Protokoll der Sitzung vom 02.06.2006

Die Zukunft des Fährhafens Puttgarden - das muss man fairerweise einräumen - hängt selbstverständlich davon ab, ob und wie schnell das Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung vorankommt. Wenn die Vorhersage des Wirtschaftsministers von vorgestern Wirklichkeit würde und der Straßen- und Schienenverkehr den Fehmarnbelt ab 2016 auf einer festen Querung kreuzen kann, dann wäre die mittel- und langfristige Zukunft des Fährhafens Puttgarden eine andere als ohne Querung. Wir stehen nach wie vor zu dieser festen FehmarnbeltQuerung.

Der Wirtschaftsminister und meine beiden Vorredner haben bereits ausführlich über einige Details des Berichts referiert. Deswegen möchte ich eine regionalpolitische Folgerung aus dem Bericht ziehen.

Der Handel und der Seetourismus auf der Ostsee laufen aus unserer Sicht immer stärker am Landesteil Schleswig vorbei. Der Landesteil Schleswig profitiert wirtschaftlich offensichtlich nur sehr marginal von diesen Wirkungen des Zusammenwachsens des Ostseeraums. Ähnliches gilt für die Handelsströme aus und nach Skandinavien auf der Straße und der Schiene. Sie fließen durch den Landesteil Schleswig hindurch. Von ihnen profitiert in Schleswig-Holstein, wenn überhaupt, der Hamburger Rand. Denn mit ortgebundenen logistischen Dienstleistungen lässt sich langfristig nur dort Geld verdienen, wo die Handelsströme gebrochen werden, und das findet im Landesteil Schleswig nicht statt.

Der Güterumschlag konzentriert sich immer stärker auf Lübeck. Dieser Trend beruht vor allem auf der immer engeren Zusammenarbeit des Lübecker Hafens mit dem Hamburger Hafen. Ein ganz wichtiger Faktor hierfür sind der Ausbau und die Elektrifizierung der Bahnstrecke Travemünde-LübeckHamburg. Dies ermöglicht quasi einen EisenbahnShuttle-Service zwischen diesen beiden Häfen. Das wird selbstverständlich die Anziehungskraft des Lübecker Hafens weiter verstärken. Das ist grundsätzlich vollkommen in Ordnung und wichtig. Denn ich glaube, dass ein Ausspielen zwischen Norden und Süden keinen Sinn macht. Das Problem ist aber tatsächlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung komplett am Landesteil Schleswig vorbeiläuft. Das wird automatisch dazu führen, dass der Raum Lü

(Thomas Rother)

beck überproportional viele Logistikanbieter anziehen wird. Denn diese gehen selbstverständlich dahin, wo die Güter umgeschlagen werden.

Es gibt also so gut wie keine Möglichkeiten, aus dem Handel im Ostseeraum zusätzliche Wertschöpfung in den Landesteil Schleswig zu locken. Aus unserer Sicht gibt es davon eine Ausnahme. Möglicherweise könnte es nämlich gelingen, Güter- und Personenverkehr über die zivile Mitnutzung des Militärflughafens Schleswig-Jagel an den nördlichen Landesteil zu binden. Das wäre aus unserer Sicht ein strukturpolitischer Erfolg. Vielleicht, Herr Austermann, sollte die Landesregierung diese Entwicklungen nicht nur freundlich beobachten, sondern sich darin ein bisschen stärker engagieren.

Zurück zu den Häfen! Insgesamt entwickelt sich die Ostseehafenwirtschaft positiv. Das ist gut so, und zwar mittelbar für ganz Schleswig-Holstein. Die Landesregierung hat natürlich nach wie vor ihre Strategie verborgen gehalten, wie sie das NordSüd-Gefälle in unserem Land in Zukunft bekämpfen will. Über eine solche Strategie wären in Zukunft vielleicht auch ein paar Worte angebracht.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für den Bericht und verzichte hier auf die Wiederholung der Inhalte. Ich möchte mich auf einige Punkte konzentrieren, einmal auf die Zahlen zur Umschlagsentwicklung. Uns ist aufgefallen, dass die beiden letzten großen Prognosen für Kiel 1989 und 1995 jeweils eine Verdoppelung der Kapazitäten des Kieler Hafens für die nächsten zehn Jahre vorausgesagt haben. Beides ist nicht eingetreten. Jetzt wird wieder eine Verdoppelung vorausgesagt. Wir setzen aufgrund der Erfahrungen dahinter ein Fragezeichen.

