Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie müssten darauf achten, was die beiden Fraktionen dazu sagten. Aber unser Antrag soll an den Ausschuss überwiesen werden. Das wäre aus meiner Sicht ein folgerichtiger Schritt. Denn unser Antrag benennt Leitlinien, die die Landesregierung im Bundesrat und mit den Kommunen im Lande verfolgen soll. Dabei geht es um die Kindergrundsicherung, um die kommunalen Netzwerke, um die Anlaufstellen für Familien, um eine verbesserte Gesundheitsversorgung und um den Bereich der Kindertagesstätten, verbunden mit der Frage, ob und wie es uns gelingt, diese künftig beitragsfrei, zumindest kostengünstiger zu gestalten. Schließlich geht es um die Aufforderung, dass Deutschland vorbehaltlos die UNKinderrechtskonvention ratifiziert, was aus meiner Sicht längst überfällig ist.
Die Armut müssen wir immer wieder aus dem Blickwinkel sehen, dass wir ein reicher Staat sind, der es sich leistet, Kinder in armen Familien aufwachsen zu lassen, und in den Institutionen nicht gegensteuert. Ich denke dabei immer wieder an das Mittagessen für Kinder, das ja notwendig ist. Für mich ist es selbstverständlich, dass wir hungrige Kinder nicht mehr ohne Mittagessen nach Hause schicken. Aber das passiert in den Schulen und in den Kindertagesstätten. Es darf nicht sein, dass die Kinder hungernd, ohne warme Mahlzeit in ihre Familien zurückkehren, nur weil die Eltern nicht mit Geld umgehen können.
Ich möchte noch etwas zu dem Vorschlag sagen, das Kindergeld zu kürzen, um die Kindertagesstätten zu finanzieren. Natürlich klingt es nett zu sagen: Jeder gibt 5 € ab, dann haben wir die kostenlose Kindertagesstätte. Ich zweifele diese Rechnung aber noch an. Außerdem wäre dies - das hat die Frau Ministerin auch gesagt - wieder eine Umschichtung von unten nach oben. Denn diejenigen, die jetzt nicht Kindergeld, sondern die verfassungsrechtlich garantierten Steuerfreibeträge bekommen, würden dieses Modell nicht mitfinanzieren müssen, sondern ihre hohen Steuerfreibeträge behalten. Insofern kann das nicht der gebotene Weg sein. Wir müssen einen Weg weg von den Steuerfreibeträgen hin zur Kindergrundsicherung gehen. Die auf diese Weise erreichte kostenlose Kindertagesstätte zusammen mit der Austeilung von Essen in Schulen und Kindertagesstätten wäre ein gutes Maßnahmenbündel, um Kinder in unserem reichen Land aus der Armutsfalle zu holen, in der sie viel zu oft sitzen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Ich erteile das Wort für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Thorsten Geerdts.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zahlen sind in der Tat alarmierend. Ich nenne sie noch einmal. 64.000 Kinder in Schleswig-Holstein gelten als relativ arm. In Deutschland wird die Zahl auf circa 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche geschätzt. Machen wir uns nichts vor: Die Teilhabe vieler dieser Kinder am gesellschaftlichen Leben ist in der Tat gefährdet. Das ist sozialer Sprengstoff für unsere Gesellschaft.
Ich danke der Landesregierung für den mündlichen Bericht. Er macht aus unserer Sicht noch einmal die Ziele unseres Handelns deutlich. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass Familien mit Kindern sozial nicht benachteiligt werden. Die Kinderarmut soll aktiv bekämpft werden. Wir müssen uns überlegen, welche Beiträge wir von Schleswig-Holstein aus leisten können. Die Betreuung von Kindern muss bedarfsgerecht fortentwickelt werden. Das geht allerdings nur gemeinsam mit den Kommunen. Dies wird das spannende Feld der nächsten Jahre sein.
Armut grenzt aus. Es ist wichtig zu betonen, dass es nicht nur um einen Mangel an materiellen Dingen geht. Häufig gibt es Defizite zusätzlich auch in ganz anderen Bereichen. Ich nenne die Bereiche Bildung und Erziehung. Zusätzlich nenne ich all die Bereiche des Gesundheitswesens. Die dortigen Probleme sind gravierend. Daran hängt eine Kette von beengten Wohnverhältnissen, vernachlässigten Stadtteilen, Problemen in der Schulbildung bis hin zu schlechteren Startchancen im beruflichen Leben.
Für viele heute in Armut lebende Kinder und Jugendliche besteht die Gefahr, auch als erwachsene Personen ausschließlich auf soziale Transferleistungen angewiesen zu sein.
Ich bleibe dabei: Wir können uns eine Gesellschaft nicht leisten, in der Familien über Generationen hinweg ohne Arbeit und im Sozialgeldbezug leben müssen.
Machen wir uns nichts vor: Schauen wir in die Stadtteile hinein. Wir haben schon über Generationen hinweg Familien, die nichts anderes mehr kennen als den Bezug von Sozialtransfermitteln. Wie sollen wir den jungen Menschen in diesen Familien eigentlich klarmachen, dass sie in dieser Gesellschaft gebraucht werden, wenn sie feststellen, dass
Ich wiederhole: Das Thema „Bekämpfung der Kinderarmut“ ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das sage ich auch in dieser Debatte. Die Aufgabe kann nicht allein von den Sozialpolitikern gelöst werden.
Nur 25 % der Frauen in Deutschland sind vollzeitbeschäftigt. Insbesondere Frauen halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland für nicht gegeben. Daher müssen wir uns daran messen lassen, ob es uns gelingt, die Verkrustungen unseres bundesdeutschen Arbeitsmarkts aufzubrechen.
