Protokoll der Sitzung vom 24.03.2006

- Deshalb sage ich das ja. Frau Kollegin, ich biete hier Unterstützung an. Sie haben das völlig falsch verstanden. Wenn die kleinen Gemeinden noch nicht gehört haben, was der SSW will, dann will ich gern dazu beitragen, dass dies passiert.

Noch eine Bemerkung an diejenigen, die uns oben zuhören: Ich finde es schade, dass wir eine halbe

Stunde über etwas reden, was Ende April - wie in jedem Terminplan nachlesbar - das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird. Ich finde es ein bisschen gewagt, vom Innenminister zu erwarten, dass er sich zu diesem Zeitpunkt vor das Parlament stellt, um etwas zu verkünden, was das Kabinett noch nicht beschlossen hat. Ich finde das nicht in Ordnung.

Herr Kollege Hentschel, dass landauf, landab diskutiert wird, ist völlig klar. Sie tragen ja Ihren Teil dazu bei. Das ist auch völlig in Ordnung. Grundlage dessen, worüber wir letztlich aber zu entscheiden haben, wird das sein, was das Kabinett Ende April vorlegt. Vorher sollten wir - jedenfalls hier unsere Zeit damit nicht verplempern.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag rufe ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki auf.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wie immer doch sehr geistreichen Anmerkungen des Kollege Astrup geben mir Veranlassung, darauf hinzuweisen, dass wir mit dem etwas vordemokratischen Parlamentsverständnis hier nicht weiter kommen, Kollege Astrup. Wenn wir uns den Fahrplan der großen Koalition angucken und sehen, dass Sie für 2009 etwas vereinbart haben, dann aber sagen, wir sollen alle so lange warten, ist das doch kindisch. Das wissen Sie doch auch! Im Übrigen möchte ich mich auf die Äußerungen des Innenministers beziehen, die ich - soweit ich sie verstanden habe - durchdacht habe. Er sagte, man wolle die kommunale Familie durch Aufgabenübertragung vom Land auf die Kreise und kreisfreien Städte stärken. Andererseits wolle man aber auch nicht zur Atomisierung des Sach- und Fachverstandes beitragen, der in den bisherigen Landesämtern organisiert ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wollen Sie den Kreisen etwas übertragen, ihnen aber nicht erlauben, die Art und Weise, wie sie die Aufgabenbewältigung organisieren, selbst zu gestalten. Die wollen Sie ihnen vorschreiben.

Herr Innenminister, wenn man das weiter durchdenkt, dann heißt dies, dass Synergieeffekte gehoben werden. Das heißt, dass Sie bei der Übertragung selbstverständlich darauf achten werden, dass das Land Einsparmaßnahmen realisieren kann. Diese Einsparmaßnahmen kann das Land nur realisieren, wenn Sie die Personalhoheit auf die Kreise

(Holger Astrup)

oder die Regionalverbände übertragen und denen erklären: Dadurch, dass ihr Aufgaben zusammenlegen oder Personal besser organisieren könnt, habt ihr Einsparmöglichkeiten. Was das Konnexitätsprinzip angeht, so übertragen wir euch jetzt nicht 100 % der Mittel, sondern nur in etwa 80 %. Wenn ihr Kreise das nicht macht, das müsst ihr ja nicht, dann machen wir im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs einen erneuten Vorwegabzug. Das heißt, wir kürzen euch den kommunalen Finanzausgleich um weitere 20 %, weil ihr sonst die Synergieeffekte nicht hebt.

