Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein enormes Potenzial an Gästen, die zu einer oder zwei Übernachtungen animiert und vielleicht manchmal auch verführt werden wollen. Der Bereich des Städtetourismus kommt meines Erachtens im Bericht der Landesregierung etwas zu kurz.

Wir sind ein Flächenland mit attraktiven Küsten und liebreizenden Landschaften. Aber wenn der Städtetourismus das Pfund ist, mit dem wir zurzeit wuchern können, dann muss man in ihn auch entsprechend Kraft und Energie stecken.

Als Kieler sehen Sie täglich die einlaufenden Großfähren von Norwegen und Schweden und in der Saison ab April die Kreuzfahrtschiffe. Wenn nur 5 % bis 10 % dieser Gäste eine Übernachtung in der entsprechenden Region vorschalten oder dranhängen, dann können wir enorme Wertschöpfung erzielen. Darum sind - als Kieler Beispiele - das Science-Center oder das historische Zentrum wichtige Attraktionen für Besucher.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch das Thema Ladenschluss gehört in diese Diskussion hinein. Wir wollen die Wettbewerbsbedingungen für unsere Innenstädte verbessern, weil damit auch die Einzelhändler der Innenstädte nachhaltige Vorteile gegenüber Verbrauchermärkten außerhalb der Zentren bekomme. Eine völlige Aufhebung will - glaube ich - fast keiner. Sie wäre auch nicht sinnvoll und nicht vernünftig, weil dann vor allem die riesigen Rund-um-die-Uhr-Supermärkte mit großen Parkplätzen auf der grünen Wiese das Geschäft machen würden. Wir aber wollen lebendige Innenstädte mit einem attraktiven Angebot, wo es sowohl für Einheimische wie für Gäste attraktiv ist, zu flanieren und auch Geld auszugeben.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Fahrradtourimus steht nicht mehr nur für Schüler und Schülerinnen, die einen Campingplatz nutzen, sondern auch für eine anspruchsvolle und zahlungskräftige Klientel. Lieber Jürgen Feddersen, ich bin nicht sicher, ob deine Absage an den sanften Tourismus wirklich so ernst gemeint ist.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Doch!)

Denn sanfter Tourismus ist gerade für zahlungskräftige Klientele attraktiv und reizvoll.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Heiner Garg)

Die Landeshauptstadt Kiel ist gleich hinter Münster zur fahrradfreundlichsten Stadt Deutschlands gewählt worden. Durch die Landeshauptstadt Kiel führt seit Jahren der Ostseeküsten-Radweg, einer der ersten und schönsten Fernradwanderwege. In diesem Frühjahr wird der Nord-Ostsee-Kanal-Radweg mit Start und Ziel in der Landeshauptsstadt durch den zuständigen Minister eröffnet werden. Die Anzahl der Rad fahrenden Urlaubsgäste ist in ganz Deutschland im letzten Jahr um 4,7 % gestiegen. Das ist ein großes Potenzial für SchleswigHolstein, gerade auch im sanften Tourismus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit und Wellness sind die Zukunftsmärkte. Daran arbeiten die Landesregierungen in Schleswig-Holstein schon seit Jahren. Ich freue mich, dass es insoweit eine vernünftige Kontinuität gibt. Zu erwähnen ist der Alte Meierhof in Glücksburg. Die dortigen Investitionen haben sich wirklich gelohnt. Ein anderes Beispiel ist das Hotel „Birke“ in Kiel. Jetzt könnten wir die ganze Debatte nur mit guten Beispielen bestreiten.

Mit Interesse habe ich die Abschnitte zu den regionalen Produkten und der ansprechenden lokalen Küche gelesen. Auch hier gibt es eine gute Kontinuität des zuständigen Landwirtschaftsministers. Aber man wird Schiffbruch erleiden, wenn man nicht konsequent auf gentechnikfreie Produkte und Futtermittel setzt. Kein Verbraucher will Gen-Food essen, erst recht nicht gesundheitsbewusste und zahlungskräftige Urlauber.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Umfassender Service, umweltverträgliche Mobilität und Indoor-Attraktionen wie die Hamburger Wettertage zum Beispiel sind wichtige Angebote für zufriedene Kunden.