Wir reden immer über Teilzeit und über familienfreundliche Arbeitszeiten. Im Moment sind noch viele Frauen, insbesondere Frauen mit Kindern, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.
Zu unseren vordringlichsten Aufgaben gehören aus Sicht der CDU-Fraktion die Bekämpfung der Kinderarmut, aber auch die Bekämpfung von Gewalt in Familien, die Bekämpfung der Vernachlässigung von Kindern und die Sicherstellung eines niedrigschwelligen Hilfs- und Beratungsangebots, und zwar wohnortnah. Die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien müssen überhaupt die Chance haben, Beratung und Hilfe zu erhalten.
Kinder in Schleswig-Holstein sollen gesund aufwachsen. Wir brauchen Frühwarnsysteme zwischen der Jugendhilfe und den Gesundheitsämtern. Wir können uns umschauen, wo es vor Ort ganz konkret klappt. An dieser Stelle gibt es mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine deutliche Übereinstimmung.
Um der Gewalt in den Familien vorzubeugen, es nicht zu Überforderungen junger Eltern kommen zu lassen, benötigen wir frühe Hilfen für Familien. Sie sind einer der Bausteine im Kinder- und Jugendhilfe-Aktionsplan. Es ist hilfreich und gut, dass auch die Grünen sagen, dass sie diesen Ansatz unterstützen.
Wir brauchen in jedem Kreis, in jeder kreisfreien Stadt ein enges Zusammenwirken von Arztpraxen, Kliniken, Kirchengemeinden, Kindertagesstätten, Schulen, Beratungs- und Frühförderungsangeboten, weil wir eben keine Gesellschaft werden dürfen, in der man wegschaut, wenn Kinder in Not sind. Ich sage: In vielen Stellen in dieser Gesellschaft schauen viel zu viele Menschen immer noch weg.
Gerade für die sozial Schwächeren benötigen wir eine ganzheitliche Bildung. Daher auch an dieser Stelle noch einmal: Wir brauchen Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein. Wir brauchen mehr Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein. Daran müssen wir arbeiten.
Das hat selbstverständlich auch etwas mit einer konkreten Verpflegung über Mittag zu tun. Auch sie wird benötigt.
Von dieser Landesregierung erwarten wir Weiteres: dass unsere Kinderschutzzentren gemeinsam mit den Verantwortlichen auf kommunaler Ebene dauerhaft abgesichert werden.
Wir müssen sicherstellen, dass zur Bekämpfung von Gewalt und Vernachlässigung die Kinder- und Jugendtelefone und die Elterntelefone erhalten bleiben. Auch mit der grünen Forderung, die Erziehungsfähigkeit der Eltern zu steigern, laufen sie bei uns offene Türen ein.
Wir brauchen so genannte Elternschulen, um die Defizite bei jungen Vätern und Müttern abzubauen, damit sie ihren Erziehungsauftrag wahrnehmen können. Ich will an dieser Stelle betonen: Wenn wir über Elternschulen reden, habe ich manchmal den Eindruck, wir reden nur über Defizite, die es bei Müttern gibt. Väter stehen auch in der Verantwortung und müssen mit in diese Elternschulen hinein.
Wir müssen die Kommunen und die Träger unterstützen, die teilweise auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Ich bin Vorsitzender des Kinderschutzbundes in Neumünster. Wir haben tagtäglich Kinder, die ohne Mittagsverpflegung irgendwie durchs Leben kommen. Wir müssen diese Träger ermutigen, ihre Angebote weiter aufrechtzuerhalten. Wir bekommen von Woche zu Woche mehr Kinder. Wir bekommen sie nicht durch den Schulalltag, wenn es uns nicht gelingt, für eine vernünftige Mittagsversorgung zu sorgen. Aber ich sage auch: Die Hauptforderung geht an das Elternhaus. Das muss Politik auch noch einmal formulieren.
Ich bleibe dabei: Kinderarmut kann man nur mit einem Bündel von Maßnahmen ressortübergreifend bekämpfen. Dazu zählt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das hat ganz konkret etwas mit dem Thema Armut zu tun. Die Mitverantwortung der Tarifvertragsparteien. Unternehmer und Arbeitgeber gemeinsam. Flexible Betreuungsangebote. Ich träume auch davon, dass wir sie schrittweise kostenfrei hinbekommen. Aber das wird ein langer und steiniger Weg. Wer diesen Weg nicht gehen will, hat alles schon aufgegeben. Dazu habe ich noch keine Lust.
Ja. - Wir brauchen Betreuungsangebote für unter Dreijährige, Eltern- und Familienbildung, verlässliche soziale Frühwarnsysteme bei sozialer Vernachlässigung. Wir sollten auch einmal schauen, wie weit wir schon mit unseren lokalen Bündnissen für Familien in Kiel, in Neumünster und in anderen Kreisen und Städten
Wir sollten uns das anschauen. Ich glaube, wir kommen dort gut voran. Das, was wir dort an Erfahrung haben, sollten wir auswerten und vernetzen. Wir sollten nicht nur sagen, da dümpeln Einzelne vor sich hin.
Frau Präsidentin, es ist etwas länger geworden. Aber es ging dieses Mal um Kinder und Jugendliche. Dafür habe ich gern einmal ein paar Minuten überzogen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Geerdts. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Siegrid Tenor-Alschausky.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht. Man kann Ihnen nur zustimmen, wenn Sie sagen, Armut, vor allem Kinderarmut ist in unserer reichen Gesellschaft ein Skandal.
Es ist nicht hinzunehmen, wenn es uns nicht gelingt, allen Kindern ein Aufwachsen in materiell und sozial gesicherten Verhältnissen zu ermöglichen.