Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dies ist auch eine konkrete und praktische Frage, denn die Bürgerinnen und Bürger möchten zum Beispiel wissen, welche öffentlichen Mittel in städtischen GmbHs, die zum Beispiel ein Schwimmbad führen, verwendet werden. Wie läuft hier die praktische Politik? Woher kommen vielleicht Defizite, die man so nicht verstehen kann? Alles im allem werden hier einmal mehr die Mantren der Verwaltungsmodernisierung und der Bürgerfreundlichkeit beschworen, Herr Staatssekretär Schlie. Wenn es aber dann konkret um „Butter bei die Fische“ geht, dann ist dies ein Rückschritt. Hier wird keiner Entbürokratisierung das Wort geredet, sondern einer Entinformationspflicht. Es geht also nicht um Informationsfreiheit, sondern um Informationsverhinderung. Es tut mir Leid, wir können dieses Gesetz keineswegs begrüßen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Ich freue mich darüber, dass der Kollege Rother zumindest die Schwierigkeiten in dem vorliegenden Gesetzentwurf aufgezeigt hat. Das war gut und redlich. Ich hoffe, dass dies in den Ausschussberatungen Früchte tragen wird. Ich freue mich darüber, dass sowohl der Herr Oppositionsführer als auch die Kollegin Lütkes konkret auf den vorliegenden Gesetzentwurf eingegangen sind. Ich brauche also nicht alles zu wiederholen. Ich möchte aber noch einmal deutlich machen, dass wir in Schleswig-Holstein mit dem Informationsfreiheitsgesetz aus dem Jahre 2000 in der Bundesrepublik wirklich Vorreiter in Sachen Informationsfreiheit wurden. Dieses Gesetz wurde damals mit den Stimmen von SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag beschlossen. Auch dies möchte ich wiederholen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine erste Evaluation des Gesetzes aus dem Jahr 2002 von dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz macht allen Unkenrufen zum Trotz aus, dass dieses Gesetz eigentlich sehr gute Noten erhalten hat. So unterstrich das ULD, dass

„negative Konsequenzen aus der größeren Offenheit der Behörden nicht bekannt waren“

„die befürchteten Abgrenzungsprobleme zu anderen Gesetzen sich in den weitaus meisten Fällen nicht gestellt haben.“

Das alte Gesetz hat also gut funktioniert. Es funktioniert immer noch gut. Als der SSW Anfang 2005 eine Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes einbrachte, ging es wirklich nicht darum, dass das bestehende Gesetz schlecht war oder nicht funktionierte. Der Grund war bekanntlicherweise, dass es eine neue EU-Richtlinie gab, die vorsah, den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen zu erweitern. Die Vorgaben dieser Richtlinien sollten bis zum 14. Februar 2005 von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union umgesetzt werden. Wir hatten den Gesetzentwurf schon Anfang 2005 eingebracht. Im Frühjahr letzten Jahres haben wir ihn noch einmal dem Landtag vorgelegt.

(Anne Lütkes)

Hierbei ging es uns insbesondere darum, dass der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen auch auf öffentliche Aufgaben erweitert wird, wenn diese privatisiert werden. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Wir wollten dies aber nicht nur auf Umweltinformationen beschränkt wissen. Wir waren und sind der Auffassung, dass alle Bereiche, in denen öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden, einbezogen werden sollten. Daher wollten wir kein gesondertes Gesetz für Umweltinformationen. Unser Gesetzentwurf sah vor, dass die Vorgaben der neuen Umweltrichtlinie in das bestehende Informationsfreiheitsgesetz eingearbeitet werden.

Der Innenminister legt nun dem Landtag die notwendige Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes vor. Dankenswerterweise geschieht dies nicht mit einem gesonderten Gesetz. Das will ich hier ausdrücklich loben. Dennoch ist der SSW von dem vorliegenden Gesetzentwurf schwer enttäuscht, denn im Verhältnis zum Status quo in SchleswigHolstein ist das Gesetz kein Informationsfreiheitsgesetz, sondern eher ein Informationszugangsbeschränkungsgesetz. Dies will ich gern im Einzelnen erläutern:

Nach dem jetzigen Gesetzesstand können die Bürgerinnen und Bürger Informationen nach der detailliert ausgeführten Umweltinformationsrichtlinie direkt abfragen. Weiter können sie auch schon nach dem bestehenden Informationsfreiheitsgesetz zumindest in einigen Bereichen sonstige Informationen abfragen, auch wenn sie bei privatrechtlichem Handeln von Behörden und bei der Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben durch Private anfallen. Dies war zwar bisher umstritten, weshalb wir es auch gesetzlich genau festlegen wollten, aber es war schon immer möglich.

