Protokoll der Sitzung vom 24.03.2006

Aber Rätsel um Wunder bei der großen Koalition sind uns nicht neu.

Worum geht es? Es geht darum, dass wesentliche Aufgaben der Kreise in Zukunft auf die Gemeinden und die Ämter übergehen, weil wir größere und handlungsfähigere Gemeinden und Ämter haben. Die Schulaufsicht ist schon genannt worden. Dann kommt die Bauaufsicht. Es handelt sich sicher auch noch um eine Reihe anderer Aufgaben. Wir haben viele Vorschläge dazu gemacht, was in Zukunft auf die größeren Ämter und Gemeinden übergehen kann. Die Kreise verlieren also einen großen Teil

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

ihrer Aufgaben, insbesondere ihre restlichen Selbstverwaltungsaufgaben.

Weiterhin sollen wesentliche Aufgaben des Landes auf die Kreise übertragen werden. Das haben wir mehrfach gehört. Aber in Wirklichkeit sollen sie gar nicht auf die Kreise übertragen werden. Denn die Gebäude und die Zentralisierung sollen weiterhin so bleiben, wie sie sind. Man muss sich die Behörden einmal angucken: die Katasterämter, die Staatlichen Umweltämter, die Ämter für Arbeitsschutz und Gesundheit, die Straßenbauämter und so weiter. Man stellt fest, dass es in der Regel von dieser Sorte immer vier oder fünf Standorte im Land gibt. Wenn die Verhältnisse also so bleiben, wie sie sind, dann kommt es zu vier oder fünf Regionalbehörden. Das ist so gesagt worden. Aber es wird auch gesagt, die Aufgaben gehen nun auf die Kreise über. Wie soll das funktionieren?

Weiterhin sollen mit den Kreisen Synergien entstehen. Wie können diese Synergien entstehen? Die Antwort ist relativ einfach. Wenn man die unteren Naturschutzbehörden und die Staatlichen Umweltämter zu drei oder vier Regionalbehörden zusammenführt, dann können Synergien entstehen. Das ist logisch. Wenn man die Gewerbeaufsichtsämter mit den Bauämtern zusammenführt und die Aufgaben zusammenlegt, kann man ebenfalls zu Synergien kommen. Auch bei den Versorgungsämtern, Sozialämtern sowie bei den Landes-, Kreisund Gemeindestraßen lassen sich Synergien erzielen, wenn man auf regionaler Ebene eine Zusammenführung macht.

Der ÖPNV wird zum Teil schon regional organisiert. Da braucht man die einzelnen Abteilungen oder Referate in den Kreisen nur zu einem Referat zusammenzulegen, um das Problem zu lösen.

Das Gleiche gilt für die Wirtschaftsförderung, die häufig schon regional organisiert ist. Warum sollten Kreise noch eigene Wirtschaftsförderung betreiben? Im Wesentlichen gibt es ja schon die Wirtschaftsfördergesellschaften, die ohnehin regional organisiert sind. In der Abfallwirtschaft ist es ähnlich.

Wenn man solche Zusammenführungen vornimmt, stellt man fest: Der Prozess, der jetzt eingeleitet wird, wird in wenigen Jahren dazu führen, dass die Kreise keine Aufgaben mehr haben. Wir haben im Lande dann elf Landräte, die eine Art Dezernenten sind. Dabei denke ich auch an Aufgaben, wie wir sie jetzt bei den Gemeinden einführen. Das ist jedenfalls das Ergebnis der Reform. Das alles muss nur noch verfassungsmäßig vernünftig begleitet werden.

Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis die Landesregierung bei diesen Aufgaben kommt, und wünsche ihr viel Spaß.

Zum Schluss zitiere ich den Bürgermeister der Gemeinde Wedel, Niels Schmidt. Er sagte: Das Innenministerium muss mehr Position beziehen. - Das finde auch ich. Weiter: Darüber hinaus stellt sich die Frage, wozu wir noch den Kreis brauchen. - Das finde auch ich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Ich erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden SSW-Antrag soll dem Landtag zumindest in einem Punkt, dem zweistufigen Verwaltungsaufbau des Landes, die klare Option eröffnet werden, den angeschlagenen Reformversuch der Regierung vom Kopf auf die Beine zu stellen. Wie ich bereits in der November-Tagung gesagt habe, hätte die Landesregierung gar nicht erst in den Umbau der Verwaltung einsteigen dürfen, ohne eine vernünftige Gesamtkonzeption zu haben. Was fehlt, sind Analysen und ein Gesamtkonzept. Das wird sich über kurz oder lang rächen.

