Protokoll der Sitzung vom 02.06.2006

(Heiterkeit)

Mookt nix, nich jeder en mutt Platt schnacken, aver, leve Martin Kayenburg, af un an - Frauke hett dor all op hinwiest - schullen wi uns överleggen, wat wi vun de Politik noch moken künnt, und af un an künnt wi ok den Biraat mol wedder inberopen.

Ok symbolisch is mennigmol al veel to bewirken. So geef dat siet bald 15 Johr bi uns in de Regierung ene „Beauftragte für Minderheiten und Niederdeutsch“. Ok dorop hett Fru Tengler eben hinwiest. In den Koalitionsverdrag hebbt wi uns verplicht, den Amtsnoom zu beholn. Liekers heet de Deern in

(Frauke Tengler)

de Staatskanzlei nu nich mehr „Beauftragte für Minderheiten und Niederdeutsch“, sünnern „Beauftragte für Minderheiten und Kultur“. Dat hett bi de Plattdüütschen Irritationen utlööst, un Frauke Tengler un ik hebbt an unsen Ministerpräsidenten schreven - ik foot dat mol tosomen -:

Plattdüütsch töövt se mit Geschnatter sehnlichst op den Landesvadder,

nüms versteiht, wenn he nich deit, wat nix kost un liekers freit.

(Heiterkeit)

Leider hett uns de Ministerpräsident torüchschreven, dat allens so blifft, as dat is. He wull uns woll ok mal wiesen, dat he nich ümmer blots de fründliche Peter Harry is, sünnern dat he af un an ok en echten Nordstrander Dickkopp sien kann.

(Heiterkeit und Beifall)

Dat uns Caroline nöömt warrt, mag en formale Sook sien, un dat is goot, wenn se sik denn inhaltlich ördentlich kümmern deit. Ok för uns all hier gifft dat inhaltlich sekerlich noch en beten wat to doon. Ik will dree Punkten nennen: So hebbt wie to‘n Bispill jo grad den Bildungsopdrag för uns Kinner ok in dat Kinnergoorngesetz rinschreven. Schullen wi nich utdrücklich dorto schrieven, dat dat sünnerlich ok för Plattdüütsch un Freesch gellen schall, jedenfalls in de Rebeten vun uns Land, wo noch Plattdüütsch leevt?

Tweten Punkt: Wi hebbt ok gode Regeln för Plattdüütsch bi Studenten un Referendaren för dat Lehramt Düütsch. Se mööt ok Plattdüütsch beleggen. Man wi weet ut uns egen School- un Studententied doch, dat man tietökonomisch blots de Fächer richtig för vull nimmt, in de man ok Klausuren schrieven mutt. Dat heet, wi möt dorhin kamen, dat dat, wat in Plattdüütsch leistet warrt, ok Noten kriggt.

En drüdden Punkt: An de Universität Flensburg hebbt wi dat noch nich hinkregen, en Professur för Plattdüütsch intorichten. Forschen un Lehren deit ok hier nödig, genau as in Kiel, wenn wi de richtige Substanz för dat Utbilden vun Lehrerstudenten in Plattdüütsch hebben wüllt. Ok dor mööt wi achteran sien.

Laten Se uns all tosomen dorför sorgen, dat dat Plattdüütsche in Schleswig-Holstein ok tokünftig leevt un leven kann!

(Beifall)

Ik dank unsen Kolleg Klaus-Peter Puls ok för de feinen plattdüütschen Gedichte. Ich bin nicht sicher, ob unsere Zuhörer uns verstehen, aber ich hoffe, es motiviert sie, einmal ins Plattdeutsche hereinzuhören.

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein ist ein multikulturell angelegtes Bundesland und deshalb beginne ich mit einer ersten hochdeutschen Debattenrede.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich verstehe als gebürtiger Kieler zwar Niederdeutsch und Plattdeutsch sehr gut, aber sprechen kann ich es nicht - jedenfalls nicht gut. Deshalb rede ich hochdeutsch.

