Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

die Führungskräfte auf Fortbildungsveranstaltungen in Bezug auf die Auswirkungen von Schwerbehinderung im Einzelfall sensibilisiert, sodass sie diese erkennen, woran es mangelt, und konsequent in Abstimmung mit den schwerbehinderten Menschen dafür sorgen, dass das Mögliche getan wird.

Die grundlegenden Vorschriften des Kapitels 5 des Sozialgesetzbuches IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ werden in der Praxis von den Behörden des Landes umgesetzt. Damit diese Maßnahmen nicht von der jeweiligen Referatsleiterin oder dem jeweiligen Referatsleiter abhängig sind, ist die Zusammenarbeit zwischen Dienststellen und Schwerbehindertenvertretungen besonders wichtig. Wenn es im Einzelfall hakt und hapert, können außerdem die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen und die Personalvertretung für Abhilfe sorgen. Soweit die Schwerbehindertenvertretungen es für notwendig erachten, sind die Dienststellen verpflichtet, mit den zuständigen Personalvertretungen Dienstvereinbarungen abzuschließen, so wie jüngst geschehen mit der Landespolizei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird häufig über Mitbestimmung geredet. SchleswigHolstein ist da immer noch Musterbeispiel im Bundesvergleich.

(Beifall bei der SPD)

Daran wollen und werden wir auch nichts ändern. Das sage ich ganz ausdrücklich als Innenminister dieses Landes.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die aktuelle finanzielle Situation und die Notwendigkeit, Personalkosten konsequent einzusparen, werden dazu führen, dass das Land kaum noch freie Stellen besetzen wird und noch weniger Menschen einstellen kann. Damit verringern sich automatisch auch die Chancen von schwerbehinderten Menschen. Wir sollten uns aber einig sein, dass es ein Schwerpunkt sein muss, die Arbeitsbedingungen der in der Landesverwaltung tätigen schwerbehinderten Menschen so auszugestalten, dass diese ihre Berufstätigkeit optimal wahrnehmen können. Dafür haben wir die rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten geschaffen. Darüber hinaus kommt es aber im Wesentlichen auf die persönlichen Wahrnehmungen, auf den persönlichen Einsatz von Vorgesetzten, von Kolleginnen und Kollegen an. Das ist keine Frage, die wir auf den Punkt knapper Haushaltsmittel reduzieren sollten, sondern das ist Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung.

Wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin, würde ich gern noch eine Anmerkung machen, damit man mir das nicht falsch auslegt. Da draußen demonstrieren viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und erwarten, dass der Kommunalminister auch ein paar Worte zu Ihnen sagt. Wenn ich das also zwischendrin tue, ist das nicht mangelnder Respekt vor dem Parlament, was diesen Punkt angeht. Ich lese das nach, was hier gesagt wird, und beteilige mich selbstverständlich an der Debatte im Ausschuss. Ich bitte darum, dass Sie mir dies erlauben, damit nicht der Eindruck entsteht, der Kommunalminister kneift, wenn die Bürgermeister vor dem Hause demonstrieren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Innenminister für den Bericht. Ich denke, Sie haben zustimmend zur Kenntnis genommen, dass Ihrer Bitte entsprochen wird.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nicht zustimmend allerdings, dass dann überhaupt niemand von der Regierung mehr anwesend ist!)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landtagspräsident hat eingangs der Sitzung bekannt gegeben, aus welchen Gründen die Minister heute ortsabwesend sind. Ich bitte das für die letzte halbe Stunde so zu respektieren, auch wenn es nicht unseren Wünschen entspricht.

Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Februar 2006 gab es in Schleswig-Holstein insgesamt 162.060 Arbeitslose, darunter waren 3,4 % Schwerbehinderte, also rund 5.600 Menschen, von denen 2.509 langzeitarbeitslos waren, für die Betroffenen eine enorme Belastung. Wir wollen, dass Schleswig-Holstein bei der Integration von behinderten Menschen eine Vorreiterrolle übernimmt.

Die durch den Bundesgesetzgeber vorgegebene Selbstverpflichtung, mindestens 5 % Menschen mit Behinderung einzustellen und damit deren gesellschaftliche Integration zu fördern, ist sowohl Anspruch als auch Verpflichtung für uns. Die gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderung soll nicht nur deren Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern, sondern ist auch ein wesentliches Element eines selbst bestimmten und ganzheitlichen Lebens. Das ist sicher ein ehrgeizi

ges Ziel. Aber wie machte unsere Sozialministerin letzthin im Sozialausschuss so schön deutlich: „Ein bisschen Ehrgeiz hat noch keinem geschadet.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wann war die denn im Sozialausschuss?)