Die Landesregierung kann nicht schlüssig nachweisen, dass die Kreise in ihrer Aufgabenwahrnehmung versagt haben oder per se für künftige Aufgaben ungeeignet sind. Ohne diesen Nachweis hat die Landesregierung den Entschluss gefasst, den Kreisen den Garaus zu machen. Sie wollte so genannte kommunale Verwaltungsregionen einrichten; früher hießen sie einmal Dienstleistungszentren. An eine mittel- bis langfristige Existenz der Kreise parallel zu den Verwaltungsregionen glaubt hier im Hause und draußen im Lande wohl niemand. Dabei sind sämtliche bisherigen Gutachten und Analysen zur Verwaltungsstruktur des Landes zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Kreise bewährt haben und für die effektive Wahrnehmung weiterer Aufgaben geeignet sind.

Die Einführung der so genannten kommunalen Verwaltungsregionen lehnt der SSW weiterhin ab.

(Beifall beim SSW)

Entscheidungs- und Umsetzungsstrukturen würden zwangsläufig verkompliziert. Das ist aus unserer Sicht ein klarer Fall von Bürokratieaufbau. Die neue Ebene würde eine Sogwirkung auf Aufgaben,

(Karl-Martin Hentschel)

Personal und Ressourcen entwickeln, die die oberen Landesbehörden und Ministerien noch am wenigsten erfassen würden. Vor allem die kommunalen Gebietskörperschaften, also die Kreise, würden die negativen Auswirkungen zu spüren bekommen. Ihnen würde das Wasser abgegraben.

Der ehemalige Präsident des Landesrechnungshofs, Gernot Korthals, weist völlig zu Recht darauf hin, dass das Ergebnis der neuen Verwaltungsregionen eine Zentralisierung der Aufgabenwahrnehmung sein wird. Damit stehen die Verwaltungsregionen in direktem Gegensatz zu dem, was die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen hier im Landtag verkündet haben. Herr Korthals steht ja nun wahrlich nicht in dem Verdacht, dem SSW nahe zu stehen

(Widerspruch bei der SPD)

oder die schleswig-holsteinische Verwaltungsreform mit der dänischen zu verwechseln.

Nun kann man einwenden, dass das letztlich ein Nullsummenspiel ist, egal, ob nun die Kreise oder die Verwaltungsregionen die eine oder andere Aufgabe wahrnehmen, beziehungsweise dass sich im Laufe der Zeit zeigen müsse, welche Aufgabenverteilung geeigneter ist.

Vor einer solchen Auffassung möchte ich allerdings ausdrücklich warnen. Wir müssen im Landtag klare Weichen stellen. Eine Weichenstellung für die Verwaltungsregion, egal, mit welchem anfänglichen Aufgabenzuschnitt, bedeutet, dass der bereits jetzt hohe Anteil an fremdbestimmten Weisungsangelegenheiten zulasten der Selbstverwaltung zunimmt. Wir sollten uns durch das Adjektiv „kommunal“ vor dem Wort „Verwaltungsregion“ nichts vormachen lassen.

Die Aufgaben, die von der Landesebene auf die Verwaltungsregionen übertragen werden, werden weitgehend bis vollständig Weisungsaufgaben unter der Fachaufsicht des Landes sein. Wer etwas anderes verspricht, handelt fahrlässig. Das Konstrukt der Verwaltungsregion ist weder Fisch noch Fleisch.

Der Vorschlag der Grünen dagegen ist immerhin ehrlich. Da erhalten die Großkreise den Status einer Gebietskörperschaft, die originär kommunale Selbstverwaltung ausüben kann und sich somit auch nicht von den demokratischen Gremien verselbstständigen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nachvollziehbar; denn die Dinge hängen zusammen.

Der SSW spricht sich trotzdem klar gegen Großkreise aus, weil sie bewährte Strukturen zerschlagen.

(Beifall beim SSW)

Der SSW spricht sich für die Stärkung der bestehenden Selbstverwaltung in den Kreisen aus.

Das Wort „bewährt“ ist wichtig. Die bewährte kleinteilige Gemeindestruktur wird sich in den kommenden Jahren nicht weiter bewähren können.