Genau dies soll nun gänzlich wegfallen, sodass man künftig zwar weiter Umweltinformationen weiter bei privatrechtlichen Tätigkeiten abfragen kann, übrige Informationen aber nicht. Das ist unlogisch. Es wurde schon gesagt, somit gibt es zwei unterschiedliche Arten von Informationen. Das Gesetz würde so dazu führen, dass die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger, an Informationen zu gelangen, schlechter werden, als dies ohne Verabschiedung des Gesetzes der Fall ist.

Ich gucke auf die Uhr und muss leider einiges weglassen. Wir werden im Ausschuss noch einmal detailliert darüber debattieren müssen.

Eine letzte Bemerkung noch: Lieber Herr Innenminister, geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie dieses Gesetz zur Chefsache und sorgen Sie dafür,

dass Schleswig-Holstein in Sachen Informationszugang weiterhin ein Vorbild für ganz Deutschland bleiben wird.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksachen 16/722 an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Sonderbericht des Landesrechnungshofes zu Ausgliederungen aus dem Landeshaushalt und Zahlungsverpflichtungen des Landes

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/647

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/687

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren übertragen Bund, Länder und Gemeinden immer mehr Aufgaben auf andere Organisationen. Selten jedoch trennen sie sich von diesen Aufgaben. Sie lassen sie nur von anderen erledigen und bezahlen dafür mit öffentlichem Geld. Häufig entziehen sich dann aber die Zahlungsströme und die finanziellen Risiken dem Blick der Parlamente, die letztlich verantwortlich über die öffentlichen Finanzen zu entscheiden haben. Wofür wir als Haushaltsgesetzgeber das Geld im Einzelnen bezahlen, berichten uns die beauftragten Organisationen regelmäßig im Nachhinein. Je mehr Geld sie vom Land bekommen, um so farbenprächtiger sind ihre Berichte, Herr Finanzminister.

Selbstverständlich sind die Organisationen immer davon überzeugt, sie arbeiteten effektiv und effizient. In vielen Fällen können solche Ausgliederungen sinnvoll sein, nämlich immer dann, wenn die

(Anke Spoorendonk)

Aufgaben effektiver und effizienter oder wenigstens effizienter erfüllt werden können.

In welchen konkreten Fällen das sinnvoll ist, sollte jedoch genau geprüft werden, und zwar nicht nur in der Euphorie der Planungsphase, wenn alle mit leuchtenden Augen auf wirkungsvoll gestaltete Präsentationen blicken, sondern auch später, Frau Kollegin Heinold, wenn wir uns beispielsweise die Entwicklung des Energiebereichs einmal anschauen. Ob es tatsächlich sinnvoll war, eine Aufgabe auszugliedern, kann erst festgestellt werden, wenn die Erfüllung der Aufgabe regelmäßig kontrolliert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landtag als Haushaltsgesetzgeber ist dazu verpflichtet, mit öffentlichem Geld sorgsam und sparsam umzugehen. Das gilt erst recht bei der allseits beklagten Haushaltsmisere. Ob das Land diesem Anspruch in den letzten Jahren gerecht wurde, darüber gehen unsere Meinungen auseinander. Wir meinen nein, aber das ist heute nicht das Thema. Tatsache ist die dramatische Finanzlage des Landes. Herr Finanzminister Wiegard weist immer wieder zu Recht mit den Worten der Kollegin Monika Heinold darauf hin: Das Land ist pleite! Unter diesen Umständen sollten wir überall im Haushalt danach suchen, wo wir mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger sorgsamer und sparsamer umgehen können.

Notwendige Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir auch alle Kosten und Risiken kennen. Wir glauben, dass wir noch nicht alle kennen. Wir meinen, im Landeshaushalt und den beigefügten Wirtschaftsplänen stehen nicht alle Zahlungsverpflichtungen, Kredite und Risiken, für die das Land im Zweifel mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger geradestehen muss. Wären unsere Vermutungen richtig und Haushaltsentwürfe nebst Anlagen gäben nicht umfassend Auskunft über die Zahlungsverpflichtungen, die geplanten Kredite und die finanziellen Risiken, dann würden wir als Landtag regelmäßig auf verzerrten Grundlagen über den Haushalt beschließen. Das würde selbstverständlich die Wahrscheinlichkeit finanzpolitischer Fehlentscheidungen steigern. Angesichts der Haushaltslage sollten wir das vermeiden. Außerdem wären die verfassungsmäßigen Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit verletzt. Auch das sollte selbstverständlich vermieden werden.