In der letzten Woche war zu lesen, dass SchleswigHolstein für Jugendliche das beliebteste deutsche Reiseziel ist, was sicherlich auch an den attraktiven Angeboten an Jugendherbergen liegt. Auch hier gibt es eine gute Kontinuität in der Politik. Das sind gute Meldungen, die uns Mut machen. Diese Gäste wollen wir auch im Erwachsenenalter ansprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gemeinsame Ziel ist klar: Schleswig-Holstein soll auch bei den Erwachsenen mindestens wieder Platz zwei erobern. Wir wollen das mit attraktiven, qualitativen Angeboten bei Wellness, Gesundheit, Kultur, Fahrradtourismus, regional hochwertiger Küche und gutem Service erreichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht geht sehr umfangreich auf die Fördermöglichkeiten ein, die touristische Betriebe in Schleswig-Holstein nutzen können. Schon in den vergangenen Jahren ist der Tourismus mit Fördermitteln massiv unterstützt worden und die neue Landesregierung und wohl auch zukünftige Regierungen werden diesen Weg fortführen.

Schaffe ich hier Investitionen und vernünftige Grundlagen, dann wirkt sich das in hohem Maße auch auf Arbeitsplätze aus. Diese Arbeitsplätze können im Rahmen der Globalisierung nicht ins Ausland verlagert werden. Deshalb trägt gerade der Tourismus zur Stärkung der Binnenkonjunktur bei, die ja Deutschlands Sorgenkind ist. Somit ist jede Investition in den Tourismus eine sehr nachhaltige Investition, die die Binnenkonjunktur stärkt und in besonderer Art und Weise Arbeitsplätze schafft und absichert.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Vor diesem Hintergrund wird die grundsätzliche Festlegung der Landesregierung, im Tourismus weiterhin einen Schwerpunkt vorzusehen, vom SSW ausdrücklich begrüßt.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Wir haben schon in der Vergangenheit festgestellt, dass wir in unserem Land besonderen Nachholbedarf haben, wenn es um größere Ferienanlagen und auch Indoorangebote geht. Weiter haben wir festgestellt, dass zentrale Angebote, die eine weiträumig verteilte Klientel anspricht, sehr gut angenommen werden, weil die Menschen immer mobiler geworden sind. Das heißt, dass größere Investitionen vonnöten sind, wenn man im Wettbewerb bestehen möchte. Hier gibt es - wie man auch im Bericht nachlesen kann - durchaus viel versprechende Ansätze.

Ich möchte auf ein Beispiel eingehen, das zeigt, dass ein Ort durchaus neue Wege gehen kann, ohne seine ursprüngliche Klientel zu verlieren. In Friedrichstadt hat man eine Infrastruktur, die vorwiegend auf Tagestourismus mit kulturhistorischem

(Klaus Müller)

Hintergrund ausgelegt ist. Dies ist auch gut nachzuvollziehen, schließlich handelt es sich hier um eines der wenigen Stadtdenkmale in Norddeutschland.

Nachdem man sich nun in den letzten Jahrzehnten vorwiegend darum bemüht hat, das Stadtdenkmal zu erhalten, werden jetzt immer mehr Ideen geschmiedet, wie man den Tourismus im Ort auf eine breitere Basis stellen kann. Das hat dazu geführt, dass ein privater Unternehmer jetzt in eine Miniatur-Modellbahnanlage investiert und man beispielsweise auch über noch bessere Angebote für Sportboottouristen in der Grachtenstadt nachdenkt. Weiter versucht man, nördlich der Altstadt am anderen Treeneufer eine Golfanlage zu etablieren.

Hier bewegt sich also etwas und man setzt alles daran, mit Investitionen und größeren Vorhaben die vor Ort tätigen Betriebe zu unterstützen. Solche Initiativen müssen unterstützt werden, damit sich hier in einer eigentlich strukturschwachen Region ein kräftiger Wirtschaftszweig entwickeln kann.

