Protokoll der Sitzung vom 05.05.2006

(Siegrid Tenor-Alschausky)

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Sag mal was zur WG, Heiner! - Lothar Hay [SPD]: Sag was zu deinen LSD-Erfahrungen! - Heiter- keit)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das muss ich mir nicht gefallen lassen.

(Heiterkeit - Klaus Müller [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber du hast Spaß dabei!)

Im Übrigen hoffe ich, dass mich meine Fraktion gedanklich an den Lautsprechern begleiten wird.

(Heiterkeit und Beifall - Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir klat- schen für sie mit!)

Frau Kollegin Tenor-Alschausky, ich versuche das, was Sie an Redezeit überzogen haben, wieder einzuholen. Denn die beiden Vorredner sowohl von der Union als auch von der SPD haben bereits alles Notwendige zu dem Bericht gesagt.

Aus meiner Sicht, Frau Ministerin, geht es in dem Bericht gerade nicht nur um Wohnformen, sondern um das Leben von älteren Menschen und das Leben mit älteren Menschen, also um das generationenübergreifende Leben. Ich habe irgendwann einmal auf einer Veranstaltung gesagt: Altenpflegeeinrichtungen oder gemeinsames Wohnen - egal, wie man das in Zukunft nennt - gehören in die Fußgängerzonen, mitten in die Städte hinein, also dorthin, wo das Leben stattfindet, damit es zu einem regen Austausch zwischen den Generationen kommt.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin, vorhin habe ich mich über einen Bericht beschwert. Für diesen Bericht sage ich auch im Namen meiner Fraktion recht herzlich danke. Denn es ist ein ausgezeichneter Bericht.

(Beifall)

Er gibt einen umfassenden und differenzierten Überblick - da kann sogar der Kollege Astrup klatschen - über die verschiedenen Möglichkeiten, wie es sich im Alter leben lässt und wie sich das Wohnen im Alter vorbereiten lässt. Beratungen sowie finanzielle, medizinische und soziale Unterstützungsmöglichkeiten sind eingeschlossen. An dieser Stelle sage ich noch einmal herzlichen Dank.

Frau Ministerin, nach den heftigen Debatten im Sozialausschuss und in der Februar-Tagung des Landtages über den Umfang des Themas „Wohnen im Alter“ - die Kollegin Heinold wird sich daran erin

nern -, wo wir, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, noch einen anderen Punkt hineinhaben wollten, möchte ich mich bei Ihnen herzlich dafür bedanken, mit welcher Leichtigkeit, mit welcher Selbstverständlichkeit Sie in diesem Bericht auch die Hilfs- und Pflegebedürftigkeit als einen Aspekt beim Wohnen im Alter berücksichtigt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist bemerkenswert, nachdem die Sie tragenden Fraktionen in der Ausschusssitzung genau das Gegenteil behauptet haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Jetzt habe ich die Redezeit von Frau Tenor-Alschausky wieder eingeholt. - Insofern ist es in der Tat eine exzellente Grundlage für die Ausschussberatung, die Sie mit dem Bericht gelegt haben. Das wollten die Fraktionen so nicht. Ich bedanke mich ganz herzlich, im Übrigen auch bei den Vorrednern und bei meiner Fraktion.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten für den kurzen, treffenden Debattenbeitrag und erteile nunmehr für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich in der Tat um einen sehr ausführlichen Bericht, um einen sehr umfangreichen Bericht - allein eine neunseitige Vorbemerkung der Landesregierung zum Auftrag des Landtages, in dem der Auftrag noch einmal interpretiert und betont wird, dass „die dem Berichtsantrag in der Begründung unterlegten Erkenntnisse mit den Positionen der Landesregierung übereinstimmen“. Wer hätte das gedacht!

Die Spannbreite dessen, was hier beleuchtet wird es geht ja eigentlich um Wohnen im Alter -, reicht bis zum Altenparlament. Da wird uns noch einmal erklärt, warum und in welcher Besetzung das Altenparlament tagt. Man kann darüber diskutieren, ob das in diesem Bericht hätte aufgeführt werden müssen.

