Zusagen nicht einhalten zu können, ist bitter. Sowohl wir als auch unser Koalitionspartner müssen aber einsehen und haben eingesehen, dass jetzt die letzte Chance besteht, selbst Entscheidungen zu treffen. Die Alternative, nichts oder noch nichts zu tun, ist noch schlimmer. Niemand von uns kann und darf sehenden Auges in eine Situation hineinlaufen, wie sie Bremen und das Saarland schon seit Jahren kennen. Die anstehenden Kürzungen sind unvermeidbar. Ziel kann ehrlicherweise nur sein, Kollege Kubicki, die unvermeidbaren Lasten so gerecht wie möglich zu verteilen.
Die im kommunalen Finanzausgleich geplanten Kürzungen von jährlich 120 Millionen € sind gravierend. Die Kommunen erbringen für uns alle essenzielle Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Kindergärten, Schulbauten, Betreuungsangebote, Schwimmbäder, Büchereien, Kulturangebote, Umwelt- und Naturschutz und vieles mehr. Das wollen und werden wir nicht gefährden, auch wenn hin und wieder die eine oder andere kommunale Einrichtung nicht nur lieb und teuer, sondern vielleicht auch etwas zu teuer geraten ist, sodass auf kommunaler Ebene hier und dort eine Einschränkung möglich wäre.
Klar ist: Wir brauchen die jeweils 120 Millionen € für 2007 und 2008. Klar ist aber auch: Wir wollen und werden diese Summe so weit wie möglich abfedern, und zwar mit Kompensationsmaßnahmen für die Kreise und Gemeinden. Wir wollen sie genau beziffern und möglichst kurzfristig wirksam werden lassen.
Die Landesregierung hat hierfür durch ihren Innenminister in dem heute vorgelegten Bericht einige Vorschläge gemacht, die wir in den nächsten Wochen und im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen erörtern werden und sicherlich noch ergänzen können. Auf keinen Fall, Herr Kollege Lehnert, wird dazu die Abschaffung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und von Mitsprachemöglichkeiten für Kinder, Jugendliche, Senioren und andere Mitbürgerinnen und Mitbürger gehören, die es in den kommunalen Gremien gibt. Das sind Vorstellungen, die Sie mit uns nicht durchgesetzt kriegen; das will ich an dieser Stelle schon sagen.
Wir unterstützen die Landesregierung in der Zusammenarbeit mit den kommunalen Landesverbänden auf der Grundlage des so genannten Schlie-Berichts aus dem Finanzministerium. Da geht es um die Absicht, die Kommunen durch Modernisierung und Entbürokratisierung von weiteren Aufgaben
zu entlasten, wodurch Effizienzgewinne erzielt werden sollen. Weiter geht es darum, die Flexibilität vorgegebener Verwaltungsverfahren zu erhöhen. In Sachen Planungsrecht und Bauleitplanung kommen wir uns sicherlich näher, Herr Kollege Lehnert.
Auch wir gehen davon aus, dass die Kommunen durch die Verwaltungsstrukturreform im Kreisund Amtsbereich eine deutliche finanzielle Entlastung erfahren werden, dass die Wirtschaftlichkeit der Kommunalverwaltung in Schleswig-Holstein weiter verbessert wird und dass mit der Übertragung von Landesaufgaben auf die kommunalen Verwaltungsregionen erhebliche Synergieeffekte verbunden sein werden beziehungsweise erzielt werden können.
Die Maßnahmen des Landes zur Einschränkung der Sonderzahlungen und die beschlossene Arbeitszeitverlängerung für Beamtinnen und Beamte ab 1. August 2006 auf 41 Stunden werden sich auch im kommunalen Bereich auswirken und dort für weitere finanzielle Entlastung sorgen.
Die zusätzliche Bereitstellung von Investitionsmitteln aus dem Schleswig-Holstein-Fonds, der eigens zur Förderung auch und gerade kommunaler Investitionen geschaffen wurde und nicht nur zur allgemeinen Wirtschaftsförderung, sollte in größeren Dimensionen als bisher vorgesehen zu Buche schlagen. Nicht Kleckern, sondern Klotzen sollte gerade in diesem Bereich unsere Devise sein.
Schließlich dürfte auch der kompensatorische Einsatz von Mitteln aus dem kommunalen Investitionsfonds für die Kommunen allemal günstiger sein als ein verbleibender nackter Eingriff in die Finanzausgleichsmasse.
