, dass man das nicht tun soll, gar keine Frage, aber wir haben im Niedriglohnbereich eine Struktur, die wir in Deutschland beibehalten sollten und die wir zumindest durch diesen Schritt der Bundesregierung gefährdet sehen.
Das Problem ist nicht die Konkurrenz zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.- es stimmt alles, was du da ausgeführt hast -, das Problem ist der Trend zur Schwarzarbeit an der Stelle. Da ist der haushaltsnahe Bereich sicherlich gefährdeter, darum soll da nicht erhöht werden. Aber auch in den übrigen Bereichen, die ungefähr 80 oder 85 % ausmachen, gibt es eine Gefährdung. Das ist der relevante Bereich, um den wir uns an der Stelle Sorgen machen.
Kollege Garg, es ist ja nett, wie stark Sie sich mit grüner Geschichte beschäftigt haben. Ich erzähle gern noch einmal im kleinen Kämmerlein, wie damals 1998 diese Gesetzesvorschläge zustande gekommen sind. Es gab da einen wichtigen Bundesfinanzminister, von dem momentan kaum noch einer etwas hören will, der an der Stelle eine sehr zentrale Rolle gespielt hat. Die grüne Position an der Geschichte ist aber, wir wollen einen progressiven Verlauf der Lohnnebenkosten. Das ist das Progressivmodell. In dieser Konzeption passen unsere Vorschläge wie die Faust aufs Auge und es kommt die Sorge, was durch diesen Vorschlag angerichtet werden kann.
Gerade weil ich damals im Bundestag miterlebt habe, was nach der 98er-Reform zustande gekommen ist - darum wurde es ja korrigiert -, sagen wir heute in einem dringenden Appell an Schwarz und Rot, diesen Schritt nicht zu gehen, weil er nicht das herbeiführen wird, was man sich erhofft, nämlich Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt. Das wäre zu begrüßen, aber unsere große Sorge ist, dass dies genau dieser Schritt nicht herbeiführt. Wir haben die dringende Bitte, das jetzt im Ausschuss nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu vertagen. So könnte man damit natürlich auch umgehen.
Wenn man handeln will, muss die Landesregierung an der Stelle schnell handeln, sonst ist nachher das Klagen groß. Ich glaube, man muss nicht jeden Fehler, den man einmal in der Bundesregierung gemacht hat, unbedingt wiederholen. Zumindest an dieser Stelle wäre das nicht sinnvoll und wünschenswert.