Das nenne ich tatsächlich eine Stärkung der kommunalen Familie. Sie wollen nichts anderes machen, als den Landeshaushalt zu sanieren - auf Kosten der kommunalen Familie. Das verkaufen Sie als Verwaltungsstrukturreform. Herr Kollege Dr. Wadephul, denken Sie doch einmal ein bisschen weiter. Der Kollege Hentschel hat Recht. Sie können Synergieeffekte doch nur erzielen, wenn Sie Aufgaben, die bisher bei den Kreisen organisiert worden sind, auf die regionalen Einheiten übertragen. Sonst gibt es keine Synergieeffekte. Sie könnten auf Landesebene selbst Einsparmöglichkeiten organisieren, indem Sie Personal abbauen, Aufgaben reduzieren oder was auch immer. Wenn Sie aber Synergieeffekte heben wollen und auf diese Art und Weise einen wesentlichen Bestandteil der bisherigen Kreisaufgaben auf eine andere Ebene verlagern, dann stellt sich in der Tat die Frage, welche Funktion die Kreise eigentlich noch ausüben sollen, außer dass man dort den Landrat weiter beschäftigt und die dortigen Kreistagsabgeordneten das Gefühl haben, sie dürfen sich treffen und miteinander schwatzen. Alles andere ist von ihnen nicht mehr zu entscheiden. Das ist keine wirkliche Strukturreform.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist, Sand in die Augen der Menschen zu streuen. Das ist auch, Sand in die Augen der Kommunalvertreter zu streuen, die Sie eigentlich überzeugen wollen. Sie müssen schon ein schlüssiges Konzept vorlegen. Das erwarte ich von Ihnen nach dem 25. April diesen Jahres. Das kann nicht darin bestehen, dass Sie sagen, wir übertragen nur die Personalhoheit der bisherigen Ämter und wir übertragen Verwaltungsgebäude. Ihr als kommunale Familie kriegt aber weniger Geld von uns, weil ihr die Synergieeffekte bei euch selbst heben müsst, die wir im Moment nicht organisieren können.

(Beifall bei FDP und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte die Bemerkung des Kollegen Astrup einfach so abtun können: Ach, Holger!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Würde ich ein- fach machen!)

Ich kenne ihn so lange, dass ich weiß, dass das eigentlich eine angemessene Reaktion wäre. Dennoch möchte ich einiges klarstellen. Ich finde, es ist fast etwas perfide, mir in den Mund zu legen, dass der SSW die kleinen Kommunen und die Kommunalpolitiker abschaffen will.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Wollt ihr doch!)

- Ja, man muss aber hören, was ich sage! Dem SSW geht es darum, transparente Strukturen zu schaffen, die es den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vor Ort auch ermöglichen, kommunales Geschehen vor Ort zu gestalten.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Das machen sie doch!)

- Lieber Kollege Feddersen, wie viel Finanzvolumen kann ein Kommunalpolitiker in einer kleinen Kommune mit 123 Einwohner bewegen? Das frage ich.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

- Ach, bitte sehr!

(Holger Astrup [SPD]: Wollt ihr sie abschaf- fen oder nicht?)

- Wir wollen die Kommunalpolitik stärken. Wir wollen die Selbstverwaltungskräfte stärken. Das ist heute nur möglich, indem man Strukturen der Wirklichkeit anpasst. Es ist heute nicht mehr möglich, das durchzuhalten, was wir seit 100 Jahren in diesem Land haben. Das ist nicht mehr möglich.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Nun zu den Kreisen. Kollege Astrup, ich sage es zum letzten Mal. Der SSW tritt dafür ein, dass Ämter gleich mit politischen Gemeinden werden, und zwar nicht, um die Kommunalpolitik abzuschaffen.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist aber das Er- gebnis!)

(Wolfgang Kubicki)

- Ich bitte Sie! Ich denke, ich bin im völlig falschen Film. Daher will ich gar nicht weiter diskutieren. Entschuldigung, aber Holzköpfe gibt es überall und hier anscheinend auch.

(Beifall beim SSW - Unruhe)

Darum letzter Versuch: Wenn man kommunale Selbstverwaltung, wenn man Kommunalpolitik ernst nimmt, muss man auch sehen, dass Gestaltungsspielräume, Finanzvolumen zu bewegen, vorhanden sind. Das ist bei den jetzigen Strukturen nicht gegeben.

