Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/709 dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebeten worden, den Mitgliedern der Landesregierung mitzuteilen, dass Zwischenrufe von der Regierungsbank laut Geschäftsordnung nicht zulässig sind. Gleichwohl weise ich noch einmal auf das hin, was der Abgeordnete Stritzl gesagt hat: Der Ministerpräsident ist auch Abgeordneter.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann muss er auf seinen Abgeordne- tenplatz gehen!)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 17 auf:

Ausbildung in der maritimen Wirtschaft

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/731

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/748

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns wieder in der Tagesordnung!

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die maritime Wirtschaft boomt weltweit. Auf den Weltmeeren sind immer mehr und immer größere Schiffe unterwegs, in den Häfen werden immer mehr Güter umgeschlagen und die Werften sind - zum Glück auch in Schleswig-Holstein - gut ausgelastet. Schleswig-Holstein hat gute Voraussetzungen, um von dem weltweiten Boom der maritimen Wirtschaft zu profitieren.

Die maritime Wirtschaft ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige hier bei uns in Schleswig-Holstein. Im aktuellen „Maritimen Jahresbuch Schleswig-Holstein 2006“ wird für das Jahr 2003 ein Ge

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

samtumsatz von 5,4 Milliarden € angegeben. Darüber hinaus wird bis zum Jahre 2010 ein Wachstum um 1 Milliarde € erwartet. Der größte Umsatzanteil, immerhin 29 %, wird von der Seeschifffahrt erwirtschaftet. Insgesamt lassen sich in den maritimen Wirtschaftsbereichen in Schleswig-Holstein 46.000 Arbeitsplätze identifizieren.

Unsere Aufgabe ist es daher, für Rahmenbedingungen zu sorgen, um diese Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein zu erhalten und neue zu schaffen. Voraussetzung dafür ist eine intakte Infrastruktur wie der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals und die Fahrrinnenanpassung der Elbe.

(Beifall der Abgeordneten Claus Ehlers [CDU] und Jürgen Feddersen [CDU])

Beides wird dieses Haus sicherlich noch beschäftigen.

Um die Wettbewerbsfähigkeit Schleswig-Holsteins im internationalen Vergleich zu erhalten, bedarf es darüber hinaus exzellent ausgebildeter junger Menschen, die bereit sind, sich den Herausforderungen der maritimen Wirtschaft zu stellen. Für das Erreichen dieses Zieles ist es gut, ausgebaute Bildungseinrichtungen vorzuhalten. Mit den anerkannten Bildungseinrichtungen auf dem Priwall in Lübeck, an der Fachhochschule für Seefahrt in Flensburg und an den Fachhochschulen haben wir hier im Land schon heute hervorragende Einrichtungen auf diesem Gebiet.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es einen Führungskräftemangel in der Seeschifffahrt geben wird. Auf den Weltmeeren sind immer mehr Schiffe unterwegs. Zwangsläufig steigt damit auch das Risiko schwerer Unfälle. Viele Experten halten es nur für eine Frage der Zeit, bis sich zum Beispiel in der Kadettrinne oder vor Skagen ein schwerer Unfall ereignet. Dies zu verhindern, ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Es kann daher nicht sein, dass, wie wir beim Besuch meiner Fraktion bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion hier in Kiel erfahren mussten, den Lotsenbrüderschaften des Nord-Ostsee-Kanals der Nachwuchs fehlt. Dies ist übrigens auf der Elbe genauso dramatisch. Hier muss dringend gehandelt werden. Schleswig-Holstein muss das Kompetenzzentrum für die Ausbildung der maritimen Wirtschaft werden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern steht in den Startlöchern. Auch hier sind wir im föderalen Wettbewerb im Interesse SchleswigHolstein gefordert, unsere eigenen Prioritäten zu setzen.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir erreichen, dass die Ausbildung in der maritimen Wirtschaft weiter gestärkt wird. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für die Weiterentwicklung des „Bündnisses für Ausbildung“ einzusetzen. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelänge, auch die Reeder mit ins Boot zu nehmen, denn auch sie haben ein Interesse daran. Ebenso gilt es, die zahlreichen Ausbildungseinrichtungen im Land weiter zu stärken. Daher freut es mich besonders, dass es unserem Wirtschaftsminister Dietrich Austermann gelungen ist, die Ausbildung an der Fachschule für Seefahrt in Flensburg zu erhalten. Er hat sich sehr stark dafür eingesetzt. Dafür, dass die Fachschule erhalten werden konnte, ein herzliches Dankeschön von dieser Stelle aus.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Ein Satz noch zu dem Änderungsantrag der Grünen! Dieser, Herr Kollege Hentschel, ist leider nicht zielführend.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Doch!)

