Protokoll der Sitzung vom 28.06.2006

Das Volumen des ausgebaggerten Schlicks aus dem Hamburger Hafen hat in den letzten zehn Jahren um das Zwanzigfache zugenommen. Dies wird nicht zuletzt auch auf die die Elbvertiefungen und die dadurch ausgelöste höhere Fließgeschwindigkeit zurückgeführt. Große Teile von diesem Schlick werden in der Nähe von Helgoland verklappt und belasten mit ihren Schadstoffeinträgen potenziell die Westküste. Hierhin sollte allenfalls ausschließlich aufbereitetes Baggergut verbracht werden, was ungefähr einer Million Jahrestonnen entsprechen dürfte. Zukünftig ist das Baggergut so abzulagern, dass die Verschlickung der Westküstenhäfen verhindert wird.

Auf Kosten der Steuerzahler und der Natur wollen die Bundesländer Hamburg, Bremen und Niedersachsen drei Seehäfen mit Milliardensubventionen ausbauen. Eine vernünftige Kooperation der Häfen wäre billiger und käme mit weniger ökologischen Eingriffen aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die gleichzeitige Vertiefung von Außenweser und Unterelbe mit dem zusätzlichen Neubau eines Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven bedeutet die Absage an ein integriertes norddeutsches Hafenkonzept. Letzteres wäre eine rationale Position für den Norden. Die knappen Finanzressourcen des Bundes und der Länder müssen zielgerichtet eingesetzt werden. Herr Kollege Arp, ich habe Ihren Zwischenruf vorhin gehört. Ich nenne Ihnen einmal die Summen, um die es hier geht. Die aktuelle Finanzierungslücke beim Jade-Weser-Port beträgt 140 Millionen bei Gesamtinvestitionskosten von 926 Millionen €. Die große Koalition in Berlin finanziert alle Konkurrenzprojekte im Seehafenbereich ohne jede Koordination und Schwerpunktsetzung. Wir sollten uns im internationalen Wettbewerb besser aufstellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Stattdessen eine Verschärfung der Konkurrenz der norddeutschen Häfen untereinander am Ziel vorbei, eine neue Runde des Ausbau- und Subventionswettbewerbs zulasten der öffentlichen Haushalte und gleichzeitig eine Erhöhung von Risiken für Ökologie und Sicherheit - so kann es nicht gehen. Wir brauchen ein integriertes norddeutsches Seehafenkonzept.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ein Titan der Mee- re!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Detlef Matthiessen, für deine erste Rede in dieser Legislaturperiode, deine so genannte Jungfernrede, die es aber eigentlich nicht war, hätte ich dir ein besseres Thema gegönnt, ein Thema, bei dem du ein bisschen mehr Kompetenz hast. Man merkte, du warst lange nicht dabei. Du hast uns vorgeschlagen, wir sollten mehr planen. Gerade aus dem Bereich der Fahrrinnenanpassung wissen wir, dass wir sieben Jahre lang planen, um ein halbes Jahr zu bauen.

Der Hamburger Hafen ist ohne Zweifel der wichtigste Motor für das Wirtschaftswachstum in ganz Norddeutschland.

(Beifall bei der CDU)

Seit Jahren eilt der Hamburger Hafen von Umschlagrekord zu Umschlagrekord. Gerade unser schönes Schleswig-Holstein profitiert von dieser positiven Entwicklung. In den vergangenen Tagungen haben wir in diesem hohen Hause mehrfach darüber diskutiert. Über die Entwicklung der maritimen Wirtschaft haben wir uns hier im letzten halben Jahr mindestens vier- oder fünfmal auseinander gesetzt. Lieber Kollege Matthiessen, wir waren uns bei der Beurteilung in dieser Frage auch alle einig.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nicht zur Elbvertiefung!)

- Sie waren ja auch nicht dabei. Fragen Sie Ihren Kollegen. Er wird Ihnen bestätigen, dass wir uns in der Frage des boomenden maritimen Marktes einig sind. Fragen Sie Ihren Chef; er wird Ihnen das bestätigen.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nicht zur Elbvertiefung!)

Frau Kollegin, lassen Sie mich doch einmal zu Ende sprechen. - Umso erstaunter bin ich nun über diesen Antrag der Fraktion der Grünen. Wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens als Zentrum der maritimen Wirtschaft in Norddeutsch

(Detlef Matthiessen)

land wirklich gefährden, indem Sie hier und heute die notwendige Fahrrinnenanpassung der Außenund Unterelbe ablehnen?

