Jetzt sind Sie an der Regierung. Was passiert? - Die Oberflächenwasserabgabe wird nicht zurückgenommen, sie bleibt, nur wird sie nicht mehr für den Naturschutz und auch nicht mehr für den Wald ausgegeben, sondern sie wird jetzt zur Deckung des Haushalts in den allgemeinen Haushalt überführt. Das ist die Wahrheit der Christdemokraten in diesem Lande in Schleswig-Holstein!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit wir hier bei der Frage, wann wir frühere Aussagen zu korrigieren haben, immer schön bei der Wahrheit bleiben, Herr Kollege Hentschel: Die CDU hat ein Wahlprogramm formuliert, für das sie Verantwortung trägt, in dem steht, dass wir anstreben, die Oberflächenwasserabgabe abzuschaffen. Ausdrücklich haben wir dort aber auch gesagt, dass das in der jetzigen finanzpolitischen Lage nicht möglich ist. Wir werden es erst dann machen können, wenn sich die Finanzlage des Landes nachhaltig gebessert hat.
Vor diesem Hintergrund - Ihnen gehen ja manchmal die Pferde etwas durch, Herr Kollege Hentschel - fordere ich Sie auf, dass Sie in dem Punkt Ihre Aussage zurücknehmen und sich beim Ministerpräsidenten des Landes entschuldigen, damit wir hier im Haus einen gewissen Stil miteinander wahren können.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/649 dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich erteile zunächst der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinderarmut in einer reichen Gesellschaft ist ein Skandal, ein Skandal, der sich nicht in einer fünfminütigen Debatte abhandeln lässt, zumal Armut viele Gesichter hat.
Was Kinder zu armen Kindern macht, ist nicht allein der Mangel an Geld, das ist ein Mangel an Zuwendung, ein Mangel an Förderung, ein Mangel an gesunder Entwicklung, das ist letztlich auch ein Mangel an Selbstwertgefühl aufgrund der Rahmenbedingungen, in denen diese Kinder leben. Deshalb wird Armut zunehmend auch mit Fragen der Bildungsbeteiligung, Stichwort Sprachförderung, gesunden Entwicklung und Chancengerechtigkeit in Verbindung gebracht. Deshalb ist es auch so wichtig, den gesetzlichen Anspruch von Kindern auf Entwicklung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit in einem Gesetz, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, rechtlich verankert zu haben.
Dieser gesetzlichen Verankerung dieses Anspruchs von Kindern auf Entwicklung muss natürlich eine entsprechende leistungsfähige Infrastruktur folgen. Wir haben in Schleswig-Holstein eine leistungsfähige Infrastruktur öffentlicher und freier Träger und wir haben Verbände, die das Thema Kinderarmut nicht nur thematisieren, sondern mit konkreten Maßnahmen angehen. Mein Respekt gilt diesen Trägern.
Die öffentlichen und freien Träger des Landes sollen wissen, dass die Landesregierung sie in der Bekämpfung der Kinderarmut unterstützt. Deshalb haben wir in Anlehnung an den Nationalen Plan für ein kindgerechtes Deutschland einen eigenen, einen schleswig-holsteinischen Kinder- und Jugendaktionsplan entwickelt, der die Schlüsselthemen und -probleme der Entwicklung von Kindern aufgreift, bearbeitet und mit konkreten Projekten die Infrastruktur im Land unterstützen hilft, ge
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kinder und ihre Familien brauchen Infrastrukturen, sie brauchen aber auch finanzielle Transferleistungen. Wir wissen inzwischen aus der öffentlichen Debatte und aufgrund einer Anfrage im Bundestag, dass Jahr für Jahr 100 Milliarden € für finanzielle Transferleistungen an Familien ausgegeben werde. Das ist eine Debatte, die von der Analyse ausgeht, dass wir eher eine Streuwiese als eine zielgerichtete Förderung im Bereich der Familienpolitik haben. Das hat damit zu tun, dass dies eine historisch gewachsene finanzielle Transferpolitik ist, die von unterschiedlichsten Leitbildern von Familien und Frauen ausgeht und deshalb nicht auf eine klare Orientierung ausgerichtet ist. Umsteuern tut Not - das scheint die Erkenntnis in allen Parteien zu sein. Eine neue Orientierung dafür tut auch Not und deshalb brauchen wir diese Debatten.
Diese Umschichtung wird nicht einfach werden, sie ist schwierig. Das zeigt allein die derzeitige öffentliche Debatte um das Kindergeld. Man könnte in der Tat mit 5 € weniger Kindergeld kostenfreie Infrastruktur im Bereich der Kindertagesbetreuung zur Verfügung stellen. Wie sensibel es aber ist, selbst im Bereich der Familienpolitik zu Umsteuerungen zu kommen, zeigt die Kritik an diesem Vorschlag: linke Tasche, rechte Tasche, Familien zahlen selbst, was zukünftig für sie kostenfrei sein soll. Auch hier gilt, es darf keine Tabus geben, wenn man sich mutig einer Neustrukturierung widmen will. Aber dass die Diskussion sehr komplex ist, zeigt die Debatte um das Kindergeld. Denn selbst wenn man es so machen würde, hätte man eine Umverteilung von unten nach oben. Das ist etwas, was man sozialpolitisch nicht allen Ernstes haben will.
Wenn es um die Umstrukturierung dieser Leistungen geht, dann muss man das Thema Armutsbekämpfung von Kindern nach meiner festen Überzeugung im Blick haben. Deshalb ist es wünschenswert, eine Konzentration der Mittel im Wesentlichen auf zwei Bereiche vorzunehmen: erstens auf eine verlässliche, eine bezahlbare mittelfristig sogar kostenfreie Infrastruktur. Dies betrifft nicht nur Kindertageseinrichtungen, sondern auch Ganztagsschulen und natürlich die darüber hinausgehende Förderung der Erziehung in der Familie mit Ihrer reichhaltigen Angebotsstruktur von der Familienbildungsstätte bis zur Erziehungsberatungsstelle. Das ist der eine große Komplex. Der andere große
Komplex könnte sein - ich weiß, das ist ein ziemlich radikaler Vorschlag - die Grundsicherung für Kinder.