Der Schleswig-Holsteinische Heimatbund hat vor kurzem eine Situationsbeschreibung, eine Sachstandsbeschreibung in punkto Niederdeutsch in Schleswig-Holstein zu Papier gebracht. Dabei hat der Heimatbund zu Recht auf bemerkenswerte Erfolge hingewiesen, etwa auf die blühende Landschaft niederdeutscher Bühnen und auf die Teilnahme wirklich sehr vieler Schulen an plattdeutschen Vorlesewettbewerben. Es wurde natürlich auch auf die Verbesserungen, die im staatlichen Bereich bei der Verankerung des Niederdeutschen zustande gekommen sind - etwa durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen - hingewiesen.

Dann allerdings folgen in dem Papier des Heimatbundes auch einige nachdenklich stimmende Passagen. Sie wirken gewissermaßen wie ein kräftiger Regenguss auf die sonst allenthalben in Sachen Niederdeutsch verbreitete Schönwetterlaune. Ich zitiere einmal einen Abschnitt:

„Also - alles steht zum Besten für das Plattdeutsche. Wenn nicht die Wirklichkeit von Bildung, Ausbildung und die allgemeine Entwicklung von Sprachkompetenzen andere Tendenzen zeigten. In den Bildungsinstitutionen nimmt das Niederdeutsche Randplätze ein; kaum einer macht sich klar, dass das Niederdeutsche zu den kulturellen Überlieferungen und auch zur gegenwärtigen Kultur gehört, wie die Landesgeschichte, wie Literatur, wie Musik et cetera. Die Selbstständigkeit der niederdeutschen Kultur ist den we

(Klaus-Peter Puls)

nigsten Menschen im Lande deutlich, auch wenn die Stigmatisierung der Sprache inzwischen aufgehört hat, ein Hemmnis für den Gebrauch und die Anerkennung des Niederdeutschen zu sein. Heute ist der Generationenbruch in der Weitergabe des Niederdeutschen das Haupthindernis … Niederdeutsch kann nur in den Elternhäusern weitergegeben werden, ob nun Großeltern oder Eltern die Vermittler sind. Dies ist nicht Aufgabe der Schule; die Schule soll vielmehr mit dem Bereich der niederdeutschen Kultur bekannt machen und dafür sorgen, dass das Niederdeutsche als Gegenstand allgemeiner Bildung durchgesetzt wird und erhalten bleibt.“

Für die Kultur- und Bildungspolitik sind damit zentrale Aufgaben beschrieben, deren Erfüllung noch aussteht. Das Wissen um die Eigenständigkeit der niederdeutschen Kultur als wesentlicher Bestandteil der kulturellen Überlieferung bedarf einer breiteren und festeren Verankerung. Anders ausgedrückt - und das hat auch der Ministerpräsident eben so gesagt -: Das Niederdeutsche darf nicht in einige wohlgelittene folkloristische Reservate abgedrängt werden.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Punkt ist. Anders kommen wir bei der Verankerung des Niederdeutschen in unserem Land nicht voran.

Auch wenn man die Schülerinnen und Schüler in unserem Land - und insoweit würde ich gern über die Aussage aus dem Text des Heimatbundes hinausgehen - wirklich mit der niederdeutschen Kultur vertraut machen will, sind noch erhebliche zusätzliche Anstrengungen erforderlich.

Auf dem Landesfachtag Deutsch, bei dem sich vor gut einem Jahr in Kiel rund 1.200 Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer getroffen haben, hat das holsteinische Zentrum für Niederdeutsch aus Ratzeburg unter anderem einen Infostand angeboten und Unterrichtsmaterialien präsentiert. Bei der Auswertung dieser Veranstaltung ist dann das Fazit gezogen worden, dass es vonseiten vieler Deutschlehrer noch Hemmnisse und Barrieren gibt, die überwunden werden müssen, um das Niederdeutsche im Deutschunterricht wirklich in der angemessenen Weise mit zu berücksichtigen und zu verankern. Im Erfahrungsbericht wird dies in dem Fazit, das die Veranstalter ziehen, ganz deutlich.

Dann noch ein Hinweis auf das, was recht gut läuft: Wir haben eine unglaublich aktive NiederdeutschSzene - ich sage es einmal so allgemein - im Land. Wir haben Vereine und Initiativen, die mit einer un

glaublichen Kraft und einem bewundernswerten Engagement ihre Arbeit betreiben.