Sie brauchen sich doch nur die Fakten anzuschauen. Dann werden Sie erkennen, welch grob fahrlässigen Antrag Sie hier gestellt haben. Offensichtlich haben Sie sich wieder einmal nicht mit den Fakten beschäftigt. Ich erkläre sie Ihnen aber gern. Herr Matthiessen, hören Sie zu. Rund 154.000 Menschen aus der Metropolregion, darunter circa 33.000 Schleswig-Holsteiner, finden rund um den Hamburger Hafen Arbeit. Bundesweit sind es sogar 250.000 Menschen. Die Wertschöpfung der Arbeitsplätze im Jahr 2004 betrug 12,5 Milliarden €. Innerhalb von fünf Jahren verdoppelte sich der Containerumschlag auf rund 8 Millionen TEU. Bis zum Jahre 2015 wird eine weitere Steigerung auf 18 Millionen TEU, also auf mehr als das Doppelte erwartet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Übrigen gilt das Schiff auch nach Ihren Aussagen als eines der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel.

(Beifall bei CDU und SPD)

Was Sie jetzt vorschlagen, ist doch nichts anderes als eine Verlagerung from sea to road, das heißt konkret, von Rotterdam auf die Straße hier nach Deutschland. Vor dem Hintergrund dieser Fakten halte ich Ihren Antrag, gelinde gesagt, für einen Skandal.

Der Hamburger Hafen wird sein Wachstum nur fortsetzen können, wenn er auch für die Containerschiffe der fünften und sechsten Generation erreichbar ist. Daher ist die Fahrrinnenanpassung auf 14,5 m unumgänglich. Diese Notwendigkeit haben auch der Wirtschaftsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages und der Wirtschaftsausschuss der Hamburger Bürgerschaft erkannt und dazu vor zehn Tagen in Hamburg eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Die GAL - dies sei zu Ihrer Information gesagt - hat nicht gegen diesen Beschluss gestimmt. Ihre Kollegen in Hamburg haben sich der Stimme enthalten. Daran sollten Sie sich vielleicht ein Beispiel nehmen und mit Ihren Kollegen einmal darüber reden.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich sind notwendige Voraussetzungen für die Fahrrinnenanpassung die unbedingte Gewährleistung der Deichsicherheit und die Berücksichtigung der ökologischen Belange. Diesbezüglich stehen wir an Ihrer Seite. Insbesondere die Deichsicherheit liegt uns am Herzen. Sie brauchen nur einen Blick auf die schleswig-holsteinische Landkarte zu werfen; dann werden Sie auch wissen, warum das so ist. Mindestens die Hälfte meines

Wahlkreises liegt an den Elbdeichen. Wie die Situation dort vor Ort gesehen wird, kann ich Ihnen genau sagen. Ich weiß, dass dies ein sehr emotionales Thema ist. Gerade deshalb müssen wir verantwortungsvoll damit umgehen und dürfen keine populistischen Parolen in die Welt setzen. Bei einem so emotionalen Thema muss man die Menschen verantwortungsbewusst mitnehmen. Was Ihr Kollege Rainder Steenblock in diesem Zusammenhang tut, ist zum Teil unmoralisch.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das sind unglaubliche Vorwürfe, die Sie da erheben!)

Ich weiß im Gegensatz zu Ihnen, wovon ich rede. Senator Freytag aus Hamburg hat folgende Vorschläge gemacht, die Sie heute auch dem sh:z haben entnehmen können. Wichtig sind - auch unter ökologischem Aspekt - die Schaffung großzügiger Überflutungsräume, der Abbau von Uferbefestigung und die Schaffung neuer Flachwasserzonen. Bei diesen Vorschlägen sind wir mit Ihnen in einem Boot.

Lassen Sie mich noch ganz kurz das Problem der Verschlickung der Elbanrainerhäfen ansprechen. Auch Sie sprachen davon, Herr Matthiessen. Auch bei diesem Thema sind wir an Ihrer Seite. Die Hamburger haben jetzt erstmalig 5 Millionen € für einen Fonds für die Elbanrainerhäfen bereitgestellt. Diesen Weg unterstützen wir. Ich sage an dieser Stelle, dass wir den Hamburgern für dieses Signal dankbar sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Gerade weil wir es mit einem emotionalen Thema zu tun haben, muss den Leuten auch verdeutlicht werden, dass sie Vorteile von einer solchen Maßnahme haben und ein Teil der Wertschöpfung in Schleswig-Holstein bleibt. Wir wissen aber auch, dass die erwähnten 5 Millionen € nicht ausreichen. Alle diejenigen, die ein Interesse an der Fahrrinnenvertiefung haben, sollten selbst noch weiteres Geld zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich fordere die Hamburger Hafenwirtschaft auf, sich an der Auffüllung des Fonds zu beteiligen. Nur dann, wenn wir den Leuten vor Ort die Notwendigkeiten sachlich und vernünftig erklären, werden wir sie auch mit ins Boot bekommen.