(Beifall beim SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erhält die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da wir fast alle aus dem kommunalen Bereich kommen, können wir alle gut mitreden. Worum geht es bei dieser Debatte? Es geht um die Frage, wie ich in Schleswig-Holstein dazu komme, dass ich effizientere Strukturen in der Verwaltung habe, und wie ich es schaffe, dass die Verwaltungsebene eine demokratische Begleitung und Entscheidungsebene hat. Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben 15 Kreise und kreisfreie Städte, wir haben über 1.000 Kommunen. Da kann man zwei Meinungen vertreten: Die einen sagen, wir brauchen nichts zu ändern, die anderen sagen, wir müssen etwas ändern. Wir gehören zu denen, die sagen, wie etwas geändert werden muss. Wir haben das Modell der Großkreise vorgeschlagen. Frau Spoorendonk hat es noch einmal erwähnt. Das ist ein Modell, das politisch strittig ist, aber es ist in sich schlüssig, weil wir die demokratische Entscheidung und die Verwaltung dazu auf einer Ebene haben. Das ist von daher in sich schlüssig, wenn auch politisch strittig; damit habe ich kein Problem. So ist es im demokratischen Leben.

Das Modell des SSW ist genauso in sich schlüssig. Da ist die Großgemeinde, die viel entscheidet mit einem entsprechenden Finanzvolumen. Das kann man wollen, das kann man nicht wollen; in sich schlüssig ist es.

Bei der großen Koalition haben wir ein Problem. Deshalb führen wir ja heute die Debatte. Der Innenminister reist durch das Land und will jeden Kommunalpolitiker und jede Kommunalpolitikerin von

dem überzeugen, was im Koalitionsvertrag steht. Wenn die FDP dann fragt: „Was verkündet ihr eigentlich im Land? Was heißt das? Wie ist die rechtliche Konstruktion? Wie ist das Budget? Wie ist die gebietsmäßige Ausgestaltung?“, dann beschließt das Parlament erst einen Berichtsantrag - sie wollten anscheinend gemeinsam mit uns den Bericht hören -, aber der Innenminister beantwortet die Fragen nicht. Wenn wir dies dann als unser gutes demokratisches Recht kritisieren und sagen: „Es kann doch nicht sein, dass wir Fragen stellen, die nicht beantwortet werden“, dann sagen Sie: „Lasst uns doch fröhlich bis April abwarten. Die Regierung wird uns im April schon erzählen, wofür sie jetzt im Lande, landauf, landab, im Norden wie im Süden, wirbt.“ - So, meine Damen und Herren, geht es nicht!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Entweder hat die Landesregierung ein Konzept, dann soll sie damit in den Landtag gehen, oder die Landesregierung hat kein Konzept, dann soll sie arbeiten statt herumreisen!

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich will Ihnen auch noch sagen, was die Absurdität dieser Debatte ausmacht. Dadurch, dass es keine Begleitung der Landesregierung bei der Fragestellung gibt, wenn ich schon diese absurden Verwaltungsregionen schaffe, wie ich das vernünftig regional koordiniere, gibt es inzwischen eine Debatte im Land darüber, ob sich nicht die Stadt Norderstedt aus dem Kreis Segeberg herauslöst, um dann gemeinsam mit Neumünster eine Verwaltungseinheit zu bilden. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Das ist keine koordinierte, durchdachte Verwaltungsstrukturreform in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie eröffnen hier Debatten, wie beispielsweise zu Lübeck, in denen es zu einer Auseinandersetzung darüber kommt, ob die Stadt Lübeck vom Umland geliebt wird. Das kann es nicht sein. Wir müssen dringend effektive Verwaltungsstrukturen gestalten.

Wir müssen die demokratische Anbindung sicherstellen und wir brauchen ein Konzept und eine Koordination durch die Landesregierung. Das ist das mindeste, was wir erwarten können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

(Anke Spoorendonk)

Das Wort für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erhält der Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion, Herr Dr. Johann Wadephul.