Ich will zum Schluss eine von der Internetseite PLATTNET.de berichtete schöne Geschichte ansprechen. Vor einigen Wochen gab es dort eine Pressemeldung, die ich sehr gut fand: „Plattdeutsch gegen Gewalt an Schulen“. Da wurde die Ministerin Erdsiek-Rave mit der Bemerkung zitiert: „Aufgrund des besonderen sprachintegrativen Konzeptes des nördlichsten Bundeslands sei es gelungen, Schüler verschiedenster kultureller Herkunft friedvoll miteinander in Kontakt zu bringen.“

Am nächsten Tag - dem 2. April - ist ein Hinweis nachgeschoben worden, dass es sich doch um einen Aprilscherz gehandelt habe. Aber dass man diesen Hinweis ausdrücklich geben musste, finde ich doch bemerkenswert, denn offensichtlich gab es einige, die am 1. April die Meldung tatsächlich geglaubt haben.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Fraktionsvorsitzende, der Herr Abgeordnete KarlMartin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Noch zurzeit meines Vaters war Plattdüütsch die Umgangssprache der einfachen Leute, die auf der Straße gesprochen und gelernt wurde. Wer aber weiterkommen wollte, musste schon damals Hochdeutsch lernen.

Heute lebt das Platt, die alte Sprache der Sachsen, zu denen auch die Holsteiner und Dithmarscher gehören, aber auch die alte Sprache der Lübschen und Hamburger Hanseaten, nur noch auf den Dörfern. Selbst da ist es unaufhaltsam auf dem Rückzug, während es in den Städten fast ausgestorben ist.

Nun wird uns schmerzlich bewusst, dass mit der Sprache unserer Vorfahren auch ein Teil unserer gemeinsamen Kultur, ein Teil unseres historischen Erbes, ausstirbt. Deswegen bedanke ich mich dafür, dass dieses Thema heute thematisiert wird.

Ich bin aber auch ärgerlich. Denn dass die beiden Regierungsfraktionen hier ohne Zeitdruck einen mündlichen Bericht angefordert haben, der von den Fraktionen vorher nicht gelesen werden konnte, finde ich nicht angemessen. Das hat doch zur Folge, dass niemand im Vorfeld wusste, worüber eigent

(Dr. Ekkehard Klug)

lich geredet werden sollte. Oder haben die Regierungsfraktionen etwa den Bericht vorab zur Kenntnis bekommen? Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bericht durch die Opposition ist so nicht möglich und vielleicht auch gar nicht gewollt.

(Klaus-Peter Puls [SPD]: Mündlich, Herr Kollege Hentschel!)

- Ja eben, das habe ich gerade kritisiert!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Du hättest auch mal schneller reagieren können!)

- Sehr geehrte Frau Kollegin Frauke Tengler, lieber Klaus-Peter Puls, ich hätte mir gewünscht, dass Sie dieses Thema ernst nehmen, vor allem, wenn es morgens um zehn Uhr zur besten Zeit auf die Tagesordnung gesetzt wird. So drängt sich der Verdacht auf, dass die beiden Regierungsfraktionen nur einmal schnell das Thema besetzen wollten, in der Hoffnung, dass N3 sie dann mit ein paar platten Sprüchen - im wörtlichen Sinne natürlich - bringt.

(Zuruf: Nur kein Neid!)

Leider ist der Ministerpräsident auf die entscheidenden Punkte, nämlich Schulen und Lehrerausbildung, nicht eingegangen. Wollen wir mehr Niederdeutsch in den Schulen oder wollen wir mehr Englisch? Wollen wir die Voraussetzungen der Deutschlehrer ändern, sodass Deutschlehrer mehr Qualifikationen im Bereich Niederdeutsch haben, oder wollen wir das nicht? Wollen wir eher die politische und wirtschaftliche Bildung oder die Traditionen und das Niederdeutsche an den Schulen stärken? Das sind doch die Fragen, die sich ganz konkret stellen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das schließt sich nicht aus!)

Mit diesen Fragen müssen wir uns auseinander setzen. Das sind auch die Fragen, um die sich die Diskussion in den letzten Jahren ganz konkret gedreht hat. Es gibt nicht beliebig viele Stunden an den Schulen und wenn man dort etwas machen will, muss man Entscheidungen treffen und sich mit diesen Fragen auseinander setzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)