Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Die alternative Tageszeitung aus Berlin zeigt als einzige Tageszeitung einen neuen Weg auf. Sie finanziert sich unter anderem durch eine Genossenschaft, der mittlerweile mehr als 6.000 Leser ange

hören. Verbesserungen im Genossenschaftsrecht würden also der Finanzierung dieser Zeitung entgegenkommen. Dass die Leser ihre Zeitung nicht nur am Kiosk, sondern auch durch eine Investition unterstützen, ist - so denke ich - auch für andere Zeitungen denkbar.

Noch eine Anmerkung zur Vollständigkeit des Berichts: Vor allem in den Städten sind es die Wochenzeitungen, die in vielen Haushalten als einziges Presseorgan noch gelesen werden. Ihr Auftragsjournalismus mit einem Skandal als Aufmacher ist ein Vorgeschmack dessen, in welche Richtung sich auch die seriösen Zeitungen bewegen. Unabhängiger Journalismus ist dies - so denke ich - nicht.

Die Abhängigkeit von Werbekunden schränkt die redaktionelle Freiheit zweifelsohne auch bei den Tageszeitungen ein. Die Vorgänge um die „Süddeutsche Zeitung“, der nach einem einmaligen kritischen Bericht über einen großen Discounter Anzeigenaufträge in Millionenhöhe gekündigt wurden, haben die Branche verändert. Die Schere im Kopf, wie die unfreie Berichterstattung beschönigend genannt wird, ist allgegenwärtig. Kritische Berichte gegenüber den Machenschaften von Lidl, ALDI und Co. finden inzwischen nicht mehr statt.

Die einzige Alternative erwächst aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich ohne Furcht vor Konsequenzen jedem Thema kritisch widmen kann. Der Norddeutsche Rundfunk gehört nicht zufällig zu den meist genutzten Medien im Land. Doch auch dort schützen weder Festanstellung noch Redaktionsstatut vor Beeinflussung. Die aktuellen Vorgänge zur Schleichwerbung zeigen dies überdeutlich. Dennoch ist der NDR oftmals noch die einzige unabhängige Quelle. Das gilt vor allem, wenn es um die Berichterstattung im wirtschaftlichen Bereich geht.

(Günter Neugebauer [SPD]: Deshalb ist er jetzt auch abwesend!)

- Lieber Kollege Neugebauer, das ist nicht besonders beruhigend. Im Gegenteil, dies zeigt die ganze Unausgewogenheit der Branche. So hat die Wochenzeitung „Die Zeit“ zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regionalzeitungen über den wochenlangen Arbeitskampf bei Clausen & Bosse in Leck nicht berichtet haben. Zu Recht prangern ver.di und Deutscher Journalistenverband die Outsourcingmodelle von Zeitungsverlagen an.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass diese Entwicklung uns alle betrifft, zeigt die Tatsache, dass sich der „sh:z“-Verlag nicht dazu hat

durchringen können, eine Stellungnahme abzugeben.

Ich nenne einen weiteren Aspekt: In unserem überschaubaren Schleswig-Holstein ist die Nähe zwischen Journalisten und Politikern schon immer eng gewesen. Kein Journalist verbrennt schnell eine Quelle, denn es gibt nur wenige wichtige. Das hat im Laufe der Jahre vielleicht zu einer Art Abhängigkeitsgeflecht geführt. Auch hier würde Konkurrenz das Geschäft zweifellos beleben.

Angesagt ist also, dass neue und innovative Maßnahmen ergriffen werden, um die Vielfalt der Printmedien und um den unabhängigen Journalismus zu stärken. Dazu gehört auch, dass für Journalisten ordentliche Arbeitsverhältnisse gelten. Ich möchte dies ausdrücklich wiederholen. Freie Journalisten sind nicht zu mieten wie Mietwagen, sondern sie sollen den freien und unabhängigen Journalismus fördern.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich nenne noch einen Aspekt. Im Zuge der Föderalismusreform ist bekanntlich vorgesehen, die Kompetenzen für die Pressemedien bei den Ländern anzusiedeln. Im letzten Pressespiegel der ULR vom 24. Mai 2006 schreibt dazu der Dortmunder Medienforscher Horst Röper:

„Immerhin lägen dann die Zuständigkeiten sowohl für die Presse als auch für den Rundfunk eindeutig bei den Ländern und dies sollte überfällige Regelungen nicht nur zum Problemfeld cross-medialer Konzentration erleichtern.“

Er fügt aber auch hinzu:

„Wäre die Kieler Landesregierung allerdings Muster oder gar Maßstab für Kenntnis und Ernsthaftigkeit der Länder insgesamt, müsste man wohl zu einem anderen Ergebnis kommen.“

Man kann dies auch anders formulieren, was Horst Röper in der Pressemitteilung auch tut:

„Der Bericht ist insgesamt aber weder eine Fundgrube von Daten und Fakten oder gar Wertungen noch werden gar Anstöße für medienpolitisches Handeln gegeben.“

Aus Sicht des SSW trifft diese Einschätzung zu. Daher sagen wir: Landesregierung und Landtag sind nunmehr gemeinsam gefragt zu überlegen, ob und wie das Pressegesetz unseres Landes geändert werden kann, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eingebracht werden muss in diese Debatte auch der Vorschlag des Journalistenverbandes, zu einem Pressegesetz auch ein Redaktionsstatut zu erlassen, denn ohne eine wirkliche Pressefreiheit mit einer vielfältigen Presselandschaft - gerade auch bei den Printmedien - hat es eine kritische Öffentlichkeit schwer. Damit hat es auch die Demokratie nicht leicht.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke Frau Abgeordneter Spoorendonk. - Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne unsere ehemalige Kollegin Renate Gröpel.