Das ist deshalb schlüssig, weil wir bislang unsere finanziellen Transferleistungen für Familien eher an der Lebensform der Eltern ausrichten. Dieses führt dazu, dass wir immer mehr Geld in das System geben, aber dass die Sorgen und Nöte der Eltern an der Basis die bleiben, die zurzeit bestehen. Es fehlt an Geld, wenn sie Kinder haben, das Armutsrisiko ist groß und es fehlt an bezahlbarer Infrastruktur. Man könnte diese Probleme lösen und gleichzeitig damit auch ein ganzes Stück das Problem der Armut von Kindern in einer reichen Gesellschaft.
Ein weiteres Thema, ein Schlüsselthema zur Bewältigung der Kinderarmut, ist - das ist allen klar - dass Kinderarmut mit der Armut der Eltern zu tun hat. Auch wenn ein Mangel an Geld - wie ich hier dargelegt hat - nicht automatisch bedeutet, dass die Kinder auch ansonsten nicht gut aufwachsen, bedeutet ein Mangel an Geld ein Risikofaktor. Vor diesem Hintergrund ist das Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit der Eltern ein Schlüsselthema für die Bewältigung von Kinderarmut, müssen wir das Thema Bewältigung von Kinderarmut sehr weit sehen.
Ich begrüße, dass die vorliegenden Anträge dies tun. Ich denke, dass wir in den Ausschussberatungen weitere Bausteine auf dieser Handlungsebene miteinander diskutieren können.
Ich danke der Frau Ministerin. - Geschäftsleitend gebe ich bekannt, dass sich die Redezeit der Fraktionen um eine Minute verlängert hat.
Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, haben Sie vielen Dank für diesen ausgesprochen politisch guten Beitrag. Sie haben zwar nicht die Fragen beantwortet, die CDU und SPD beim letzten Mal gestellt haben beziehungsweise um deren Beantwortung sie in dieser Sitzung gebeten hatten,
Aber die politische Aussage Ihres Beitrages ist nicht nur richtig, sondern aus meiner Sicht auch wegweisend, weil es gerade in der Familienförderung endlich darum gehen muss, Schwerpunkte zu beschließen, sich darauf zu konzentrieren und die Schwerpunkte zu benennen. Aus meiner Sicht sind es die beiden Schwerpunkte, die Sie genannt haben.
Zum einen ist es eine Kindergrundsicherung, die zum ersten Mal in Deutschland sicherstellen würde, dass jedes Kind in unserem Staat gleich viel wert ist. Heute ist das nicht so. Noch immer bekommen die besser verdienenden Eltern vom Staat mehr Geld über Freibeträge und auf anderem Weg. Insofern muss es hier zu einer Umsteuerung kommen, nämlich zu einer Kindergrundsicherung.
Zweitens ist die Infrastruktur zu nennen. Wir brauchen dringend eine Konzentration auf die Infrastruktur. In Berlin wird die Debatte über die kostenlose Kindertagesstätte geführt. Das ist immer einfach in die Schlagzeilen zu packen, aber in der Konkretisierung schwer zu machen. Genau diese Infrastruktur von der Kindertagesstätte bis zur Schule und zu den Familienangeboten muss der zweite zentrale Eckpfeiler sein.
Sie haben auch einen dritten Punkt genannt. Das ist die Arbeitslosigkeit oder der dringende Handlungsbedarf bei Familien, die in der dritten Generation staatliche Leistungen beziehen. Die müssen da herausgeholt werden.
An dieser Stelle denke ich auch an die Debatten über Ein-Euro-Jobs, Kombilöhne, Mindestlöhne. Solche Debatten sind wichtig und richtig, weil es für Eltern notwendig ist, morgens zur Arbeit zu gehen, abends nach Hause zu kommen und ihren Kindern deutlich zu machen, dass dies das normale Leben ist und dass es nicht normal ist, nicht gebraucht von morgens bis abends gefrustet in der Wohnung zu sitzen.
Wir hatten in der letzten Landtagstagung ursprünglich beabsichtigt, dass die Landesregierung die Mittel, die im Haushalt stehen, für einen umfassenden Armutsbericht verwendet. Die Ministerin hat uns letztes Mal aber überzeugt, als sie sagte, sie brauche das Geld für die Landesplanung für Menschen mit Behinderung. Sie hat von Aktivitäten in neuer teurer Berichtserstellung gesprochen. Wir haben uns auf diesen Weg eingelassen.
Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie müssten darauf achten, was die beiden Fraktionen dazu sagten. Aber unser Antrag soll an den Ausschuss überwiesen werden. Das wäre aus meiner Sicht ein folgerichtiger Schritt. Denn unser Antrag benennt Leitlinien, die die Landesregierung im Bundesrat und mit den Kommunen im Lande verfolgen soll. Dabei geht es um die Kindergrundsicherung, um die kommunalen Netzwerke, um die Anlaufstellen für Familien, um eine verbesserte Gesundheitsversorgung und um den Bereich der Kindertagesstätten, verbunden mit der Frage, ob und wie es uns gelingt, diese künftig beitragsfrei, zumindest kostengünstiger zu gestalten. Schließlich geht es um die Aufforderung, dass Deutschland vorbehaltlos die UNKinderrechtskonvention ratifiziert, was aus meiner Sicht längst überfällig ist.