Ich weiß, dass ich die Redezeit überzogen habe. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Es gibt im Zusammenhang mit diesem Thema noch eine Menge zu diskutieren. Ich sage Ihnen nur noch eines: Die

(Hans-Jörn Arp)

Arbeitnehmer des Landes sind uns dankbar, wenn wir uns für die Arbeitsplätze im Hamburger Hafen einsetzen. Die vielen Arbeitslosen haben kein Verständnis für Ihre Haltung.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Thomas Hölck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Elbregion mit der Metropolregion Hamburg ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Grundlage für Beschäftigung und Wohlstand ist der internationale Seehandel. Die Lebensader dafür ist die Elbe.

Wirtschaftsgeografisch ist der Hamburger Hafen privilegiert. Die Nähe zu Lübeck bringt dem Lübecker Hafen einen kräftigen Wachstumsschub. Der Containerumschlag wird sich im Hamburger Hafen in den nächsten zehn Jahren mehr als verdoppeln. Dieser Wachstumskern muss gestärkt werden und Schleswig-Holstein muss sich bemühen, die Wachstumsimpulse über die Infrastrukturentwicklungsachsen A 23, A 7 und A 1 ins Landesinnere zu holen. Zur Sicherung vorhandener und Schaffung neuer Arbeitplätze ist es notwendig, für eine wettbewerbsfähige Seeschifffahrtsstraße zu sorgen.

Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt bei der geplanten Fahrrinnenvertiefung der Unter- und Außenelbe die Position der norddeutschen Länder Hamburg, Niedersachsen, Bremen und SchleswigHolstein vom 17. Juni 2004, dass der weitere Fahrrinnenausbau nur unter unbedingter Gewährleistung der Deichsicherheit und ökologischer Belange realisiert wird. Das abschließende Einvernehmen mit dem Fahrrinnenausbau kann erst nach Vorlage und Prüfung aller Untersuchungsergebnisse erklärt werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für mich und meine Fraktion gibt es keinen Anlass, von dieser Position abzurücken. Dabei ist auch entscheidend, dass die Ergebnisse des Beweissicherungsverfahrens der letzten Elbvertiefung im Hinblick auf die Deichsicherheit und die betroffenen Lebensräume an der Elbe in die weitere Planung einer Elbvertiefung mit einfließen. Richtig ist, dass die Verschlickung in den Nebenflüssen und Häfen

der Unterelbe seit der letzten Elbvertiefung offensichtlich erheblich zugenommen hat, wobei bisher keine Ursache-Wirkungsverflechtung nachgewiesen werden konnte.

Die Unterelbe ist nicht nur als internationale Wasserstraße von großer Bedeutung. Wassersport und Tourismus haben sich entlang der Unterelbe etabliert. Wassersportangebote, Naherholung und Freizeittourismus sind ein so genannter weicher Standortfaktor. Soll heißen: Hoch qualifizierte Fachkräfte, die in der Metropolregion gebraucht und gesucht werden, treffen ihre Standortentscheidung für einen Arbeitsplatz unter anderem auch über die weichen Standortfaktoren.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Ich trete dafür ein, die maritime Erlebniswelt der Elbregion zu bewahren und auszubauen. Das kann aber nur gelingen, wenn die Funktionstüchtigkeit der Nebenflüsse und Häfen gesichert wird. Deshalb begrüßt die SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich, dass die Stiftung Elbefonds vom Hamburger Senat beschlossen wurde, ein Ausgleichsfonds, aus dem den Betreibern der Elbhäfen nach bestimmten Kriterien ausreichend finanzielle Unterstützung zur Minderung beziehungsweise Beseitigung der Verschlickung zur Verfügung gestellt werden soll. Allerdings wehre ich mich dagegen, dass dieser Fonds weiter aus Steuermitteln finanziert wird. Die Elbvertiefung ist ein Projekt der Hamburger Hafenwirtschaft, die daher auch in der Verantwortung steht, diesen Ausgleichsfonds finanziell entsprechend auszustatten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Die Einrichtung einer Stiftung Elbefonds ist ein positives Signal, dass im Gegensatz zur Vorgehensweise bei der vorherigen Elbvertiefung die Bedenken und Interessen der Betroffenen vom Projektträger ernst genommen werden.

Die geplante Elbvertiefung ist eine technische Herausforderung, der sich die Wasserbauingenieure und Planer stellen müssen, weil allein rund 38 Millionen m3 Geröll und Sand aus dem Flussbett ausgebaggert werden müssen, fast doppelt soviel wie bei der letzten Ausbau vor sieben Jahren. Aber anders als Sie, Herr Matthiessen, setze ich auch auf technischen Sachverstand, bevor ich eine der wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen in Norddeutschland pauschal ablehne.

(Beifall bei SPD und CDU)