- Darüber reden wir nachher, Herr Garg, wann sie im Sozialausschuss war.

So kann man denn dem Bericht des Innenministers auch entnehmen, dass es in den vergangenen Jahren deutliche Bestrebungen gegeben hat, den Anteil der Arbeitnehmer mit Behinderung kontinuierlich zu steigern - der Minister hat es deutlich gemacht von 1975 mit einer Beschäftigungsquote von 3,03 % bis hin zum Jahre 2004 mit einer Quote von 4,8 %; so war es möglich, die Ausgleichsabgabe des Landes von damals noch 2 Millionen DM auf rund 40.000 € im Jahre 2004 zu senken.

Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die ergriffenen Maßnahmen der letzten Jahre zur Verbesserung der Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderung beim Land Erfolge zeigen. Zu diesen Maßnahmen gehört unter anderem auch das Einsetzen einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die hervorragende Arbeit leistet. Diese Erfolge könnten allerdings noch wesentlich größer sein, wenn sich auch alle Häuser an dieser Arbeitsgruppe beteiligten. Ich appelliere hier - ich hoffe, es wird nachgelesen - an die Ministerien, sich aktiv in die Arbeit der Arbeitsgruppe einzubinden.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Wir müssen in Schleswig-Holstein als Arbeitgeber noch behindertenfreundlicher werden. Ich bin der Auffassung, dass Schleswig-Holstein noch leistungsfähiger sein kann. Der Bund macht es uns neben anderen Bundesländern vor. 2004 waren dort 7,1 % der Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung besetzt.

Der Bericht zeigt leider keine weiteren Handlungsfelder auf. Deswegen möchte ich gern einige Dinge nennen, die mir wichtig sind. Unter anderem das von Dr. Ulrich Hase, dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, in seinem Tätigkeitsbericht aufgezeigte Beispiel der Bereitschaftspolizei in Eutin, die für die Erfüllung von Wach- und Pförtneraufgaben nicht mehr nur Vollzugspersonal nutzte, sondern für diese Dienste zu 100 % schwerbehinderte Menschen einstellte, zeigt, dass man mit kreativen Lösungen vor Ort sicher noch manchen Arbeitsplatz mit Menschen mit Behinderung auch beim Land besetzen kann.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Zudem sollten wir stärker die Dienstleistungen von Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Anspruch nehmen. Auch damit fördern wir Arbeitsplätze. Auch die allgemein zur Verfügung stehenden Förderinstrumente für Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung, beispielsweise durch die Bundesagentur oder auch das Integrationsamt, sollten immer wieder evaluiert und intensiv genutzt werden.

Immerhin wurden trotz der vielen Bemühungen 2004 immer noch 0,2 % der 5-%-Quote nicht erfüllt, was rund 113 Stellen entspricht. Unser Ziel muss es sein, diese Arbeitsplätze und weitere darüber hinaus mit schwerbehinderten Arbeitnehmern zu besetzen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Insgesamt kann man dem Bericht entnehmen, dass alle Ressorts mit Ausnahme des damaligen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, bei dem es sich zugegebenermaßen um eine besondere Problematik handelt, ihre Quoten mehr als erfüllt haben. Wir werden in diesem Hause noch einmal intensiv darüber diskutieren müssen, warum so viele Lehrkräfte mit Schwerbehinderung ihren Dienst quittieren und gehen. Das ist eine Frage, die wir uns hier noch einmal stellen müssen. Es sticht insbesondere der Landtag heraus, der eine Beschäftigungsquote von 14,41 % aufzeigen kann. Das ist für dieses Haus eine sehr erfreuliche Bilanz.

Für die CDU-Fraktion beantrage ich die Überweisung des Berichts als Diskussionsgrundlage in den Sozialausschuss. Lassen Sie uns dort bitte gemeinsam Wege für mehr Beschäftigung von Schwerbehinderten beim Land finden. Ich rege an dieser Stelle an, dass wir uns dort intensiv mit dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung über diesen Bericht unterhalten.

(Beifall)

Ich danke der Frau Abgeordneten Heike Franzen und erteile das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik für Menschen mit Behinderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sie kann nur in gemeinsamer Verantwortung von allen Akteuren getragen und weiterentwickelt werden. In Bezug auf diesen Bericht ist in erster Linie das Land Schleswig-Holstein als öffentlicher Arbeitge

ber gefordert, der in Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen und insbesondere mit den Schwerbehindertenvertretungen wie auch den Betroffenen direkt für eine Integration von Menschen mit Behinderung in den öffentlichen Dienst wirken muss.