Die Landesregierung hat eine Fülle weiterer Kompensationsmaßnahmen vorgeschlagen, die gemeinsam mit den Kommunen beraten und erörtert werden sollen. Ein Aufschub grundsätzlicher Entscheidungen auf spätere Jahre ist nicht möglich. Wir stellen uns der Mitverantwortung für die Konsolidierung des Landeshaushalts, um künftige Generationen vor noch weiter anwachsenden Schuldenbergen zu bewahren. Die aktuelle Haushaltslage des Landes macht Einschnitte erforderlich, die eine Konsolidierung des Haushalts bis 2010 zumindest einleiten. Die Opposition fordern wir auf, sich mit uns der Verantwortung zu stellen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die große Koalition will das strukturelle Defizit des Landes abbauen. Ich sage: Bravo! Dazu haben CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag den Grundsatz vereinbart, dass das Land seine Finanzprobleme nicht zu lasten der Kommunen löst. Ich sage: Bravo!
„Wir bieten den Kommunen eine faire Partnerschaft an. Wir werden auch die anstehende Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs nicht dazu missbrauchen, den Kommunen in die Tasche zu greifen.“
Jetzt bricht die große Koalition dieses Versprechen. Der Bericht soll eigentlich nur für die geplanten Maßnahmen der Landesregierung eine Alibifunktion hergeben, um diese Maßnahmen letztlich zu rechtfertigen. Ich denke, das ist nicht seriös, was da gemacht wird.
Rot-Schwarz will den Kommunen brutal in die Tasche greifen, um den Landeshaushalt auf Kosten der Kommunen zu sanieren. So mutiert die große Koalition zur Koalition der großen Abkassierer. Um jährlich 120 Millionen € will sie den kommunalen Finanzausgleich kürzen. In dieser Wahlperiode will sie den Kommunen also fast eine halbe Milliarde € entwenden, stehlen, klauen - nennen Sie es, wie Sie es wollen.
Die SPD hat ihre Finanzpolitik seit Jahr und Tag auf solche schmutzigen Tricks gestützt. Aber von der CDU hätten wir schon etwas anderes erwartet. Nicht ungern erinnere ich die Abgeordneten der Union daran, dass der Großteil der Bürgermeister und Kommunalpolitiker, die vorhin vor dem Landtag demonstriert haben, noch Mitglieder der CDU sind.
Die unverantwortliche Verstümmelung der Kommunen, die Sie mit der Entwendung einer halben Milliarde € aus dem kommunalen Finanzausgleich
beabsichtigen, wird nicht ohne Auswirkungen bleiben. Ich denke mir, Sie selbst haben genug Phantasie, selber zu beurteilen, was da noch auf Sie zukommt.
Ein kleines Beispiel zur Geisteshaltung mancher Verantwortlicher. - Jetzt ist der Kollege, den ich ansprechen möchte, leider nicht da. Ich sage es trotzdem: Ein Kollege der CDU-Fraktion hat jüngst in einer Diskussion mit einer Besuchergruppe im Landtag gesagt - ich war dabei -:
„Mit der Entnahme von 120 Millionen € pro Jahr würde die große Koalition den Kommunen endlich die Chance geben zu sparen.“
Das ist eine tolle Beschreibung des Ganzen. Leider ist der Kollege Wengler im Moment hier nicht anwesend. Aber als Gemeindevertreter von HenstedtUlzburg und als erfahrener Kommunalpolitiker müsste er das doch beurteilen können. Es stellt sich die Frage, ob er seine Weisheit über die angeblich angemessenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen der Kommunalpolitik schon einmal in seiner Gemeindevertretung zur Diskussion gestellt hat.
In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, wie energisch die CDU in der letzten Wahlperiode zusammen mit uns gegen die Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs von Rot-Grün gekämpft hat.
„Auf der ständigen Suche nach immer neuen Geldquellen zur Finanzierung rot-grüner Träume ist der Finanzminister diesmal auch auf die kommunale Familie gestoßen. Zur Sanierung des Landeshaushalts sollte kurzerhand die Finanzausgleichsmasse des kommunalen Finanzausgleichs um 100 Millionen DM bis zum Jahr 2004 jährlich gekürzt werden.“
Die Kommunen wurden dann von Rot-Grün um 75 Millionen DM jährlich erleichtert. Aber alles wird teurer. Oder es geht nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern! Die CDU-geführte Koalition will die kommunale Familie jetzt kurzerhand um mehr als den dreifachen Betrag erleichtern.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Je größer die Koalition, desto schlimmer wird es für die Kommunen.
