Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

Herr Kollege Harms hat das Wort.

Für mich sind die Autofahrer vielmehr mit den normalen Steuerbürgern gleichzusetzen. Diese Steuerbürger sind in den vergangenen Jahren schon genügend geschröpft worden. Ich werde meinen Beitrag etwas abkürzen, damit die Damen und Herren sich beruhigen können. Es ist aber auch richtig und notwendig, eine Lösung dahin gehend zu finden, dass auch ausländische Verkehrsteilnehmer zur Finanzierung der Straßen in Deutschland mit herangezogen werden können. Bei der LKW-Maut ist man diesen Weg schon gegangen. Bei der PKW-Maut wäre dieser Weg zumindest denkbar. Wir werden es nicht von der Hand weisen können, dass diese Diskussionen immer wieder kommen werden. Daran führt kein Weg vorbei. Dem muss man sich realistischerweise stellen.

Trotzdem halten auch wir daran fest, dass wir eine PKW-Maut grundsätzlich ablehnen. Ich habe es schon gesagt: Es gibt viele verschiedene Bedenken, die in diesem Zusammenhang aufkommen. Wenn ich mir die beiden Anträge ansehe, dann verstehe ich den Antrag von CDU und SDP so, dass man mit ihm auf eine bestehende Diskussion über eine drohende PKW-Maut reagiert, indem man sagt: Wenn diese Maut kommt, dann soll sie nicht die Leute belasten. Ich glaube, das ist ein ehrenwerter Antrag. Vor diesem Hintergrund können wir dem Antrag

(Karl-Martin Hentschel)

zustimmen. Wenn ich den Antrag der Grünen sehe, dann weiß ich, dass er die wahre Lehre wiedergibt. Auch diesem Antrag können wir ohne Schwierigkeiten zustimmen.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Lieber Holger, ich möchte gern einen Vorschlag machen. Warum sagen wir nicht einfach: Der Schleswig-Holsteinische Landtag spricht sich gegen eine flächendeckende PKW-Maut auf Autobahnen aus? Wenn wir das Wort „flächendeckend“ in den Antrag hineinschreiben, dann hat keiner ein Problem. Es betrifft dann alle Autobahnen. Über Landstraßen und Bundesstraßen redet in dieser Frage kein Mensch. Insofern stelle ich es mir vergleichsweise einfach vor, hier zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen. Ich würde nicht gern Erbsen zählen wollen. Ich würde eher sagen: Lassen Sie uns zusammenkommen und einen gemeinsamen Beschluss fassen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rother?

Ja, immer her damit!

Lieber Herr Kollege Harms, wie würden Sie sich denn im Zuge einer Westquerung von Hamburg mit der A 20 - falls es denn eine Brückenlösung oder gar eine Tunnellösung gibt - und einer Maut, die für diesen Autobahnabschnitt erhoben wird, zu dieser Frage stellen?

Was meinen Sie, warum ich gerade vorgeschlagen habe, das Wort „flächendeckend“ in den Antrag zu schreiben und nicht „ortsbezogen“?

(Beifall bei der FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen hat ein wahrscheinlich bedeutender Journalist der „Lübecker Nachrichten“ in einem Kommentar von Kieler Folklore gesprochen. Herr Kollege Schröder, wenn wir vermeiden wollen, dass ein solcher Kommentar eine tatsächliche Be

gründung hat, dann müssen wir Debatten der vorliegenden Art vermeiden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich will kurz sagen, warum das so ist. Ich erlebe heute, dass CDU und SPD einen gemeinsamen Antrag einbringen, von dem ich nicht genau weiß, was die Initiatoren damit erreichen wollen. Kollege Neugebauer, die von Ihnen zitierte Zeitung ist am 9. Mai erschienen. Man nennt sie „Bild-Zeitung“. Die Überschrift lautete: „Schauder-Kauder“. Das hat den Kollegen Stritzl offensichtlich veranlasst, in die Bresche zu springen und Herrn Kauder ins Kreuz zu treten, indem er uns erklärt, dass das, was Herr Kauder vorgeschlagen oder nicht vorgeschlagen hat, nicht dem Willen der CDU in SchleswigHolstein entspricht. Die Sozialdemokraten ihrerseits wollen die Maut nun nicht mehr, sondern sie wollen sie als flächendeckende Maut nicht mehr, obwohl gerade die SPD erklärt hat was ich aus dieser Zeitung auch zitieren möchte: „Wir lehnen eine PKW-Maut ab.“

Dort steht nicht „flächendeckend“, sondern da steht, dass Sie sie schlicht ablehnen. Das ist eine schlichte Erkenntnis. Der immerhin der SPD angehörende Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee spricht von einer Phantomdiskussion, für die es keinen Anlass gibt.