Das Außenhandelsvolumen im Ostseeraum steigt erheblich an und wird weiter steigen. Die Steigerung des Außenhandelsvolumens führt aber überwiegend zu mehr LKW-Verkehr und nicht in gleichem Maße zu mehr Schiffsverkehr, obwohl es unbestritten ist, dass der Schiffsverkehr deutlich günstiger ist. Beispiel: Ein Container von Stockholm

nach Hamburg kostet auf dem Seeweg die Hälfte wie auf dem Landweg.

Entscheidend sind die Häfen, wo die Verkehre gebrochen werden, das heißt die Umladekosten und der Service, der dort geboten wird. Entscheidend sind also die Hinterlandanbindungen der Häfen und die Umladeeinrichtungen. Dort muss optimiert werden, dort müssen wir vorankommen.

Daher sehe ich es als zentrales Projekt, die Bahnhinterlandanbindungen der Häfen zu stärken, damit wir durchgehende Züge bis ins Rheinland, bis nach Süditalien und so weiter haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie der Abgeordneten Hans Müller [SPD] und Thomas Rother [SPD])

Wir haben im letzten Bundesverkehrswegeplan die Elektrifizierung und den Ausbau der Strecke Hamburg-Lübeck hinbekommen; das wird hoffentlich auch passieren. Wir haben im Bundesverkehrswegeplan auch den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals. Ich bin entsetzt, dass das jetzt ins Stocken gerät und von der Bundesregierung Signale kommen, dass das nicht mehr stattfinden soll. Dort muss sich die Landesregierung unbedingt engagieren, damit das große Binnenmotorschiff, das das Standardschiff für die Binnenschifffahrt in Zentraleuropa ist, auch den Lübecker Hafen anlaufen kann. Wie die Binnenanbindung des Lübecker Hafens zurzeit ist, ist er praktisch abgeschlossen. Der Kanal spielt praktisch keine Rolle. Das sagt mir die Lübecker HafenGesellschaft. Sie drängt darauf und sie sieht sehr große Potenziale, wenn das umgesetzt wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie der Abgeordneten Hans Müller [SPD] und Thomas Rother [SPD])

Der Bericht thematisiert nicht die FehmarnbeltQuerung und ihre Auswirkungen in ausreichendem Maße. Das geht so nicht. Die Fehmarnbelt-Querung ist eine Investition im Bereich der Schnittstelle Wasser-Land, die etwa so viel kostet wie sämtliche Investitionen aller Kieler Häfen in den letzten 30 Jahren. Das ist eine enorme Investition. Wenn wir dort in dieser Größenordnung investieren, gehen die Investitionsmittel an anderer Stelle verloren - egal, ob es Bundesgelder, Europagelder oder Landesgelder sind; wir finanzieren immer alles gemischt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Alle Hafengesellschaften, sowohl die Kieler Hafengesellschaft als auch die Lübecker Hafen-Gesell

(Dr. Heiner Garg)

schaft als auch die Rostocker, warnen dringend vor dem Bau der Fehmarnbelt-Querung

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

und sagen: Es wird ein Schaden angerichtet, der der gesamten maritimen Wirtschaft schadet. Auf allen Veranstaltungen der maritimen Wirtschaft wird davor gewarnt, diese Querung zu bauen. Sie ist unsinnig, weil es ein reines Touristenprojekt ist. Die überwiegende Nutzung dieses Projektes besteht aus Tourismusfahrzeugen. Auch diese Debatte gehört in einen solchen Bericht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich begrüße genauso wie der Minister, dass es gelungen ist, Port Package II bei der Europäischen Union zu stoppen und es damit möglich zu machen, dass die Häfen eigene Hafenbetriebe haben und die Umschlagseinrichtungen selber organisieren können. Trotzdem wird die Privatisierung derzeit sowohl in Lübeck als auch in Kiel diskutiert. Damit müssen wir uns auseinander setzen. Das muss man anhand der Zahlen im Einzelnen analysieren. Ich sehe es aber ähnlich wie Thomas Rother von der SPD, dass man diesen Plänen durchaus kritisch gegenüberstehen muss. Es darf nicht dazu kommen, dass ein Ausverkauf von Strukturen stattfindet, der kurzfristig Geld bringt, langfristig aber teurer wird und letztlich die Gestaltungsmöglichkeiten der Städte zunichte macht.