Allerdings wird man diesen Schwung und die Professionalität nur aufrechterhalten können, wenn man eine voll funktionsfähige Verwaltung vor Ort mit einer hauptamtlich tätigen Leitung vorhält. Danach sieht es derzeit aufgrund der Vorgaben der Verwaltungsstrukturreform und der Verhandlungen, die vor Ort gelaufen sind, nicht aus. Dieses Beispiel soll zeigen, dass falsche Entscheidungen der Landesregierung durchaus auch mittelbare Auswirkungen auf die Entwicklung des Tourismus haben können. Was man auf der einen Seite aufbaut, reißt die Landesregierung auf der anderen Seite wieder ein, weil gute Verwaltungsstrukturen vor Ort unnötig zerstört werden.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Der Tourismus lebt aber nicht nur von konkreten Investitionen in die Infrastruktur, sondern auch von so genannten weichen Faktoren. Der Touristiker nennt diese Faktoren oft auch Alleinstellungsmerkmale. Die intakte Natur mit Nationalpark, Naturschutzgebieten und auch Naturerlebnisräumen ist ein solcher Faktor.

Aber auch der kulturelle Tourismus spielt hier eine Rolle. Gerade hier verfügen wir mit der sprachlichen Vielfalt über einen einmaligen Reichtum, den es nicht nur aus ideellen Gründen zu fördern gilt, sondern der auch aufgrund von touristischen Erwägungen förderungswürdig ist.

In Nordfriesland gibt es die ersten Schritte in die richtige Richtung. Schon immer waren Straßennamen und oft auch Namen von Hotels oder gastrono

mischen Betrieben friesischsprachig und auch wir als Land Schleswig-Holstein führen zweisprachige Beschilderungen in Nordfriesland ein. Nun gibt es immer mehr Institutionen, die den touristischen Wert dieses kulturellen Reichtums erkannt haben, ohne dass man dafür seine Seele verkaufen muss.

Die Bahnhöfe in Nordfriesland sind durch die Deutsche Bahn AG und die private NEG zweisprachig deutsch/friesisch ausgeschildert worden und die private NOB sagt die Bahnstationen sowohl mit ihren deutschen als auch mit ihren friesischen Namen an. Gerade dies führt zu einer touristischen Unverwechselbarkeit, die für die betreffende Region unheimlich wichtig ist.

Daher kann die Schlussfolgerung nur sein, dass die regionalkulturellen Elemente Friesisch, Dänisch und Plattdeutsch eben auch aus touristischer Sicht förderungswürdig sind. Das machen uns die Rätoromanen in der Schweiz, die Waliser in Großbritannien oder auch die Westfriesen in den Niederlanden schon vor und dies sollte auch in dem zukünftigen Konzept der Landesregierung, das ja Ende Juni vorgestellt werden soll, eine herausgehobene Stellung einnehmen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, SchleswigHolstein ist ein schönes Land, Schleswig-Holstein ist touristisch entwicklungsfähig und SchleswigHolstein ist zu entwickeln. Wir tun gut daran, gemeinsam alles zu unterstützen, damit der Tourismus hier weiterhin blühen kann.

(Beifall bei SSW, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir hier über den Tourismus und seine Chancen sprechen, möchte ich auf eine Tourismusform eingehen, die wieder mehr an Bedeutung gewinnt und das ist der Tagestourismus. Da im Bericht nicht näher auf den Tagestourismus eingegangen wurde, möchte ich eine Lanze dafür brechen, dass sich das namhafte Unternehmensbüro auch dieser Tourismusform annimmt.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als wir den Tagestourismus nicht wollten. Ich komme selbst aus einer touristisch intensiven Region und wir dachten über die Tagestouristen, dass diese nur Un

(Lars Harms)

ruhe stiften und Müll hinterlassen würden. Wenn wir für Tagestouristen ein vernünftiges Konzept haben und die Infrastruktur stimmt, dann können wir davon ausgehen, dass die Tagestouristen den Gast von morgen darstellen, der vielleicht gerne wiederkommt. Vor dem Hintergrund der wachsenden Zahlen im Tagestourismus, über die neulich überall in der Presse zu lesen war, möchte ich darum bitten, dass der Aspekt Tagestourismus besondere Berücksichtigung findet.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Garg entnehme ich, dass eine Ausschussüberweisung gewünscht ist. Es ist also beantragt, den Bericht der Landesregierung Drucksache 16/638 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Der Hinweis, dass über das Gutachten gegebenenfalls noch zu diskutieren ist, lässt mich fragen, ob die Überweisung zur abschließenden Beratung erfolgen soll.

(Zurufe von CDU und FDP: Abschließend!)

Wer also für die Ausschussüberweisung zur abschließenden Beratung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist dies einstimmig so beschlossen.

Wir kommen damit zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde, Tagesordnungspunkt 1 b:

Aktuelle Stunde