Wir werden ihn ablehnen. Eine gesonderte Vereinbarung, wie Sie sie gefordert haben, halte ich für überflüssig. Im Rahmen der Zielvereinbarungen mit den Universitäten und Hochschulen, wie sie bereits heute bestehen, kann man dies alles regeln. Einer weiteren Vereinbarung bedarf es daher nicht.

Ich bitte um Zustimmung zum gemeinsamen Antrag von SPD und CDU. Sie können sich unserem Antrag anschließen, denn Ihr Änderungsantrag verursacht nebenbei auch noch zusätzliche Kosten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Anette Langner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Täglich hören wir Nachrichten von Unternehmen, die in vielen Branchen Arbeitsplätze abbauen. Da wird manchen die Aussage überraschen, die wir am Wochenende auch in einer großen Tageszeitung lesen konnten: In Deutschlands See- und Binnenhäfen suchen die Betriebe Fachkräfte. Häfen wie Hamburg, aber auch Lübeck werden in den nächsten Jahren Arbeitsplätze schaffen in Bereichen wie Außenhandel, Schiffselektrik, Mechatronik, Informationstechnologie, Befrachtungsmaklerei, Seegüterkontrolle oder Transport.

(Hans-Jörn Arp)

Der Logistikmarkt ist eine Boombranche. Für die unterschiedlichsten Dienstleistungen vom Entladen über das Lagern bis zum Verzollen und zum Weitertransport braucht man Fachkräfte für Hafenund Lagerlogistik. Von Ausbildungsberufen bis zu wissenschaftlichen Abschlüssen fehle qualifiziertes Personal in allen für das Meer relevanten Sektoren, heißt es in dem Positionspapier der norddeutschen Länder für das Grünbuch der Europäischen Union zur Meerespolitik. Deshalb sei in maritimen Regionen darauf hinzuwirken, dass junge Menschen durch schulische und kulturelle Angebote für das Themenspektrum Meer interessiert werden.

Auch die Expertenanhörungen, die wir im Rahmen der Parlamentspartnerschaft „südliche Ostsee“ in Kiel, Stettin und Rostock durchgeführt haben, zeigen deutlich, dass das Thema Fachkräfte und Personalentwicklung für die maritime Wirtschaft regionen- und länderübergreifend auf der Agenda steht.

Vertreter der norddeutschen Werften, der Reedereien und der Zulieferindustrie haben im Jahre 2003 mit der Bundesregierung ein Bündnis für maritime Ausbildung geschlossen. In diesem Pakt hat sich die Schifffahrtsbranche gegen Vergünstigungen bei Steuern und Sozialversicherung verpflichtet, ihre Schiffe wieder unter deutscher Flagge fahren zu lassen. Dadurch wird die Nachfrage nach deutschem Personal deutlich zunehmen. Bei den ausgebildeten Seeleuten ist jetzt schon absehbar, dass ausgebildetes Personal knapp wird, obwohl die Zahl der Auszubildenden bereits gestiegen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, Schleswig-Holstein hat sich - das wissen wir alle - in den letzten Jahren zu einem erfolgreichen maritimen Standort entwickelt. Das maritime Cluster - der Kollege Arp hat darauf hingewiesen - umfasst mittlerweile 1.400 Unternehmen mit etwa 45.000 Beschäftigten, die in Schleswig-Holstein einen Umsatz von 5,5 Millionen € erwirtschaften. Tendenz steigend.

Zur maritimen Wirtschaft gehören Bereiche wie Dienstleistung, Beratung, Fischwirtschaft, blaue Technologie, Meerestechnik, Offshore-Windenergie, Schiffbau, Schifffahrt, Schiffsmakler und Schiffsausrüster, Finanzierungen, Häfen, Bootsund Yachtwirtschaft und schließlich auch der maritime Tourismus.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Der Ministerpräsi- dent quatscht schon wieder!)