Per 31. Oktober 2004 waren im Landesdienst 2.683 Menschen mit Behinderung beschäftigt. Das entspricht einer Quote von 4,8 %. Als schwerbehindert gelten hierbei Personen, denen von den Versorgungsämtern ein Grad der Behinderung von 50 % und mehr zuerkannt wurde. Die 4,8 % der Beschäftigten im Landesdienst sind zwar nur knapp unter der gesetzlich geforderten Quote von 5 % Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, aber sie sind noch deutlich von der des Bundes entfernt.

In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22. März dieses Jahres mit der Überschrift „Bund mit großem Anteil schwerbehinderter Beschäftigter weiter in Vorreiterrolle“ wird festgehalten, dass im Jahr 2004 der Anteil schwerbehinderter Beschäftigter im öffentlichen Dienst des Bundes - also in den Bundesministerien, Bundesdienststellen und nachgeordneten Bundesbehörden - 7,1 % beträgt. Frau Kollegin Franzen hat ja schon darauf hingewiesen. Der Bund ist zudem eine Selbstverpflichtung eingegangen, mindestens 6 % Schwerbehinderte zu beschäftigen. Dieses erfreuliche Ergebnis zeigt, dass der öffentliche Dienst nicht nur gesetzliche Anforderungen stellen kann, sondern sie selbst auch deutlich übererfüllen kann und damit ein Vorbild für SchleswigHolstein ist.

Was die Nichterfüllung der gesetzlichen Quote für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein anbelangt, so waren Ausgleichszahlungen notwendig. Die Gesamtabgabe betrug dabei 128.100 €, die aber zum größten Teil mit Aufträgen an Werkstätten für Menschen mit Behinderung verrechnet wurden. Die zu zahlende Restsumme von 32.085 € würde sicherlich nicht zur nachhaltigen Sanierung unseres Haushaltes reichen, aber sie zu zahlen, ist nach wie vor ärgerlich. Es wäre besser, die 5-%-Quote würde erfüllt werden.

(Beifall der Abgeordneten Heike Franzen [CDU])

Vielleicht könnte hier eine intensivere Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise den Jobcentern helfen, gezielt die Beschäftigung arbeitsloser schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst zu erreichen oder zu verstärken. Mögliche Förderprogramme sollten hierauf überprüft werden.

(Heike Franzen)

Auch wenn der Innenminister des Landes unsere Diskussion nachlesen will - ich begrüße, dass er sich damit noch intensiv auseinander setzt -, will ich im Gegensatz zu ihm deutlich machen, dass ich einiges an Kritik an diesem Bericht habe.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das stimmt!)

Im Bericht fehlt eine umfassende Betrachtung der Barrierefreiheit. Eine Voraussetzung für die Beschäftigung behinderter Menschen im öffentlichen Dienst ist nicht nur die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit öffentlicher Gebäude und Dienststellen. Es ist notwendig, auch die Ausbildung, die Fort- und Weiterbildung barrierefrei zu gestalten, um einen Einstieg oder eine Weiterbeschäftigung von Schwerbehinderten zu ermöglichen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Barrierefreie Kommunikationswege sollten Beschäftigten erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen, an ihren Arbeitsplätzen integrativ arbeiten zu können. Hier ist die schon angesprochene Zusammenarbeit mit dem Beauftragten für Menschen mit Behinderung sehr hilfreich. Uli Hase und sein Team haben hier zum Beispiel sehr gute und praktische Vorschläge erarbeitet, die zu einer Verbesserung der Situation führen würden.

(Vereinzelter Beifall)

Ebenso wird in dem Bericht nicht auf die Zahl von Frauen mit schweren Behinderungen im öffentlichen Dienst eingegangen. Nun wurde dies durch den Berichtsauftrag auch nicht explizit abgefragt, den wir mit Drucksache 16/589 gefordert haben. Aber in Zeiten des Gender-Gedankens wäre es schön gewesen, den Frauenanteil an den beschäftigten schwerbehinderten Menschen im Landesdienst zu erfahren.

(Jutta Schümann [SPD]: Eigentlich selbstver- ständlich! - Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, die heutige Situation bei Neueinstellung im Geschlechterverhältnis zu erfahren.

Ansonsten gibt der vorliegende Bericht über Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Behinderung in den öffentlichen Dienst einen guten und umfassenden Überblick über die aktuelle Situation allerdings auf der Datenbasis des Jahres 2004. Für den Bericht und die Aktivitäten zur Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im

öffentlichen Dienst, im Landesdienst gilt es, ein herzliches Dankschön zu sagen. Die Diskussion sollte nicht abgeschlossen sein. Wir werden sie im Sozialausschuss und begleitend im Innen- und Rechtsausschuss sicherlich weiterführen.