Die Kommunen bekommen das Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich nicht, weil es die Landesregierung bis zur nächsten Haushaltsklausur parken will. Die Kommunen bezahlen damit Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger und dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur unseres Landes. Und viele damit bezahlte Aufgaben wurden den Kommunen von Bund und Land aufgetragen, häufig ohne dass das nötige Geld mitgeschickt wurde.
Wenn die große Koalition den Kommunen jetzt Geld wegnimmt, müsste sie auch sagen, welche Aufgaben davon betroffen sein sollen und mit welchen Ersparnissen die Kommunen letztlich zu rechnen haben. Aber dazu kann ich nur sagen: Fehlanzeige!
Im Gegenteil, im Schlie-Bericht steht bis jetzt nur, welche Aufgaben das Land auf die Kommunen abwälzen will, aber nicht, welche Aufgaben wegfallen können.
Ich nenne ein anderes Beispiel. In den Beratungen des Haushalts 2006 rühmte sich die große Koalition, dass sie trotz aller Probleme des Landes weiterhin 60 Millionen zur Finanzierung der Kitas zuschieße. Jetzt will sie den Kommunen 120 Millionen € streichen. Das heißt, rechnerisch streicht die Landesregierung den kompletten Beitrag des Landes zur Kita-Finanzierung und noch 60 Millionen € obendrauf.
Sie hat aber gleichzeitig den Aufgabenbereich der Kitas beispielsweise durch den Bildungsauftrag erweitert. Das passt überhaupt nicht zu ihren Beteuerungen, sie wolle die Betreuungssituation verbessern, damit Familie und Beruf besser vereinbar würden, weil dies angesichts der Bevölkerungsentwicklung unbedingt nötig sei. Selbstverständlich wird sich die Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs negativ auf alle Bereiche der Kommunalpolitik auswirken, auch auf die Kitas. Um zu belegen, wo beispielsweise eingespart wird oder was nicht geht, liegt mir der Antrag der SPD zum kommenden Landesparteitag vor, der am 16. Juni stattfinden soll.
- Das ist dein Pech, Holger. Da steht unter anderem unter Punkt 2: Der Landesparteitag stimmt der Entnahme von 120 Millionen € zu. Unter Punkt 4 steht: Maßnahmen zur Entlastung der kommunalen Haushalte sind weiter zu konkretisieren. Es gibt keine
weiteren Angaben. Unter Punkt 5 steht: Der Koalitionsvertrag bleibt weiterhin Grundlage der Koalition.
Dabei wird schon jetzt in vielen Punkten gestrichen. Gleichzeitig stehen dort Vorstellungen der CDU, die abzulehnen sind. Bei dem, was nicht geht, wird ganz konkret gesagt: keine strukturellen Einschnitte im Personalbereich, keine Absenkung der Kita-Standards, keine Einführung von Studiengebühren, keine Einschränkung oder Abschaffung der Lehr- und der Lernmittelfreiheit, keine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten und keine weiteren Einschränkungen der kommunalen Gleichstellungsarbeit, keine Einschränkung der Beteiligungsrechte junger Menschen und so weiter. All das, was man nicht sparen will, das weiß man ganz genau. Bereiche, in denen man sparen will, kennt zumindest der Antragsteller nicht. Da geht dem Landesvorstand die Phantasie aus.
Den Vertretern der großen Koalition ist aufgefallen, dass sie den Klau aus den kommunalen Kassen besser vermarkten müssen. Deshalb behaupten sie jetzt, die Kommunen würden an anderer Stelle entlastet, zum Beispiel mit Steuermehreinnahmen und einer Entnahme aus dem Kommunalen Investitionsfonds. Bei den Steuern spricht die Landesregierung mit gespaltener Zunge. Sie erklärt die reinen Steuermehreinnahmen des Landes - das sind bis 2009 immerhin über 685 Millionen € - zum Tabubereich. Dieses Geld dürfe möglichst nur verwendet werden, um die Nettokreditaufnahme zu senken. Die Kommunen aber sollen ihre Steuermehreinnahmen inklusive der zusätzlichen Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich dafür nicht nutzen dürfen. Ihnen will die große Koalition das verordnen, was sie sich selbst nicht traut, nämlich den Staatskonsum zu kürzen.