(Beifall)

Im Rahmen der Restredezeit erteile ich Minister Dr. Ralf Stegner noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vier kurze Anmerkungen machen. Erstens. Was die Vorgabe im Pressegesetz angeht, dass Transparenz gefordert ist und dass die Dinge veröffentlicht werden müssen, so sage ich, dass ich ausdrücklich die Auffassung der Kollegen Eichstädt und Neugebauer teile. Das Gesetz ist ja neu. Ich werde zur Not auch dahin gehend kommunalaufsichtlich tätig werden, dass die Landräte ihrer Verpflichtung nachkommen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Ein Regierungsbericht hat seine Begrenzungen. Ich habe hier darauf hingewiesen, wo diese liegen. Ich begrüße es außerordentlich, dass der Landtag eine Anhörung zu diesem Thema macht, weil wir dann nämlich in der Lage sind, in aller Breite und sehr ernsthaft über diese Dinge zu reden.

Drittens. Der Kollege Wadephul, der leider nicht da ist, hat auf die Dominanz von Presseunternehmen hingewiesen. Ich weiß nicht, wie stark die „Frankfurter Rundschau“ die deutsche Presselandschaft dominiert. Wenn ich vor italienischen Verhältnissen gewarnt habe, dann meinte ich damit nicht die Sozialisten in Italien.

Viertens. Ich bedaure ganz besonders, dass der Herr Oppositionsführer hinausgegangen ist, denn ich muss sagen, an den wollte ich mich in erster Linie wenden. Ich weiß nicht, wer ihm diese Rede geschrieben hat, aber ich muss ehrlich sagen, der Re

spekt vor dem Parlament hätte schon ein bisschen verlangt, auf das einzugehen, was hier in zehn Minuten gesagt worden ist. Ich habe mich sehr intensiv und klar zum Thema Pressefreiheit geäußert und auch zu den Bedenken, die es da gibt, zu den bedenklichen Entwicklungen, zu den ökonomischen Verhältnissen, zum Zustandekommen dieses Berichtes. Wenn ich aber das höre, was Herr Kubicki üblicherweise zu Flächentarifvertrag, zu Kündigungsschutz, zu Gewerkschaften sagt, muss ich sagen, dann steht ihm die Pose als Advokat von Arbeitnehmerinteressen außerordentlich schlecht.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte mir insofern mehr gewünscht, wir hätten über die Themen geredet, um die es eigentlich geht. Die Besorgnisse sind vorgetragen worden, nämlich wie wir sichern können, dass die Pressefreiheit das bleibt, was die Demokratie in Deutschland stark macht. Dazu will ich auch gern meinen Beitrag leisten. Es ist immer schwierig im Verhältnis zwischen Politik und Journalisten. Damit das nicht missverstanden wird, auch dies habe ich versucht, eher nachdenklich anzusprechen. Schade, dass diese Nachdenklichkeit jedenfalls bei dem Herrn Oppositionsführer auf taube Ohren gestoßen ist.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung Drucksache 16/713 dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.

Eine geschäftsleitende Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen haben sich geeinigt, in die Mittagspause hineinzutagen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Behinderung in den öffentlichen Dienst

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/671

Ich erteile Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

(Anke Spoorendonk)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Integration von Menschen mit Behinderung ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, zu der auch die Landesregierung beitragen muss. Dies gilt gerade in Zeiten, in denen sich der Fokus unseres Handelns darauf richtet, Aufgaben abzubauen, Regelungen zu lockern, Arbeitsabläufe zu straffen.

So ist es erfreulich, dass die Beschäftigungsquote 2004 mit 4,8 % den höchsten Stand seit 1975 erreicht hat. Zusätzlich haben die Landesbehörden Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen vergeben. Insgesamt sank dadurch die Ausgleichsabgabe von 115.000 € 2003 um 65 % auf 40.000 € im Jahre 2004. Ich finde, das ist etwas, was, wie ich hoffe, Ihre Zustimmung findet, wenn man das hier einmal feststellt. Wir haben es nicht immer nur schwer in manchen Dingen, sondern wir geben uns auch Mühe.

Das ist in mehrfacher Hinsicht ein positives Ergebnis. Ich weiß nicht, ob es uns gelingen wird, den Anteil weiter zu steigern, können wir doch nur wenige Stellschrauben beeinflussen. Umso wichtiger ist es aber, die Arbeitsbedingungen der bereits beschäftigten Menschen mit Behinderung zu verbessern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Bericht zeigt dementsprechend zum einen die Maßnahmen, die das Land anwendet, um die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen zu erhöhen. Zum anderen geht er auf die Maßnahmen und Regelungen ein, mit denen das Land die reale Beschäftigungssituation von Schwerbehinderten in den Landesbehörden verbessert. Lassen Sie mich das Wesentliche herausgreifen.

Zur Erhöhung der Beschäftigtenzahl werden bei jeder Stellenausschreibung, auch bei internen Ausschreibungen, stets die Bewerbungen externer schwerbehinderter Menschen in das Auswahlverfahren einbezogen. Außerdem werden die im Innenministerium eingerichtete Erfassungsstelle sowie die Bundesagentur für Arbeit von jeder Ausschreibung des Landes unterrichtet, sodass die beiden Stellen dann schwerbehinderte Menschen auffordern können, sich zu bewerben.

Zur Verbesserung der Arbeitssituation sind die Arbeitsplätze so ausgestattet, dass schwerbehinderte Menschen vernünftig arbeiten können. Die Verlängerung der Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte ab 1. August 2006 nimmt übrigens schwerbehinderte Menschen ausdrücklich aus. Außerdem werden