Zum Schluss möchte ich zusammenfassen: Sowohl aus finanziellen Gründen als auch aus ökologischen Gründen ist es richtig, die Ostsee verbindet, die Nordsee verbindet die Staaten und trennt sie nicht. Die Seewege sind billiger als die Landwege. 90 % aller Güter auf den Weltmärkten werden über das Wasser transportiert.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es wäre falsch, wenn wir aufgrund von DumpingPreisen russischer LKWs kurzfristig in die falsche Richtung investieren. Langfristig wird die Ostsee der Transportweg sein. Das muss ausgebaut werden, da muss die Infrastruktur entwickelt werden. Das ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Thomas Rother [SPD])

Ich danke Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ostsee ist ein Binnenmeer, das heute bereits einen überproportional hohen Anteil an Schiffsverkehr aufweist. Der Bericht weist darauf hin, dass aktuelle Studien und Untersuchungen prognostizieren, dass in Zukunft mit einem immensen Wachstum zu rechnen ist. Insbesondere für den Kieler und den Lübecker Hafen werden für den Güterumschlag sowie im Passagier- und Kreuzfahrtverkehr gute Wachstumschancen vorhergesagt, was somit auch ihre Position als Ostseehäfen weiter stärken wird.

Leider trifft der Bericht der Landesregierung aber keine konkrete Aussage zur zukünftigen Entwicklung und Perspektive zum Hafen Puttgarden. Denn es zieht sich wie ein roter Faden durch den Bericht, dass die Zukunft des Hafens Puttgarden von der Realisierung der festen Fehmarnbelt-Querung abhängig ist.

Während sich die Hafenstandorte Kiel und Lübeck bereits heute entsprechend auf die Zukunft vorbereiten können, schwebt über dem Puttgarder Hafen ein Damoklesschwert und das hängt an der Brücke. Wir müssen leider Gottes noch mindestens noch zehn Jahre darauf warten, bis man konkrete Aussagen treffen kann, ob sich Puttgarden weiterentwickeln darf oder nicht. Es wäre für den Hafen und die Region Puttgarden wünschenswert, wenn es endlich Planungssicherheit gäbe. Die Landesregierung hat eine Verantwortung gegenüber dem Betreiber des Hafens, insbesondere wenn es um derart einschneidende politische Infrastrukturmaßnahmen geht.

Während sich der Kieler Hafen durch seine jetzige neue Struktur für die Zukunft gut gerüstet sieht, sucht die Stadt Lübeck derzeit nach einem strategischen Partner, um die Wettbewerbsfähigkeit des größten Ostseehafens zu verbessern. Aus diesem Grund wurde vorgesehen, ein Bieterverfahren einzuleiten, um Anteile der Lübecker Hafen-Gesellschaft an Dritte zu übertragen. Die Landesregierung weist im Bericht zu Recht darauf hin, dass darauf zu achten ist, dass sich die neuen Betriebs- und Gesellschaftsstrukturen nicht schädlich auf etwaige künftige Fördermittel auswirken. Hier handeln Kiel und Lübeck eigenverantwortlich. Aber die Voraussetzungen sind hinlänglich bekannt und die

(Karl-Martin Hentschel)

Städte müssen das Ihrige dafür tun, dass diese Mittel nicht in Gefahr geraten.

Gerade durch die polnischen Häfen und durch mögliche infrastrukturelle Maßnahmen wie den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung oder Ausbau der polnischen und baltischen Straßeninfrastruktur wird sich der Wettbewerb für die deutschen Ostseehäfen in Zukunft weiter verschärfen. Die schleswig-holsteinischen Ostseehäfen befinden sich aber auch untereinander im Wettbewerb und sie befinden sich im Wettbewerb mit den Häfen in Mecklenburg-Vorpommern. Aus diesem Grund müssen die Ostseehäfen eine stärkere Zusammenarbeit und Kooperation anstreben, um ihre Marktanteile im Ostseeraum auch künftig zu sichern.