Deshalb schlagen wir vor, dass der Landtag den Landesrechnungshof bittet, uns über die Ausgliederungen und Zahlungsverpflichtungen des Landes gesondert zu berichten

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verfassung und Landeshaushaltsordnung sehen das vor -, und dass er uns, falls nötig, vorschlägt, wie Haushaltsentwürfe und -pläne nebst Anlagen ergänzt werden könnten, um Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit wieder herzustellen oder jedenfalls für uns transparenter zu machen.

Warum der Landesrechnungshof? - Wir halten es für sinnvoll, dass dem Landtag zunächst von unabhängiger Seite darüber berichtet wird. Wir alle wissen, dass der Haushalt nicht nur ein Verwaltungsinstrument ist, sondern ein hochpolitisches Thema. Schließlich geht es ums Geld. Wir möchten, dass am Beginn der Diskussion eine Grundlage gelegt wird, die so frei wie möglich von dem Verdacht ist, von den späteren Diskussionspartnern beeinflusst worden zu sein. Anschließend können wir auf dieser Grundlage trefflich den möglichen Sinn oder möglichen Unsinn bestimmter Ausgliederungen diskutieren. Deshalb bitten wir Sie darum, unserem Antrag zuzustimmen.

Wir bedauern, dass CDU und SPD in einem gemeinsamen Antrag etwas anderes vorsehen. Nach unserer Auffassung hieße es, den Bock zum Gärtner zu machen, damit er den Fuchs in den Hühnerstall hineinlassen kann, wenn diese Aufgabe der Landesregierung übertragen werden sollte. Ihr Haushaltsgebaren soll ja gerade stärker überprüft und offenbart werden. Wir glauben nicht, dass die Landesregierung zu der schlichten Erkenntnis übergeht, dass bisheriges Verhalten möglicherweise nicht zutreffend prognostiziert oder falsch gewesen sein sollte. Deshalb halten wir den Änderungsantrag von CDU und SPD für unsinnig, auch weil hierin die Fragen nach dem Schuldenstand der Satelliten und nach der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit fehlen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das ist das Problem. Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen und den Landesrechnungshof für das Parlament zu beauftragen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Oppositionsführer. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Peter Sönnichsen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, verehrter Herr Kollege Kubicki,

(Wolfgang Kubicki)

vermitteln die Anträge, wenn sie nebeneinander liegen, zu Recht den Eindruck, dass acht Punkte deckungsgleich sind. Zwei Fragen sind es nicht

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Der Adressat ist es nicht!)

und der Adressat ist es nicht und das will ich jetzt auch begründen.

Lassen Sie mich zunächst noch ein bisschen Übereinstimmung feststellen. Es ist nicht nur sinnvoll, viele Ausgliederungen vorzunehmen, es ist genauso sinnvoll, das immer wieder zu hinterfragen. Wer sich die Liste der Landesbeteiligungen, wer sich die Liste der Privatisierungen ansieht und deren Wirtschaftspläne, der hat ein berechtigtes Informationsinteresse. Das gilt für neue Abgeordnete ebenso wie für die länger dienenden. Der Gesamtkomplex gehört ohne jede Frage zum Thema, die Bürokratie zu minimieren, wenn wir nämlich zu der Erkenntnis kommen, dass das eine oder andere gegebenenfalls doch nicht die geforderten Erfolge zeitigt. Es gehört auch ganz deutlich zu der Zielsetzung, die Finanzen zu sanieren. Ein Blick auf die aus Haushalten ausgegliederten Einrichtungen, deren Verpflichtungen und Risiken, all das - da besteht überhaupt keine Differenz - ist absolut einzufordern.

Warum nun können wir die beiden letzten Punkte und den Adressaten nicht übernehmen? Ich will es Ihnen begründen. Mit der Forderung nach einem Sonderbericht des Landesrechnungshofes und mit den Fragen 6 und 10 Ihres Antrages ist deutlich über das Ziel hinausgeschossen worden, Herr Kollege Kubicki. Die Regierung handelt bei Ausgliederungen, bei Beteiligungen des Landes ausschließlich aufgrund von Parlamentsbeschlüssen. Deshalb ist es auch selbstverständlich, dass die Regierung über Ergebnisse und Auswirkungen berichtet. Hier wird nicht der Bock zum Gärtner gemacht, wie Sie es formuliert haben, das ist ganz einfach eine Frage des Vertrauens und wir haben es.

(Beifall bei CDU und SPD)