Kollege Hildebrand hat im Dezember zu Recht auf die Tatsache hingewiesen, dass die Kreise zu etwa 80 bis 90 % Landesaufgaben erledigen und diese Arbeit über die Kreisumlage finanziert wird. Egal, welche Rechtsform die Verwaltungsregionen erhalten, sie werden über die Kreisumlage von der kommunalen Familie alimentiert werden müssen.

Für Aufgaben, die sich von ihrer Art nicht für eine Kommunalisierung eignen oder wo dies unwirtschaftlich wäre, könnte das Land Verwaltungseinheiten in eigener Trägerschaft errichten oder zusammenführen. Wirtschaftlich gesehen macht das für die Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen keinen nennenswerten Unterschied. Die kommunale Selbstverwaltung in den Kreisen wäre aber klar und eindeutig gestärkt, wenn man dem SSW-Antrag folgt.

(Beifall beim SSW)

Frau Präsidentin, eine letzte Bemerkung. Des Pudels Kern - und in diesen Einführungs- und Testzeiten muss man häufig Goethe bemühen - ist die überfällige Funktionalreform, konkrete Aufgaben von unten nach oben zu verlagern oder sie als kommunale Selbstverwaltungsaufgaben durchzuführen. Das ist der notwendige Schritt. Wir haben dazu Bereiche genannt. Ich denke, über den Rest werden wir im Rahmen der Ausschussberatungen miteinander diskutieren können.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Frau Abgeordneter Spoorendonk. Zu einem Dreiminutenbeitrag erhält Herr Abgeordneter Holger Astrup das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich aus zwei Gründen gemeldet. Erstens will ich den Versuch machen, der verehrten Besucherschar dort oben zu erklären, was hier im Moment passiert ist. Hier stellt sich der verehrte Kollege Hildebrand von der FDP hin und sagt, er

(Anke Spoorendonk)

beklage, dass der Innenminister nichts gesagt habe, heute nichts sagen wolle und auch in Zukunft nichts sagen werde. Das macht er sehr wortreich. Er sagt, wir wollen gern über Inhalte reden, aber der Innenminister sagt ja nichts. Anschließend - in der zweiten Hälfte seiner Rede - beklagt der Kollege Hildebrandt sich darüber, dass das, was der Innenminister nicht gesagt hat, eigentlich Mist sei und dass man das eigentlich generell und durchgehend kritisieren müsse. Er kritisiert also etwas, was er heute gar nicht gehört hat. Das fand ich bemerkenswert.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Hentschel, mit der Zeitung ist das so eine Sache. Darauf komme ich gleich.

Zweitens. Herr Hildebrandt, Ihre Sorge um die Haltung der SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzenden ehrt Sie. Diese Sorge mache ich mir auch. Ich lese aber immer die neuesten Zeitungen. Ich empfehle Ihnen, die „Lübecker Nachrichten“ von heute zu lesen. Da steht zu dem, was Sie, Herr Kollege Hildebrandt, gesagt haben: Widerspruch aus dem Herzogtum. Damit ist wohl Lauenburg gemeint. Hier wird genau das kritisiert, was gestern veröffentlicht worden ist und was offensichtlich nicht ganz den Tatsachen entsprach. Ich kann das, was heute drin steht, bestätigen. Ich war nämlich bei der Veranstaltung dabei.

Ich kann dem nicht so ganz folgen, was andere veröffentlicht haben. Noch eine Bemerkung: Herr Kollege Hentschel, ich habe akustisch nicht alles verstanden.

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann sollte man nicht darüber reden!)

- Ich wollte gerade sagen, warum ich zu den Grünen gar nichts sage.

Frau Kollegin Spoorendonk, der SSW wird den kleinen Gemeinden vor der Kommunalwahl gern erklären, wobei ich Hilfestellung leisten werde, dass sie eigentlich nicht da sein sollen und dass man sie zugunsten einer Großgemeinde abschaffen will. Ich werde gern mithelfen, diese Meinung des SSW -

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das ist nichts Neues, Herr Kollege!)

- Deshalb sage ich das ja. Frau Kollegin, ich biete hier Unterstützung an. Sie haben das völlig falsch verstanden. Wenn die kleinen Gemeinden noch nicht gehört haben, was der SSW will, dann will ich gern dazu beitragen, dass dies passiert.