Für mich stellt sich schlicht die Frage: Was ist neu? Wir hatten ja die Antwort auf die Große Anfrage der SPD. Das ist nicht lange her, Frau Tenor-Alschausky; Sie haben es erwähnt. Dort ist die Zielrichtung der Landesregierung deutlich gemacht

(Präsident Martin Kayenburg)

worden; sie hat sich nicht verändert. Die demographischen Zahlen sind auch nicht neu; das haben wir alle miteinander schon diskutiert; sie sind uns bekannt.

Dass es notwendig ist, in unseren Wohnformen, in der Ausrichtung der Städtebauplanung umzusteuern, auch das ist nicht wirklich neu. Dazu gehört das ganze Feld Wohnen mit Service. Herr Garg hat das Notwendige dazu gesagt. Auch ich war begeistert, dass ein Auftrag mit abgearbeitet wurde, der vom Landtag mehrheitlich so nicht gewollt war.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich entnehme dem 60-seitigen Bericht, der schon fast das Gewicht einer Großen Anfrage hat - das ist für das Thema aber in Ordnung, wir können damit gut weiterarbeiten -, dass es Ende des Jahres ein weiteres Gutachten des Innenministers mit dem Titel „Wohnen im Alter - Chancen für Städte“ geben wird. Im Zusammenhang mit Kostenersparnis und Entbürokratisierung bitte ich die Landesregierung - weil sie deutlich macht, dass zu dem Thema schon sehr viel auf dem Tisch liegt -, dass dort tatsächlich nur die Fragestellungen auftauchen, die noch offen geblieben sind.

Ich stehe mit meiner Fraktion nach wie vor dafür, dass wir dringend alternative Wohnformen brauchen. Die etablieren sich langsam. Auch die CDU hat verstanden, dass das Wort „alternativ“ hier gar nicht so schädlich ist, wie sie es sonst manchmal einstuft.

(Zurufe)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns später in Wohngemeinschaften wieder treffen, vielleicht als Demente, und werden das dann etwas lockerer miteinander sehen.

Schleswig-Holstein ist bei alternativen Wohnformen Spitze, bei neuen Ideen, auch Mehrgenerationenprojekte zu starten. Das steht auf Seite 37. Auf die Frage, was wir von anderen Bundesländern lernen können, wird deutlich geantwortet, dass wir da außer einzelnen kleinen Projekten gar nicht mehr so viel abgucken können, weil wir relativ gut in Vorleistung gegangen sind.

Ich möchte hier einen Dank an unsere frühere Wohnungsministerin Angelika Birk aussprechen,

(Lachen des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

weil sie als Bauministerin für alternative Wohnformen zu einer Zeit gestritten hat, zu der Sie Haushalt für Haushalt die Position „Alternative Wohnfor

men“ aus dem Antrag herausnehmen wollten Haushalt für Haushalt, Herr Kalinka! Inzwischen ist das Allgemeingut. Wir stehen alle dafür, dass in diese neuen Projekte natürlich Geld fließen muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Rahmen der Städteplanung, aber auch im Rahmen der Mittel, die in die Städteentwicklung gehen, in die sozialen Projekte, müssen wir genau schauen, dass von der Barrierefreiheit bis zur sozialen Ausgewogenheit alles, was die ältere Bevölkerung erwartet, berücksichtigt wird.

Ich freue mich, dass in dem Bericht auf die Städte eingegangen wird. Ich habe aus dem Bericht das neue Wort „Nacherziehungsphase“ gelernt. Die „Nacherziehungsphase“ ist die Phase, nachdem ich meine Kinder erzogen habe und in die Stadt zurückgehe. Die „Nacherziehungsphase“ ist für meinen Kollegen Müller noch ein bisschen hin, bei mir steht sie sozusagen vor der Tür.