Eine funktionierende Hinterlandanbindung ist unabdingbar und zu Recht macht der Bericht deutlich, dass eine leistungsfähige überregionale Verkehrsinfrastruktur die Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Standorte ist. Hauptachsen der Hinterlandanbindung sind die Schienenstrecken und Autobahnen zu den Häfen. Dies gilt insbesondere für den zu erwartenden Güterumschlag in Lübeck. Man geht davon aus, dass im Jahr 2015 täglich bis zu 150 Güterzüge im Raum Lübeck erwartet werden. Hier muss eine reibungslose Vernetzung mit dem Hamburger Hafen gewährleistet sein. Schienenengpässe darf es dann nicht länger geben. Wenn wir wollen, dass der Lübecker Hafen weiterhin Markführer im Ostseeraum bleibt, dann müssen wir dieses Projekt vonseiten des Landes entsprechend fördern. Nur wenn wir dies hinbekommen, schaffen wir auch eine zusätzliche Verbindung von Lübeck über Hamburg bis hin zur Nordsee.

Von großer Bedeutung für die Zukunft wird die Verlagerung der Verkehre von der Straße auf Schiene und Seewege sein. Straßen und Luftverkehr sind die Verkehrsmittel mit den größten negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Daher muss das Konzept „from road to sea“ stärker vorangebracht werden. Damit derartige Konzepte aber von Erfolg gekrönt sind, ist die Förderung der Schiene als Hinterlandanbindung unabdingbar.

Wenn wir also den Verkehr künftig ökologisch und ökonomisch gestalten wollen, dann kann dies nur mit derartigen Konzepten funktionieren. In diesem Zusammenhang ist die feste Fehmarnbelt-Querung nicht nur kontraproduktiv, sondern sie wird dafür sorgen, dass vorhandene gut funktionierende Schifffahrtsstrukturen zerstört werden. Für die Region Puttgarden würde dies bedeuten, dass dort 1.500 Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Darüber hinaus dürfen wir uns keiner Illusion hingeben, dass wir mit dem Bau der Brücke Arbeitsplätze in

Schleswig-Holstein schaffen. Der Bau der festen Fehmarnbelt-Querung ist ein Bundesprojekt. Da es auf Bundesebene keine Tariftreue gibt, können wir heute nur spekulieren, aus welchem europäischen Land die Bauarbeiter kommen, die dann das größte Bauwerk in Schleswig-Holstein errichten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aus Dänemark!)

- Lieber Kollege Kubicki, auf jeden Fall werden es keine schleswig-holsteinischen Arbeiter sein. Ich bin für Schleswig-Holstein gewählt und nicht für andere Länder.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist denn das für ein Scheißargument?)

Der Bau der Brücke schafft zwar kurzfristig viele Arbeitsplätze, aber die feste Fehmarnbelt-Querung wird langfristig rund 1.500 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein abbauen und einen funktionierenden Ostseehafen zerstören. Die Auswirkungen auf den Tourismus in Lübeck wurden uns in der letzten Woche in Lübeck klargemacht. 30 % der Touristen sind aus Schweden. Diese schwedischen Touristen, die jetzt mit Schiffen anreisen und keinen Drang verspüren, weiterzufahren, werden dann auf der Autobahn durchrauschen.

(Beifall beim SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Für einen Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Kubicki das Wort. Lieber Herr Kubicki, aber bitte immer in parlamentarischer Redeweise!

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag des Kollegen Rother gibt mir Gelegenheit, über den aktuellen Anlass hinaus noch auf etwas hinzuweisen: Lieber Kollege Rother, vor dieser Veranstaltung auf der „AIDAblu“, die ich Ihnen von Herzen gegönnt habe, weil ich sicher bin, dass Sie sich gefreut haben, auf so einem großen Schiff zu sein, gab es einige Tage vorher eine Einladung des Innenministers zu einer Hafenanlagensicherheitskonferenz mit allen Hafenbetreibern auf der etwas unkomfortableren und kleineren „Kronprins Harald“, an der ich teilgenommen habe. Interessanterweise habe ich dort keinen von Ihnen gesehen. Die spannende Frage ist nun, ob Sie nicht eingeladen worden sind oder ob Sie nicht kommen wollten.