All diese Branchen brauchen künftig qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir unser Augenmerk darauf richten, Betriebe und künftige Auszubildende umfas

send über das gesamte Spektrum an Ausbildungen zu informieren. Bislang gibt es jedoch leider keine verlässlichen Erkenntnisse über die tatsächliche Ausbildungssituation in der maritimen Wirtschaft in Schleswig-Holstein. Dabei liegen die Fragen und die daraus in unserem Antrag formulierten Maßnahmen doch auf der Hand:

In welchen Bereichen wird tatsächlich ausgebildet? Welche Ausbildungskapazitäten sind hier noch zu erschließen? - Besonders für die Branche typische Probleme sind zu berücksichtigen. Sind für kleine und in der Existenzgründungsphase befindliche Unternehmen Ausbildungsverbünde möglich und welche Hilfestellungen können wir dabei anbieten? Ermöglichen es bestehende Ausbildungsberufe und Ausbildungsverordnungen den innovativen Unternehmen, in neuen Technologien auszubilden? Haben Universitäten und Fachhochschulen das richtige Angebot und die notwendigen Kapazitäten? Können wir durch geeignete Umschulungsmaßnahmen und gezielte Weiterbildung Arbeitssuchende für die Bereiche der maritimen Wirtschaft qualifizieren? Und schließlich: Wie werden Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen, wenn überhaupt, über Angebote in der maritimen Wirtschaft informiert?

Sehr geehrte Damen und Herren, die Möglichkeiten, den Standortvorteil „Lage zwischen den Meeren“ zu nutzen, sind vielfältig. Das wird in Schleswig-Holstein auch getan. Ich setze mich heute dafür ein, das Potenzial zu nutzen, das in den Köpfen und Möglichkeiten der jungen Menschen in SchleswigHolstein steckt, und ihnen alle Ausbildungschancen des maritimen Standorts Schleswig-Holstein zugänglich zu machen.

Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, und freue mich auf den Bericht des Ministers über das Ergebnis der von uns angeregten Maßnahmen im Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Langner. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die maritime Wirtschaft ein bedeutender Wirtschaftszweig im Land zwischen den Meeren ist, dürfte kaum überraschen. Allerdings gibt es noch weitere Küstenländer, die ihre Lage am Meer

(Anette Langner)

ebenfalls nutzen und mit denen Schleswig-Holstein im Wettbewerb steht. Dieser Wettbewerb geht immer weiter und Schleswig-Holstein muss sich seine Vorteile in diesem Wettbewerb stets neu erarbeiten.

Die Lage am Meer ist nur eine Voraussetzung für den Erfolg in der maritimen Wirtschaft. Entscheidend für den Erfolg Schleswig-Holsteins ist es, dass Unternehmen aus den verschiedenen maritimen Wirtschaftszweigen hier angesiedelt sind, hier angesiedelt werden und vor allem hier angesiedelt bleiben.

Die Wahl eines Unternehmensstandortes hängt von vielen Faktoren ab; ein ganz wichtiger ist das verfügbare Angebot an Arbeitskräften. Dies wiederum hängt auch von den Ausbildungskapazitäten ab. Hier setzt der vorliegende Antrag an; die Antragsteller wollen die Ausbildungsmöglichkeiten in maritimen Berufen sichern und ausbauen. Wir unterstützen ausdrücklich Ihre Absicht.

Eine bedeutende maritime Ausbildungseinrichtung ist zum Beispiel die Seemannsschule Lübeck-Travemünde, die neben ihrer Rolle als Berufsschule für Schiffstechnikerinnen und Schiffstechniker viele weitere Fortbildungsmöglichkeiten bietet. Lieber Kollege Arp, für diese Einrichtung kann der Landtag direkt etwas tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, vergessen Sie Ihren heutigen Antrag nicht, wenn es im zweiten Halbjahr um den Doppelhaushalt 2007/2008 geht! Erinnern Sie sich dann an Ihre heutigen Forderungen, lieber Kollege Arp, liebe Kollegin, und tragen Sie Ihren Teil dazu bei, dass auch weiterhin in Schleswig-Holstein eine nautische Ausbildung möglich ist!