(Zurufe)

Ich freue mich, dass auf den ländlichen Bereich eingegangen wird. Ich finde es richtig, dass wir es mit der LSE verbinden, weil dort Geld enthalten ist, weil dort Strukturen vorhanden sind und weil gerade im ländlichen Bereich angesichts der demographischen Entwicklung eine Vernetzung der Angebote dringend notwendig ist. Ich freue mich, dass wir jetzt als zentralen Baustein die Vernetzung mit der Pflege dies jetzt im Bericht haben und auch später noch einmal genauer beleuchten werden.

Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg. Wir können uns alle gemeinsam auf unser Alter in Schleswig-Holstein freuen.

(Vereinzelter Beifall - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das muss aber nicht so schnell kom- men! - Weitere Zurufe)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte um unterschiedliche Wohnformen im Alter und deren öffentliche Förderung wurde im Landtag mit großer Leidenschaft geführt. Das ist gut so, denn schließlich werden wir alle einmal alt - sogar ich - und wollen dann so leben, wie wir es gerne möchten, und nicht so, wie es andere gern hätten.

(Monika Heinold)

Der vorgelegte Bericht der Landesregierung ist ein hervorragendes Nachschlagewerk und ein Leitfaden für die mittelfristige Politik, für die auch wir ganz herzlich danke schön sagen. Ich erinnere mich - genauso wie der Kollege Garg und die Kollegin Heinold - noch gut an die ersten Fragen seitens der Mehrheitsfraktionen, die wenig Konkretes enthielten. Die Opposition blieb da hartnäckig. Das hat sich ausgezahlt. Das zeigt, dass auch eine zahlenmäßig kleine Opposition - wohlgemerkt: quantitativ, nicht qualitativ! - gegenüber einer zahlenmäßig großen Koalition inhaltlich etwas bewegen kann.

Doch zurück zu dem vorlegten Bericht! Er zeigt vor allem, dass man das Thema „Wohnen im Alter“ nicht vom Umfeld abgekoppelt sehen kann. Was nützt die schönste behindertenfreundliche Wohnung, wenn es keine Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe gibt? In Nordfriesland fahren viele mobile Bäcker, kleine Kioske und Schlachter gerade in die kleinen Orte und ermöglichen so den Verbleib vieler Bürgerinnen und Bürger in den eigenen vier Wänden. Ob sich diese rollenden Läden aber auf Dauer halten können, ist mehr als fraglich. Die Landesregierung tut deshalb gut daran, die Markttreffs als Pluspunkte für ein selbstständiges Leben im Alter zu unterstützen und zu fördern.

Wir haben hier die Möglichkeit, Anlaufpunkte zu schaffen und zu erhalten, die nicht nur der Nahversorgung mit Lebensmitteln oder Postdienstleistungen dienen, sondern wir haben durch die Markttreffs auch soziale Anlaufpunkte in den Dörfern geschaffen, die sich gleichermaßen positiv auf Jung und Alt im Dorf ausgewirkt haben. Das zeigt, dass altersgerechtes Wohnen und ein altersgerechtes Umfeld nicht zu eng zu sehen sind. Wir müssen über Infrastruktur im Allgemeinen nachdenken und werden dann immer wieder feststellen, dass, wenn die Infrastruktur stimmt, dies den alten Menschen in ihren Bedürfnissen auch hilft.

Wenn ich gerade über die Dörfer und über altersgerechtes Wohnen spreche, will ich nicht darauf verzichten, auch wieder auf mein Steckenpferd hinzuweisen, nämlich die örtliche Bauplanung. Die Gemeinden sind hier ganz besonders in der Pflicht, sich auf den demographischen Wandel einzustellen und für barrierefreie Wohngebiete zu sorgen. Diese sind nicht so schwer einzurichten, wie man glaubt. Je frühzeitiger man an Barrierefreiheit denkt, desto einfacher ist es, diesen Gesichtspunkt mit einzuplanen. Oftmals reichen bereits kleine Veränderungen aus. Das sollte bei kommunalen Planungen möglichst frühzeitig berücksichtigt werden. Dazu gehören unter anderem behindertengerechte Zugänge oder abgesenkte Bordsteine. Das sind lediglich

kleine Beiträge, aber diese haben eine große Wirkung.