Jetzt frage ich mich, was die SPD in SchleswigHolstein vom 9. Mai bis heute veranlasst hat zu glauben, dass es einen Anlass gibt, nachdem die SPD auf Bundesebene erklärt hat, dass es keinen Anlass gibt. Was aber noch viel schöner ist, ist der Dreh, den der Kollege Stritzl, der Herrn Kauder in die Wäsche treten will, findet, indem er ein Argument aufnimmt, das der CSU-Umweltexperte Göppel gegen die Vorstellung der SPD gehalten hat. Ich darf zitieren:

„Die Not zwingt uns dazu, eine PKW-Maut einzuführen. Zu viele ausländische Autofahrer nutzen unsere Straßen, ohne für die Schäden aufzukommen.“

Ich sage noch einmal: Ein bisschen mehr Nachdenken über das, was man eigentlich will, tut Not. Eine große Koalition rechtfertigt nicht alles. Entweder man ist dafür, dass man es will, oder man will es nicht. Man kann nicht in die Zeitung schreiben: Man will es eigentlich nicht, aber wenn man es doch will, dann so, dass die deutschen Autofahrer nicht belastet werden. Das ist das, was in dem Antrag der großen Koalition steht. Entweder man erklärt heute, dass es überhaupt keine Notwendigkeit gibt, über eine PKW-Maut nachzudenken, weil es

(Lars Harms)

offensichtlich bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der Union keinen ernsthaften Menschen gibt, der dies tut, denn auch Herr Kauder hat mittlerweile erklärt, dass dies gar nicht seine Auffassung sei, oder man erklärt: Wir wollen die Phantomdebatte vorantreiben¸ weil wir einen Phantomschmerz bei den Menschen auslösen wollen, die sich daran gewöhnen müssen, dass eine PKW-Maut kommt. Dann hätte diese Debatte einen Sinn. Ansonsten hat sie keinen Sinn. Man kann jetzt dem Antrag der Grünen so zustimmen, wie er ohne Begründung in einem Satz dort steht: Der Schleswig-Holsteinische Landtag will keine PKW-Maut. Noch einfacher wäre es, die beiden großen Fraktionen würden diesen Antrag schlicht und ergreifend zurückziehen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf der Abgeordne- ten Ursula Sassen [CDU])

Bevor ich für die Landesregierung das Wort an Herrn Minister Austermann gebe, will ich darauf hinweisen, dass der Tagesordnungspunkt 21, der heute nicht mehr aufgerufen wird, am Freitagmorgen aufgerufen wird, und zwar nach dem Tagesordnungspunkt 29. Für die Landesregierung erteile ich nunmehr dem Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Austermann, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, dass gerade der letzte Beitrag des Abgeordneten Kubicki deutlich gemacht hat, dass es eine verwirrende Gemengelage gegeben hat und dass es deshalb angezeigt sein kann, Klarheit zu schaffen. Klarheit kann man an dieser Stelle schaffen, indem man sagt, dass man eine zusätzliche Einnahmequelle für den Staat aus der PKW-Maut nicht will. Über diese Klarheit freut sich die Landesregierung natürlich auch, wenn sie in diesem Landtag so einstimmig ist. Ich habe die Diskussion in Berlin über die letzten Jahrzehnte hinweg erlebt. Es gab immer wieder einen neuen Anlass. Wenn man sich an die Entstehung der eigentlichen LKW-Maut erinnert, dann wird deutlich, dass es damals darum ging, dass man der Meinung war, man bräuchte zusätzliches Geld für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen. Dieses zusätzliche Geld ist aber nicht übrig geblieben, weil der Verkehrsetat entsprechend abgesenkt wurde.

Der Abgeordnete Schröder hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Verkehrsministerkonferenz im Herbst letzten Jahres noch einmal darüber disku

tiert hat. Hier gab es unterschiedliche Diskussionen und eine sehr knappe Abstimmung. Diese knappe Abstimmung hat bedeutet, dass nicht so ganz klar war, wohin die Tendenz langfristig oder mittelfristig geht. Auch hier war die Überlegung, dass man zusätzliches Geld für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen braucht. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, dass frühere Bundeswirtschaftsminister unter anderem Herrn Clement - immer wieder davon gesprochen haben, dass das Thema des Verkaufs der Autobahnen nach wie vor ein Thema ist. Der jetzige Bundesfinanzminister und frühere Wirtschaftsminister dieses Landes hat vor einiger Zeit auch davon gesprochen. Das ist noch gar nicht lange her. Diese Debatte gibt es also immer wieder.

Wenn Sie dies parteipolitisch zuordnen, so halten sich die Positionen vielleicht die Waage. Da waren unter anderem der Sozialdemokrat Steinbrück und der Vorsitzende des Haushaltsausschusses von der CDU. Der baden-württembergische Verkehrsminister war dafür. Alles ging ein wenig durcheinander. Hinter allem stand die Überlegung, Geld für die Verkehrsinfrastruktur zu bekommen.

Eine nicht streckenbezogene Maut von 100 € würde bei 46 Millionen zugelassenen PKW 4,6 Milliarden € bringen. Tatsächlich werden die Autofahrer in Deutschland aber über die Kraftfahrzeugsteuer mit einem Milliardenbetrag gebeutelt. Die Mineralölsteuer macht einen zweistelligen Milliardenbetrag aus. Hinzu kommen die Ökosteuer, die Mehrwertsteuer sowie die Versicherungsteuer, die zum 1. Januar zusätzlich erhöht wird. Wenn Sie all dies addieren, kommt ein Betrag von etwa 70 Milliarden € heraus. Tatsächlich werden für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im Straßenbereich 5 Milliarden €, für die gesamten Verkehrsinfrastrukturmaßnehmen 10 Milliarden € pro Jahr ausgegeben. Es besteht also überhaupt keine Veranlassung, darüber nachzudenken, auf diesem Weg zusätzliches Geld bereitzustellen.

Wenn man auf den Gedanken kommt, dies alles durch Einnahmen auf anderer Seite zu kompensieren, dann bringt dies unter dem Strich wieder nichts. Der Ansatz ist dann also auch falsch. Wenn man eine kilometergenaue PKW-Maut schafft, dann bringt dies zusätzliche Bürokratie und bestraft vor allem ein Flächenland mit vielen Pendlern. Es gibt allein 250.000 Menschen, die nach Hamburg fahren. An vielen anderen Stellen gibt es noch zusätzliche Ausgaben. Ich kann es kurz zusammenfassen: Die PKW-Maut ohne Kompensation ist unzumutbar. Die PKW-Maut mit Kompensation bringt nichts. Eine kilometergenaue PKW-Maut ist zwar gerechter, bringt aber neben zusätzlichen Kosten

(Wolfgang Kubicki)

auch zusätzliche Bürokratie. Eine PKW-Maut für ausländische Autofahrer allein, die wünschenswert wäre, ist EU-rechtlich nicht zu machen. In diesem Sinne begrüße ich die übereinstimmende Überzeugung dieses Hauses, die sagt: Keine PKW-Maut auf Autobahnen durch die Landesregierung!

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich bedanke mich und muss feststellen, dass die Redezeiten so eingehalten wurden, dass keine Mautgebühr fällig wurde. Ich frage, ob nunmehr ein gemeinsamer Antrag vorliegt? - Herr Kollege Stritzl!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zwei Vorbemerkungen. Ich habe mit Interesse gehört, was der Oppositionsführer gesagt hat. Der Oppositionsführer ist offensichtlich der Auffassung, dass, wenn es politische Entwicklungsansätze gibt, die man in Berlin nicht teilt, in Kiel nicht anders entschieden werden dürfte. Ich finde das interessant. Sie sind derjenige, wenn die Berliner Koalition Mehrwertsteuererhöhungen beschließt, dann kommen Sie und sagen, im Bundesrat müsse diese Regierung dagegen stimmen.

Wenn wir im Laufe einer Diskussion, die einen politischen Willensbildungsprozess widerspiegelt, deutlich sagen, wo wir das Interesse des Landes sehen, auch der Menschen dieses Landes sehen, denn wir sind ein Flächenstaat, dann wird man dies doch sagen dürfen. Hätten wir es anders formuliert im Grundansatz, hätten Sie gesagt, wir würden über ein Finanzierungsinstrument streiten statt über die Sache. Deswegen haben wir nur gesagt, was wir in der Sache wollen, und die Sache ist klar: Wir wollen keine zusätzlichen Belastungen für die Autofahrerinnen und Autofahrer. Das haben wir deutlich gemacht. Ich glaube, in dem sind wir uns einig, und so kann man auch ein bisschen den Schaum aus der Diskussion nehmen.

Wir wollen den Antrag von Lars Harms aufnehmen. Er hat gesagt, er sei einverstanden mit dem Satz: „Der Schleswig-Holsteinische Landtag spricht sich gegen eine flächendeckende PKW-Maut auf Autobahnen aus.“ Das flächendeckend ist begrün

det worden. Es liegt darin, dass es eben gewisse Teilprivatisierungen geben wird. Das wissen Sie auch. Insofern wären wir vor diesem Hintergrund einverstanden, als Fraktion der CDU genau diesen Satz aufzunehmen. Es wäre dann ein Gemeinschaftsantrag von CDU, SPD und SSW, der da lautet: „Der Schleswig-Holsteinische Landtag spricht sich gegen eine flächendeckende PKW-Maut auf Autobahnen aus.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben wir doch auch vorgeschlagen!)

- Dürfte ich dann Ihren Antrag so verstehen, dass Sie einer solchen Formulierung auch zustimmen?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, aber Sie hatten eine andere Formulierung gewählt. Gut, dann sind Sie auch einverstanden. Dann hätten wir Einigkeit zwischen SPD, CDU, SSW und FDP. Ich bedanke mich für die Klarstellung.

Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/795 (neu) nunmehr ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und der Abgeordneten des SSW ist. Wenn das so ist, frage ich, ob wir alternativ abstimmen wollen. - Widerspruch sehe ich nicht. Dann stimmen wir zunächst ab über den Antrag Drucksache 16/795 (neu), wie vom Kollegen Stritzl gerade formuliert. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Dann stimmen wir ab über den Antrag Drucksache 16/806. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit ist der Antrag Drucksache 16/795 (neu) mit der Mehrheit des Hauses angenommen.

Ich wünsche allen einen schönen, erbaulichen Abend und hoffe, dass wir alle uns hier morgen früh um 10 Uhr pünktlich wieder sehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:13 Uhr

(Minister Dietrich Austermann)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst